Читать книгу Sammelband 7 Schicksalsromane: Von ihren Tränen wusste niemand und andere Romane - A. F. Morland - Страница 29

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Walter Schmidt, der Mann, den Petra Praetorius dazu ausersehen hatte, der Vater ihres Kindes zu sein, hatte gestern einen genialen Geistesblitz gehabt. Er wollte das ungewöhnlichste Geschäft seines Lebens machen und sich dabei so richtig schön gesundstoßen.

Sein Plan war simpel, aber gerade deshalb würde er garantiert funktionieren: Er hatte die unschöne Absicht, so viel Geld wie nur irgend möglich aus dieser Sache herauszuschlagen. Und das bedeutete für ihn, doppelt zu kassieren – von Petra und von ihrem reichen, verbohrten Vater. Wenn Horst Bachmann soviel daran lag, dass seine Tochter nicht schwanger wurde, musste ihm das doch eigentlich eine hübsche Stange Geld wert sein ...

Petra kam gegen Mittag in die Pizzeria. Sie ließ ihn einen Blick auf das Geld werfen, auf sein Geld, das er sich allerdings erst verdienen musste, und er bekam feuchte Augen.

„Ist das ein himmlischer Anblick“, seufzte er selig.

Petra schloss den ledernen Aktenkoffer wieder, den er als Draufgabe bekommen sollte. „Gehen wir?“, fragte sie nervös.

„Bist du schon in der richtigen Stimmung?“, erkundigte er sich grinsend.

„Wozu brauche ich in Stimmung zu sein?“, erwiderte Petra kühl.

„Na hör mal ...“

„Ich habe dir gestern versprochen, dass du auf deine Kosten kommen wirst“, erklärte Petra trocken. „Reicht das nicht?“

„Wäre schöner, wenn du auch ehrlich etwas davon haben und mir nicht bloß etwas vorspielen würdest. Wir Männer sind in dieser Hinsicht sehr sensibel. Wenn wir merken, dass wir angeschmiert werden, kriegen wir einen seelischen Knacks.“

„Du wirst es nicht merken“, versicherte ihm Petra.

„Möchtest du vorher noch was essen?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe keinen Hunger.“

„Einen Drink zur Auflockerung und Entspannung? Du wirkst so verkrampft.“

„Gut“, nickte sie, „einen Drink, aber dann gehen wir. Ich möchte es so rasch wie möglich hinter mich bringen.“

Er verzog das schmale Gesicht zu einem schiefen Grinsen. „Sehr schmeichelhaft für mich.“

„Spiel nicht den Beleidigten. Du weißt, woran du bist. Ich habe dich nicht darüber im Unklaren gelassen.“

„Nein“, gab er zu, „in diesem Punkt bist du wirklich sehr fair.“ Er bestellte zwei Grappa, dann stand er auf.

Sie sah ihn irritiert an. „Wohin willst du?“

„Entschuldige mich, ich muss telefonieren. Dauert nur eine Minute. Bin gleich wieder bei dir.“ Er entfernte sich, um Horst Bachmann anzurufen.

Die Sekretärin des Bankiers meldete sich sehr freundlich. Walter Schmidt verlangte Horst Bachmann zu sprechen.

„Einen Augenblick, Herr Schmidt“, sagte sie, dann war Musik in der Leitung, Eine kleine Nachtmusik von Mozart. Schmidt summte mit. Er war ein bisschen nervös. Die Sekretärin meldete sich wieder, nach wie vor sehr freundlich. „Hallo, Herr Schmidt?“

„Ja?“

„Tut mir leid, Herr Bachmann ist nicht im Haus.“

„Verdammt, er ist da, und Sie werden die Güte haben, mich mit ihm zu verbinden, Lady!“, schrie Walter Schmidt zornig. „Sagen Sie ihm, es geht um seine Töchter!“

Wieder die Kleine Nachtmusik. Dann Horst Bachmanns lautes Organ, sehr unfreundlich, sehr ungehalten, sehr abweisend: „Was gibt’s, Herr Schmidt?“

„Erinnern Sie sich noch an mich, Herr Bachmann?“

„Ungern“, schnarrte der Bankier. „Höchst ungern. Was wollen Sie?“

„Hört jemand dieses Gespräch mit?“, erkundigte sich Walter Schmidt.

„Natürlich nicht“, antwortete Bachmann.

„Dann ist es gut“, sagte Schmidt zufrieden. „Ich möchte Ihnen nämlich Unannehmlichkeiten ersparen.“

„Unannehmlichkeiten? Sie mir? Unannehmlichkeiten welcher Art?“

„Ich habe Ihre Tochter gestern zufällig wiedergetroffen.“

„Das weiß ich“, sagte Bachmann barsch.

„Ach, hat Sie’s Ihnen erzählt?“, fragte Schmidt.

„Ja, das hat sie.“

„Wie schön, wenn eine Tochter vor ihrem lieben Herrn Papa keine Geheimnisse hat.“

„Kommen Sie zur Sache, Herr Schmidt“, forderte der Bankier. „Ich habe wenig Zeit.“

„Die werden Sie sich nehmen müssen, Herr Bachmann, die und noch etwas anderes, doch davon später. Hat Ihnen Ihre Tochter auch gesagt, dass sie ganz verrückt nach mir ist?“

„Sie spinnen! Petra ist eine verheiratete Frau!“

„Das ist mir bekannt“, sagte Schmidt.

,,Sie liebt ihren Mann und sie ist ihm treu“, kam es laut durch die Leitung.

„Meinen Sie das wirklich? Sind Sie davon hundertprozentig überzeugt, Herr Bachmann? Wären Sie bereit, für Ihre Tochter die Hand ins Feuer zu legen?“

„Jederzeit.“

Schmidt lachte. „Oh, da würden Sie sich aber ganz schön die Finger verbrennen, Herr Bachmann.“

„Was soll das heißen?“, knurrte der Bankier.

„Ihre Tochter ist sehr unglücklich, Herr Bachmann. Ihretwegen. Petra hat mir ihre ganze traurige Geschichte erzählt.“

Der Bankier brauste auf: „Verdammt, warum hat sie ...“

„Wir waren lange zusammen“, fiel ihm Schmidt ins Wort.

„Und Sie haben ihr zu trinken gegeben, damit sie gesprächiger wird, Sie ... Sie verkommenes Subjekt.“

„Man sollte Leute, mit denen man ein Geschäft machen möchte, nicht beleidigen, Herr Bachmann“, belehrte Schmidt den Bankier.

„Ein Geschäft? Ich mit Ihnen? Sie sind wohl nicht bei Trost!“

„Der, der mir hier nicht ganz dicht zu sein scheint, sind Sie, mein Lieber“, gab Schmidt frostig zurück. „Sie wollen auf gar keinen Fall, dass Ihre Tochter schwanger wird.“

„Ich habe meine Gründe dafür.“

„Und Sie haben Claus Praetorius so gut in der Hand, dass er sich an Ihr idiotisches Verbot auch tatsächlich hält“, höhnte Schmidt. „Einen so blöden Schwiegersohn muss man erst mal finden.“

„Verdammt, ich verbiete Ihnen ...“

„Lassen Sie das, Bachmann“, sagte Schmidt scharf, „damit kommen Sie bei Praetorius durch, aber nicht bei mir! Halten Sie den Mund und hören Sie mir genau zu! Ich habe Ihnen ein hochinteressantes Angebot zu machen. Ihre Tochter möchte um jeden Preis ein Baby haben. Von ihrem Mann kann sie es nicht bekommen, denn dem haben Sie ja verboten, ein Kind mit seiner Frau zu zeugen. Was tut Petra in ihrer Verzweiflung also?“

„Nein!“, stöhnte der Bankier entsetzt.

„Richtig, Bachmann. Sie wendet sich zwecks Lösung ihres delikaten Problems an einen anderen Mann.“

„An Sie?“

„Ich sehe, Sie können mir folgen“, spottete Schmidt.

„Das ... das ist nicht wahr!“, keuchte der Bankier. Sein Atem rasselte. „Sie lügen! Petra würde so etwas niemals tun!“

„Sie haben sie dazu getrieben, Bachmann. Das arme Mädchen sieht keinen anderen Ausweg aus seinem Dilemma. Petra hat mich angebettelt, ihr zu diesem heißersehnten Baby zu verhelfen.“

„Sie ... Sie werden das doch nicht tun!“, schrie der Bankier bestürzt auf.

„Sie hat mir eine Menge Geld dafür geboten.“

„Was?“, brüllte Horst Bachmann am anderen Ende des Drahtes. „Wie viel?“

„Einhundertfünfzigtausend Mark. Sie hat sie bei sich. Es ist für Sie bestimmt ein Leichtes, nachzuprüfen, dass Ihre Tochter diesen Betrag von ihrem Konto abgehoben hat, wenn Sie mir nicht glauben. Nun stehe ich vor der schwierigen Frage: Soll ich Petra den Gefallen tun oder nicht?“ Schmidt seufzte schwer. „Ich weiß nicht, wie ich mich entscheiden soll. Man hat schließlich ein Gewissen, nicht wahr?“

Er machte eine kleine Pause, hörte Bachmanns rasselnden Atem. „Da kam mir plötzlich die rettende Idee: Ruf doch mal Petras Vater an, sagte ich mir, und frag ihn, wie er über die Sache denkt. Er muss doch schließlich auch eine Meinung dazu haben.“ Schmidt hüstelte. „Sie müssen mich verstehen, Herr Bachmann. Ich konnte Petra immer gut leiden. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Wenn sie mich um einen Gefallen bittet, bin ich eigentlich moralisch verpflichtet, ihn ihr zu erfüllen. Hinzu kommen noch einhundertfünfzigtausend Mark, die ich sehr gut gebrauchen könnte. Ich befinde mich zur Zeit finanziell nämlich in der schmalen Gasse, müssen Sie wissen. Ich war krank, musste mich einer Operation unterziehen, war lange Zeit nicht voll leistungsfähig, und das macht sich natürlich auf dem sensiblen Bankkonto eines selbständigen Grafikers sehr rasch höchst unangenehm bemerkbar. Aber ich will nicht klagen. Es werden bestimmt schon bald bessere Zeiten für mich anbrechen – oder sehen Sie das nicht so, Herr Bachmann?“

Horst Bachmann schwieg.

„Sind Sie noch dran, Herr Bachmann?“, fragte Walter Schmidt.

„Ja, ich bin noch dran.“

„Fein. Ich dachte für einen Augenblick, die Leitung wäre tot ...“

Schmidt legte wieder eine kurze Pause ein. Dann fuhr er fort: „Tja, Herr Bachmann, so sieht meine Situation aus. Auf der einen Seite ist Petra, die ich mag und die mich großzügig entlohnen würde, wenn ich ihr ihren außergewöhnlichen Wunsch erfüllen würde. Auf der anderen Seite sind Sie, ein Mann, der mich verachtet und dem auch ich keinerlei Sympathie entgegenbringe. Sie sind Geschäftsmann. Sie sind Petras Vater. Sie sind reich, und Sie wissen, dass man für Geld auf dieser Welt, die nun einmal leider vom schnöden Mammon regiert wird, so gut wie alles bekommen kann. Es ist alles immer nur eine Frage des Preises. Jeder, jeder Mensch hat seinen Preis ... Sie, ich ... Jeder.“

Pause. Schmidt ließ seine Worte einwirken. „Ich rufe Sie an, Herr Bachmann, damit Sie mir sagen, was ich tun soll. Wenn Sie möchten, dass ich Petra fortschicke, ohne sie zu berühren, müssen Sie mir das mitteilen. Um mich davon zu überzeugen, dass das für alle Beteiligten die beste Lösung ist, brauchen Sie allerdings sehr gewichtige Argumente, das möchte ich vorausschicken.“

Schweigen am anderen Ende.

Jetzt denkt er nach, überlegte Walter Schmidt lächelnd. Und wahrscheinlich rechnet er auch. Wie viel soll ich diesem Mistkerl in den gierigen Rachen werfen? Einhundertfünfzigtausend Mark sind zu überbieten. Soll ich den Betrag verdoppeln, damit er nicht mit Petra schläft? Kann ich ihn billiger dazu kriegen? Wie steige ich aus diesem verfluchten Geschäft am günstigsten aus?

„Ich warte auf Ihr Angebot, Herr Bachmann“; sagte Schmidt nach einer Weile.

„Sie hundsgemeiner Erpresser!“

„Damit kann ich nichts anfangen“, erwiderte Schmidt kühl.

„Ich drehe dir den dürren Hals um, du mieser kleiner Gauner, wenn du meine Tochter mit deinen dreckigen Fingern anfasst!“, brüllte Horst Bachmann und dann – Schmidt konnte es kaum glauben – klickte es in der Leitung.

Der Bankier hatte aufgelegt, ohne ihm ein bestechendes Angebot zu machen. Allem Anschein nach liebte er sein Geld mehr als seine Tochter.

„Na“, knurrte Schmidt wütend, „mir soll es recht sein.“ Er hängte den Hörer an den Haken und kehrte zu Petra zurück.

„Das war aber eine lange Minute“, beschwerte sie sich.

Er grinste schief. „Manche Minuten sind aus Gummi.“ Hastig kippte er seinen Grappa und legte Geld auf den Tisch. Er hatte ja jetzt genug davon.

„Hast du dich geärgert?“, fragte Petra.

„Ja, aber keine Sorge, das wird sich nicht nachteilig auf die Abwicklung unseres Geschäfts auswirken. Komm, wir gehen.“

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