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Als Grethe Lembke zur Tür hereinkam, dachte Ronny Puhl unwillkürlich: Mein Gott, sie ist dünn wie ein Komma. Was finde ich bloß an ihr?

Seit zwei Jahren war er mit Grethe nun schon zusammen. Sie war die bequemste Freundin, die er je gehabt hatte. Er konnte tun und lassen, was er wollte, ihr war alles recht. Er brauchte nie zu fragen: Passt dir dies, passt dir das? Bist du mit diesem oder jenem einverstanden? Welche Entscheidungen er auch immer traf, sie akzeptierte sie ohne Widerspruch – und das war es, womit sie ihn hielt.

Sie war immer für ihn da, wenn er sie brauchte, und wenn er keine Verwendung für sie hatte, wartete sie zu Hause geduldig darauf, dass er sie anrief und wieder zu sich beorderte.

Er hatte ab und zu heftige Affären mit anderen Frauen, doch Grethe machte ihm deswegen keine Vorwürfe, weil sie wusste, dass nur sie der Hafen war, in den er nach manchmal ziemlich langer Irrfahrt immer wieder zurückkehrte. Sie lächelte, und er dachte: Ihr Lächeln ist das einzige, was wirklich hübsch an ihr ist. Es strahlt so sehr. Von innen heraus. Warum eigentlich? Ist sie etwa glücklich mit mir? Mit mir?

Er konnte es kaum glauben. Die Art, wie er sie hin und wieder behandelte, konnte sie doch nicht glücklich machen. Oder war sie tatsächlich so genügsam? Erwartete sie sich gar nicht mehr vom Leben?

Ronny Puhl befand sich allein im Krankenzimmer. Das Bett neben ihm war leer. Man hatte den Piloten auf eine andere Station gebracht.

„Hallo, Ronny“, sagte seine dünne Freundin. Sie trug ein geblümtes Kleid, das ihr vorne und hinten und ringsherum zu weit war. Sie hatte nichts, womit sie es hätte ausfüllen können. „Wie geht es dir?“

Der Reporter grinste mit gebleckten Zähnen. „Wenn es mir noch besser ginge, würde ich es nicht mehr aushalten.“

Sie beugte sich zu ihm hinunter und gab ihm einen Kuss.

„Ich hab’ dir was mitgebracht“, sagte Grethe Lembke.

„Was?“

„Einen Kuchen.“

„Brauche ich nicht. Hier gibt es jeden Tag Kuchen.“

„Aber der hier ist selbst gebacken.“ Sie holte eine quadratische milchweiße Plastikschale mit türkisfarbenem Deckel aus ihrer Tasche.

„Bring ihn deinen Eltern“, sagte Ronny Puhl.

„Möchtest du nicht wenigstens ein Stück probieren?“

„Nein.“

„Okay.“

„Deinen Eltern wird er schmecken. “

Der Reporter lachte. „Denen schmeckt ja alles, was nichts kostet. “

„Sie sind sparsam, ja ...“

„Sie sind nicht sparsam, sondern geizig.“

„Mein Vater verdient nicht so viel wie du“, sagte Grethe Lembke und schob den Plastikbehälter wieder in ihre Tasche.

„Dann macht er etwas falsch“, behauptete Ronny Puhl.

„Er kann nicht mehr als arbeiten. “

„Vielleicht hätte er sich einen anderen Beruf aussuchen sollen.“ Das klang aggressiv und geringschätzig.

„Du magst meine Eltern nicht, nicht wahr?“

„Sagen wir, ich habe keine Achtung vor ihnen, weil sie es in ihrem bisherigen Leben noch zu nichts gebracht haben“, erwiderte der sommersprossige Reporter. „Sie sind farblose Mitläufer, die kaum einer wahrnimmt. Leben nebeneinander her wie Fremde. Haben sich nichts zu sagen. Außer der einen oder anderen Bosheit, wenn sie sich unbelauscht glauben.‟

„Ist es nicht in vielen Ehen nach fünfundzwanzig Jahren so?“

„Möglich.“ Ronny Puhl grinste. „Und damit uns so etwas nicht passiert, werde ich dich nie heiraten.“

„Ich brauche keinen Trauschein, um zu wissen, dass wir zusammengehören.“

„Aber deine Eltern würden dich schon lieber verheiratet sehen, nicht wahr?“

„Sie haben in diesen Dingen eben noch ein wenig altmodische Ansichten“, meinte Grethe Lembke.

„Liebst du deine Eltern eigentlich?“

„Selbstverständlich!‟

„Obwohl sie solche Versager sind?“

„Sie sind meine Eltern“, sagte das dünne Mädchen in einem Ton, der sagen sollte: Ich will nicht länger über das Thema reden.

„.Deshalb brauchst du ihnen doch nicht absolut kritiklos gegenüberzustehen.“

„Macht es dir etwas aus, das Thema zu wechseln?“, fragte Grethe leise.

„Du hörst es nicht gern, dass deine Eltern Nieten sind, hab’ ich recht?“

„Ja, du hast recht.“

„Aber das sind sie.“

Grethe Lembke zuckte mit den Schultern. „Ich kann es nicht ändern.“

„Weil du selber nicht viel drauf hast.‟

„Möchtest du, dass ich gehe?‟, fragte Grethe. In ihren Augen glänzten plötzlich Tränen.

„Habe ich dich etwa beleidigt? Oder gar gekränkt? Oh, das tut mir leid. Das wollte ich nicht. Bitte, verzeih mir, ich habe nicht bedacht, dass du die Wahrheit so schlecht verträgst.‟

Sie holte ein Taschentuch aus ihrer Tasche und putzte sich die Nase.

„He!“, sagte Ronny Puhl. „Ich möchte ein Lächeln sehen. Na, komm schon, lächle. “

Sie gehorchte.

„Weißt du, dass du ein ganz bezauberndes Lächeln hast, Schätzchen?“, sagte Ronny Puhl. „Ich meine es ernst.Wenn du lächelst, geht die Sonne auf und überstrahlt alles, was an dir nicht so schön ist.“

Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane

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