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4. Bromberger

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Das hässliche Dorfwappen an der Wand stammte noch aus der Vorwendezeit. Es zeigte einen Baum mit einem ausladenden Ast und darunter einen abgesägten Baumstumpf. Trotz langer Grübelei hatte Bürgermeister Bromberger noch nicht herausfinden können, was es bedeutete. Am ehesten sah der Baumstumpf aus wie ein Hauklotz, aber seine Vermutung behielt er lieber für sich. Er wollte ein neues, modernes Wappen, aber das war gar nicht so einfach, selbst für einen Bürgermeister. Er war aus dem Westen zugereist und da es ihm an Ortsverbundenheit mangelte, musste er aufpassen, dass er seine Mitarbeiter mit seinen Änderungswünschen nicht zu sehr brüskierte. Sie arbeiteten im Amt schon zur DDR-Zeit, für sie war das Wappen ein Stück ihrer Tradition. Wie war es entstanden? Er hatte keine blasse Ahnung. Vielleicht sollte er einmal einen ortsansässigen Heimatkundler befragen. Doch wer kannte sich in Bahlenbredes Vergangenheit aus? Am ehesten kamen der Pfarrer oder einer der alten Schullehrer in Frage. Er würde sie kontaktieren.

Er hatte in seinen ersten Monaten im Amt versucht, das Wappenschild unauffällig zu entsorgen, aber er wurde von Frau Lehmann, eine der Damen aus dem Einwohnermelde- und Ordnungsamt dabei erwischt. Die Sache sprach sich rum und die Damen im Amt fühlten sich persönlich gekränkt. Abgefunden hatte er sich mit dem Dorfwappen aber noch lange nicht.

Bromberger plante Großes: eine Marketingoffensive für den Standort Bahlenbrede. Ein gutes Wappen war dafür Pflicht. Das alte machte wirklich nichts her. Es war einfach nicht marketingtauglich. Ein Baum, ein Ast, ein Baumstumpf. Hatten hier einmal Holzfäller gelebt? Die alten Gemeinderatsmitglieder dazu zu bringen sich des alten Wappens zu entledigen, würde nicht einfach sein. Was er brauchte, war ein gutes, stimmiges Konzept. Eines, worin sich jeder wiederfand, eines was begeisterte. Doch hatte er nicht einen Schimmer einer Idee. In seiner Not hatte er Kontakt zu seinem Neffen Konrad, der in Freiburg Grafik- und Kommunikationsdesign studierte, aufgenommen. Der sah das als Chance, um Praxiserfahrung zu sammeln und sagte eine Reihe Entwürfe zu. Nebenbei hatte er gefragt: "Habt Ihr eigentlich eine Web-Seite?" Bahlenbredes Internetseite bestand aus einem Foto des Dorfangers und einem Informationsblock über die Öffnungszeiten der verschiedenen Gemeindeeinrichtungen. Das war alles. "Internetsteinzeit" konstatierte Konrad: "Ich mache gleich mal einen Entwurf dazu und baue die Wappenentwürfe mit ein." Im Spätsommer sei er fertig, hatte sein Neffe zugesichert. Bromberger grübelte, wie er dem Gemeinderat seine Idee präsentieren konnte. Vielleicht sollte er einen Bürgerwettbewerb veranstalten: "Bahlenbrede - zwischen Tradition und Moderne. Ein Dorf sucht seine Identität." Ja, das wäre ein Ansatz. Oder sollte er die Schulen dafür einspannen: "Mach Dir Gedanken um unser Dorf in der Zukunft und male ein Bild zu Bahlenbrede!" Nein. Lieber nicht, die Ergebnisse würde man im Gemeindesaal ausstellen, um dann einen Arbeitskreis zu gründen, der vierteljährlich tagte und nach zwei Jahren zu dem Ergebnis kommen würde, dass im Grunde alles gar nicht so schlecht sei - mit Ausnahme der Stühle im Sitzungssaal, die mal aufgepolstert werden müssten. Nein, das brachte ihn nicht weiter. Er verjagte eine Fliege, stand auf und schloss die Jalousien vor seinem Bürofenster. Dann schaltete er den Computer an und ging auf die Bahlenbrede-Seite. Mit der war wirklich kein Staat zu machen, die war so veraltet wie das Gemeindeamt selbst, ohne Flash-Animationen und interaktives Bürgerboard. Er musste Schwung in diesen verstaubten Laden bringen. Er brauchte eine Vision.

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