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1. Das Common Law als Grundlage des nationalen Grundrechtsschutzes

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Historisch gesehen spielten die Menschenrechte im Vereinigten Königreich keine große Rolle. Dafür gibt es mehrere Gründe: Abgesehen von der irischen Frage herrschte in Großbritannien bemerkenswerte politische Stabilität, und Exzesse der Exekutive gab es wenig. Auch wurden Menschenrechte im nationalen Recht nicht näher rechtlich präzisiert oder definiert, obwohl britische Juristen beim Entwurf der EMRK mitgewirkt haben. Drittens gab und gibt es den verfassungsrechtlichen Ausgleich zwischen Krone und Parlament aus dem 17. Jahrhundert, der zur Folge hat, dass das Parlament die überlieferten Freiheiten der Bürger beschützte. Freilich wurden die Schwächen dieser etwas selbstgefälligen Haltung bald deutlich.[86] Das lässt sich auch daran ablesen, dass die Gerichte schon vor der Inkorporierung der EMRK in nationales Recht durch den Human Rights Act 1998 deren Terminologie benutzten und annahmen, dass das Common Law längst im Einklang mit der Konvention stand. Die Gerichte begannen, so weit dies möglich war, Gesetze im Sinne der Menschenrechte auszulegen und entwickelten eine rechtliche Vermutung dahingehend, dass das Parlament keinen Bruch mit internationalem Recht beabsichtigen würde.[87] Mehrdeutige Vorschriften sollten im Einklang mit der Konvention gelesen werden. Darüber hinaus wurden Menschenrechte zur Auslegung herangezogen, wenn das Common Law unterentwickelt war oder Rechtsunsicherheit bestand.[88] Dies kann als eine Einbruchstelle für den europäischen Menschenrechtsschutz in das nationale Recht angesehen werden.[89]

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Obwohl das Common Law oft als unzureichend angesehen wurde, wenn es um den Schutz von Menschenrechten ging, da es auf dem Schutz von Eigentum und eigentumsähnlichen Rechten basierte, lässt sich jedenfalls aus der jüngeren Rechtsprechung ersehen, dass der Schutz von Menschenrechten unter dem Common Law mit dem Schutz unter der Konvention durchaus kompatibel ist. Der Fall Attorney General v. Guardian[90] illustriert, dass das Recht auf Pressefreiheit schon lange vor dem Inkrafttreten des Human Rights Act 1998 ein Recht mit Verfassungsrang war.[91] Die Richter haben insoweit stolz verlautbart, dass die Rechte der EMRK nur die Rechte widerspiegeln, die bereits in der Magna Carta enthalten sind.[92]

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Sir Stephen Sedley hat dies in seinem Urteil in McQuillan eindrucksvoll auf den Punkt gebracht, als er ausführte: „Once it is accepted that the standards articulated in the Convention are standards which both march with those of the common law and inform the jurisprudence of the European Union, it becomes unreal and potentially unjust to continue to develop English public law without reference to them. Accordingly, and without in any way departing from the ratio of Brind, the legal standards by which the decisions of public bodies are supervised can and should differentiate between those rights which are recognised as fundamental and those which, though known to the law, do not enjoy such a pre-eminent status. Once this point is reached the standard of justification of infringements of rights and freedoms by executive action must vary in proportion to the significance of the right which is in issue.“[93]

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Es kann also festgehalten werden, dass Sir Stephen Sedley von „fundamentalen Rechten“ spricht, die er von anderen Rechten unterscheidet, und auch Sir John Laws hat von constitutional statutes gesprochen, die er von einfachen Gesetzen unterschied. Das Argument ist ähnlich und läuft auf dasselbe hinaus: Das Common Law hat eine Verfassung höheren Ranges entwickelt.

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