Читать книгу Aetheris Band 1-3 - Alec J. Archer - Страница 105
Leonsang in Sicht
ОглавлениеAdriël preschte in seinem Ætherschlitten heran. In einer scharfen Kurve brachte er das Gefährt nach wenigen Schritten zum Stehen. Er sprang heraus. “Leonsang”, rief er. “Leonsang ist in Sicht.”
Luritri seufzte. Sie drückte den Rücken durch. “Das sind gute Nachrichten. Wie weit ist es noch?”
Der Späher zuckte mit den Schultern. “Vielleicht fünfzehn Meilen.”
Finola, die ehemalige Rätin, wandte sich zu Araneon um. “Was meint Ihr, wie lange werden wir dafür brauchen?”
“Ich schätze, einen halben Tag. Wir sollten am späten Vormittag eintreffen.”
Finola schürzte die Lippen. “Bei den Sieben. Dann sollten wir hoffen, Leonsang ohne weitere Zwischenfälle zu erreichen.”
Luritri schnurrte. “Bisher waren die Sieben mit uns. Besonders Pheran.” Sie wechselte einen Blick mit Chan.
“Ja”, antwortete diese lächelnd. “Besonders mein Vater.”
Adriël wurde vorausgeschickt. Er nahm ein paar Leute mit, die nicht gut zu Fuß waren. Er sollte in Leonsang Bescheid geben, damit die Stadt Vorbereitungen zur Aufnahme der Flüchtlinge treffen konnte. Auch die Entsendung einer bewaffneten Abordnung zum Geleit sollte Adriël erbitten.
Die Sonne stand bereits hoch über dem Horizont, als Araneon den Tross für eine Pause anhalten ließ. Es würde die letzte Rast sein. Dank der klaren Sicht zeichneten sich am Horizont bereits die Mauern Leonsangs ab. Der Himmel war im Laufe des Vormittags aufgeklart, nachdem der Tross eine Stunde lang durch Nieselregen gestapft war.
Immer häufiger trafen sie auf einzelne Gehöfte, deren Besitzer den Flüchtlingen etwas zu essen anboten. Meist war es nicht viel. Es stärkte zumindest die Moral.
Die wenigen Kinder der Flüchtlinge waren zu müde, um zu spielen. Ruhig kauerten sie sich auf ihren Plätzen zusammen und aßen. Finola hatte sie gezählt. Die Rätin hatte es während einer Beratung kurz erwähnt: Nicht mehr als vierunddreißig Kinder begleiteten die Flüchtlinge. Davon zwölf Jungen. Zu wenig.
Chan bat die Reiter der Raubkatzen, die Kinder nach der Rast aufsitzen zu lassen. Sie selbst hatte Navar bereits um Erlaubnis gebeten. Das gesamte Rudel der Katzen hatte sich bereit erklärt, die Kinder zu tragen.
Als das Signal zum Aufbruch ertönte - ein Brüllen von Luritris Säbelzahntiger - manifestierten sich zwei Gehörnte in etwa einhundert Schritt Entfernung zu Chan.
Sie schienen nicht minder überrascht zu sein, als Chan selbst, die mit Navar etwas abseits des Lagers in der Sonne gedöst hatte.
Der schwarze Leopard fauchte. Chan hatte sich von Vendira zwei Bolzen schnitzen lassen, ähnlich den Geschossen der Armbrüste. Sie waren etwas kürzer. Dafür breiter. Elfische Runen bildeten verschlungene Muster auf dem Holz.
Die beiden Gehörnten stürmten heran. Einer warf etwas in die Luft. Ein Æthervogel flog auf Chan und Navar zu und hinterließ eine dünne Spur braunen Dunstes. Der feine Nebel erschien Chan wesentlich blasser, als die wallenden Schlieren, die diese Kreaturen sonst verströmten.
Die Dæmonen hatten die Hälfte der Distanz überbrückt. Einer hielt einen Hornbogen. Er blieb stehen und legte auf Chan an. Sie hatte ihrerseits einen der beiden Bolzen auf ihre Handfläche gelegt.
Pheran, steh mir bei! Sie drückte mit ihrem Willen gegen den Bolzen. Das Geschoss flog mit hoher Geschwindigkeit auf den Bogenschützen zu und bohrte sich in dessen Brust. Er fiel rückwärts in das hohe Gras. Die zweite Lederfratze hatte einen Säbel gezückt und stürmte auf sie zu. Chan legte eilig den zweiten Bolzen in ihre Hand und drückte gegen das Holz. Sie verfehlte den Kopf des Angreifers um Haaresbreite. Ein Knurren. Navar warf sich auf den Gehörnten. Sein Körpergewicht brachte den Dæmon zu Fall. Der Panther wich einem schnellen Säbelhieb aus, indem er sich über den Rücken abrollte. Navar fauchte, hielt aber respektvoll Distanz zu der Klinge. Die Attacke ihres Gefährten hatte Chan Zeit verschafft. Sie hielt ihren Anderthalbhänder kampfbereit. Der Dæmon griff an. Chan bewegte sich leicht von der Angriffslinie weg und schwang ihre Waffe senkrecht in einem Hieb in Richtung Kopf. Im letzten Moment tauchte der Dæmon zur Seite. Er hieb mit seinem Säbel gegen das Schwert. Schmerz durchzuckte Chans Handgelenk. Ihre Zähne klapperten von der Wucht des Hiebes. Sie musste das Schwert loslassen. Die Lederfratze lächelte. “Wenn das nicht die zweite Hybride ist.” Sein Gesicht verzog sich. Er wirkte ärgerlich. Sah auf seinen Bauch hinab. Ein schwarzer Bolzen ragte heraus. Es sirrte. Ein zweiter Bolzen bohrte sich in seine Brust. Er war tot, bevor er am Boden aufschlug, ein drittes Geschoss in der Stirn.
“Der zweite Hybride? Was soll das bedeuten?” Finola Meda musterte Chan besorgt. Sie lehnte die Repetierarmbrust gegen ihre Schulter, so dass sie nach oben zeigte. “Bist du unverletzt?” Chan hob ihren Bastard auf und verstaute ihn im Futteral auf ihrem Rücken. “Ich glaube schon.” Sie lächelte. “Danke. Du hast mir das Leben gerettet. Mein zweiter Bolzen ging daneben.” “Der Erste hat auf fünfzig Schritt eine Rüstung durchschlagen”, kommentierte Finola beeindruckt. “Du bist eine lebende Armbrust.” Chan verzog ihren Mund zu einem schiefen Grinsen. “Mehr oder weniger. Ich sollte mehr Bolzen bei mir tragen.” “Das solltest du.” Vendira näherte sich den beiden im Laufschritt. Sie betrachtete den toten Dæmon. “Was ist passiert?”
Nachdem Chan der Gruppe über den Angriff Bericht erstattet hatte, diskutierten die Gefährten über Chans Fähigkeiten.
“Zumindest dies sind erfreuliche Nachrichten”, hob Ladhar an. “Ich muss sagen, der Kontakt zu Pheran scheint eine Beschleunigung deiner Entwicklung ausgelöst zu haben.”
Er errötete. “Also damit... meine ich jetzt nicht deine...”
“Brüste”, warf Lormun vor Lachen brüllend ein. Der Orc schlug sich auf den Oberschenkel.
“Sehr witzig.” Ladhars Ohren hatten einen feuerroten Farbton angenommen.
Finola, die neben Chan Platz genommen hatte, studierte das Gesicht des Gelehrten. Ihr Gesichtsausdruck lag irgendwo zwischen Verärgerung und Amüsiertheit.
Chan hatte sich an die derben Scherze des Orcs mittlerweile gewöhnt. Auch wenn es ihr nicht recht war, dass ihre körperlichen Attribute allzu oft das Ziel seiner Anspielungen darstellten. Sie würde bei Gelegenheit mit ihm darüber reden müssen.
Chan sah zu Vendira. Die Halbelfe fing ihren Blick auf. Sie zuckte mit den Schultern und verdrehte die Augen. Ihr Mund formte ein stummes Orcs.
“Ich könnte mir vorstellen”, mutmaßte Ladhar, “dass die Dæmonen so etwas wie einen Æther-Engpass haben. Wenn die Ætherlarven, die ihr in den Pritschenwagen während eurer Gefangenschaft gesehen habt, sich zu diesen Vögeln entwickeln, wäre das nur logisch.”
“Das würde zu den ausgebliebenen Übergriffen passen”, meinte Luritri.
“Ja”, stimmten Araneon und Ladhar gleichzeitig zu.
Ladhar runzelte die Stirn. “Chan, du hast doch gesagt, dass der Æther deutlich weniger dicht verströmt wurde, als sonst.”
Chan nickte. “Das stimmt.”
“Vielleicht hat Toshira den Schmied und das Lager der Pritschenwagen gefunden.” Luritri zwirbelte ihre Schnurrhaare. “Möglicherweise ist sie auf dem Weg hierher.”
Chans Herz setzte einen Sprung aus. Sie verspürte zugleich einen Stich im Herzen. “Ja, vielleicht.” Sie seufzte.
Luritri warf ihr einen seltsamen Blick zu.