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Rainer Märthesheimer war Lagerleiter einer großen Installationsfirma mit mehr als hundert Beschäftigten. Umsichtig und zuverlässig verrichtete der 48jährige seine Arbeit, die manchmal sehr stressig war. „Zeit ist Geld‟, hieß es von morgens bis abends, und deshalb durften Märthesheimer und die Männer, für die er verantwortlich war, die Monteure niemals warten lassen.

Also überwachte der herzkranke Lagerleiter nicht nur die ihm unterstellten Leute, sondern er packte auch immer wieder selbst mit an, wenn Not am Mann war, um einen reibungslosen Ablauf der zahlreichen Jobs, die unbedingt und so rasch wie möglich erledigt werden mussten, zu gewährleisten.

So manche Mittagspause ging dabei drauf, und Märthesheimer machte auch immer wieder Überstunden, ohne sie der Firma in Rechnung zu stellen.

Wenn seine Frau besorgt sagte, er würde sich noch mal für die Firma umbringen, wies er sie stets mit harschen Worten zurecht.

„Das verstehst du nicht, Ute“, hatte er erst kürzlich wieder gesagt. „Ich möchte, dass jeder im Betrieb sagt: Auf den Märthesheimer kann man sich verlassen. Wenn der etwas in die Hand nimmt, dann klappt das auch. Das ist mir sehr wichtig.“

„Aber der Märthesheimer ist krank. Wissen deine Kollegen das?“

„Das geht keinen etwas an.“

„Sie würden vielleicht etwas mehr Rücksicht nehmen ...“

„Das möchte ich nicht. Wenn man herausbekommt, dass ich nicht mehr voll belastbar bin, wird man mir die Leitung des Lagers wegnehmen.“

„Würde man dich abbauen?“

„Das glaube ich nicht.“

„Würde man dir einen weniger hektischen Job geben?“

„Vermutlich ja. Mit weniger bis gar keiner Verantwortung. Ich hätte nichts mehr zu sagen, wäre eine Null, ein Nichts, ein Niemand. Mit einer mehr als lausigen Bezahlung. Ich habe all die Jahre nicht so hart gearbeitet, um in der Firma mit achtundvierzig Jahren aufs Altenteil abgeschoben zu werden.“

Er nahm heimlich seine Herztabletten und erzählte keinem, wie schlecht es ihm manchmal ging.

Hin und wieder dachte er an Lore, seine Tochter, die er einmal so abgöttisch geliebt und die ihn so bitter enttäuscht hatte. Und er fragte sich, wie es ihr wohl ging und ob sie ohne die Hilfe ihrer Eltern zurechtkam.

Er verspürte ab und zu den Wunsch, sie wiederzusehen, doch sein Stolz ließ es nicht einmal zu, dass er mit seiner Frau darüber sprach.

Wenn ein Vater sein einziges Kind verstößt, kann er das nicht irgendwann wieder rückgängig machen, denn sonst verliert er sein Gesicht und seine Glaubwürdigkeit, und es gab für Rainer Märthesheimer kaum etwas Schlimmeres als das.

Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane

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