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1. Die Auseinandersetzungen um die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Mitgliedschaft

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Das Gesetzgebungsverfahren im Zuge des Beitritts war durch eine weitgehende Unkenntnis bezüglich der vollen Implikationen der Mitgliedschaft in der EWG gekennzeichnet.[15] Die britischen Gerichte benötigten denn auch beinahe zwanzig Jahre, um die volle Bedeutung dieser Mitgliedschaft zu erkennen und anzuerkennen, dass die Souveränität in Angelegenheiten, die innerhalb der Kompetenz der Gemeinschaft[16] liegen, übertragen worden ist. Es dauerte sodann weitere zehn Jahre, um eine anspruchsvolle, wenn auch traditionelle Interpretation der verfassungsrechtlichen Implikationen der Mitgliedschaft zu entwickeln.[17] Im Verfahren zur Ratifikation des Beitrittsvertrags wurden dem Parlament unvollständige Angaben zum Verhältnis zwischen dem Recht der Europäischen Gemeinschaften und dem nationalen Recht vorgelegt. Es gab zwar Versuche, den Erhalt der Parlamentssouveränität in den Gesetzesentwurf einzufügen, letztlich wurde dies aber durch die Versicherung abgewehrt, dass die Souveränität des Parlaments durch den Beitritt nicht angetastet würde.[18] Dies zeigt, dass es eine große Unsicherheit in Bezug auf die Auswirkungen des Gemeinschaftsrechts auf die britische Verfassungstradition gab.[19] In den 1960er Jahren bestand abgesehen von ein paar bemerkenswerten Ausnahmen wenig wissenschaftliches Interesse an der EWG. Nach einem berühmten Diktum von Professor de Smith war der Beitritt Großbritanniens angesichts der nunmehr doppelten Souveränität („dual sovereignty“) von britischem Parlament und Europäischen Gemeinschaften eine „rechtliche Schizophrenie“[20].

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Drei Jahre nach dem Beitritt, 1976, erklärte der berühmte Lord Denning, einer der höchsten Richter im Vereinigten Königreich, dass im Fall eines vom Parlament bewusst herbeigeführten Konflikts zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht letzterem Vorrang zukommen solle.[21] In dem betreffenden Urteil legte er zugleich den Grundstein für die Interpretation von Gesetzen und Verordnungen im Einklang mit primärem und sekundärem Gemeinschaftsrecht. Lord Dennings Interpretationsmethode setzt bei der gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift an und versucht sodann, die nationale Vorschrift in deren Licht auszulegen. Bemerkenswert ist diese Methode vor allem deshalb, weil sie dem traditionellen Ansatz englischer Gerichte zuwiderläuft, wonach zunächst die Bedeutung des britischen Gesetzes interpretiert wird. Lord Dennings Ansatz spiegelte sich später in Sir John Laws’ Ausführungen im Fall Thoburn wider.[22] Laws stellte dort fest, dass der European Communities Act 1972 ein so genanntes constitutional statute (verfassungsrechtliches Gesetz) sei und sich dem implied repeal (stillschweigender Widerruf) entziehen könne.

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