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9. Feuneland

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Warme Gefühle durchfluteten Martin Feune. Er stand an der Grenze seines Grundstücks und betrachtete das Areal mit Stolz. Er war am Ziel seiner Träume. Nein, noch nicht ganz. Aber zumindest kam es in greifbare Nähe. Er war ein großer Mann und brauchte ein großes Haus. Eines, das seiner würdig sein sollte. Ein Haus, das Schutz bot, wie eine Burg mit ihm als Burgherr, genau so ein Haus wollte er.

Er las seinen Namen auf dem Bauschild. Bauherr: Martin Feune. Jetzt war hier noch eine wild wachsende Obstwiese, in der Äste lagen und Büsche wuchsen, wie sie wollten, die niemand schnitt und die wohl auch niemand je gepflegt hatte. Unnützes Gestrüpp, aber bald schon würde hier sein Haus stehen, ein Haus wie eine Burg, aus massiven Felsen, so sollte es erscheinen. Wenn man die neonroten Holzpflöcke, die im hohen Gras kaum sichtbar waren, zu einem Grundriss miteinander verband, konnte man die Konturen des Gebäudes erkennen. Im Geiste teilte er die Räume zu, das Schlafzimmer, das Wohnzimmer, die für die Gäste. Den Ruheraum, den man vollständig verdunkeln konnte, nur für ihn selbst, wenn er für sich sein wollte. Er hatte an alles gedacht. Auch an das Nähzimmer für seine zukünftige Frau, die er zwar noch nicht hatte, aber früher oder später würde jemand das Leben an seiner Seite mit ihm teilen, da war er sich sicher.

Bauherr, der Herr über den Bau, genau das war er. Die Abbildung auf dem Schild zeigte ein x-beliebiges Objekt aus dem Fundus der Baufirma. Alle sahen nur das Standardhaus in rotem Klinker. Den kleinen gedruckten Zusatz "Das abgebildete Foto gibt nicht das geplante Gebäude wieder und dient nur zur Darstellung des Bauvolumens" las niemand. Das Bild sollte vor störenden Fragen schützen. Er hatte mit dem Chef der Baufirma diskutieren müssen, aber schließlich gab dieser nach und druckte dieses Bild auf das Bauschild. Nervige Fragen blieben ihm so erspart. Sein Haus würde ganz anders sein als diese mickrigen, austauschbaren Buden im Neubaugebiet. Dort wollte er auf gar keinen Fall wohnen, zu eng, zu dicht, zu viele Nachbarn. Ein Makler hatte dort ein Grundstück vorgeschlagen und er hatte brüsk abgelehnt. Er gehörte hierher, mit seiner Burg, in die Mitte des Ortes. Er war froh darüber, den Architekten schon zu Anfang des Projektes gefeuert zu haben. Zu verspielt waren seine Vorstellungen, zu bieder sein Geschmack. Alles, was er vorschlug, war auch noch teuer. Viel zu teuer. Von "angepasstem Bauen" und "ortsüblicher Architektur" hatte er schwadroniert, aber genau das war ihm völlig egal. Er wollte keine Rücksicht nehmen auf seine Umgebung, sich nicht anpassen, das hatte er nicht nötig, das tat er im Beruf auch nicht. Nein, er wollte sich nicht integrieren in eine Gemeinschaft, die er nicht einmal kannte. Niemand aus dem Ort hatte ihn begrüßt, als er das Grundstück erworben hatte. Wieso sollte er sich dann um die Meinung anderer Leute scheren?

Das Haus würde alles überragen, das in der Umgebung stand. Er hatte es selbst entworfen, nach seinen eigenen Vorstellungen. Der Ingenieur der Baufirma hatte ihm nur ein wenig dabei geholfen. Aber es war sein Entwurf. Sein Haus würde sich nicht in den Ort einordnen, nein, besser noch, es würde dominieren. Bei diesem Gedanken ballte er unbeabsichtigt seine Faust.

Das Grundstück war ideal, hinter ihm lagen die Seewiesen. Von dort waren keinerlei Störungen zu befürchten, wenn nicht gerade ein Mähdrescher die Maat einfuhr. Nur vom Fußballplatz, dessen Flutlichtmasten man in einiger Entfernung emporragen sah, würde hin und wieder ein wenig Lärm ausgehen. Die verrottete alte Schule rechter Hand störte ihn wirklich, vor allem das Gestrüpp und die dschungelartigen Gebüsche. Völlig verwahrlost wie es war, würde sich dafür wahrscheinlich kein Käufer finden. "Wer kauft so eine Bruchbude?", dachte er. Also würde es abgerissen und ein Fertighaus daraufgesetzt. Das müsste dann aber wesentlich kleiner sein als sein Haus, weil eine erneute Grenzbebauung dann nicht mehr zulässig sei, hatte ihm der Architekt erklärt kurz bevor ihre Wege sich trennten.

Linker Hand war nur ein schmales langes Feld, das den alten Dorfkern von den nächsten Bauernhöfen trennte. Ein kleiner Bach bildete die rechte Grundstücksgrenze und mündete in den See. Ein schmaler Pfad folgte ihm. In jedem Winter wurde das Feld zu einer riesigen Pfütze, auf der man bei Frost Schlittschuh laufen konnte. Unbebaubar. Vereinzelte Angler nahmen den Weg und verschwanden im Schilfdickicht am Ufer. Manchmal sah man dort Leute, die ihre Hunde ausführten. Konnte man von dort auf seine Terrasse schauen? Er würde es prüfen.

Wieder betrachtete er sein Terrain. Doch, er war zu Recht stolz und zufrieden. Es würde gut werden. Er schloss die Augen und sog die abendlichen Geräusche in sich ein. Er schnippte eine Ameise, die unvorsichtigerweise an seinem Bein hochgeklettert war, mit seinem Zeigefinger weg. Er konnte Insekten nicht leiden. Langsam ging er durch die hoch stehende Wiese. Irgendetwas stach ihn, ein Dornengewächs kratzte an seinem Bein. Er trat ärgerlich dagegen. Alles nur Kroppzeug. Er horchte. Der leise Verkehr in der Ferne, ein Treckerbrummen von den Rapsfeldern im Osten, das Entengeschnatter vom See. Himmlisch. Er verscheuchte eine Mücke, die ihn umschwirrte. Er hasste diese Biester. Irgendwo am See bellte ein Hund. Dann stellte er sich sein zukünftiges Grundstück vor. Grüner Rasen, ein Pool, Mauern drum herum. Keine Bäume, die machten Dreck. Nur die Tannen würde er stehen lassen. Keine Mücken. Eine große Garage. Ein überdachter Grillplatz, neben dem ein Strandkorb stand. Er würde Ordnung in das Chaos bringen. Bald schon würde er kommen und die Bäume und das übrige Gestrüpp ausreißen. Weg mit dem grünen Dreck. Der lockte nur das Ungeziefer an, Würmer, Wespen, Wühlmause und Schlimmeres. Er würde alles roden. Dann würden auch die Insekten verschwinden. Später käme der Rollrasen. Vielleicht ein oder zwei immergrüne Koniferen. Und eine Mauer mit schmiedeeisernem Tor, auf deren Pfeiler zwei Gipslöwen thronten. Er schaute über sein Grundstück, die Wiesen, den See. Doch, dies war ein guter Ort.

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