Читать книгу Gutland - Uve Kirsch - Страница 12

10. Der juckende Heinrich

Оглавление

Es juckte an seinem Kinn. Heinrich der Löwe kratzte sich. Er puhlte etwas Hartes unter seinen Fingernägeln hervor. In seinem Zelt war es noch finster, aber die ersten Vögel waren erwacht und es erhob sich das frühmorgendliche Gezwitscher. Er kratzte sich noch einmal und drehte sich um. Jetzt juckte es in seinem Schamhaar. Er kratzte sich dort. Wieder blieb etwas unter seinen Fingernägeln hängen. Etwas sehr Kleines. Es war hart. Er quetsche es zwischen seinen kräftigen Fingern bis es knackte. Eine Laus. Das Bauernmädchen, die man ihm zugeführt hatte, drehte sich schnaufend auf die andere Seite. Er beugte sich zu ihr. Das Mädchen war kaum älter als 15 Jahre alt, fast noch ein Kind. Sie schnarchte leise. Er wandte sich ab, sie stank. Er mochte sie nicht, verstand von ihrem ängstlichen Gebrabbel kein Wort. Sie hatte schiefe Zähne und ihre ungekämmten, verfilzten Haare schienen ein Eigenleben zu führen. Sie hatte sich nicht gewehrt, sondern nur teilnahmslos auf der Bettstatt gelegen und gewartet, bis er fertig war. Sein Vergnügen war von sehr kurzer Dauer. Anschließend weinte sie leise vor sich hin, bis sie endlich in den Schlaf fiel. Grübelnd lag Heinrich noch lange wach und beobachtete die Schatten, die das Feuer der Wachen an die Zeltwand warf. Er vermisste seine anderen Gespielinnen, besonders die blonde Gertrud aus Sachsen, aber die hatte sich schlicht geweigert ihm in dieses kalte, nasse Land zu folgen. Vor drei Jahren, beim ersten Feldzug, war es anders. Da kannte sie diese Gegend noch nicht und hatte ihn bereitwillig auf den Kreuzzug begleitet.

Jetzt juckte es auch auf seinem Kopf. Er kratzte sich, wälzte sich fluchend von seiner Bettstatt und schlurfte an den dösenden Wachen vorbei nach draußen. Die Dämmerung zog herauf. Es war kühl, er fröstelte. Er wollte zurück unter sein Fell, aber er musste pinkeln. Er ging zum Rand des Lagers. Vor dem Zwinger mit den gefangenen Abodritenkriegern saßen Wachen am Feuer und dämmerten im Halbschlaf. Sie erkannten ihn, nahmen Haltung an und grüßten ihn mit einem Nicken. Die Gefangenen waren sitzend an die Holzstämme der Palisade gefesselt. Viele hatten blutige Wunden an Armen und Beinen, Kopfverbände. Einige stöhnten. Sie hatten die Schlacht verloren, vielleicht den ganzen Krieg, ihre Freiheit, ihr Land, ihre Familien. Es waren einfache Männer, die nur um ihre Freiheit kämpften. Heinrich der Löwe hätte es auch getan und selbst zum Schwert gegriffen. Er verspürte einen Moment lang Mitleid mit ihnen. Aber er wollte das Land, er stand mit seinem Wort in der Schuld des Papstes, Mitleid konnte er sich nicht leisten. Außerdem waren das Slawen und keine Christen. Wie lautete der Schlachtruf dieses Kreuzzuges? Taufe oder Tod!

Heinrich der Löwe pinkelte an einen Baum. Ein Gefangener erkannte ihn und lachte gackernd. Heinrich kratzte sich im Schritt. "Verdammte Bauernschlampe!", dachte er und durchfurchte mit den Fingern sein Schamhaar, aber das Jucken wollte genau so wenig aufhören wie das Lachen des Gefangenen, das immer schriller wurde. Es klang absurd in dieser Stille und dem frühen Vogelgezwitscher. Das Lachen hörte immer noch nicht auf. War der Slawe irre? Er lachte ihn aus, ihn, den König! Einer der Wachen schaute ihn fragend an und Heinrich nickte. Die Wache erhob sich, griff sich eine Lanze und umrundete den Palisadenzaun bis zum verrückten Abodriten. Heinrich der Löwe drehte sich um und betrachtete den See. Er konnte Blut nicht ausstehen. Das Lachen wurde lauter und ging plötzlich in einen lang gezogenen Schrei über, der in seinen Ohren immer noch wie Gelächter klang, bis es schließlich erstarb. Das Todeslachen des sterbenden Slawen hallte einen Moment lang wider über den leeren See, über den ein dünner Nebel aufstieg. Heinrich der Löwe zog seine Decke fest um seine Schultern. Das irre Gelächter klirrte immer noch in seinen Ohren, als er sich wieder in seine Bettstatt rollte und ließ ihn keinen Schlaf mehr finden.

Gutland

Подняться наверх