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3. Deutsches Haus

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Ralph Hofkrampe saß auf seinem Stammplatz, am Ende des Anbaus mit dem herrlichen Blick in den Biergarten mit seiner mächtigen Linde, der etwas erhöht am Endes des Dorfangers lag. Er war der einzige Gast im Schankraum. Der Garten war um die Mittagszeit gut besucht. Er starrte aus dem Fenster, auf dem ein dünner Schleier von getrocknetem Blütenstaub klebte, den der letzte Gewitterschauer nicht runterspülen konnte. Eine Fliege summte entlang der Scheibe, prallte geräuschvoll gegen das Glas. Sie blieb auf dem Rücken und mit den Beinen strampelnd auf dem Fensterbrett liegen. Hinter der vergilbten Gardine lagen schon drei andere vertrocknete Fliegen.

Er mochte diesen Platz. Draußen fühlte er sich wie auf dem Präsentierteller, die Leute erkannten ihn, grüßten freundlich, mit einem Kopfnicken oder einer Handbewegung, aber früher oder später legte einer seine Scheu ab, sprach ihn an und fragte ihn aus nach Krankheitsbildern, nach Therapien, nach Fachärzten. Nie interessierte sich jemand für ihn als Person, für seine Vergangenheit und seine Qualifikationen oder für seine Gründe in dieses abgelegene Nest zu ziehen. Aber das war ihm recht, denn er wollte nur seine Ruhe. Obwohl sie ihn oft ansprachen, war er keiner von ihnen - und würde es auch bleiben.

Sie brauchten ihn und so nahmen sie ihn auf, wie jemanden, auf den man nicht verzichten kann. Es war der Respekt vor seinem Titel, der ihm Achtung einbrachte. Ohne seinen "Doktor" wäre er ein Fremder, obwohl er schon seit zehn Jahren hier lebte. Zehn Jahre sind gar nichts auf dem Lande. Bei den Freien Wählern fand er ein politisches Zuhause, allein weil er neu hier war, keiner der verdienten alten Sozialisten, die seit der Wende den Ort regierten. Er litt nicht unter seiner isolierten Stellung, denn eigentlich war es ganz bequem so. Er hatte alles richtig gemacht, fand er: Die Ex-Frau war in sicherer Entfernung und beschränkte sich auf gelegentliche postalische Sticheleien. Er zahlte seine Alimente pünktlich und so drehte sich die Kommunikation mit ihr meist nur um die Vereinbarung der Besuchstermine der Kinder, die nun langsam in ein Alter kamen, in dem man sich nicht sonderlich für die Belange seiner Erzeuger interessierte. Sie begannen, ihre eigenen Wege zu gehen und ließen sich immer seltener bei ihm blicken. Gut, etwas mehr Geld hätte es schon sein können, aber man kann nicht alles haben. Sein eigentliches Problem war auch nicht seine Vergangenheit und sein Einkommen.

Es waren die Frauen im Allgemeinen. Er mochte Frauen. Und sie mochten ihn. Soweit war das alles in Ordnung. Aber die finanziellen Folgen seiner Scheidung hatten ihn kurzzeitig an den Rand des Ruins getrieben und jetzt war er ein gebranntes Kind. Er scheute sich, eine ernste Beziehung einzugehen. Einige Bettgeschichten hatte es gegeben, aber sie waren oberflächlich und nur von kurzer Dauer. Die Damen mochten ihn, als Arzt, als Mensch, als Mann. Er konnte zuhören und so kamen sie gern zu ihm, die Zugezogenen, die Einsamen und Unausgelasteten. Die Neuen waren fremd hier und bildeten eine eigene kleine Gemeinschaft unter sich, die mit der einheimischen Dorfbevölkerung nur selten verkehrte. Ihnen ging es wie ihm selbst. So war er Helfer in der Stunde der Not, tröstete, beriet und leistete Beistand. Bislang fuhr er gut damit. Er musste nur darauf achten nicht, zu viele Hausbesuche zu machen.

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