Читать книгу Historische Valenz - Albrecht Greule, Peter Wiesinger - Страница 17
3. Herausarbeitung der Verb-Aktanten-Konstellationen aus historischen Texten
ОглавлениеDie Abstraktion von Verb-Aktanten-KonstellationenVerb-Aktanten-Konstellation (auch SatzmusterSatzmusterSatzbauplan, SatzbaupläneSatzbauplan, SatzmodelleSatzmodellSatzbauplan) (vgl. Kapitel B.2) erfolgte – anders als in der Grammatik der Gegenwartssprache ‒ im Rahmen der historischen Grammatik abhängig von der Methode, unter unterschiedlichen Begriffen und mit unterschiedlicher Markierung (vgl. Kapitel D.5).
Als Erster hat JARMO KORHONEN den Begriff des SatzmodellsSatzmodellSatzbauplan auf die Analyse eines umfangreicheren historischen Textes angewendet. In Korhonen (1978) wurde mit mehreren Arten von Satzmodell operiert: Es wurden zunächst einerseits aktivischeaktivisch und passivischpassivische SatzmodelleSatzbauplanaktivischer (Satzbauplanpassivischermit PrädikatPrädikat in Aktiv-Aktiv bzw. Passivform), andererseits Haupt- und NebenmodelleNebenmodell unterschieden. Zu den HauptmodellenHauptmodell wurden vom PrädikatsverbPrädikatsverb unmittelbar abhängige Elemente (ErgänzungenErgänzung 1. GradesErgänzung1. Grades), zu den Nebenmodellen mittelbar abhängige Elemente (Ergänzungen 2. GradesErgänzung2. Grades) gerechnet. Als ValenzträgerValenzträger der Nebenmodelle fungiert in Korhonen (1978) eine infinite Verbform oder ein prädikativesprädikativ Adjektiv. Die konstitutiven Glieder der Haupt- und NebenmodelleNebenmodell wurden in Bezug auf Form und Funktion beschrieben und mit entsprechenden Symbolen gekennzeichnet, an denen die Wortklasse und die Anschlussart an den Valenzträger bzw. der Satztypus zum Ausdruck kommen (z.B. Nomen im Nominativ als SubjektSubjekt, präpositionales Adjektiv als PrädikativPrädikativ und Nebensatz als ObjektNebensatzobjekt). ObjektDie auf diese Weise entstandenen Kombinationen von Ergänzungen wurden morphofunktionelle SatzmodelleSatzbauplanmorphofunktioneller genannt. In einem weiteren Arbeitsschritt wurden die unterschiedlich ausgeprägten Ergänzungen jeweils zu Gruppen mit gleicher syntaktischer FunktionFunktionsyntaktische zusammengefasst und diese ferner miteinander verbunden, was zur Bildung von SatzgliedmodellenSatzgliedmodell führte. ‒ Zu den verschiedenen Satz- und Satzgliedmodellen vgl. genauer Kapitel D.4.5.
Verb-Aktanten-KonstellationALBRECHT GREULE (1982c) fasste unter dem Terminus SatzformSatzform das formalisierte Ergebnis der Satzglied-AnalyseSatzglied eines konkreten (ahd.) Satzes zusammen. Die Analyse beginnt mit einer Segmentierung des Satzes in Satzglieder, denen Kategorialsymbole zugeordnet werden. Zum Beispiel wurde der ahd. Satz1 aufgeteilt in die Satzglieder: a) drato mihiliu caruni, b) dar inne, c) sint pifangan „sehr große Geheimnisse sind darin eingefangen“ (= SatzmusterSatzmusterSatzbauplan). In der abstrahierten Satzform, die die Reihenfolge der Satzglieder wie im originalen Satz beibehält, sind die Satzglieder durch die Symbole a) NG1 (NominalgruppeNominalgruppe im Nominativ), b) AdvG (AdverbgruppeAdverbgruppe), c) VER (Verb) präsent. Die morphosyntaktischmorphosyntaktisch determinierte Satzform bildet die Grundlage zu ihrer semantischen Interpretation. Im Fallbeispiel sieht die semantisch interpretierte Satzform so aus: a) NG1/Pat – b) AdvG/U:loc – c) VER/P:perf2. Die Satzform ist also noch nicht auf das PrädikatPrädikat und seine ErgänzungenErgänzung reduziert.
LAWRENCE JOHN THORNTON (1984, 77‒117) unterschied, ausgehend vom „Kleinen ValenzlexikonValenzlexikon deutscher Verben“ (Engel/Schumacher 1976), zehn „complement classes“ (E0‒E9), indem er das syntaktische Verhalten von ahd. Verben mit fnhd. Verben vergleicht: E1 ist markiert als Akkusativ, E2 als Genitiv, E3 als Dativ, E4 durch eine Präposition, E5 + 6 als lokale und temporale PhrasenPhrase, E6* durch VerbzusätzeVerbzusatz, E7 ist die „EinordnungsergänzungEinordnungsergänzung“ (z.B. er nennt sie Schätzchen) und E8 sind „Artergänzungen“ (z.B. er nennt sie faul), E9 ist der ErgänzungssatzErgänzungssatz. Dem ahd. Verb geban wird u.a. der SatzbauplanSatzbauplan 013 zugeordnet und durch den Belegsatz (OtfridOtfrid von Weißenburg 1,27,39) gab er mit giwurti in avur antwurti (= P, Nnom, Ndat, Nakk) verdeutlicht. Dem fnhd. Verb geben wird u.a. der Satzbauplan 014 zugeordnet und durch den Belegsatz (LutherLuther, Martin, Jn6.51): welchs ich geben werde fur das Leben der Welt (= Nakk, Nnom, P, PräpG) verdeutlicht (Thornton 1984, 290, 293).
Verb-Aktanten-KonstellationHARRY ANTTILA (1997, 78‒83) definierte SatzmodellSatzmodellSatzbauplan wie folgt: „Mit Satzmodellen sind syntaktische Grundstrukturen gemeint, die auf der Valenz beruhen und die jedem realisierten Satz zugrunde liegen. […] Es handelt sich also um eine begrenzte Zahl von abstrakten Strukturmodellen, denen alle Verben des Deutschen zugeordnet werden können. Es ist zu beachten, daß ein und dasselbe Verb zu mehreren Satzmodellen gehören kann.“ (Anttila 1997, 78). Bei Anttila werden Satzmodelle, die bei aktivischenaktivisch PrädikatenPrädikat vorkommen, von solchen unterschieden, die bei passivischenpassivisch Prädikaten vorkommen (Anttila 1997, 156). Die für die Satzmodelle konstitutiven (d.h. die obligatorischenobligatorisch und fakultativenfakultativ) SatzgliederSatzglied sind im Satzmodell durch fettgedruckte Abkürzungen der grammatischen Bezeichnungen präsent. Dem Verb danken wird z.B. entweder das Satzmodell sub dat prp mit den Satzgliedern SubjektSubjekt, DativobjektDativobjekt und PräpositionalobjektPräpositionalobjekt (Der Lehrer dankt dem Schüler für die Hilfe) zugeordnet oder das Satzmodell sub dat gls mit den Satzgliedern Subjekt, Dativobjekt und GliedsatzGliedsatz (Der Lehrer dankt dem Schüler, dass er ihm geholfen hat). Man muss beachten, dass Anttila das Satzmodell sub dat gls nicht als Variante bezüglich der Position 3, die meist mit einer PräpositionalgruppePräpositionalgruppe als ObjektObjekt besetzt ist, versteht, sondern als eigenes Satzmodell.