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19. Hängen geht noch

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Die gefesselten Abodriten saßen im Kreis, ihre Toten lagen in der Mitte des Palisadenverschlages, die Gesichter nebeneinander, die Arme gefaltet. Fünf waren über Nacht gestorben, der Getötete hing immer noch an seinem Zaunpfosten. Die gefangenen Krieger wiegten ihre Oberkörper zu einem verborgenen Takt und murmelten immer gleiche, beschwörende Worte. Heinrich der Löwe stand am Eingang seines Zeltes und beobachtete sie. Er verstand sie nicht, aber sie verhielten sich genauso wie die Mönche, damals vor vielen Jahren in Italien, in Tortona.

Er hatte das Kloster im Auftrag Kaiser Barbarossas angegriffen und niedergebrannt. Die Mönche hatten sogar noch gebetet, als der Dachstuhl über ihnen Feuer fing und sich die Flammen rasend schnell durch die Holzschindeln fraßen. Als es Glut und Funken auf sie herabregnete, begannen sie zu singen. Sie hörten erst damit auf, als ihre Gewänder Feuer fingen und sie als brennende Fackeln schreiend durch das Kirchenschiff rannten. Aber es gab keinen Ausgang für sie. Den würde es hier auch nicht geben.

Bald würden die Priester kommen. Dann würde diesen Ungläubigen das Beten schon vergehen. "Taufe oder Tod" war die Devise dieses Kreuzzugs und die Priester meinten das ernst. Jeder, der sich nicht aus freien Stücken zum Christentum bekehren lassen wollte, wurde gehängt.

Seine Schergen trugen seinen Reisethron den flachen Hang hinauf. Von hier aus hatte er einen Ausblick über den See, am östlichen Ufer standen Priester im hüfttiefen Wasser und drückte die Ungläubigen unter die Oberfläche. Blasen stiegen auf und die Täuflinge ruderten verzweifelt mit den Armen bis der Priester von ihnen ab lies und sie endlich japsend nach Luft schnappten. Mit ihrem ersten Atemzug als Christ sollten sie die Gnade Gottes dankbar in sich aufnehmen.

Slawenweiber, mit Stricken aneinandergebunden, wurden von Wächtern den Hang hinunter geführt. Heinrich der Löwe kratzte sich am Hinterkopf, wo ihn wieder ein Juckreiz quälte, als er seine Gefährtin der letzten Nacht unter ihnen entdeckte. Das Mädchen bedeutete ihm wenig. Endlich erschienen die Helfer des Henkers und befestigten die Stricke an einem ausragenden Ast einer riesigen Stileiche, die Heinrich persönlich ausgesucht hatte.

Die Eiche galt als Lebensbaum, sie stand für das ewige Leben und das ewige Heil, es war der Baum der Heiligen Maria. Ein letzter Akt der Gnade für die Ungläubigen, die sich weigerten sich taufen zu lassen. Außerdem wurde Heinrich der Löwe schlecht, wenn er Enthauptungen beiwohnen musste. Hängen verursachte ihm weniger Probleme.

Die Gefangenen wurden einzeln zum Priester geführt, der ihnen vor die Wahl stellte: Taufe oder Tod. Die meisten entschieden sich für die Taufe. Nur zwei alte Krieger verweigerten sich, wurden auf einen abgesägten Baumstumpf gestellt, bekamen einen Tritt und baumelten nur wenige Augenblicke später am Seil. Die übrigen Gefangenen sahen dem Todeskampf der beiden Alten scheinbar teilnahmslos zu. Aber niemand entschied sich anschließend für den Strick.

Als die Frauen an die Reihe kamen juckte es Heinrich dem Löwen penetrant an seinem Gemächt. Sein Gefolge stand dicht um ihn herum und er konnte schlecht seine Hosen herunter lassen und sich dort kratzen. Unter seiner Krone begann es ebenfalls zu prickeln und er glaubte, etwas krabbelte über seine Kopfhaut. Er schrabbte sich unauffällig, aber seine Krone behinderte ihn. Der Juckreiz in seiner Scham wurde unerträglich. In der Reihe der Frauen, die zum Priester geführt wurden, entdeckte er wieder das Bauernmädchen aus der vergangenen Nacht. Sie wich seinem Blick aus und blickte stur nach unten. Das ärgerte ihn. In seinen Haaren krabbelte es weiter. Er gab seiner Wache ein Zeichen und winkte ihn zu sich. Der Soldat beugte sich zu ihm hinunter. "Die ist eine Ketzerin, auch wenn sie jetzt abschwört. Sie ist eine Lügnerin." Er zeigte auf das Mädchen. "Geh, sag das dem Priester."

Der Soldat stutzte einen Moment und Heinrich wedelte herrisch mit seiner Hand. Der Soldat schritt eilig zum Priester und als daraufhin das Mädchen von zwei Wachen abgeführt und zum Richtplatz an der Eiche gebracht wurde, war sie zu überrascht um sich zu wehren. Man stellte sie auf den Baumstumpf. Als sie endlich verstand, starrte sie mit entsetzten, verständnislosen Augen auf Heinrich den Löwen, bis man ihr einen Tritt gab, die Schlinge an ihrem Hals alle Luft abschnürte und sie verzweifelt mit Armen und Beinen um sich schlug.

Heinrich spitzte seine Lippen und nickte. Die Dinge waren wieder im Lot. Er konnte das Zappeln des Mädchens nicht ertragen und ließ seinen Blick über den See und den Wald schweifen. Es war eigentlich keine schlechte Gegend um zu siedeln, fand er. Es gab Fisch und Wild, den Wald, der Holz, Pilze und Beeren lieferte. Fette Böden, auf denen Hirse, Kohl oder Dinkel angebaut werden konnte. Dann das milde Klima durch die Nähe zum Meer. Nein, dieses Land konnte die Leute ernähren, es war gutes Land. Er verstand jetzt, warum die Männer darum kämpften. Das Mädchen zappelte nun nicht mehr und Heinrich bemerkte erleichtert, dass auch das Jucken in seinem Schamhaar nachgelassen hatte.

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