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Marina Albrecht nahm ihren Termin wahr. Der dicke Fernseh-Tycoon zeigte ihr die Villa, die sie für ihn ausstatten sollte. Er hatte nur einige wenige Wünsche, die sie berücksichtigen sollte. Ansonsten durfte sie nach eigenem Gutdünken schalten und walten. Sie hatte das Haus eines seiner Freunde eingerichtet, und das hatte ihm so gut gefallen, dass er sie umgehend angerufen und ihr gesagt hatte, dass er unbedingt ihre Dienste in Anspruch nehmen wolle.

Sie hielt seine Wünsche auf einem Notizblock fest, machte ihm diverse Vorschläge, und jene, mit denen er einverstanden war, schrieb sie ebenfalls auf.

„Sie haben drei Monate Zeit“, sagte er, als sie sich vor der Villa verabschiedeten. „Machen Sie aus diesem Kasten ein schmuckes, behagliches Heim. Die Leute, die bei mir zu Gast sein werden, wohnen alle in Prachthäusern, und ich möchte, dass sie von hier beeindruckt nach Hause gehen.“

„Ich hoffe, ich kann Sie zufriedenstellen“, sagte Marina.

„Ich bin sicher, das wird Ihnen gelingen“, sagte der dicke Mann absolut zuversichtlich. „Ich habe gesehen, was Sie zu leisten imstande sind. Was immer Sie sich einfallen lassen, es wird mir gefallen.“ Er holte die Wagenschlüssel aus seiner Hosentasche und drückte auf einen Knopf des Schlüsselanhängers, worauf sich die Zentralverriegelung des Fahrzeugs öffnete. „Wie geht es Ihrer Schwester?“

„Sie ist in Paris“, gab Marina zur Antwort.

„Das weiß ich. Fühlt sie sich wohl in der Stadt an der Seine?“

„Ich denke schon. Sie lässt in letzter Zeit nicht allzu viel von sich hören. Das kann man als gutes Zeichen werten.“ Marina und Margot waren im Wesen sehr unterschiedlich, deshalb hatten sie sich auch nicht allzu gut verstanden, bevor Margot nach Frankreich gegangen war, und Marina wünschte sich, dass ihre Schwester recht lange in Paris blieb.

„Wird sie in Frankreich ihren Beruf ausüben?“, erkundigte sich der Fernsehzar.

Marina nickte. „Das hat sie vor.“

„Wie kommt sie mit der Sprache klar?“

„Sie spricht sie schon fast fließend.“

Der dicke Mann lachte. „Vielleicht wird sie eine zweite Romy Schneider.“

„Ja, vielleicht“, sagte Marina. Sie wussten beide, dass Margot in Wahrheit nicht das Talent dazu hatte.

Der Dicke stieg in seinen Wagen. Marina begab sich zu ihrem BMW. Sie fuhren gleichzeitig los, aber nach einigen hundert Metern trennten sich ihre Wege.

Als sie zu Hause ankam, stand ein Taxi vor dem Nachbarhaus, und Ingolf Stumph stieg gerade aus. Groß, schlank, unwahrscheinlich braun. Er war drei Wochen in Kenia gewesen. Der Taxifahrer trug ihm sein Gepäck vor die Haustür, bedankte sich für das Trinkgeld, das Ingolf ihm gab, kehrte zu seinem Fahrzeug zurück und fuhr davon.

Marina stoppte ihren mitternachtsblauen Wagen vor dem weißen Garagentor. Als sie ausstieg, winkte der Nachbar ihr. Er war zehn Jahre älter als sie - ein begehrter Junggeselle.

Marina fand ihn attraktiv, aber ein schöner Mann war er nicht, dafür waren seine Nase zu groß und sein Mund zu breit. Sie winkte zurück.

„Wie war’s in Kenia?“, fragte Marina.

„Super“, gab Ingolf Stumph zurück. Er entstammte einer reichen Familie, hatte ein Vermögen geerbt und dieses mit klugen Investmentgeschäften nahezu verdoppelt.

„Hast du dich gut erholt?“, erkundigte sich Marina.

Er breitete die Arme aus. „Sieht man das nicht?“

„Du bist unverschämt braun“, stellte Marina fest.

„Wenn ich wieder verreise, frage ich dich, ob du mitkommen möchtest.“ Marina hob die Hand.

„Wir sehen uns.“

„Augenblick noch!“, rief Ingolf Stumph.

„Ja?“

„Ich hab dir etwas mitgebracht!“

„Du? Mir? Warum? Wozu?“

Er antwortete nicht, bückte sich, öffnete seine Reisetasche, kramte kurz darin herum, fand, was ersuchte, richtete sich auf und kam zu der niedrigen Ligusterhecke, die die Grundstücke optisch trennte.

Er hielt etwas in seiner Hand, das in kenianisches Zeitungspapier gewickelt war. Jetzt schälte er den Gegenstand aus dem unansehnlichen Papier, und ein hübscher handgeschnitzter Elefant aus Ebenholz kam zum Vorschein. Marina sammelte Elefanten - jede Größe, jede Form, jedes Material. Sie mussten nur ein Kriterium erfüllen: ihre Rüssel mussten erhoben sein, denn nur dann (wie abergläubisch) brachten sie Glück.

„Für deine Sammlung“, sagte der sympathische Nachbar lächelnd. „Ich habe dabei zugesehen, wie er angefertigt wurde.“

„Danke.“ Marina nahm das pechschwarz glänzende Holztier in Empfang.

„Ich hoffe, er gefällt dir.“

„Er ist wunderschön.“

„Sein Rüssel zeigt nach oben.“

„Ja.“

„Sonst hätte ich ihn nicht gekauft“, sagte Ingolf Stumph.

„Er bekommt in meinem Zimmer einen Ehrenplatz.“

„Möge er dir so viel Glück wie nur irgend möglich bringen.“

„Ist sehr lieb von dir, dass du das sagst, Ingolf.“

„Ich war auf einer Safari“, erzählte der Nachbar, „habe eine Menge Tiere geschossen.“

„Geschossen?“ Sie sah ihn befremdet an.

Er lächelte. „Mit dem Fotoapparat.“

„Ach so.“ Marina atmete erleichtert auf.

„Wenn die Dias fertig sind, lade ich deine Mutter und dich zu einem kleinen Vortragsabend ein“, sagte Ingolf Stumph. „Ich hoffe, ihr macht mir die Freude und nehmt meine Einladung an.“

„Wir kommen sehr gern“, versicherte Marina.

Als sie das Haus betrat, in dem sie mit ihrer Mutter wohnte, fragte diese: „Ist unser lieber Nachbar wieder zu Hause?“

„Soeben eingetroffen“, gab Marina zur Antwort.

Renate Albrecht sah das Rüsseltier in der Hand ihrer Tochter. „Was hast du denn da?“

„Einen Glücksbringer.“ Marina hob ihn hoch.

„Einen Elefanten?“

Die junge Frau nickte. „Aus Kenia.“

„Hat Ingolf ihn dir mitgebracht?“ Renate Albrechts Stimme klang hocherfreut.

„Ja.“

„Ach, wie nett.“ Renate streckte die Hand aus. „Darf ich mal sehen?“ Ihre Tochter überließ ihr das Geschenk. Sie betrachtete es von allen Seiten. „Ein Kunstwerk.“ Sie gab den Elefanten zurück.

Marinas Blick fiel auf die Teetassen, die auf dem Tisch standen. „Hattest du Besuch?“

„Ja, Irene Trömer war hier. Sie ist vor wenigen Minuten gegangen.“

„Schade, dass ich sie verpasst habe.“

„Wo warst du denn so lange?“, fragte Renate Albrecht.

„Ich hatte zu arbeiten.“ Marina erzählte von ihrem neuen interessanten Auftrag.

Ihre Mutter maß sie argwöhnisch. „Du hast dich nicht mit diesem Gemüsefritzen getroffen?“

„Bitte nenn ihn nicht so, Mama“, sagte

Marina unwillig. „Du weißt, dass ich das nicht mag.“

„Er ist ein Habenichts. Du vergeudest deine Zeit mit ihm.“ Renate Albrechts Stimme klang kühl.

„Ich liebe ihn“, erklärte Marina. Sie wusste, dass ihre Mutter von dieser Beziehung nicht begeistert war, aber sie würde deswegen ganz gewiss nicht von Gabriel Keller lassen.

„Du magst ihn“, versuchte Renate Albrecht richtigzustellen.

Doch Marina schüttelte heftig den Kopf und sagte mit einem leidenschaftlichen Funkeln in den blauen Augen: „Nein, Mama, ich liebe ihn.“

Renate Albrecht sah ihre Tochter verständnislos an, seufzte schwer und fragte: „Womit hat dieser Mann dir nur so sehr den Kopf verdreht, mein Kind?“

Marina bat ihre Mutter, sie zu entschuldigen, und zog sich in ihr Zimmer zurück. Auf der Kommode nahe dem Fenster standen eine Menge Elefanten - aus Glas, aus Keramik, aus Ton, aus Porzellan, aus Plastik, aus Wachs, aus Zinn, aus Eisen, aus Messing, aus Leder ...

Es waren so ziemlich alle Materialien vertreten. Nur aus Holz gab es noch keinen. Marina stellte das schwarze Souvenir in die erste Reihe und achtete darauf, dass sein Rüssel - wie der aller anderen Elefanten - dorthin wies, woher das Licht in den Raum fiel.

Auch das war wichtig, sollte ein solcher Glücksbringer seinem Namen auch tatsächlich gerecht werden - so lautete jedenfalls die Regel der Abergläubischen.

Marinas Blick wanderte zum Fenster. Sie konnte Ingolf nicht verstehen. Sie wusste, dass viele Frauen hinter ihm und seinem Geld her waren. Wozu bemühte er sich so sehr um sie? Ihm war doch bekannt, dass sie in festen Händen war. Sie hatte es ihm nicht verheimlicht, denn das wäre diesem liebenswerten Mann gegenüber nicht fair gewesen.

Tut mir leid, Ingolf, dachte Marina. Gabriel Keller ist dir zuvorgekommen, und nun bin ich nicht mehr frei. Wenn ich frei wäre ... Sie führte diesen Gedanken nicht zu Ende, weil es müßig war, dieses „Was-wäre-wenn-Spiel“ zu spielen.

Tags darauf kam ein Brief von Margot. Renate Albrecht las ihn und strahlte glückselig.

„Was schreibt sie?“, wollte Marina nur mäßig interessiert wissen.

„Sie wird Jean Paul Gautier, diesen berühmten, erfolgreichen Filmproduzenten, heiraten“, jubelte die Mutter. Sie schlug die Hände enthusiastisch über ihrem Kopf zusammen. „Oh, ich freue mich ja so sehr für sie! Deine Schwester hat es geschafft, Marina. Margot macht es richtig. Sie hat sich nicht unter ihrem Wert verschleudert. Es haben sich viele Männer um ihre Gunst bemüht und der Meistbietende bekommt sie nun.“

Sie hat sich nicht unter ihrem Wert verschleudert .... Der Meistbietende bekommt sie nun ... Das waren zwei Stachel, die sich schmerzhaft in Marinas Fleisch bohrten, doch ihrer Mutter fiel das nicht auf.

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