Читать книгу 7 Kriminalromane für lange Dezember-Nächte - A. F. Morland - Страница 24

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Wir warteten auf den Mann, der Benny genannt worden war. Anselm versprach, uns ein Zeichen zu geben, wenn er auftauchte.

Dazu postierten wir uns an strategisch günstigen Stellen. Jensen setzte sich in eine Ecke neben der Tür. Jan auf einem Platz, von dem aus man die Tür gut beobachten konnte und ich blieb am Tresen stehen.

„Was ist denn mit Rabea Frerich genau passiert?“, fragte Ronald Anselm plötzlich.

„Sie wurde ermordet“, sagte ich. „Mehr möchte ich im Moment dazu nicht sagen.“ Ich gab ihm meine Karte. „Unter der Handynummer bin ich jederzeit erreichbar. Vielleicht fällt Ihnen ja später noch etwas ein, was uns weiterbringt.“

„Glauben Sie nicht, dass es dieser Typ war? Benny?“

„Das werden wir sehen.“

„Wenn Sie wüssten, was ich mir für Vorwürfe mache. Ich hätte ihn länger aufhalten sollen. Aber...“

„Sie haben sich nichts vorzuwerfen“, meinte ich.

Der Gast im Dreiteiler mischte sich ein. „Sie sind ihm doch sogar noch nachgelaufen und haben ihm draußen nachgeschaut, Herr Anselm! Mehr kann man wirklich nicht erwarten. Wer hätte denn auch damit rechnen können, dass dieser Spinner ein verrückter Mörder ist.“

„Stimmt das?“, wandte ich mich an Anselm.

Anselm nickte. „Ja, aber ich habe keinen der beiden noch gesehen...“

„Verstehe...“

Ich schrieb mir noch die Adresse des Anzugträgers auf. Er hieß Leonhard Menzinger und arbeitete in der Kreditabteilung eine Bank, zwei Blocks weiter.

Schließlich wandte ich mich wieder an Anselm. „Bis dieser Benny hier auftaucht, könnten Sie mir vielleicht noch etwas von dem erzählen, was Sie über Rabea so aufgeschnappt haben.“

„Viel ist das im Grunde nicht. Sie arbeitete bei einer Versicherung und hatte dort viel Stress. Es gab da offenbar Pläne, einen Teil der Mitarbeiter zu entlassen. Insofern kann ich gut verstehen, dass Rabea Frerich gestern ziemlich reizbar war.“

„Und dieser Benny? Hat der irgendwann mal über seine persönlichen Dinge gesprochen? Zum Beispiel, welchen Job er hat?“

Anselm schüttelte den Kopf. „Tut mir leid.“

„Wissen Sie, ob er einen Elektro-Schocker besaß?“

Anselm war wie vom Donner gerührt.

„Spielt das in dem Fall etwa eine wichtige Rolle?“

„Es war einfach nur eine Frage, Herr Anselm“, erwiderte ich.

Er nickte schwer. „Da sagen Sie was! Er hatte tatsächlich einen Elektro-Schocker. Und ich glaube, er trug auch eine Waffe.“

„Sie glauben das?“, echote ich.

„Sein Jackett beulte sich unter der Achsel immer ein bisschen aus. Den Schocker trug er in der linken Jacketttasche. Er hat ihn mir mal gezeigt, als er schon ziemlich betrunken war. Benny war vielleicht ein Spinner, der glaubte, dass die Welt von furchtbaren Mächten beherrscht wird. Aber damit verbunden waren auch ungeheure Ängste. Er glaubte immer in Gefahr zu sein, von Kriminellen überfallen zu werden. Jedes Mal, wenn in den Medien ein Überfall gemeldet wurde, sah er das als Bestätigung seiner Theorie über den Satan an. Sie verstehen, was ich meine...“

„Ich denke schon.“

Anselm blickte an mir vorbei zur Tür. Seine Augen schienen dabei plötzlich ganz starr zu werden. Ich drehte mich um. Ein Mann im hellen Anzug stand dort. Um den Hals hing etwas, das im Licht metallisch aufblitzte.

„Das ist er“, sagte Anselm.

Benny trat zwei Schritte in die Bar, blieb dann plötzlich stehen.

Mit einer ruckartigen Bewegung drehte er den Kopf.

Der Mann schien so etwas wie einen sechsten Sinn dafür zu haben, um zu bemerken, wenn er verfolgt wurde. Jensen hatte sich inzwischen von seinem Platz erhoben. Jans Hand wanderte unter das Jackett.

„Benny?“, fragte Jensen. Er zog seinen Ausweis hervor. „Polizei. Wir müssen mit Ihnen reden...“

Bennys Augen traten hervor.

Wie angewurzelt stand er da.

Ein Gast betrat die Bar.

Benny packte ihn, riss ihn vor sich, während wir unsere Dienstwaffen zogen. „Ich habe doch alles getan!“, rief er. „Alles, was ihr wolltet! Ich bin doch einer von euch!“

Bei dem Gast handelte es sich um einen völlig verdutzten Banker im Dreiteiler.

Benny setzte ihm den Elektro-Schocker an den Hals.

„Keine Bewegung!“, rief er. „Bleibt, wo ihr seid, oder es wird etwas Schlimmes geschehen!“

„Benny, bleiben Sie ganz ruhig!“, rief ich. „Wir wollen doch nur mit Ihnen sprechen!“

„Ihr sprecht die ganze Zeit zu mir! So laut, dass ich es kaum aushalte. Jetzt lasst mich in Ruhe!“

„Benny!“

Er schleuderte uns den Mann im Dreiteiler entgegen. Dieser taumelte in unsere Richtung.

Gleichzeitig schnellte Benny aus der Tür.

Er wusste genau, dass wir unmöglich schießen konnten, ohne einen Unbeteiligten extrem zu gefährden. Die Tür fiel ins Schloss. Der Mann im Dreiteiler fiel Jensen vor die Füße.

Ich setzte dem flüchtigen Mann nach.

In Anbetracht der Umstände war er höchst verdächtig. Und sein Verhalten untermauerte diesen Eindruck noch. Ich schnellte mit meiner Dienstwaffe in der Faust auf die Tür zu und riss sie auf. Jan war mir auf den Fersen.

Sekundenbruchteile später stand ich auf dem Bürgersteig.

Benny hatte zum Spurt angesetzt.

Was Ronald Anselm über seine Bewaffnung gemutmaßt hatte, traf leider zu. Benny griff unter sein Jackett und griff nach einer Automatik.

Schüsse peitschten in unsere Richtung. Auf Passanten nahm er dabei keine Rücksicht. Eine Mutter mit Kinderwagen und ein älterer Herr flohen in eine Türnische. Die Fensterscheiben eines Geschäfts für Computerzubehör gingen zu Bruch. Ein Querschläger kratzte am Lack eines parkenden Fahrzeugs entlang und hinterließ einen Striemen.

Benny rannte vorwärts.

Unser Glück war, dass ihn offenbar nie jemand im schießen richtig ausgebildet hatte, sodass seine Schüsse mehr oder weniger ungezielt waren.

Jan ging an einer Hausnische in Deckung, ich duckte mich hinter den Kotflügel eines blauen Ford, während Benny unablässig Schuss um Schuss abgab. Kommissar Jensen, der jetzt erst aus Mäckis Bar heraustrat, wurde von einem dieser Schüsse knapp verfehlt. Die Kugel grub sich in das Mauerwerk direkt neben ihm und sprengte ein daumengroßes Loch in den Stein.

Dann erreichte Benny eine Nebenstraße und bog ein.

Wir rannten hinterher.

Jensen folgte uns und rief Verstärkung. Außerdem gab er Benny in die Fahndung ein.

Ich tastete mich vorsichtig um die Ecke jener Nebenstraße, in die er eingebogen war.

Eine schmale Einbahnstraße, wenig belebt dafür aber fast völlig zugeparkt.

Die Dienstwaffe vom Typ SIG Sauer P226 hielt ich in beiden Händen. Jan folgte mir und sicherte mich ab.

„Der Mann ist verrückt, wir sollten besser nicht damit rechnen, dass er vernünftig handelt“, raunte Jan mir zu.

Kommissar Jensen überquerte die Straße und bezog auf der anderen Seite Stellung.

„Das Gute ist, der Kerl kann hier nicht einfach in einen Wagen steigen, ohne, dass wir das merken!“, meinte Jensen. „Dies ist nämlich eine Sackgasse.“

Wir sahen die Reihen der parkenden Fahrzeuge entlang. Bei den meisten handelte sich um Pkw. Nur hin und wieder versperrte ein Van oder ein Transporter die Sicht.

Wir arbeiteten uns vorsichtig voran.

Vielleicht war Benny auch in einem der Hauseingänge verschwunden.

Auf jeden Fall war er gefährlich und nahm bei seinen Handlungen weder auf sich selbst noch auf andere irgendeine Form von Rücksicht.

Ich erreichte die Einfahrt zu einem Hinterhof.

Ich tastete mich vor, blickte dann mit der Waffe in der Hand in die Einfahrt und stellte fest, dass dort niemand war.

Ein gusseisernes Tor, etwa zwei Meter fünfzig hoch, versperrte den Zugang zum Hinterhof. In der Mitte war ein Schild angebracht, auf dem Stand: Zulieferer für Mäckis Bar.

Darunter war noch ein Hinweis darauf, dass in der Einfahrt parkende Fahrzeuge kostenpflichtig abgeschleppt würden.

Offenbar gehörte der Hinterhof zur Bar und man wollte vermeiden, dass er als Parkplatz genutzt und zugestellt wurde.

„Dahin kann er nicht verschwunden sein!“, stellte Jan fest.

Mir fiel ein buntes Stück Papier auf dem Boden auf. Nur für eine Sekunde erregte es meine Aufmerksamkeit. Die Worte NORDDEUTSCHE TOTAL-VERSICHERUNG fesselten mich. Ich zog sofort die Verbindung zu Rabea Frerich, die dort schließlich gearbeitet hatte. Es war offenbar eine Visitenkarte und sie war in keinem guten Zustand. Den einen oder anderen Fußtritt eines Passanten hatte sie schon mitbekommen.

NIEMAND VERSICHERT SIE SO GÜNSTIG!, stand auf der Karte.

Ich drehte sie um. In der Ecke waren dienstlicher Telefon- Fax- und Internetanschluss sowie die Zimmernummer von Rabea Frerich zu finden.

„Sieh an“, murmelte ich.

„Vielleicht hatte sie ihren Wagen hier abgestellt und hat die Karte verloren, als sie in ihrer Handtasche nach dem Wagenschlüssel suchte“, glaubte Jan.

Im Moment blieb jedoch keine Zeit, um weiter darüber nachzudenken.

Ein Motor heulte auf. Im nächsten Moment scherte ein viertüriger Audi aus der Reihe der parkenden Fahrzeuge aus. Der Fahrer gab Vollgas und ließ den Motor aufheulen. In einem wahnsinnigen Tempo raste er in dem engen Korridor zwischen den Fahrzeugreihen her...

Ich war mir sicher, dass Benny am Steuer saß, auch wenn ich das von meiner Position aus nicht zweifelsfrei zu erkennen vermochte.

In diesem Moment bog ein Lieferwagen mit der Reklameaufschrift eines Getränkeherstellers in die Sackgasse ein. Der Fahrer trat in die Eisen. Quietschend kam der Lieferwagen zum stehen, aber für Benny bestand keine Chance, auf der Fahrbahn an ihm vorbeizukommen.

So riss er das Steuer seines Wagens herum und steuerte durch die Lücke zwischen den parkenden Fahrzeugen, die vor der Einfahrt zum Hinterhof von Mäckis Bar gelassen worden war.

Der Wagen raste auf uns zu. Jan machte einen Satz zur Seite, und rollte sich auf dem Bodden ab. Mir blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls zu springen.

Allerdings hatte ich keinerlei Möglichkeit, der Wucht des Wagens noch seitwärts zu entkommen.

Ich sprang auf die Kühlerhaube, während Benny seinen Wagen mit nur unwesentlich gedrosselter Geschwindigkeit über den Bürgersteig brettern ließ.

Jan rappelte sich inzwischen auf und feuerte auf die Hinterreifen. Beide platzten im Abstand von etwa einer Sekunde. Der Wagen brach nach rechts und anschließend nach links aus. Die Kotflügel krachten einmal gegen das Blech der parkenden Fahrzeuge und dann gegen den Stein der Hauswände. Funken sprühten dort. Der Geruch von verbranntem Gummi stach mir in die Nase. Dann verkantete sich der Wagen so, dass er stehen blieb.

Durch den Ruck wurde ich von der Kühlerhaube geschleudert.

Hart fiel ich auf den Boden, rollte mich aber über die Schulter auf dem Asphalt ab. Ein Schuss krachte. Benny hatte seine Waffe hervor gerissen und in meine Richtung gehalten. Der Schuss ging durch die Windschutzscheibe hindurch, verfehlte mich aber und zertrümmerte stattdessen eine Straßenlaterne in zwanzig Meter Entfernung.

Ich war innerhalb eines Sekundenbruchteils wieder auf den Beinen und riss die Waffe empor.

Breitbeinig und in halb geduckter Haltung stand ich vor der Kühlerhaube des Wagens und richtete die schussbereite Pistole auf Benny, der einen Moment lang völlig konsterniert war.

Allerdings wohl weniger wegen meines Einsatzes als aufgrund der Tatsache, dass ein Schwall von Glassplittern ihm entgegengeregnet war, nachdem er die Frontscheibe mit seinem Schuss zertrümmert hatte.

„Waffe weg!“, rief ich. „Sofort!“

Er saß wie erstarrt da. Sein Waffenarm hing herab. Um mich zu erschießen, hätte er die Waffe noch einmal hochreißen müssen. Ich konnte die Anspannung in seinem Gesicht förmlich sehen.

„Über das, was Ihnen jetzt gerade durch den Kopf geht, sollten Sie nicht einmal nachdenken!“, riet ich ihm.

Er schluckte. Gleichzeitig bemerkte ich, wie sich die Muskulatur auf der Seite des Waffenarms bei ihm anspannte.

Vielleicht war es ihm gleichgültig, was passierte. Oder er war verrückt genug, um die Polizei als Instrument zur Inszenierung des eigenen Selbstmordes einfach mit einzukalkulieren.

Inzwischen hatten sich auch Jan Slieter und Kommissar Jensen an den Wagen herangearbeitet.

Als er Jan aus irgendeinem Grund bemerkte und sich halb herumdrehte, blickte er schon in den Lauf seiner Dienstwaffe.

„Es hat keinen Sinn. Es sei denn, Sie sind lebensmüde...“

„Ich wusste, dass ihr so reagieren würdet“, sagte er. „Es stand von Anfang an fest, ihr seid nicht zu täuschen.“

Er ließ sich von Jan widerstandslos die Waffe abnehmen und redete die ganze Zeit über weiter. Auch noch, als die Handschellen klickten und ihm die Rechte vorgelesen wurden. In seinem Fall hatte ich das Gefühl, dass er davon wohl kaum ein Wort mitbekam.

„Jetzt bin ich in eurer Hand“, sagte er. „In der Hand des Bösen...“

„Wir haben keine Ahnung, wovon Sie sprechen, Benny“, stellte ich fest, nachdem ich wieder einigermaßen zu Atem gekommen war.

„Ihr seid doch die Diener des Satans!“, rief er.

„Sind Sie nicht auch einer?“, fragte ich etwas irritiert. „Sie tragen doch das Kreuz falsch herum um den Hals... Soweit ich weiß, ist das das Symbol des Satanismus.“

Seine Augen begannen jetzt fiebrig zu leuchten.

„Nein...“ rief er plötzlich wie irre. „Und ich habe gedacht, ihr hättet mich erkannt! Und dabei hattet ihr keine Ahnung...“

„Bringen wir ihn erstmal in Gewahrsam“, schlug Kommissar Jensen vor. „Und ich denke, dass als erstes eine psychologische Begutachtung angesagt ist.“

Auch wenn Kommissar Jensen offenbar die Ansicht vertrat, dass im Augenblick nichts als wertloses Gestammel aus Benny herauskam, sprach ich ihn noch mal an.

„Sie erinnern sich an Rabea, oder? An ihre roten Haare. Sie sind ihr gestern in Mäckis Bar begegnet.“

Sein Blick veränderte sich.

„Ich erinnere mich.“

„Sie sind ihr gefolgt.“

„Ihr seid allmächtig. Ihr seid allwissend und allsehend. Ihr seid die Diener des Satans. Die Beherrscher der Welt. Warum fragt ihr?“

„Was war mit Rabea?“, fragte ich. „War sie auch eine Dienerin des Satans?“

„Ich weiß nicht...“, murmelte er und senkte dabei den Blick.

„Ist es hier geschehen?“, hakte ich nach. „Sie sind ihr gefolgt, sie stieg in den Wagen. Sie haben Ihren Elektro-Schocker genommen und...“

„Braucht man!“, fuhr er dazwischen. „Braucht man so eine Waffe! Sonst ist man schutzlos. Aber es nützt nichts. Ihr seid überall.“

Jan schüttelte den Kopf. „Vergiss es, Ubbo, du wirst hier und jetzt wohl kein vernünftiges Wort mehr aus ihm herausbekommen.“

Ich atmete tief durch. Wahrscheinlich hatte Jan Recht.


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