Читать книгу Fanrea Band 3 - A. E. Eiserlo - Страница 10
Aufeinandertreffen
ОглавлениеIn Fanrea trabte Gyar auf seinem Pferd durch den Dunkelwald. Der Elf war guter Laune, endlich hatte er einen Plan, wie er den Bruder ermorden und noch zusätzlich als Held gefeiert werden könnte: Er wollte einen Überfall der Eidechsenmenschen vortäuschen. Dieser Eidechsenclan lebte als merkwürdiges Volk – zurückgezogen, ohne Verbündete – in einer unwirtlichen Gegend. Gyar mochte sie nicht. Allein ihr Aussehen widersprach seinem ästhetischen Empfinden, er verabscheute es, sie mit ihren hässlichen Reptilienaugen und hervorschnellenden Zungen anzusehen.
Immer wieder stellte er sich den Ablauf vor: Bei dem fiktiven Überfall würden sein Bruder und er tapfer kämpfen, leider käme der Bruder dabei um. Nach dem Mord würde er sich von blutigen Wunden übersäht nach Hause schleppen, den toten Bruder im Arm, verzweifelt und traurig. Selbstlos tröstete Gyar, obwohl ebenfalls voller Schmerzen, die Witwe des Bruders, wäre Faina eine große Stütze im unendlichen Kummer und könnte dabei unauffällig ihr Herz erobern. Dafür musste er sich noch von seinem Weib Sani befreien – das dürfte allerdings kein Problem darstellen. Es gab genug Mittel und Wege, jemanden zu beseitigen.
Ein gemeines Grinsen umspielte den schönen Mund, die Augen glitzerten verschlagen. Er war stolz auf seinen Plan, der ihm in den engen Mauern des Zimmers nie eingefallen wäre. Erst die Weite des Waldes hatte auch die Gedanken weit gemacht. Jetzt musste er nur noch den Bruder dazu bringen, einen Ausflug mit ihm zu unternehmen.
*
Beflügelt rannte Bosrak durch den Dunkelwald, das Herz gefüllt mit einem unbekannten Gefühl, das er zwar als befremdlich, aber auch als angenehm empfand. Er genoss den Geschmack von Freiheit auf der Zunge. Ja, er lebte jetzt ungebunden, diente niemandem mehr, auch wenn der Preis dafür die Einsamkeit war. Doch er würde lernen, damit klarzukommen, auch mit Yarkona blieb er einsam. Ihre Gesellschaft bedeutete Prügel und Gekeife, Geborgenheit gab sie ihm nicht. Nun konnte er alles tun wie bisher: morden, rauben, quälen – die Handlungen dienten nur seinen eigenen Zwecken.
Plötzlich stoppte er den Lauf und horchte: Pferdegetrappel in der Nähe! Schnell änderte Bosrak die Richtung und folgte dem Geräusch. Ein Elf trabte auf einem Pferd dicht an ihm vorbei. Nachdenklich betrachtete der Gestaltwandler ihn. Der Reiter kam ihm bekannt vor, er hatte ihn mehrmals im Königsschloss beobachtet und belauscht. Der Elf war der sich nach dem Thron verzehrende Bruder des Königs. Der ehemalige Diener zweifelte nicht daran, dass jener hinter dem Attentat steckte, das den König fast das Leben gekostet hätte. Der Giftmordversuch wurde niemals aufgeklärt, aber Bosrak spürte mit Gewissheit, dass Gyar zur bösen Seite gehörte.
Zu welchen dunklen Machenschaften war der Elf bereit? Ergäbe es einen Sinn, den Bruder des Königs zu erpressen? Oder sollte er ihn zu einem Verbündeten machen? Das schien für den Gestaltwandler nun eine Gelegenheit, selbst die Fäden in die Hand zu nehmen. Die Strategie würde sich während eines Gesprächs entwickeln. Bosrak beschloss, sämtliche Entscheidungen spontan zu treffen. Schnell veränderte er die Gestalt zu einem wunderschönen schwarzen Pferd mit wallender Mähne. So konnte er sich dem Elfen nähern, ohne dass dieser seine Waffen zückte.
Gyar sah sich kampfbereit um, als er Hufgetrappel hörte und griff mit einer Hand zum Schwert. Als er ein einzelnes reiterloses Pferd erblickte, ließ er das Schwert stecken und sah dem schönen Tier neugierig entgegen.
Bosrak schloss auf und sprach den Königsbruder an: »Gyar, Bruder des Königs, ich will mit dir reden!«
Verwundert, dass er so plump angesprochen wurde, antwortete er: »Wie kannst du es wagen, einfach so das Wort an mich zu richten?«
»Ich habe dich beobachtet! Damals, im Schloss. Als es dem König aus heiterem Himmel ganz schlecht ging«, sagte das Pferd in süffisantem Ton.
Gyars Gesichtsausdruck nahm einen wachsamen Zug an. Der Elf verlangsamte das Tempo, bis er schließlich zum Stehen kam. Aus zusammengekniffenen Augen betrachtete er den Rappen und stellte fest: »Du bist kein Pferd. Wer bist du und was willst du von mir?«
»Du hast dich nicht besonders geschickt angestellt. Giftmord! Das ist was für Waschweiber in dreckigen Kitteln.«
Empörung und blankes Entsetzen spiegelten sich in Gyars Zügen.
Der ehemalige Diener setzte jetzt alles auf eine Karte. »Ich könnte dir behilflich sein, wenn du es erneut versuchen willst. Das heißt – wenn du dich überhaupt noch einmal traust.«
Gyar wurde blass, starrte den Rappen an und griff nach seinem Dolch. »Schluss jetzt mit dem Versteckspiel! Wer bist du? Zeig deine wahre Gestalt!«
»Ich gebe mich erst zu erkennen, wenn wir uns einig sind!«, schnaubte Bosrak.
»Woraus bestünde dein Vorteil?«
»Das werden wir noch sehen! Zunächst befinden wir uns auf derselben Seite: Wir sind gegen die Elfen!«
»Ich bin nicht gegen die Elfen, ich bin doch selbst einer!«
Das Pferd schnaubte. »Du willst aber die Macht, die Königskrone! Wirkliche Liebe ist das nicht, das ist Gier! Du willst ihnen den König nehmen! Wie kannst du da dein Volk lieben?«
Verlegen senkte Gyar den Blick, er fühlte sich ertappt. Aber vielleicht konnte er einen Vorteil aus dem Angebot des Unbekannten ziehen. »Na gut, hilf mir! Nun zeige dich! Wer bist du wirklich?«
Die Luft um das edle Tier begann zu flimmern, die Konturen verschwammen und eine Gestalt schälte sich heraus.
Verächtlich musterte Gyar den hässlichen Kerl, der seine Hilfe andiente. Gerade noch so konnte der Elf eine abfällige Bemerkung verkneifen.
Dieses Mienenspiel kannte und hasste der Gestaltwandler. Unbändige Wut loderte in ihm auf. Nie mehr wollte er diese verächtlichen Blicke, Worte oder Gesten über sich ergehen lassen. Jeder, der das tat, würde zu spüren bekommen, wer er war und welche Macht er besaß.
Der Himmel verdunkelte sich. Mächtige Wolken wölbten sich zu turmhohen Gebirgen. Die Landschaft um sie herum wurde in gespenstisches Licht getaucht. Gewittergrummeln erklang zunächst leise, schwoll jedoch binnen Sekunden zu einem unheimlichen Gepolter an. Ein einzelner Blitz durchschnitt die Wolkenlandschaft. Gleichzeitig roch es intensiv nach Pfefferminze und Schwefel.
Gebannt blickte Gyar erst zu den Wolken, danach zu diesem schäbigen Gnom, der selbst von seinem Tun fasziniert zu sein schien. In ihm schlummerten gewaltige Kräfte, die Magie loderte noch im Verborgenen, das konnte der Elf fühlen. Trotzdem umgab Bosrak schon jetzt eine bedrohliche Energie, gewaltig und aggressiv. Vielleicht war der Handel mit dem hässlichen Kerl gar nicht so schlecht? Ihn gegen sich zu haben wäre weitaus gefährlicher. Bis jetzt wurde nichts von ihm verlangt, sondern nur Hilfe angeboten. Diesem Typen konnte er vielleicht später sogar den Mord in die Schuhe schieben. Dann würde dessen Kopf rollen. Mit nachdenklichem Blick stieg Gyar von seinem Schimmel und baute sich vor Bosrak auf. »Wie ist dein Name?«
»Bosrak!«
»Wie sähe deine Hilfe aus?«
Mit einem Schlag zerfledderten die Wolken, das Gewitter zog davon. Wie eine Katze, die der Maus das Leben ließ. Die Sonne schien nun angenehm warm, tauchte den Wald in goldenes Licht.
»Wie willst du deinen Bruder töten? Danach richtet sich meine Hilfe.«
Gyar zögerte. »Egal! Hauptsache tot!«
»Gut! Wir sind uns einig«, willigte Bosrak ein und wunderte sich über seine Aussage. Aus der einen Abhängigkeit entkommen – schon wieder in der nächsten angelangt. Warum? Darüber würde er später nachdenken. Aber dieses Mal bestimmte er, wo es langging! Er war derjenige, der Druck ausüben konnte.