Читать книгу Das große Glück ist so nah: Lesefutter - Romane und Erzählungen großer Autoren - A. F. Morland - Страница 13

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4.


Am nächsten Morgen meldete Ines sich in der Segelschule an und die nächsten Tage vergingen rasend schnell.

Kai hatte sie seit dem ersten Abend nicht mehr zu Gesicht bekommen, doch zu ihrem Leidwesen dachte sie noch oft an ihn. Das gab ihr jedes Mal einen leichten Stich ins Herz, auch wenn sie es sich selbst nicht eingestand. Verstohlen und unauffällig hielt Ines immer wieder Ausschau nach Kai, doch er ließ sich nicht blicken.

Ines überlegte immer noch, ob sie Robert von ihrem Ausflug mit seinem Auto erzählen sollte.

Als sie an der Rezeption stand, beobachtete sie ihren Bruder auf der Terrasse. Er fühlte sich wie ein Hahn im Korb, mindestens drei flotte junge Mädels umschwärmten ihn. Sie glaubte, dass er gerade seine unfreiwillig gewonnene Freiheit genoss. Wie es aussah, tat es ihm richtig gut, er hatte schon lange nicht mehr so fröhlich und entspannt gewirkt.

Sie kam deshalb zu dem Schluss, es ihm nicht zu erzählen und seine gute Stimmung nicht zu trüben.

Zwei Tage vor dem offiziellen Abschluss des Unterrichts durften sich die Teilnehmer des Kurses zum ersten Mal ein Boot ausleihen und selbstständig lossegeln.

Es war ein wunderbares Gefühl, zum ersten Mal all das allein ausprobieren zu dürfen, was in den letzten Tagen gelehrt worden war.

Ines segelte mit dem kleinen Boot ziemlich weit hinaus. Sie wollte ganz allein sein, nur das Wasser unter dem Bootsrumpf spüren und den Wind in den Segeln singen hören.

Sie vergaß alles. Sie vergaß das Erlebnis mit Kai am ersten Abend, und sie vergaß die Warnungen des Segellehrers, sich nur im Schutz der Landzunge aufzuhalten.

Erst als die Wellen höher wurden und immer häufiger über die niedrige Bordwand in das kleine Boot schlugen, kehrte sie allmählich in die Wirklichkeit zurück.

Ines schaute in den Himmel, von der Sonne war nichts mehr zu sehen. Graue Wolken hingen direkt über ihr und der Wind fachte auf. Sie sah sich um und bemerkte, dass sie sich schon sträflich weit von dem kleinen Hafen entfernt hatte.

Da schlug ihr eine Welle ins Gesicht. Das Boot neigte sich und Ines stürzte ins Wasser.

Sofort versuchte sie von dem führerlosen Boot wegzuschwimmen, um sich nicht in den losen Leinen zu verfangen. Immer wieder brach das aufgewühlte Wasser über ihr zusammen.

Plötzlich hatte sie Todesangst und die nackte Panik griff mit großen Klauen nach ihr. In diesem Augenblick konnte sie nur noch an die Klippe der wahren Liebe und den Fluch der Mächte des Meeres denken.

Ines bemerkte zuerst nicht das kleine Motorboot, das sich ihr in schneller Fahrt näherte. Als sie das Geräusch endlich hörte und den Mann am Steuer erkannte, schrie sie verzweifelt seinen Namen: „Kai!“ Dann verschloss eine Welle ihren Mund.

Wie in einem Traum sah sie einen Rettungsring an einer Leine auf sich zufliegen, klammerte sich daran fest, wurde durchs Wasser gezogen, von starken Armen gepackt und in das Motorboot gehievt.

Eine zärtliche Hand strich ihr behutsam eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ines saß wie ein Häufchen Elend in dem Motorboot und schlotterte vor Angst und Kälte. Tränen rannen ihr die Wangen herunter und sie schluchzte leise vor sich hin. Was hatte sie für eine Angst gehabt.

Eine Stunde später saßen sie auf der Hotelterrasse und tranken heißen Tee.

Ines hatte heiß geduscht und sich trockene Sachen angezogen. „Hättest du mir geglaubt, wenn ich mich bei dir entschuldigt hätte?“, fragte Kai plötzlich.

„Nach unserem ersten Abend musstest du mich für einen Aufschneider halten. Ich wusste das und ich habe sehr unwohl dabei gefühlt. Ich habe mich dir gegenüber wie ein Idiot benommen.“

Ines setzte die Tasse an ihre Lippen und trank, sie schwieg noch immer. Eine wohlige Wärme durchströmte ihren Körper. Und das lag nicht am Tee allein.

„Ich bin nicht mehr von dir losgekommen“, fuhr Kai fort und starrte dabei auf seine Fußspitzen. Er lächelte unsicher.

„Es gibt Dinge, die wirklich zählen und wichtig sind.“, sagte Ines sanft.

„Nicht nur teure Sportwagen oder ähnlicher Luxus. Die Dinge, die du meinst, die haben wir auf der Klippe der wahren Liebe längst überprüft“, ergänzte Kai.

Ines nickte glücklich. Und dann fanden sich endlich ihre Lippen.

ENDE

Das große Glück ist so nah: Lesefutter - Romane und Erzählungen großer Autoren

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