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3. Hegel und die Vollendung der Ästhetik

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Geschichtlichkeit des Ästhetischen

Kant hatte seine Ästhetik ganz an der Theorie des Naturschönen ausgerichtet. Der Zusammenhang von Literatur und Geschichte spielt für ihn keine Rolle. Das Problem der Geschichtlichkeit der Kunst in der Ästhetik zu etablieren, ist, neben Herder, erst Hegels Verdienst. Es sind vor allem drei Momente, die den komplexen Gang von Hegels Ästhetik bestimmen: Die Verlagerung des Gegenstandes der Ästhetik vom Naturschönen zum Kunstschönen, das Hegel als die sinnliche Erscheinung des Absoluten bestimmt, die Einführung einer geschichtsphilosophischen Unterscheidung in das System der Künste und die Ausdifferenzierung der Kunst in unterschiedliche Gattungsformen. Vor diesem Hintergrund ist es insbesondere die wechselseitige Durchdringung von Geschichtsphilosophie und Gattungspoetik, die es erlaubt, einen näheren Aufschluss über Hegels Theorie der Literatur zu gewinnen.

Hegels Klassizismus

Um den geschichtlichen Verlauf der Kunstentwicklung nachzuvollziehen, bedient sich Hegel in seiner Ästhetik der Unterscheidung von symbolischer, klassischer und romantischer Kunstform. Ihre zeitliche Folge stellt er als ein Suchen, Finden und Überschreiten des Schönen dar: „In dieser Weise sucht die symbolische Kunst jene vollendete Einheit der inneren Bedeutung und äußeren Gestalt, welche die klassische in der Darstellung der substantiellen Individualität für die sinnliche Anschauung findet und die romantische in ihrer hervorragenden Geistigkeit überschreitet“ (Hegel 1986a, 392). Wie sich in der suggestiven Begrifflichkeit von Suchen, Finden und Überschreiten schon andeutet, ist es die Idee der Vollendung des Schönen in der klassischen Kunst der Griechen, die im Mittelpunkt der Hegelschen Ästhetik steht. Die geschichtliche Entwicklung vom Ideal des Schönen bis zu seiner Verwirklichung in seinen besonderen Formen findet ihre Vollendung im Klassischen, das Hegel zufolge durch keine andere Form der Kunst mehr übertroffen werden kann.

Gattungspoetik und Geschichtsphilosophie

Die geschichtliche und die gattungspoetische Darstellung des Systems der Künste sind in Hegels Ästhetik eng miteinander verknüpft. Die geschichtliche Entwicklung des Schönen und die gattungspoetische Betrachtung des Systems der einzelnen Künste setzt Hegel in Beziehung zueinander, indem er der symbolischen Kunst die Architektur, der klassischen die Skulptur und der romantischen Kunst Malerei und Musik zuweist. Wie schon bei Kant nimmt die Dichtkunst – in geheimer Konkurrenz zur griechischen Skulptur – eine besondere Stellung ein. Sie gilt Hegel nicht nur als die „absolute, wahrhafte Kunst des Geistes“ (Hegel 1986b, 261), die mit dem Begriff des Kunstschönen zusammenfällt. An die Stelle der geschichtlichen Einteilung der einzelnen Künste in eine symbolische, klassische und romantische Form tritt in Hegels Darstellung der Dichtung die gattungstheoretische Unterscheidung von Epos, Lyrik und Drama. „In der Poesie endlich, obschon sie am vollständigsten die ganze Stufenfolge der Kunstformen zu Kunstwerken auszuprägen vermag, werden wir die Einteilung dennoch nicht nach dem Unterschiede der symbolischen, klassischen und romantischen Poesie zu machen haben, sondern nach der für die Poesie als besonderer Kunst spezifischen Gliederung in epische, lyrische und dramatische Dichtkunst“ (Hegel 1986b, 271).

Vorrang der Tragödie

Löst die gattungspoetische Darstellung der Dichtkunst in Hegels Ästhetik die geschichtsphilosophische Unterscheidung auch scheinbar ab, so steht sie dennoch in einem engen Zusammenhang mit der Geschichte der Künste. Denn die Differenz von Epos, Lyrik und Tragödie verfolgt Hegel allein am Beispiel der klassischen griechischen Kunst. Das Ineinandergreifen von historischer Entwicklung und gattungspoetischer Ausdifferenzierung beschränkt sich auf die von Hegel ausgezeichnete Form der Kunst, die Klassik. Im Blick auf die griechische Poesie, deren Geschichte sich im Rückblick als kontinuierlicher Fortschritt vom Epos zur Lyrik bis zur Synthese beider in der Tragödie entfaltet, fallen bei Hegel die Geschichte der Kunst und die Ausdifferenzierung der einzelnen Gattungen zusammen. Der Vollendung der Kunst im Klassischen entspricht die Vollendung der Poesie in der Tragödie als derjenigen Dichtkunst, „welche die Objektivität des Epos mit dem subjektiven Prinzipe der Lyrik in sich vereinigt“ (Hegel 1986c, 474). Die dramatische Poesie stellt Hegel daher als die Vollendung der Kunst überhaupt dar. „Das Drama muß, weil es seinem Inhalte wie seiner Form nach sich zur vollendetesten Totalität ausbildet, als die höchste Stufe der Poesie und der Kunst überhaupt angesehen werden“ (Hegel 1986c, 474). Die These von der Vollendung des Schönen in der klassischen Kunstform der griechischen Antike sieht Hegel in der Antigone als dem „allererhabensten, in jeder Rücksicht vortrefflichsten Kunstwerke aller Zeiten“ (Hegel 1986b, 60) bestätigt: „Von allem Herrlichen der alten und modernen Welt – ich kenne so ziemlich alles, und man soll es und kann es kennen – erscheint mir nach dieser Seite die ‚Antigone‘ als das vortrefflichste, befriedigendste Kunstwerk“ (Hegel 1986c, 550). Die Auszeichnung der Sophokleischen Antigone verknüpft den geschichtsphilosophischen Vorrang des Klassischen mit dem gattungspoetischen Vorrang der Tragödie. Die Vollendung der Poesie bezieht sich geschichtlich auf die Zeit der griechischen Klassik und gattungstheoretisch auf die Tragödie als die höchste Form, die der Kunst möglich sei.

Klassik und Moderne

Die Dialektik von Gattungspoetik und Geschichtsphilosophie in Hegels Ästhetik erlaubt es, sowohl den Fortschritt gegenüber Kant in den Blick zu nehmen, als auch die Probleme, die Hegels Klassizismus für die Theorie der Literatur aufwirft. Denn einerseits bietet Hegels Ästhetik gerade im Vergleich zu Kant eine äußerst differenzierte Darstellung der Literatur unter dem doppelten Gesichtspunkt der geschichtlichen Entwicklung der Kunst und ihrer Ausdifferenzierung in verschiedene Gattungen. Andererseits aber ist Hegels Ästhetik von einer einseitigen Orientierung an der klassischen Kunst der Griechen unter dem gattungspoetischen Vorrang der Tragödie betroffen, die einen Einwand nahelegt: Dem eigenen Anspruch nach der Verknüpfung von Geschichtsphilosophie und Gattungspoetik zufolge müsste die Bestimmung der antiken Poesie durch eine adäquate Reflexion auf die vorklassische wie die moderne Literatur ergänzt werden.

Wissenschaft und Kunst

Dass insbesondere der Schritt zu einer der Antike vergleichbaren Bestimmung der Literatur der Moderne im Zeichen des Romantischen unterbleibt, hat seinen Grund in Hegels problematischer Positionierung des Verhältnisses von philosophischer Reflexion und literarischer Praxis. „Die Vollendung der klassischen deutschen Ästhetik durch Hegel“ (vgl. Kuhn 1966) vollzieht sich in ausdrücklicher Abwendung vom Genius der Kunst. Hegel verbindet die ästhetische Durchdringung der Geschichte der Kunst mit der These von ihrem geschichtlichen Ende. So stellt er in der Ästhetik einleitend fest, es „erscheint der Geist in unserer heutigen Welt, oder näher unserer Religion und unserer Vernunftbildung, als über die Stufe hinaus, auf welcher die Kunst die höchste Weise ausmacht, sich des Absoluten bewußt zu sein“ (Hegel 1986a, 24). Vor diesem Hintergrund hebt Rainer Wiehl hervor: „Hegels Ästhetik stellt ein Paradoxon dar für jeden Versuch, sie für Fragen der modernen Kunst in der einen oder der anderen Weise zu gebrauchen. Einerseits scheint kaum irgendeine Theorie weniger geeignet als sie, die Phänomene der modernen Kunst begreifbar zu machen. Auf ihrer Grundlage scheint vielmehr das Wesentliche der modernen Kunst zum Wegwerfen bestimmt zu werden, nämlich all das, in dem keine Heilung des Zerbrochenen, keine Versöhnung des Widerstreitenden erscheint […]. Aber das verführerische Paradox der Hegelschen Ästhetik besteht nun gerade darin, daß sie als eine ausgezeichnete Anti-Theorie in Beziehung auf die moderne Kunst sich aufdrängt“ (Wiehl 1971, 136). Die Leistung und die Grenzen der Hegelschen Ästhetik liegen demnach in dem gleichen Problem beschlossen. Hegels kritisches Urteil über die Legitimation der Kunst in seiner eigenen Zeit erklärt sich erst vor dem geschichtsphilosophischen Hintergrund seiner Ästhetik. Während die Vollendung der Kunst als sinnlich-unmittelbare Darstellung des Absoluten für Hegel einzig in der griechischen Antike bereitliegt, wird der Kunst der Eintritt in die Moderne verwehrt, da das Absolute seinen Platz inzwischen nicht mehr auf der tragischen Bühne, sondern in der Philosophie gefunden hat.

Ende der Kunst?

Die Möglichkeit einer Ästhetik als dem wissenschaftlichen System des Schönen leitet Hegel daher ausdrücklich aus dem Vergangenheitscharakter der Kunst ab: „In allen diesen Beziehungen ist und bleibt die Kunst nach der Seite ihrer höchsten Bestimmung für uns ein Vergangenes. […] Die Wissenschaft der Kunst ist darum in unserer Zeit noch viel mehr Bedürfnis als zu den Zeiten, in welchen die Kunst für sich als Kunst schon volle Befriedigung gewährte. Die Kunst ladet uns zur denkenden Betrachtung ein, und zwar nicht zu dem Zwecke, Kunst wieder hervorzurufen, sondern, was die Kunst sei, wissenschaftlich zu erkennen“ (Hegel 1986a, 25). Hegels Theorie der Moderne lässt mit der „Philosophie der Kunst“ (Hegel 1986a, 13) die Prosa der Wissenschaft an die Stelle der Poesie treten. Die These von der Vollendung der Kunst in der antiken Klassik begründet zugleich einen kritischen Begriff der Moderne, der Kunst und Poesie insbesondere im Rahmen einer kritischen Absetzbewegung von der Frühromantik keine nennenswerte Bedeutung mehr zukommen lässt. Hatte sich schon in Kants Kritik der Rhetorik eine Trennung der im Begriff der Poetik noch verbundenen Bereiche der Theorie und Praxis der Dichtkunst abgezeichnet, so vollendet Hegel das Auseinandertreten von Dichtung, Rhetorik und Philosophie, indem er das Ende der Kunst als den Anfang der Wissenschaft von der Kunst deutet (vgl. Henrich 1983).

Aufwertung der Poetik bei Hölderlin

Dass Hegels einseitige Orientierung an der klassischen Kunst der Griechen die Bestimmung der modernen Kunst offen lässt, hat immer wieder zu einem spezifisch ästhetisch motivierten Widerspruch gegen sein System geführt. In diesem Zusammenhang bricht auch der Streit zwischen Ästhetik und Rhetorik neu auf, der schon Kants Kritik der Urteilskraft bestimmte. In Frage steht ein ästhetisches Denken, das sich nicht von der Philosophie, sondern von der Dichtkunst selbst herleitet. Vor einem vergleichbaren Hintergrund wie Hegels Theorie der Tragödie lassen sich Hölderlins Anmerkungen zur Übersetzung des Sophokles als der Versuch verstehen, aus den poetologischen Gesetzen der antiken Tragödie entsprechende Konsequenzen für die Kunst der Moderne zu ziehen: „Es wird gut sein, um den Dichtern, auch bei uns, eine bürgerliche Existenz zu sichern, wenn man die Poësie, auch bei uns, den Unterschied der Zeiten und Verfassungen abgerechnet, zur mechane der Alten erhebt“ (Hölderlin 1994, 849), beginnt Hölderlin seine Reflexionen zum Ödipus. Mit der Frage nach der „mechane der Alten“ verschreibt er sich nur scheinbar wie Hegel dem Diktat der Nachahmung der griechischen Klassik (vgl. Szondi 1978a, 345–366). Die doppelte Bemerkung „auch bei uns“ unterstreicht, dass Hölderlin in poetologischer Hinsicht nach dem „Kalkül“ (Hölderlin 1994, 849) der modernen Dichtung fragt. „Der modernen Poësie fehlt es aber besonders an der Schule und am Handwerksmäßigen, daß nämlich ihre Verfahrungsart berechnet und gelehrt und, wenn sie gelernt ist, in der Ausübung immer zuverlässig wiederholt werden kann“ (Hölderlin 1994, 849). Mit der Frage nach dem Handwerk, das der Kunst zugrundeliegt, nimmt Hölderlin in Abgrenzung vom Genie-Gedanken seiner Zeit die Tradition der antiken Poetiken wieder auf: Kunst ist lehr- und lernbar, weil sie bestimmten Gesetzen gehorcht, die nicht durch ästhetische Subjektivität erfahrbar, sondern durch Regeln bestimmbar sind.

Kunst als Regelsystem

Die Aufwertung der rhetorisch-poetologischen Tradition verbindet Hölderlin mit einer Ablösung des von Hegel behaupteten Vorrangs der Tragödie vor den anderen Dichtungsformen. Insbesondere nach dem Scheitern seines Empedokles-Projekts ist es nicht mehr die Tragödie, die Hölderlins Bemühen um eine moderne Form der Kunst leitet, sondern die von Pindar hergeleitete Form der Hymne. Und so stehen Hölderlins späte Hymnen für eine Form der Dichtung ein, die Hegels Anspruch einer philosophischen Durchdringung der Moderne von seiten der Kunst unterminiert (vgl. Henrich 1971, 9–40). Hegels Ästhetik und Hölderlins Poetik nennen die beiden Extreme innerhalb des Spannungsbogens, der die philosophische Reflexion über die Dichtung und die Dichtung selbst auseinanderhält.

Schlegels Poetik

Mit Hölderlin verbindet Friedrich Schlegel die Aufwertung der poetologischen Tradition aus einem dezidiert modernen Standpunkt, der die Ansprüche moderner Literatur im Widerspruch zu Hegels klassizistischer Bevorzugung der Tragödie jedoch nicht in der Lyrik, sondern vielmehr im Roman erfüllt sieht. Die Verbindung von ästhetischen und poetologischen Fragen formuliert Schlegel in einem berühmten Fragment mit den folgenden Worten:

Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennte Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen, und die Poesie mit der Philosophie und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will, und soll auch Poesie und Prosa, Genialität und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie lebendig und gesellig, und das Leben und die Gesellschaft poetisch machen, den Witz poetisieren, und die Formen der Kunst mit gediegnem Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen, und durch die Schwingungen des Humors beseelen. […] Nur sie kann gleich dem Epos ein Spiegel der ganzen umgebenden Welt, ein Bild des Zeitalters werden. Und doch kann auch sie am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden, frei von allem realen und idealen Interesse auf den Flügeln der poetischen Reflexion in der Mitte schweben, diese Reflexion immer wieder potenzieren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen (Schlegel 1978, 90).

Transzendentalpoesie

Wie die klassischen Ästhetiken von Kant und Hegel will Schlegel Poesie und Philosophie miteinander verbinden. Der Verbindungspunkt liegt jedoch nicht länger in der Ästhetik selbst, sondern in der Idee einer progressiven „Universalpoesie“ als einer „Transzendentalpoesie“ (Schlegel 1978, 105), die „Poesie und Poesie der Poesie sein“ (Schlegel 1978, 105) soll. Indem Schlegel nicht mehr zwischen Poesie und Poesie der Poesie unterscheidet, nimmt er zugleich die traditionelle Definition der Poetik als Theorie und Praxis der Literatur wieder auf. Dem entspricht auch, dass er die Universalpoesie nicht allein mit der Philosophie, sondern ebenso mit der von Kant und Hegel geschmähten Rhetorik in Berührung bringen will. Damit legt Schlegel die Grundlagen zu einer kunsttheoretischen Reflexion, die zwar mit den Begriffen der Kantischen Ästhetik arbeitet, jedoch zugleich den Gegensatz von Ästhetik und Rhetorik in einer neuen Form der Poetik aufzuheben sucht (vgl. Hörisch 1976, Frank 1989, 287–306). Der Leitbegriff der Schlegelschen Poetik ist der einer durch die Arbeit der Einbildungskraft vollzogenen unendlichen Reflexion, die ihren Platz „zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden“ findet, wo sie „frei von allem realen und idealen Interesse auf den Flügeln der poetischen Reflexion in der Mitte schweben, diese Reflexion immer wieder potenzieren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen“ kann.

Unendliche Reflexion

Wie Kant bestimmt Schlegel die Einbildungskraft als ein mittleres Vermögen, und wie Kant spricht er ihr eine Form der Freiheit zu, die sie erst in einer unendlichen Reflexion ihrer selbst erlangt. Die poetische Reflexion schwebt in der Mitte, da sie in den Formen der Ironie, des Witzes und der Arabeske nicht nur das von ihr Dargestellte unendlich vervielfacht, sondern zugleich die eigene Reflexion potenziert, die die Darstellung erst hervorbringt.

Hegels Kritik der Frühromantik

Die absolute Form der Selbstreflexion, die der frühromantischen Ästhetik zugrundeliegt und die zugleich als eines der Vorläufermodelle der Dekonstruktion gelten kann (vgl. Menninghaus 1987), hat Schlegel von seiten Hegels wiederum eine scharfe Kritik eingetragen. Hegel kann in der frühromantischen Reflexion nur eine defiziente Form der Subjektivität erkennen: „Diese Subjektivität aber ist weder ihrem Inhalte noch ihrer äußeren Gestalt nach wahrhaft an ihr selbst ein Subjekt oder Individuum, sondern bleibt die Abstraktion einer allgemeinen Vorstellung, welche nur die leere Form der Subjektivität erhält und gleichsam nur ein grammatisches Subjekt zu nennen ist“ (Hegel 1986a, 511f.). In einer Formel, die der dekonstruktiven Subjektkritik unfreiwillig als Motto dienen könnte, beschreibt Hegel Schlegels Poetik als Ausdruck einer leeren oder rein grammatischen Form der Subjektivität, die sich in der romantischen Ironie erfülle. Hegel kritisiert insbesondere Schlegels Begriff der „Ironie, als dieser Konzentration des Ich in sich, für welches alle Bande gebrochen sind und das nur in der Seligkeit des Selbstgenusses leben mag“ (Hegel 1986a, 95). Die Autonomie, die die frühromantische Reflexion der Einbildungskraft in ihrer ironischen Verdoppelung aufrechterhält, deutet Hegel als Zeichen für eine im Unterschied zur antiken Tragödie von allen substantiellen Bestimmungen freie und daher völlig entleerte Form der Subjektivität in der Moderne (vgl. Menke 1996, 143–150).

Poetik der Moderne bei Hölderlin und Schlegel

Hatte Kants Begründung der Ästhetik die Idee einer autonomen Form der Subjektivität erst freigesetzt, so entwickelt Schlegels Ästhetik mit der Wiederaufwertung der Poetik eine Theorie der Subjektivität, die wie die Hölderlins dezidiert nach den modernen Bedingungen von Kunst und Subjektivität fragt. Wiederaufgenommen wurde die von Hölderlin und Friedrich Schlegel erhobene Forderung nach einer poetologischen Bestimmung der modernen Literatur in Absetzung von Hegels System der Kunst in der philosophischen Moderne vor allem von Friedrich Nietzsche.

Einführung in die Literaturtheorie

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