Читать книгу Aliens in der Sternensee: Alfred Bekker präsentiert 17 Science Fiction Abenteuer - A. F. Morland - Страница 10
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ОглавлениеEs fand sich schließlich ein Händler, der bereit war, die Gruppe mitsamt ihrer absonderlichen Fracht flussaufwärts zu bringen. Der Bootseigner hieß Sung und war Chinese. Er teilte den Geisterglauben der Khmer nicht. Sein Boot hieß L'OISEAU DE FEU ('Feuervogel') und war für hiesige Verhältnisse schon recht groß. Es hatte sogar eine kleine Kajüte.
Sung war ein kleiner, gedrungener Mann mit blauschwarzem Haar und undurchdringlichen Gesichtszügen. Er legte Wert darauf, zur Hälfte Franzose zu sein, da sein Vater ein französischer Kolonialoffizier gewesen sei. Normalerweise nahm er keine Passagiere mit, sondern beförderte Handelsgüter. Aber die Bezahlung überzeugte ihn. Logan überließ ihm die Pferde, die ein in Kampong Thum ansässiger Verwandter für ihn verkaufen würde.
Das wog eine Handelsfahrt allemal auf.
Sung hatte gute Laune, als sie aufbrauchen.
Seine beiden annamitischen Angestellten hingegen wirkten alles andere als begeistert, zumal sie mithelfen mussten, den in Decken gehüllten Körper des Tentakelwesens an Bord zu bringen.
Zu diesem Zweck wurde eine große Cargo-Kiste genommen, die von Dr. von Breden mit entsprechenden Chemikalien präpariert wurde.
Diese Prozedur zog sich bis zum Mittag hin. Schließlich musste bei der Umbettung des Tentakelwesens mit äußerster Vorsicht vorgegangen werden.
Niemand wusste schließlich - auch Dr. von Breden nicht - durch was die Selbstauflösung des Kadavers letztlich ausgelöst wurde.
Dieses mal wollte Dr. von Breden sein Präparat um jeden Preis erhalten und nicht wieder mit leeren Händen vor einer hämischen Fachöffentlichkeit dastehen, die nichts besseres zu tun hatte, als einen Außenseiter ihrer Zunft nach allen Regeln der Kunst zu verhöhnen.
Dann endlich konnte die L'OISEAU DE FEU ablegen.
Die Khmer-Begleiter Lon und Heng fuhren nur widerwillig mit, wie ihren Gesichtern überdeutlich anzusehen war.
Die Furcht war ihnen anzusehen.
Sun verlachte sie als abergläubische Narren. Er jedenfalls würde sich wegen ein paar grausiger Erzählungen von zweifelhaftem Wahrheitsgehalt ein gutes Geschäft nicht vermasseln lassen.
"Und wenn uns doch jemand in die Quere kommen sollte, habe ich das hier", meinte er dann an Logan gewandt und holte eine geladene Maschinenpistole amerikanischer Bauart hervor. Sie wies das typische runde Trommelmagazin auf. "So etwas braucht man hier...Schon wegen der Banditen", meinte er.
"Die dürften unser geringstes Problem sein", murmelte Logan daraufhin vor sich hin.
Die heißen Tage vergingen einer wie der andere, während sich die L'OISEAU DE FEU den Stoeng Sen hinaufquälte.
Der Motor machte auf Ray Logan alles andere als einen soliden Eindruck. Und was die Treibstoffvorräte anbetraf, so schien der Schiffseigner wohl ebenfalls fest mit dem Beistand übernatürlicher Kräfte zu rechnen.
Die feuchte Hitze und die Moskitos setzten der Besatzung stark zu.
Vor allem auf Dr. Kurt von Breden traf dies zu.
Tag und Nacht wurde die Besatzung der L'OISEAU DE FEU von den eigenartigen Geräuschen des Urwaldes umgeben. Ein geradezu gespenstischer Chor, der von wucherndem Leben kündete. Das undurchdringliche Grün wimmelte nur so von Lebendigkeit.
Unheimliche Schreie, das Schlagen großer Vogelschwingen und das Rascheln von Blättern mischten sich zu einem eigentümlichen Klangteppich, der jedem unvergesslich bleiben musste, der ihn einmal gehört hatte.
Eine Woche lang ging es immer weiter den Stoeng Sen hinauf.
Die L'OISEAU DE FEU legte in einigen kleineren Ortschaften an, die am Flussufer lagen. Pierre Marquanteur schnappte haarsträubende Geschichten von unheimlichen Dämonenwesen auf, die im Dschungel flussaufwärts ihr Unwesen trieben. Die Beschreibungen dieser Wesen ähnelten jener Tentakelspezies, von der Dr. von Breden ein Exemplar konserviert hatte. Einmal erlebten sie, wie die Bewohner einer Ortschaft sogar einen kostbaren Zebu geopfert hatten, um die 'Dämonen', wieder zu besänftigen...
Es war zweifelhaft, ob diese Art Dämonen darauf reagieren würde...
Wohin Logan und seine Begleiter auch kamen, fanden sie eine Atmosphäre tiefster Verstörung unter den Bewohnern der Gegend vor.
"Hast du die Blicke der Leute gesehen, Ray?", fragte Pierre Marquanteur, als er später zusammen mit Ray Logan am Bug der L'OISEAU DE FEU stand und sich eine Gauloises ansteckte.
"Ja", murmelte Logan.
"Sie haben uns angesehen wie Todgeweihte."
"Wenigstens hat Sung seine gute Laune bis jetzt behalten."
"Wenn sich daran etwas ändern sollte, wird's brenzlig."
"Meinst du, der Chinese setzt uns einfach ans Ufer?"
"Mitsamt diesem eingepökelten Tentakelwesen, Ray!"
Logan atmete tief durch.
Er fühlte, dass er nahe am Ziel war. An jenem Ziel, dem er schon jahrelang hinterher jagte.
"Was glaubst du, was uns an der Absturzstelle erwartet, Ray?"
"Ich habe keine Ahnung!"
"Was hältst du von Professor von Breden?"
"Schwer zu beurteilen, Ray." Ein Lächeln glitt über das Gesicht des ehemaligen Fremdenlegionärs. Dann zuckte er die Achseln. "In meinen Augen gibt es da nur zwei Möglichkeiten: Entweder er ist wirklich ein genialer Forscher, der auf ein großes Geheimnis gestoßen ist oder..."
"Oder?", echote Logan.
"Oder er ist ein Verrückter."
"Wenn er ein Verrückter ist, dann sind wir es auch."
"Ich weiß nicht, ob das ein Trost ist, Ray."
"Für mich schon."
"Na, dann..."
Eine Pause des Schweigens entstand. Das Motorengeräusch der L'OUISEAU DE FEU übertönte größtenteils das vielstimmige Dschungelkonzert. Wir sind an einem Ort, an dem wir nicht sein sollten, ging es Logan durch den Kopf. Ein eigenartiges, unbehagliches Gefühl machte sich in seiner Magengegend bemerkbar. Er hatte keine Furcht, aber ihm wurde bewusst, dass die Gruppe einem Phänomen auf der Spur war, dessen Enthüllung zweifellos den Lauf der Geschichte verändern musste. Die erste Begegnung eines Menschen mit einem Außerirdischen, auch wenn das erste Exemplar, auf das wir gestoßen sind, nicht mehr lebte... Logan wischte sich den Schweiß von der Stirn. Seine Kleider waren durchgeweicht. Kambodscha glich zu dieser Jahreszeit einer Waschküche. Die Hitze war in Verbindung mit der hohen Luftfeuchtigkeit beinahe unerträglich. Sie lähmte sowohl Körper als auch Geist. Logan hatte zwischenzeitlich immer wieder das Gefühl gehabt, in einer Art Traum zu leben.
In einem Zustand, bei dem man zur Hälfte wach, sich zur anderen Hälfte jedoch in einer Art Dämmerschlaf befand.
"Was glaubst du, was diese Außerirdischen oder worum immer es sich sonst bei diesen eigenartigen Kreaturen handeln mag, im Schilde führen?", fragte Pierre Marquanteur schließlich.
Ray Logan zuckte die Achseln.
"Wir wissen so gut wie nichts über sie. Alles, was wir haben ist ein toter Körper, den die Bewohner dieses Landes für einen Walddämon halten."
"Meiner Ansicht nach verfügt eine Spezies, die in der Lage ist, den Abgrund zwischen den Welten zu überwinden, bestimmt auch über eine fortgeschrittene Waffentechnologie", meinte Pierre Marquanteur. "Es wäre vielleicht nicht gerade ratsam, sich den Zorn dieser Tentakelwesen zuzuziehen."
"Vielleicht haben wir das schon", erwiderte Logan, "und zwar ohne, dass wir uns dessen bewusst wären."
Marquanteurs Blick wurde düster. Er verstand genau, was Logan meinte.
"Wenn weiße Seefahrer in der Vergangenheit eine Insel erreichten, auf der die Eingeborenen den Leichnam eines Europäers wie eine Reliquie mit sich herum trugen, so wurde wahrscheinlich meistens kurzer Prozess gemacht."
"Richtig", nickte Logan. "Nur, dass im Moment vielleicht die gesamte Menschheit, sich in der Rolle der unzivilisierten Eingeborenen befindet."
"Ich hoffe wirklich, dass du Unrecht hast, Ray. Mon dieu, c'est ne-pas drole." Marquanteur rückte etwas näher an Logan heran und sprach jetzt in gedämpften Tonfall. "Der chinesische Schiffseigner gefällt mir übrigens nicht."
"Monsieur Sung?"
"Genau."
"Wir sollten ihn im Auge behalten. Er ist zwar nicht abergläubisch und auch nicht so ein Angsthase wie diese Khmer, aber wenn es hart auf hart kommt, werden wir uns nicht auf ihn verlassen können."
"Ich weiß."
In diesem Augenblick trat Clarissa von Breden an Deck. Sie atmete tief durch, wischte sich mit einer fahrigen Geste eine Strähne aus dem Gesicht. Das Hemd klebte ihr am Körper. Ein mattes Lächeln spielte einen Augenaufschlag lang um ihre vollen Lippen, als sie Logan sah.
Der Amerikaner ging auf die Frau zu. Marquanteur blieb im Hintergrund, zündete sich eine Gauloises an, was ihm erst im zweiten Versuch gelang. Die Streichhölzer waren feucht geworden.
"Merde", fluchte er. "C'est encroyable."
Die Feuchtigkeit war einfach überall, drang überall hin und machte offensichtlich selbst einem Mann wie Marquanteur zu schaffen, der an diese klimatischen Bedingungen mehr als jeder andere Weiße gewöhnt war.
Clarissa von Breden trat an die Reling, rang erneut nach Luft.
"Gibt es irgendwelche Schwierigkeiten?", fragte Ray Logan.
Clarissa nickte. "Das kann man wohl sagen."
"Schwierigkeiten welcher Art?"
"Es hängt mit dem Präparat zusammen", berichtete Clarissa von Breden.
"Was ist damit?", fragte Logan.
"Es zersetzt sich."
"Trotz der Maßnahmen der Konservierung, die Ihr Vater angewendet hat?"
"Ja. Und es besteht die Gefahr, dass wir das Präparat vollständig verlieren. Mein Vater tut zwar alles, was er kann, aber so wie es aussieht..."
Sie sprach nicht weiter, verschränkte jetzt die Arme unter der Brust.
"Sie benutzen denselben teilnahmslos, kalten Begriff, wie Ihr Vater", stellte Logan schließlich nach einer Pause fest.
Clarissa sah ihn erstaunt an.
"Wovon sprechen Sie, Mr. Logan?"
"Nennen Sie mich Ray."
"Vielleicht, wenn wir uns etwas besser kennen", erwiderte sie.
"Ganz, wie Sie wollen."
"Was für einen Begriff meinten Sie?", fragte Clarissa.
"Sie sprachen von diesem Wesen als Präparat."
Sie lächelte. "Und das erscheint Ihnen kalt und teilnahmslos?"
"Ist es das nicht? Über den toten Körper eines Bekannten würden Sie sicherlich anders reden."
"Diese Wesen ist kein Bekannter", gab Clarissa von Breden zu bedenken.
"Das ist allerdings richtig. Aber es ist ein Lebewesen, zumindest war es das. Ein Lebewesen, das intelligent genug war, um den Abgrund zwischen den Sternen zu überbrücken."
"Verzeihen Sie mir den kühlen Blick der Wissenschaftlerin."
"Ihnen verzeihe ich doch alles, Clarissa."
"Ihre gönnerhaften Sprüche können Sie sich sparen", erwiderte Clarissa von Breden kühl.
"Geben Sie es zu."
"Was?"
"Dass Sie auch zu den Männern gehören, die glauben, dass eine Frau nicht logisch denken kann. Wenn man wie Sie viel im Dschungel unterwegs ist, dann kommt man doch vielleicht nicht oft dazu eine Zeitung zu lesen, sonst hätten Sie sicherlich längst von den Arbeiten einer Madame Curie gehört."
"Denken Sie mal an, ich habe davon gehört."
"Aber Sie scheinen nichts verstanden zu haben."
"Immerhin habe ich verstanden, dass Sie eine sehr schlagfertige Frau sind. Im Übrigen sind wir demselben Geheimnis auf der Spur und ich finde, da sollten wir an einem Strang ziehen."
"Schön, dass Sie das auch so sehen, Mr. Logan."
"Clarissa!", rief jetzt Professor von Breden, der sich unter Deck befand.
"Mein Vater braucht meine Hilfe", sagte Clarissa.
"Wenn ich irgendetwas für Sie tun kann?"
"Im Moment nicht, Mr. Logan."
"Ich stehe Ihnen gerne zur Verfügung."
"Wie gesagt, im Moment reicht es völlig, wenn Sie mich respektieren." Mit diesen Worten drehte sie sich um und stieg wieder unter Deck.
"Touché, Ray", hörte der Amerikaner Pierre Marquanteur hinter sich sagen.
Logan drehte sich herum.
Pierre Marquanteur grinste breit. "Die ist nicht auf den Mund gefallen, was? Wird Zeit, dass bei dir mal jemand das letzte Wort hat, Ray."
"Hey, ich bezahle dich dafür, dass du auf meiner Seite bist, Pierre", erwiderte Logan.