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15. Traveblick

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Michael Beer schaute der Bedienung nach. Was sollte er auch sonst tun? Sein Termin war noch nicht eingetroffen. Die Bedienung war sehr hübsch, hatte lange schwarze Haare und einen herzförmigen kleinen Hintern. Er stand auf lange schwarze Haare mit herzförmigen Hintern. Mit Bedauern sah er ihn in die Küche wackeln. Sie war zu jung. Höchstens Anfang zwanzig. Aber er war auch erst zweiundvierzig Jahre alt, so weit auseinander war das gar nicht, fand er. Er wusste, auf junge Mädchen machte er immer Eindruck und er überlegte, wie er in Kontakt mit ihr kommen konnte.

Draußen hörte er ein tiefes Motorengeräusch, das nach einem lauten Aufbrüllen plötzlich erstarb. Hagen Brock war da. Er stellte seinen ferrarigelben Porsche auf den Gästeparkplatz und der kleine Mann schlenderte wenig später in das Restaurant. Er klopfte zur Begrüßung einmal kräftig auf die Tischplatte und ließ seinen Wagenschlüssel, an dem ein Würfel aus echtem Silber hing, der auf allen Seiten eine "Sechs" zeigte, aus einiger Höhe fallen. Der Schlüsselanhänger erzeugte ein dunkles "Plock", dessen Nachhall einen Moment den Raum erfüllte. Hagen hieß eigentlich Jens-Hagen, aber Jens klang ihm zu weich, zu weibisch. "Hagen" war kraftvoll und kantig, eine Sagengestalt aus ferner Zeit. Mythenumwoben. Wenn er telefonierte stieß er seinen Nachnamen "Brock" hervor, wie jemand, der zum Angriff ruft. Das sollte einschüchtern.

"Alles nur Masche", dachte Michael Beer, der wusste, dass er Hagens bester Mandant war. Im Grunde kompensierte Hagen mit seinem Auftreten nur seine fehlende Körpergröße. Den Porsche hatte er sich anlässlich seiner Scheidung gegönnt. Seitdem behauptete er von sich, zufrieden zu sein, trieb sich aber an den Wochenenden regelmäßig auf Kuppel-Partys umher. Mit Erfolg, wie er behauptete.

Sie bestellten und schauten gemeinsam dem wackelnden Hintern der Kellnerin auf ihrem langen Weg zur Küche hinterher.

Michael Beer schilderte die Probleme mit dem Denkmalschutz. Hagen studierte aufmerksam den Bescheid der lokalen Denkmalbehörde. Er legte ihn zur Seite. "Was willst du machen?", fragte er.

"Abreißen. Der Umbau wird so teuer wie ein Neubau, den ich dann gleich größer bauen kann."

"Mmh. Es gibt zwei Methoden, das Problem anzugehen." Aus dramaturgischen Gründen ließ ihn Hagen Brock ein wenig zappeln. Michael Beer kannte seinen Anwalt schon länger, er durchschaute seine kleinen Auftritte. Trotzdem stieg seine Aufmerksamkeit.

"Die erste wäre die legale. Du legst Widerspruch gegen diesen Bescheid ein und beweist denen, dass von diesem Haustyp in der ganzen Gegend noch ein Haufen anderer rumsteht und der Denkmalschutz völlig überflüssig ist. Dann wartest Du das Verfahren ab, kannst gegen die Entscheidungen Einspruch einlegen und bei Ablehnung klagen."

Michael Beer prustete lautstark Luft aus.

"Das wird ja Jahre dauern."

"Ja, das stimmt. Den Experten für die Gebäudetyprecherche müsstest Du dann auch bezahlen. Der wird nicht billig. Erst wenn Du den Aufhebungsbescheid über den Denkmalschutz hast, kannst Du dann den Abrissantrag stellen."

Michael Beers Laune verschlechterte sich rapide.

"Dann besteht noch die Gefahr, dass der Abrissantrag nicht genehmigt wird, aus Gründen des Ortsbilderhalts oder ähnlichem Blödsinn und Du dann wieder prozessieren müsstest. Das wird ebenfalls nicht billig."

"Und was wäre die zweite Möglichkeit?" Beer klang resigniert.

"Du lässt das Ding einfach einstürzen, zumindest teilweise, so dass es aussieht wie ein Unfall und das Gebäude trotzdem nicht wiederherstellbar ist." Hagen Brock kaute lässig an seinem Kaugummi, das er als Zeichen seiner außerordentlichen Coolness chronisch malträtierte.

"Das ist legal?"

"Wohl kaum. Streng genommen ist es sogar eine Straftat. Aber die muss man Dir erst mal nachweisen."

"Ich werde den Bagger ja wohl kaum selber fahren."

"Das sicher nicht, aber als Bauherr haftest Du auch für die Fehler der von Dir beauftragten Firmen."

Sie schwiegen einen Moment, als die Kellnerin den Weißwein brachte und schauten ihr andächtig hinterher, bis sie in die Küche abbog.

"Und wenn ich gar nicht da bin, wenn es passiert?" Michael Beer war der Gedanke an einen Besuch durch die Staatsanwaltschaft doch irgendwie unangenehm.

"Dann sieht die Sache schon etwas anders aus. Du müsstest aber recht lange und sehr weit weg sein."

Michael Beer dachte nach. Er brauchte noch jemanden zwischen sich und der Baufirma, als Puffer. Die Schuld würde sich zwischen vielen Beteiligten verteilen, niemand wäre als klarer Verursacher ausfindig zu machen. Doch, die Idee hatte was, fand er.

"Mit was muss ich rechnen, wenn ich erwischt werde?"

Hagen nahm einen Schluck Weißwein. "Kommt auf den Grad der Schuld an. Bei einer eindeutig nachgewiesenen Täterschaft bekommst du maximal 2 Jahre, in Deinem Fall würde sie ausgesetzt als Bewährungsstrafe." Michael Beer schluckte. "Aber wenn Dir nur mangelnde Aufsichtspflicht nachgewiesen werden kann, dann bekommst Du nur eine Geldstrafe."

Das klang schon besser in Michael Beers Ohren. "Wieviel ungefähr?"

"Das wiederum hängt auch von den genauen Umständen ab. Und natürlich vom Denkmal, das beschädigt wurde. Im geringsten Fall ist man mit ein paar Tausend dabei. Aber es kann auch richtig teuer werden, nach oben ist der Gebäudewert die Grenze. Plus einen Strafbonus."

"Der Gebäudewert?"

"Ja, der Gebäudewert. Das Grundstück bleibt ja erhalten. Es geht nur um das Gebäude."

Michael Beers Laune erhellte sich. Das Gebäude war so gut wie nichts wert. Die Kellnerin kam und brachte das Essen und ihr knackiges Hinterteil verschönerte ihm die Aussicht.

Er ging zum Bezahlen an den Tresen und bot ihr ein großzügiges Trinkgeld an, einen gefalteten Fünfzig Euroschein, in den er seine Visitenkarte gesteckt hatte. "Wenn Sie wollen, können Sie sich bei mir für die Kundenbetreuung vorstellen. Das wäre genau der richtige Platz für Sie", sagte er und lächelte, während er lässig mit einer Arschbacke auf dem mit Leder bezogenen Barhocker saß. Er hielt ihr den Geldschein hin, sie zögerte kurz, dann griff sie zu. Er schaute ihr voller Ernst in die Augen, in den er noch eine Nuance ‚einfühlsame Tiefe' legte. Er wusste, mit diesem Blick hatte er Erfolg. Dann zog er sich zurück. Eine Geste, die er hundertfach erprobt hatte, schließlich war er Autoverkäufer.

Sie würde anrufen, das hatte er in ihren Augen gelesen.

Hagen Brock hielt ihm die Tür auf, während er der Kellnerin einen letzten Blick zuwarf. "Freu dich nicht zu früh. Im schlimmsten Fall verlangen sie von Dir, dass Du das Haus neu wieder aufbaust."

Michael Beers Miene verfinsterte sich schlagartig.

"Es gibt noch eine dritte Lösung. Am Einfachsten wäre es, Du hast einen Verbündeten in der Gemeindeverwaltung. Einer, der Dir wohlgesonnen ist. Einer von ganz oben. Den Du auf deine Seite ziehst und der den Abriss unterstützen kann. Wie ich Dich kenne, findest Du dafür auch einen Weg, oder?" Michael Beer nickte nachdenklich.

Kaum im Wagen durchdachte er das Problem. Er brauchte einen neuen Architekten, einen Bauwertsachverständigen, einen Statiker und einen Bauleiter ohne großen Sachverstand. Oder die private Telefonnummer des Bürgermeisters.

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