Читать книгу 7 Kriminalromane für lange Dezember-Nächte - A. F. Morland - Страница 27

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Das Hotel in Bremen, in dem für uns für die Nacht ein Zimmer mieteten, trug den Namen “Hotel zum Löwen” und gehörte einer Kette an, die in Nordwestdeutschland und im Benelux-Gebiet recht verbreitet war. Die Zentrale befand sich im belgischen Lüttich. Es war ein Mittelklasse-Hotel. Bevor wir auf unsere Zimmer gingen, luden wir die Daten, die Tadaeus Ulfert uns geschickt hatte auf ein PDA. Bevor uns am nächsten Morgen mit den Kollegen des Bremer Polizei zum Briefing trafen, mussten wir uns mit den Daten einigermaßen vertraut machen.

Am Morgen fuhren wir nach dem Frühstück ins Präsidium der Bremer Polizei.

Kommissar Jensen erwartete uns zusammen mit der Kollegin Serena Düpree in einem Konferenzraum. Dr. Frank Martin traf etwas später ein.

Er gab einen Bericht über die Befragung des Mannes, den wir bisher nur unter seinem Vornamen Benny kannten.

Seine Identität hatte inzwischen festgestellt werden können. Sein voller Name lautete Benny Wilfried Basener. Er besaß einen Hochschul-Abschluss, arbeitete aber gegenwärtig als Aushilfsfahrer in einer Wäscherei. „Den Job, den er davor in einem Fast Food Restaurant hatte, verlor er, weil er Gäste anpöbelte und sie verdächtigte, vom Satan beeinflusst zu sein“, erklärte Martin. „Der Mann leidet zweifellos unter einer starken Psychose. Er glaubt, dass die Welt vom Satan beherrscht wird, der seiner Ansicht nach fast allen Menschen als eine Art Dämon innewohnen würde. Durch das Tragen eines Satanszeichens, des umgekehrten Kreuzes, glaubte er sich vor dieser feindlichen Umwelt schützen zu können. Er leidet außerdem unter paranoiden Vorstellungen.“

„Und Sie zweifeln noch immer daran, dass wir den Richtigen verhaftet haben?“, fragte Jensen kopfschüttelnd. „Ich denke, dass er unser Mann ist!“

Der Profiler hob die Augenbrauen. „Zumindest hat er aber kein feindseliges Verhältnis zu rothaarigen Frauen“, erklärte Dr. Martin. „Er kam mit drei Jahren in eine Pflegefamilie, weil die Mutter drogensüchtig und nicht in der Lage war, sich um ihr Kind zu kümmern. Welche frühkindlichen Traumata er da erlitten hat, ist bisher schwer zu beurteilen. Da fehlen mir noch wesentliche Informationen. Tatsache ist aber, dass Benny Basener zu einer rothaarigen Pflegemutter kam. Als ich mit ihm über sie zu sprechen begann, wurde er zugänglicher und war mehr und mehr bereit, sich zu öffnen.“

„Kann man seine frühkindlichen Erlebnisse nicht auch als ein Indiz für seine Täterschaft werten?“, argumentierte Jensen.

Aber der Chef der Mordkommission bekam für diese Meinung keine Unterstützung. Frank Martin war anderer Ansicht. Er schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, die Sache scheint bei Basener etwas anders zu liegen, als Sie vielleicht denken. Basener hatte ein überaus positives Verhältnis zu seiner Pflegemutter. Er bezeichnet sie als eine der wenigen Menschen, die nicht vom Satan beherrscht würden.“

„Mit anderen Worten, er hat eigentlich keinen Grund, rothaarige Frauen umzubringen“, stellte ich fest.

Martin nickte. „So ist es. Er war übrigens mehrfach in psychiatrischer Behandlung. Seine Probleme begannen, nach dem Tod der Pflegemutter. Sie starb an Krebs, als er vierzehn war. Danach kam es zum ersten Mal zu einer mehrmonatigen Einweisung in eine psychiatrische Klinik. Auf die entsprechenden Unterlagen warte ich noch. Aber ich bin mir ehrlich gesagt nicht mehr sicher, ob wir die überhaupt noch brauchen, um Basener als Täter auszuschließen.“

„Weshalb?“, fragte Jensen. „Also für mich ist das längst noch nicht so klar. Vielleicht hat er seiner rothaarigen Pflegemutter nie verziehen, dass sie krank wurde und starb. Kann das nicht auch als ein Im-Stich-Lassen empfunden werden?“

„Völlig richtig, Herr Jensen. Aber Tatsache ist nun mal, dass Benny Basener das nicht auf diese Weise verarbeitet hat.“

„Dr. Martin, er hatte einen Elektro-Schocker, er ist dem letzten Opfer gefolgt, das ihm eine Abfuhr erteilte...“

Jensen nippte an seinem Kaffee und es war für mich überdeutlich, dass er diesen Fall einfach nicht mit der nötigen sachlichen Kälte betrachten konnte. Zu tief saß die Niederlage, die ihm der mysteriöse Killer vor Jahren beigebracht hatte.

Dr. Martin schloss unterdessen sein Laptop an einen Beamer an. Er projizierte eine Karte an die Wand, die den Norden Deutschlands und das Benelux-Gebiet zeigte zeigte. Kreuze markierten Ortsnamen. Außerdem gab es noch eine Reihe von Fragezeichen.

„Sie sehen hier eine geografische Übersicht über alle Fälle, die wir mit dem Rote-Haare-Mörder in Verbindung bringen. Die Kreuze bezeichnen Fälle, in denen das sehr wahrscheinlich ist, obwohl wir in manchen davon keine Leiche vorfanden. Aber bei sämtlichen Fällen, die durch ein Kreuz bezeichnet wurden, fanden wir am vermutlichen Tatort zumindest so viel DNA – meistens in Form von Blut – dass wir erstens sicher sein können, dass die betreffende Frau wirklich ermordet wurde und zweitens Rückschlüsse genug auf die Begehungsweise der Tat gezogen werden können, um eine Verbindung zu unserer Serie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit herzustellen. An insgesamt drei Tatorten fanden wir auch Spuren des Täters, die zumindest beweisen, dass drei dieser Fälle von ein und demselben Mann begangen wurden.“

„Ich nehme an, dass bei Benny Basener auch ein Gen-Test durchgeführt wird“, meinte Jan.

Dr. Martin nickte. „Ja, wir erwarten das Ergebnis frühestens übermorgen.“

„Und was sind die Fragezeichen?“, erkundigte ich mich.

„Die Fragezeichen sind Fälle von vermissten Frauen, die von ihren Persönlichkeitsmerkmalen her in das Beute-Schema des Killers passen. Ich habe die uns zugänglichen Daten verwendet. In wie fern die vollständig sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Es ist durchaus möglich, dass da noch der eine oder andere Fall hinzukommt. Ich habe nun zunächst einmal versucht alle diese Fälle in ein zeitliches Raster zu setzen. Danach hätte der Täter vor zwanzig Jahren mit seinen Morden begonnen, hat darauf wahrscheinlich regelmäßig den Wohnort und den Job gewechselt und ist weiter gezogen. Ich konnte übrigens die Zahl der Fragezeichen auf diese Weise reduzieren. Der Täter scheint immer nur Opfer in der näheren Umgebung seines Wohnortes gesucht zu haben und ist dann nach einer Weile weiter gezogen.“

„Vielleicht weil der Fahndungsdruck zu groß wurde?“, vermutete ich.

Martin zuckte mit den Schultern. „Das könnte durchaus ein Grund gewesen sein. Jedenfalls gab es in der Gegend von Bremen vor sieben Jahren den ersten Fall. Seitdem scheint der Täter diese Gegend nicht mehr verlassen zu haben.“

„Er hatte eine Möglichkeit, die Leichen – wie er glaubte – sicher zu entsorgen“, stellte ich fest. „Norma Jeremies wurde vor fünf Jahren getötet und in ein Säurefass gelegt.“

„Gut möglich, dass er sich deswegen sicher fühlte“, nickte Martin. „Wir suchen jedenfalls einem Mann, der um vierzig ist – plus Minus ein paar Jahre. Das trifft auf Benny Basener zu. Er ist 38 Jahre alt. Aber er verbrachte diese gesamten 38 Jahre hier in Bremen. Die einzigen Unterbrechungen waren Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken. Und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Basener in dieser Zeit kreuz und quer durch das Land reiste, um sich seine Opfer zu suchen!“

„Dann fangen wir also wirklich wieder von vorne an?“, fragte Jan.

„Nein, nicht ganz“, meinte Martin. „Wir wissen schon eine ganze Menge über den Täter.“

„Unter anderem, dass er Zugang zu einem Giftmülldepot gehabt haben muss“, meinte ich.

„Richtig“, nickte Martin. „Er könnte dort mal gearbeitet haben. Ich wollte noch etwas zum Motiv sagen. Er handelt aus einem Zwang heraus. Er glaubt irrealerweise, dass etwas Schreckliches geschieht, wenn er die Tat nicht vollbringt. Aber bei der Durchführung geht er sehr planvoll vor – so wie jemand, der unter einem Wasch- oder Kontrollzwang leidet, die Handlung an sich auch mit großer, fachmännischer Akribie ausführt. Dazu passt auch das Entsorgen der Leichen. Es geht ihm nicht darum, Macht zu demonstrieren oder jemandem etwas zu zeigen oder zu beweisen! Ganz im Gegenteil. Und sexuelle Motive scheinen auch ausgeschlossen zu sein. Mit den Jahren verstärkt sich der Zwang. Die zeitliche Frequenz, in der die Handlung durchgeführt werden muss, verringert sich. Er muss immer häufiger töten. Außerdem ist bei der Person, die wir suchen mit Sekundärzwängen zu rechnen.“

„Was meinen Sie damit?“, fragte Jan.

„Es erfordert ungeheure Kräfte, die Zwänge immer zu erfüllen. Schon ein einfacher Kontrollzwang kann zu völliger Erschöpfung führen. Bevor das geschieht gibt es eine Art Notbremse in der menschlichen Psyche. Der Betreffende befreit sich kurzfristig von einem Zwang, in dem er sich einem weniger anstrengenden Zwang unterwirft – zum Beispiel dem, beim Gehen irgendwelchen Linien auf dem Fußboden zu folgen. Unser Mann könnte Ähnliches tun.“

„Gibt es eigentlich Fälle in Holland oder Belgien?“, fragte ich. „Wir befinden uns hier direkt an der Grenze. Amsterdam und Brüssel sind nicht weit entfernt. Es wäre doch nur logisch, wenn der Täter auch auf der anderen Seite der Grenze zugeschlagen hätte, zumal er sich doch Ihrer Theorie nach mindestens sieben Jahre mehr oder minder ununterbrochen in dieser Gegend aufhält.“

„Und rothaarige Frauen gibt es auch auf der anderen Seite der Grenze“, warf Jan ein. “Belgien ist kaum weiter weg als Nordrhein-Westfalen und da hatten wir auch Kreuze und Fragezeichen. Und Holland liegt - quasi um die Ecke.

„Das habe ich bereits abgeklärt“, sagte der Profiler. „Auf belgischer oder holländischer Seite gibt es keinen einzigen Fall, der ins Raster passt.“

„Das muss einen Grund haben“, meinte Jan.

„Vielleicht war unser Mann einfach nur nie dort!“, warf Jensen ein. Seine Stimme klang leicht genervt. Offenbar hatte er sich schon zu sehr darüber gefreut, dass mit Benny Baseners Verhaftung der ganze Fall gelöst war.

Aber das war er nicht.

„Vielleicht kann er nicht über die Grenze“, schlug ich vor.

„Der Personen- und Warenverkehr ist doch zwischen EU-Ländern frei“, meinte Jan.

„Es wäre möglich, dass er dort straffällig wurde und deswegen nicht über die Grenze kann“, sagte ich.

„Bravo!“, sagte Dr. Martin. „Damit könnten wir ein weiteres Merkmal haben. Vielleicht ist er sogar gebürtig aus Benelux.“

“Ein bisschen weit hergeholt”, meinte Jan.

“Nein, finde ich nicht”, erwiderte Dr. Martin.


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