Читать книгу Handbuch Ius Publicum Europaeum - Adam Tomkins - Страница 119

2. Zum Europabild

Оглавление

12

Bei dem bislang einzigen, die europäische Integration betreffenden nationalen Referendum, das 1975 stattfand, ging es um die Frage, ob die Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft aufrechterhalten werden sollte. 67,23% waren dafür, wobei die Wahlbeteiligung bei 64,03% lag. Gleichwohl gibt es aus britischer Sicht nach wie vor gegenläufige politische Konzeptionen von Europa, die in den Debatten um das nach wie vor mögliche Referendum zur Europäischen Verfassung ebenso deutlich werden dürften wie bei anderer Gelegenheit. So gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen über die Erwünschtheit und den potentiellen Einfluss der Europäischen Verfassung. Innerhalb der Konservativen Partei herrscht immer noch eine isolationistische Haltung zu Europa vor; für sie ist der VVE schädlich für Europas Wirtschaft. Die offizielle Position dieser Partei lehnt den VVE daher ab und will die Mitgliedschaft nach einem Scheitern des Referendums neu verhandeln. Einige gehen sogar noch weiter und favorisieren einen Austritt aus der EU. Die offizielle Position der Labour Regierung ist es, dem VVE zuzustimmen und eine Macht in Europa zu bleiben. Bezüglich eines Beitritts zur Währungsunion ist selbst die Regierungspartei gespalten, ist doch die Attraktivität eines solchen Schrittes in den letzten Jahren merklich geschwunden.

13

Die Regierung hat zwei Weißbücher (White Papers) über den VVE veröffentlicht, in denen sie für die Unterzeichnung wirbt. Diese für die Verfassung werbenden Berichte enthalten sehr pragmatische und ökonomische Argumente,[11] wobei die Regierung den Vorteil des VVE zu Recht vor allem in der Vereinfachung und klareren Gestaltung der EU sieht. Denn in der Tat leidet die Union unter einem Mangel an Transparenz und Vermittelbarkeit. Verfassungsrechtlichen oder integrationspolitischen Idealismus gibt es im Vereinigten Königreich im Zusammenhang mit dem VVE dagegen kaum. Die European Union Bill 2005[12] formuliert die Abstimmungsfrage somit nach der Zustimmung zum VVE. Nach einer Umfrage, die der Daily Telegraph, eine eher europafeindliche Tageszeitung, am 29.1.2005 veröffentlicht hat, würden allerdings nur 24% der Stimmberechtigten mit „Ja“ stimmen und 45% mit „Nein“, 25% waren unentschieden.

14

Das Vereinigte Königreich hat sich lange Zeit auch gegen die EU-Grundrechtecharta als Bestandteil des VVE ausgesprochen, bis es erreicht hat, dass die Grundrechtecharta nur im Kompetenzbereich der EU Geltung beansprucht (Art. II-111 Abs. 2 VVE) und dass den sozialen Rechten, welche die „Solidarität“ verbessern sollen, keine Rechtswirkung zukommt. Sie wären lediglich Prinzipien, die Rechtswirkungen nur dann entfalten, wenn sie in materielles Recht umgesetzt werden.[13] Ihren Status als Prinzipien soll zum Beispiel Art. I-9 VVE verdeutlichen, wonach die Union Rechte, Freiheiten und Prinzipien anerkennt, die in der Grundrechtecharta enthalten sind. Diese Wortwahl deute darauf hin, dass diese Rechte bereits existierten, und auch die Formulierung „die Union anerkennt und respektiert“ soll als Hinweis auf den Prinzipiencharakter der Grundrechte verstanden werden. Demnach sei deutlich, dass die EU-Grundrechtecharta keine neuen durchsetzbaren sozialen Rechte schaffe.[14] Ob sich diese Sicht durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

15

Der Widerspruch, einer geschriebenen Verfassung auf internationaler Ebene unterworfen zu sein, während es nach wie vor keine geschriebene nationale Verfassung gibt, ist in Veröffentlichungen des Parlaments nicht unberücksichtigt geblieben. Wie in vielen anderen Staaten gibt es deshalb auch im Vereinigten Königreich den Versuch, das Verhältnis von nationalem und europäischem Recht durch eine funktionale Betrachtung in den Griff zu bekommen und die schwierigeren Fragen zu beantworten, die sich aus der Europäisierung des nationalen Rechts durch die Mitgliedschaft in der EU ergeben.

Erster Teil Offene Staatlichkeit§ 17 Offene Staatlichkeit: Großbritannien › II. Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft/Union

Handbuch Ius Publicum Europaeum

Подняться наверх