Читать книгу Die Dame von Monsoreau - Александр Дюма - Страница 12

Erstes bis viertes Bändchen
Zwölftes Kapitel
Wer Diana von Méridor war

Оглавление

Bussy stand ganz betäubt von seinem Glücke auf und ging mit Diana in den Salon, den Herr von Monsoreau verlassen hatte.

Er schaute Diana mit dem Erstaunen der Bewunderung an, denn er hatte nicht geglaubt, die Frau, die er suchte, könnte die Vergleichung mit der Frau seines Traumes aushalten, und die Wirklichkeit übertraf nun Alles, was er für eine Laune seiner Einbildungskraft gehalten hatte.

Diana zählte achtzehn bis neunzehn Jahre, sie stand folglich in dem ersten Glanz der Jugend und Schönheit, der sein reinstes Kolorit der Blume, seinen reizendsten Sammet der Frucht verleiht; man konnte sich in dem Ausdrucke des Blickes von Bussy nicht täuschen; Diana fühlte sich bewundert und sie hatte nicht die Kraft, Bussy seiner Begeisterung zu entziehen.

Endlich begriff sie, dass sie das Stillschweigen, welches zu viel sagte, brechen musste.

»Mein Herr,« sprach sie, »Ihr habt eine von meinen Fragen beantwortet, aber nicht die andere: ich fragte Euch, wer Ihr wäret, und Ihr sagtet es mir; ich fragte Euch aber auch, wie Ihr hierher gekommen, und hierauf antwortetet Ihr mir nichts.«

»Madame,« sagte Bussy, »nach den paar Worten, die ich von Eurem Gespräche mit Herrn von Monsoreau gehört habe, begriff ich, dass die Ursachen meiner Gegenwart in einer ganz natürlichen Abhängigkeit von der Erzählung stünden, die Ihr mir zu versprechen die Güte hattet. Sagtet Ihr mir nicht so eben selbst, ich müsste erfahren, wer Ihr wäret?«

»Oh! ja, Graf, ich will Euch Alles erzählen,« antwortete Diana, »Euer Name genügte, um mir jedes Zutrauen einzuflößen, denn ich hörte ihn oft als den eines Mannes von Mut, von Rechtschaffenheit und Ehre nennen, dem man Alles anvertrauen könnte.«

Bussy verbeugte sich.

»Aus dem Wenigen, was Ihr gehört,«, sprach Diana, »konntet Ihr entnehmen, dass ich die Tochter des Baron von Méridor, das heißt die einzige Erbin eines der ältesten und edelsten Namen von Anjou bin.«

»Es gab einen Baron von Méridor,« sprach Bussy, »der sich in Pavia seine Freiheit bewahren konnte, aber seinen Degen den Spaniern übergab, sobald er erfuhr, dass der König Gefangener war, sich als einzige Gnade die Erlaubnis erbat, Franz 1. nach Madrid begleiten zu dürfen, dessen Gefangenschaft teilte und ihn nur verließ, um nach Frankreich zu reisen und über sein Lösegeld zu unterhandeln.«

»Das ist mein Vater, mein Herr, und wenn Ihr je in den großen Saal des Schlosses von Méridor kommt, so werdet Ihr dort als Geschenk, zum Andenken an diese Ergebenheit, das Portrait von Franz I., gemalt von der Hand von Leonardo da Vinci, sehen.«

»Ah!« sagte Bussy, »in jener Zeit verstanden es die Fürsten noch, ihre Diener zu belohnen.«

»Bei seiner Rückkehr von Spanien heiratete mein Vater. Zwei erste Kinder, zwei Söhne, starben. Das war ein großer Schmerz für den Baron von Méridor, der dadurch die Hoffnung verlor, sich in einem Erben wiederaufleben zu sehen. Bald starb der König ebenfalls und der Schmerz des Barons verwandelte sich in Verzweiflung; er verließ den Hof einige Jahre nachher und begrub sich mit seiner Frau in seinem Schlosse Méridor. Da wurde ich, wie durch ein Wunder, zehn Jahre nach dem Tode meiner Brüder geboren.

»Nun drängte sich die ganze Liebe des Barons auf dem Kinde seines Alters zusammen; seine Zuneigung für mich war nicht Zärtlichkeit, sondern Abgötterei. Drei Jahre nach meiner Geburt verlor ich meine Mutter; das war allerdings eine neue Pein für meinen Vater; doch zu jung, um meinen Verlust zu begreifen hörte ich nicht auf zu lächeln und mein Lächeln tröstete ihn über den Tod meiner Mutter.

»Ich wuchs heran und entwickelte mich unter seinen Augen. Wie ich Alles für ihn war, so war der arme Vater auch Alles für mich. Ich erreichte mein sechzehntes Jahr, ohne zu vermuten, dass es eine andere Welt gab, als die meiner Lämmer, meiner Pfauen, meiner Schwäne und meiner Turteltauben, ohne zu denken, dass dieses Leben je endigen sollte, und ohne zu wünschen, dass es endigen würde.

»Das Schloß Méridor lag umgeben von großen Waldungen, die dem Herzog von Anjou gehörten und von Hirschen und Rehen bevölkert waren, welche, da Niemand daran dachte, ihre Ruhe zu stören, ganz zutraulich wurden; alle zählte ich mehr oder minder zu meinen Bekannten, und einige derselben waren so an meine Stimme gewöhnt, dass sie sogleich herbeiliefen, wenn ich rief; eine Hirschkuh besonders, mein Schützling, mein Liebling, Daphne, die arme Daphne, fraß oft aus meiner Hand.

»In einem Frühling sah ich sie einen ganzen Monat nicht; ich hielt sie für verloren und beweinte sie wie eine Freundin, als ich sie plötzlich wieder mit zwei kleinen Hirschkälbern erblickte; Anfangs hatten die Kleinen Angst vor mir, als sie aber sahen, wie mich ihre Mutter liebkoste, begriffen sie, dass sie nichts zu fürchten hatten, und liebkosten mich ebenfalls.

»Um diese Zeit verbreitete sich das Gerücht, der Herr Herzog von Anjou werde einen Unterstatthalter in die Hauptstadt der Provinz schicken. Ein paar Tage nachher erfuhr man, der Unterstatthalter wäre angekommen und hieße Graf von Monsoreau.

»Warum traf mich dieser Name im Herzen, als ich ihn aussprechen hörte? Ich kann mir dieses schmerzliche Gefühl nur durch eine Ahnung erklären.

»Es vergingen acht Tage. Man sprach viel und sehr verschieden in der ganzen Gegend von Herrn von Monsoreau. Eines Morgens erschollen die Wälder vom Klang der Hörner und vom Gebelle der Hunde. Ich lief bis an das Gitter des Parks und kam gerade zu rechter Zeit, um Daphne wie einen Blitz, verfolgt von einer Meute, vorüberschießen zu sehen; ihre zwei Kälber liefen hinter ihr.

»Einen Augenblick nachher kam auf einem Rappen, der Flügel zu haben schien, ein Mann wie eine Vision vorbei: es war Herr von Monsoreau.

»Ich wollte einen Schrei ausstoßen, ich wollte um Gnade für meinen armen Schützling bitten, doch er hörte meine Stimme nicht oder er gab nicht darauf Acht, dergestalt wurde er von der Hitze der Jagd fortgerissen.

»Ohne mich um die Unruhe zu bekümmern, die ich meinem Vater bereiten würde, wenn er meine Abwesenheit wahrnähme, lief ich in der Richtung fort, in der ich die Jagd sich hatte entfernen sehen, hoffend, den Grafen selbst oder einen von seinen Leuten zu treffen und ihn zu bitten, die Verfolgung einzustellen, die mir das Herz zerriss.

»Ich lief so über eine halbe Stunde, ohne zu wissen, wohin ich ging; seit geraumer Zeit hatte ich Hirschkuh, Meute und Jäger aus dem Gesicht verloren. Bald hörte ich auch nicht mehr bellen; ich sank am Fuße eines Baumes nieder und fing an zu weinen. Hier lag ich seit ungefähr einer Viertelstunde, als ich in der Ferne den Lärmen der Jagd zu unterscheiden glaubte; ich täuschte mich nicht, der Lärmen kam jeden Augenblick näher; bald war er in so geringer Entfernung von mir, dass ich nicht zweifelte, die Jagd würde im Bereiche meines Blickes vorüber kommen. Ich stand sogleich auf und eilte nach der Gegend, wo sie sich ankündigte.

»Ich sah wirklich in einer Lichtung die arme Daphne keuchend erscheinen; sie hatte nur noch ein einziges Kalb; das andere war der Ermattung unterlegen und ohne Zweifel von den Hunden zerrissen werden.

»Sie selbst war sichtbar müde; die Entfernung zwischen ihr und der Meute war weniger groß, als das erste Mal; ihr Lauf hatte sich in abgestoßene Sätze verwandelt, und als sie vor mir vorüberkam, schrie sie traurig.

»Wie das erste Mal strengte ich mich vergebens an, um mich hörbar zu machen. Herr von Monsoreau gewahrte nichts, als das Tier, das er verfolgte; er ritt noch schneller, als ich es zuvor gesehen, das Horn am Munde und furchtbar blasend.

»Hinter ihm trieben mehre Jäger die Hunde mit dem Horn und der Stimme an. Dieser Wirbel von Gebelle, von Fanfaren und Geschrei zog wie ein Sturm vorbei, verschwand im Dickicht des Waldes und erlosch in der Ferne.

»Ich war in Verzweiflung; ich sagte mir, wenn ich mich nur fünfzig Schritte weiter vor am Rande der Lichtung befunden hätte, über die er hin geritten, so müsste er mich gesehen haben, und meine Bitte hätte dem armen Tiere sicherlich Begnadigung verschafft.

»Dieser Gedanke belebte meinen Mut; die Jagd konnte zum dritten Male in meinem Bereiche vorüber kommen. Ich folgte einem mit schönen Bäumen eingefassten Wege, von dem ich wusste, dass er nach dem Schlosse Beaugé führte. Dieses Schloss, welches dem Herrn Herzog von Anjou gehörte, lag ungefähr drei Stunden von dem Schlosse meines Vaters. Nach einem Augenblicke bemerkte ich es, und jetzt erst bedachte ich, dass ich drei Stunden zu Fuße gemacht hatte, und dass ich allein und sehr weit vom Schlosse Méridor entfernt war.

»Ich gestehe, dass sich ein unbestimmter Schrecken meiner bemächtigte, und dass ich in diesem Augenblick erst an die Unklugheit und sogar Unschicklichkeit meines Benehmens dachte. Ich folgte dem Rande des Teiches, denn ich wollte den Gärtner, einen braven Mann, der mir, wenn ich mit meinem Vater hierher gekommen war, herrliche Sträuße gegeben hatte, ich wollte den Gärtner, sage ich, bitten, mich zurückzuführen, als sich die Jagd plötzlich abermals hören ließ. Ich blieb unbeweglich und horchte. Der Lärmen nahm zu. Ich vergaß Alles. Beinahe in demselben Augenblick sprang die Hirschkuh auf der andern Seite des Teiches aus dem Walde hervor, doch Ihre Verfolger waren ihr so nahe, dass sie demnächst erreicht werden musste. Sie war allein, ihr zweites Kalb war ebenfalls unterlegen. Der Anblick des Wassers schien Daphne ihre Kräfte wieder zu verleihen; sie zog die Kühle durch ihre Nasenlöcher ein und stürzte sich in den Teich, als wollte sie zu mir kommen.

»Anfangs schwamm sie rasch und schien ihre Energie wiedergefunden zu haben. Ich betrachtete sie, Tränen in den Augen, die Arme ausgestreckt und beinahe eben so keuchend, als sie selbst; doch unmerklich erschöpften sich ihre Kräfte, während im Gegenteil die der Hunde durch das nahe bevorstehende Jägerrecht sich zu verdoppeln schienen. Bald erreichten sie die hitzigsten Hunde und, durch ihr Gebiss zurückgehalten, hörte sie auf, vorzurücken. In diesem Augenblick erschien Herr von Monsoreau am Saume des Waldes, ritt bis an den Teich und sprang von seinem Pferde. Da raffte ich alle meine Kräfte zusammen, um mit gefalteten Händen: »Gnade!« zu schreien. Es kam mir vor, als hätte er mich bemerkt, und ich rief abermals und noch stärker, als das erste Mal. Er hörte mich, denn er lüpfte den Hut, und ich sah ihn auf einen Nachen zulaufen, mit dem er, nachdem er ihn losgebunden, rasch auf das Tier zu ruderte, das mitten unter der ganzen Meute, von der es eingeholt worden war, kämpfte. Ich zweifelte nicht, bewogen durch meine Stimme, durch meine Bitten und Gebärden eile Herr von Monsoreau so sehr, um dem Tiere zu Hilfe zu kommen, als ich ihn plötzlich, da er in die Nähe von Daphne gelangt war, sein Jagdmesser ziehen sah; ein Sonnenstrahl, der sich auf dem Eisen spiegelte, machte einen Blitz daraus hervorspringen; dann verschwand der Blitz wieder; die ganze Klinge war in die Kehle gedrungen. Eine Blutwelle schoss, das Wasser des Teiches rot färbend, hervor. Die Hirschkuh schrie auf eine unendlich wehmütige Weise, schlug das Wasser mit ihren Läufen, richtete sich beinahe gerade auf und sank dann tot nieder.

»Ich stieß einen beinahe eben so schmerzlichen Schrei aus, wie sie, und fiel ohnmächtig an den. Rand des Teiches.

»Als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem Zimmer des Schlosses Beaugé, und mein Vater, den man hatte holen lassen, weinte an meinem Bette.

»Da es nichts Anderes war, als eine ohne Zweifel durch die Aufregung des Laufes bewirkte Nervenkrise, so konnte ich schon am anderen Tage wieder nach Méridor zurückkehren. Drei oder vier Tage lang hütete ich jedoch das Zimmer.

»Am vierten Tage erzählte mir mein Vater, während der ganzen Zeit, die ich leidend gewesen, habe sich Herr von Monsoreau, der mich gesehen, als man mich ohnmächtig weggetragen, nach meinem Befinden erkundigt; er sei in Verzweiflung gewesen, als er erfahren, er wäre die unwillkürliche Ursache dieses Unfalls, und habe gebeten, sich bei mir entschuldigen zu dürfen, wobei er geäußert, er könnte nicht eher glücklich sein, als bis er die Vergebung aus meinem Munde vernommen hätte.

»Es wäre lächerlich gewesen, mich zu weigern, ihn zu sehen, und ich gab, trotz eines inneren Widerstrebens, nach.

»Am andern Tage fand er sich ein; ich fühlte das Kindische meiner Lage: die Jagd ist ein Vergnügen, das die Frauen selbst teilen; ich verteidigte mich also gewissermaßen über die lächerliche Aufregung, die ich meiner Zärtlichkeit für die arme Daphne zuschrieb.

»Nun spielte der Graf den Verzweifelten und schwor mir zwanzigmal bei seiner Ehre, wenn er hätte ahnen können, dass ich irgend einen Anteil an seinem Opfer nähme, so würde er sich äußerst glücklich geschätzt haben, es zu schonen; seine Beteuerungen besiegten mich jedoch nicht, und der Graf entfernte sich, ohne dass er in meinem Herzen den schmerzlichen Eindruck, den er auf dasselbe gemacht, zu vertilgen im Stande gewesen war.

»Als der Graf wegging, erbat er sich von meinem Vater die Erlaubnis, wiederkommen zu dürfen. Er war in Spanien geboren und in Madrid erzogen worden; es dünkte dem Baron anziehend, von dem Lande zu sprechen, in welchem er so lange verweilt hatte. Der Graf war übrigens von guter Geburt, Unterstatthalter der Provinz und, wie man sagte, ein Liebling des Herzogs von Anjou; mein Vater hatte keinen Grund, ihm seine Bitte zu verweigern, und er bewilligte sie ihm auch.

»Ach! von diesem Augenblick hörte, wenn nicht mein Glück, doch wenigstens meine Ruhe auf. Bald gewahrte ich den Eindruck, den ich auf den Grafen gemacht hatte. Anfangs kam er nur einmal in der Woche, dann zweimal, und endlich kam er alle Tage. Der Graf gefiel meinem Vater, gegen den er voll Aufmerksamkeit war. Ich sah, welches Vergnügen der Baron an seiner Unterhaltung fand, die stets die eines ausgezeichneten Mannes war. Ich wagte es nicht, mich zu beklagen; denn worüber hätte ich mich beklagen sollen? Der Graf war gegen mich artig wie gegen eine Geliebte, ehrfurchtsvoll wie gegen eine Schwester.

»Eines Morgens trat mein Vater mit einer ernsteren Miene, als gewöhnlich, in mein Zimmer, und dennoch hatte sein Ernst etwas Freudiges.

›Mein Kind,‹ sagte er zu mir, ›Du hast mich stets versichert, Du wärst glücklich, wenn Du mich nie verlassen dürftest.‹

›Oh! mein Vater,‹ rief ich, ›Ihr wisst, das ist mein teuerster Wunsch.‹

›Nun, meine Tochter,‹ fuhr er fort, indem er sich bückte, um mich auf die Stirne zu küssen, ›es hängt nur von Dir ab, Deinen Wunsch verwirklicht zu sehen.‹

»Ich vermutete, was er sagen wollte, und erbleichte so furchtbar, dass er innehielt, ehe er meine Stirne mit den Lippen berührt hatte.

›Diana, mein Kind!‹ rief er, ›oh! mein Gott, was hast Du?‹

›Herr von Monsoreau, nicht wahr?‹ stammelte ich.

›Nun?‹ fragte er erstaunt.

›Oh! nie, mein Vater, wenn Ihr ein wenig Mitleid mit Eurer Tochter habt, nie!‹

›Diana, meine geliebte Tochter,‹ erwiderte er, ›ich habe nicht Mitleid für Dich, sondern abgöttische Verehrung, wie Du weißt; nimm Dir acht Tage, um darüber nachzudenken, und wenn Du in acht Tagen …‹

›Oh! nein, nein,‹ rief ich, ›es ist unnötig, nicht acht Tage, nicht vier und zwanzig Stunden, nicht eine Minute. Nein, nein, oh! nein.‹

»Und ich zerfloss in Tränen.

»Mein Vater betete mich an; nie hatte er mich weinen sehen; er nahm mich in seine Arme und beruhigte mich mit zwei Worten, indem er mir sein adeliges Ehrenwort gab, er werde nie mehr von dieser Heirat sprechen.

Es verging wirklich ein Monat, ohne dass ich Herrn von Monsoreau wiedersah oder von ihm reden hörte. Eines Morgens erhielten wir, mein Vater und ich, eine Einladung, uns bei einem großen Feste einzufinden, das Herr von Monsoreau dem Bruder des Königs geben würde, welcher die Provinz besuchen sollte, deren Namen er trug. Das Fest fand im Rathaus in Angers statt.

»Diesem Briefe war eine persönliche Einladung des Prinzen beigefügt, der meinem Vater schrieb, er erinnere sich, ihn einst am Hofe von König Heinrich gesehen zu haben, und würde ihn mit Vergnügen wiedersehen.

»Mein erster Gedanke war, meinen Vater zu bitten, die Einladung auszuschlagen, und ich würde gewiss darauf bestanden sein, wäre sie nur im Namen von Herrn von Monsoreau gemacht worden; aber der Prinz war zur Hälfte dabei beteiligt, und mein Vater befürchtete, Seine Hoheit durch eine Weigerung zu verletzen.

»Wir begaben uns also zu dem Feste: Herr von Monsoreau empfing uns, als ob nichts zwischen uns vorgefallen wäre; sein Benehmen gegen mich, war weder gleichgültig, noch gezwungen; er behandelte mich wie alle andere Damen, und ich fühlte mich glücklich, dass ich nicht von seiner Seite, sei es im Guten oder im Schlimmen, der Gegenstand irgend einer Auszeichnung war.

»Nicht dasselbe war bei dem Herzog von Anjou der Fall. Sobald er mich bemerkte, heftete sich sein Blick auf mich, um mich nie mehr zu verlassen. Ich fühlte mich unbehaglich unter dem Gewichte dieses Blickes, und ohne meinem Vater zu sagen, was mich den Ball zu verlassen wünschen ließ, drang ich so in ihn, dass wir uns zuerst weg begaben.

»Drei Tage nachher erschien Herr von Monsoreau in Méridor; ich erblickte ihn von ferne in der Allee des Schlosses und zog mich in mein Zimmer zurück.

»Ich befürchtete, mein Vater würde mich rufen lassen, doch dem war nicht so. Nach Verlauf einer halben Stunde sah ich Herrn von Monsoreau sich wieder entfernen, ohne dass mir Jemand seinen Besuch gemeldet hatte. Auch mein Vater sprach nicht davon; nur glaubte ich zu bemerken, dass er nach diesem Besuche des Unterstatthalters düsterer war, als gewöhnlich.

»Es vergingen abermals ein paar Tage. Ich kam von einem Spaziergange in der Umgegend zurück, man lief mir entgegen, und sagte mir, Herr von Monsoreau wäre bei meinem Vater. Der Baron hatte wiederholt nach mir gefragt und sich sehr unruhig erkundigt, wohin ich gegangen sein könne. Er hatte auch Befehl gegeben, ihn sogleich von meiner Rückkehr zu benachrichtigen.

»Kaum war ich in meinem Zimmer, als wirklich mein Vater herbeieilte.

›Mein Kind,‹ sagte er zu mir, ›durch einen Beweggrund, den Du nicht zu wissen brauchst, bin ich genötigt, mich auf einige Tage von Dir zu trennen; frage mich nicht, denke nur, dieser Beweggrund müsse sehr dringend sein, dass er mich bestimme, eine Woche, vierzehn Tage, einen Monat vielleicht zu leben, ohne Dich zu sehen.‹

»Ich bebte, obgleich ich nicht ahnen konnte, welcher Gefahr ich ausgesetzt war. Aber der zweimalige Besuch von Herrn von Monsoreau weissagte mir nichts Gutes.

›Und wohin soll ich gehen, mein Vater?‹ fragte ich.

›Nach dem Schlosse du Lude, zu meiner Schwester, wo Du vor Aller Augen verborgen bleiben wirst. Man wird darüber wachen, dass Deine Ankunft daselbst bei Nacht stattfindet.‹

›Begleitet Ihr mich nicht?‹

›Nein, ich muss hier bleiben, um den Verdacht abzuwenden; selbst die Leute vom Hause sollen nicht wissen, wohin Du gehst.‹

›Aber, wer wird mich dann führen?‹

›Zwei Männer, auf die ich mich verlassen kann.‹

›Oh! mein Gott, mein Vater!‹

»Der Baron küsste mich und sprach:

›Mein Kind, es muss sein.‹

»Ich kannte die Liebe meines Vaters für mich so genau, dass ich nicht weiter in ihn drang und keine andere Erklärung von ihm forderte: es wurde nur verabredet, dass Gertrude, die Tochter meiner Amme, mich begleiten sollte.

»Mein Vater sagte mir noch, als er mich verließ, ich möge mich bereit halten.

»Am Abend um acht Uhr war es sehr düster und sehr kalt, denn man war in den längsten Wintertagen; auf den Punkt acht Uhr holte mich mein Vater ab. Ich war seiner Empfehlung gemäß bereit; wir stiegen geräuschlos die Treppe hinab und durchschritten den Garten, er öffnete selbst eine kleine Türe, welche nachdem Walde ging, und hier fanden wir eine bespannte Sänfte und zwei Männer; mein Vater sprach lange mit Ihnen und empfahl mich denselben, wie es schien; dann nahm ich meinen Platz in der Sänfte und Gertrude setzte sich neben mich. Der Baron umarmte mich zum letzten Male und wir brachen auf.

»Ich wusste nicht, welche Gefahr mich bedrohte und das Schloß Méridor zu verlassen zwang. Ich befragte Gertrude, doch sie war eben so unwissend, als ich. Ich wagte es nicht, das Wort an unsere Führer zu richten, die ich nicht kannte. Wir marschierten daher schweigend und auf Umwegen, als ich mich nach ungefähr zwei Stunden in dem Augenblick, wo mich trotz meiner Unruhe die gleichmäßige und einförmige Bewegung der Sänfte einzuschläfern anfing, durch Gertrude, die mich am Arme ergriff, und mehr noch durch die Bewegung der Sänfte, welche anhielt, erweckt fühlte.

›Oh! mein Fräulein,‹ rief das arme Mädchen, ›was geschieht uns?‹

»Ich streckte meinen Kopf durch die Vorhänge; wir waren von sechs verlarvten Reitern umgeben; unsere Leute, welche sich hatten verteidigen wollen, waren entwaffnet und festgehalten.

»Ich war zu sehr erschrocken, um nach Hilfe zu rufen, und wer wäre auch auf unser Geschrei gekommen?

»Derjenige, welcher der Anführer der Verlarvten zu sein schien, kam an den Schlag heran.

›Beruhigt Euch, mein Fräulein,‹ sagte er, ›es wird Euch nichts Schlimmes widerfahren. Doch Ihr müsst uns folgen.‹

›Wohin?‹ fragte ich.

›An einen Ort, wo Ihr nicht nur entfernt nichts zu fürchten habt, sondern auch wie eine Königin behandelt werden sollt.‹

»Dieses Versprechen erschreckte mich mehr, als es eine Drohung getan hätte.

›Oh! mein Vater! mein Vater!‹ murmelte ich.

›Hört, mein Fräulein,‹ sagte Gertrude ganz leise zu mir, »ich kenne die Gegend: ich bin Euch ergeben, ich bin stark, wir müssten viel Unglück haben, wenn es uns nicht gelingen sollte, zu entfliehen.«

»Diese Versicherung meiner armen Zofe beruhigte mich durchaus nicht. Doch es ist etwas so Süßes, sich unterstützt zu fühlen, dass ich wieder ein wenig Kraft gewann.

›Macht mit uns, was Ihr wollt, meine Herren,‹ antwortete ich, ›wir sind zwei arme Frauen und können uns nicht verteidigen.‹

»Einer von den Männern stieg ab, nahm den Platz unseres Führers ein und veränderte die Richtung unserer Sänfte.«

Bussy hörte, wie sich leicht denken lässt, der Erzählung von Diana mit der größten Aufmerksamkeit zu: in den ersten Regungen einer entstehenden großen Liebe liegt ein beinahe religiöses Gefühl für die Person, die man zu lieben anfängt. Die Frau, die das Herz erwählt, wird durch diese Wahl über andere Frauen erhoben; sie wächst, läutert sich, vergöttlicht sich, jede ihrer Gebärden ist eine Gunst, die sie uns bewilligt, jedes ihrer Worte eine Gnade, die sie uns angedeihen lässt; ihr Anschauen erfreut uns, ihr Lächeln erfüllt uns mit Entzücken.

Der junge Mann hatte die schöne Erzählerin die Geschichte ihres Lebens entrollen lassen, ohne dass er sie aufzuhalten wagte, ohne dass ihm der Gedanke kam, sie zu unterbrechen; jeder einzelne Umstand dieses Lebens, über welchem er zu wachen sich berufen fühlte, hatte für ihn ein mächtiges Interesse, und er hörte die Worte von Diana stumm und tief atmend, als wäre sein Dasein von jedem derselben abhängig gewesen. Als die junge Frau, ohne Zweifel zu schwach für die doppelte Aufregung, welche sie empfand, eine Aufregung, in der die Gegenwart alle Erinnerungen der Vergangenheit vereinigte, einen Augenblick innehielt, besaß Bussy nicht die Kraft, unter der Last seiner Unruhe zu verharren und er sprach die Hände faltend:

»Oh! fahrt fort, Madame, fahrt fort!«

Diana konnte sich in dem Interesse, das sie ihm einflößte, nicht täuschen; Alles stand in der Stimme, in der Gebärde, im Ausdrucke des Gesichts im Einklang mit der Bitte, welche seine Worte enthielten. Diana lächelte traurig und fuhr fort:

»Wir marschierten ungefähr drei Stunden, dann hielt die Sänfte an. Ich hörte ein Thor knarren; man wechselte einige Worte, die Sänfte setzte sich wieder in Marsch und ich fühlte, dass sie sich auf einem Boden fortbewegte, welcher klang wie eine Zugbrücke. Ich täuschte mich nicht; ich warf einen Blick aus der Sänfte: wir befanden, uns in dem Hofe eines Schlosses.

»Was für ein Schloss war es? Gertrude wusste es eben so wenig, als ich; oft hatten wir uns auf dem Weg zu orientieren gesucht, aber wir sahen nichts, als einen endlosen Wald. Allerdings waren wir Beide der Meinung, man lasse uns, um uns jeden Gedanken zu benehmen, wo wir wären, in diesem Walde einen unnötigen und berechneten Weg machen.

»Die Türe unserer Sänfte öffnete sich, und derselbe Mensch, der bereits mit uns gesprochen, lud uns ein, auszusteigen.

»Ich gehorchte schweigend. Zwei Männer, welche ohne Zweifel zum Schlosse gehörten, waren uns entgegengekommen, um uns mit Fackeln zu empfangen. Unsere Gefangenschaft kündigte sich, gemäß dem furchtbaren Versprechen, das man mir gegeben, unter den größten Rücksichten an. Wir folgten den Männern mit den Fackeln. Sie führten uns in ein reich ausgestattetes Schlafzimmer, dessen Verzierung, was die Eleganz und den Stil betrefft, der glänzendsten Epoche von Franz I. anzugehören schien. Ein Imbiss erwartete uns auf einer kostbar gedeckten Tafel.

›Ihr seid zu Hause, Madame,‹ sagte zu mir der Mann, der bereits zweimal das Wort an mich gerichtet hatte, ›und da für Euch die Sorge einer Kammerfrau unentbehrlich ist, so wird Euch die Eurige nicht verlassen; ihr Zimmer ist neben dem Eurigen.«

»Gertrude und ich wechselten einen freudigen Blick.

›So oft Ihr rufen wollt,« fuhr der Verlarvte fort, ›dürft Ihr nur mit diesem Hammer an die Türe schlagen, und Einer, der beständig im Vorzimmer wacht, wird sich sogleich Euren Befehlen unterziehen.‹

»Diese scheinbare Aufmerksamkeit deutete eine scharfe Bewachung an.

»Der Verlarvte verbeugte sich und ging weg; wir hörten, wie die Türe doppelt geschlossen wurde.

»Gertrude und ich befanden uns nun allein.

»Wir blieben einen Augenblick unbeweglich und betrachteten uns bei dem Schimmer der zwei Kandelaber, die den Tisch beleuchteten, auf welchem das Abendbrot aufgetragen war. Gertrude wollte den Mund öffnen, ich hieß sie durch ein Zeichen mit dem Finger schweigen; es behorchte uns vielleicht Jemand.

»Die Türe des Zimmers, welches man uns als das von Gertrude bezeichnet hatte, war offen; es kam uns gleichzeitig der Gedanke, es zu beschauen. Gertrude nahm einen Kandelaber und wir traten auf den Fußspitzen ein.

»Es war ein großes Kabinett, bestimmt, als Ankleidezimmer das Schlafzimmer zu vervollständigen. Es hatte eine Türe parallel mit der Türe des andern Gemaches, durch welches wir eingetreten waren; diese zweite Türe war wie die erste verziert mit einem kleinen Hammer von ziseliertem Kupfer, der auf einen Nagel von demselben Metall fiel. Man hätte glauben sollen, Nägel wie Hämmer wären das Werk von Benvenuto Cellini.

»Die zwei Türen gingen offenbar in dasselbe Vorzimmer.

»Gertrude näherte sich dem Schlosse, der Riegel war doppelt vorgedrückt.

»Wir waren Gefangene.

»Es ist unglaublich, wie viele Gedanken, wenn zwei Personen, selbst von verschiedenen Lebensstellungen sich in einer und derselben Lage befinden und eine und dieselbe Gefahr teilen, es ist unglaublich, sage ich, wie viele Gedanken sich völlig gleichen und leicht der vermittelnden Erläuterungen und unnützen Worte entbehren.

»Gertrude näherte sich mir und sagte mit leiser Stimme:

›Habt Ihr bemerkt, mein Fräulein, dass wir, als wir den Hof verließen, nur fünf Stufen hinaufgestiegen sind?‹

›Ja,‹ antwortete ich.

›Wir befinden uns also im Erdgeschosse.‹

›Ohne allen Zweifel.‹

›Somit,‹ fügte sie leiser bei, indem sie ihre Augen auf die äußeren Läden heftete, »somit, wenn …‹

›Wenn diese Fenster nicht vergittert wären,‹ unterbrach ich sie.

›Ja, und wenn das Fräulein Mut hätte.‹

›Mut!‹ rief ich, ›oh! sei unbesorgt, ich werde Mut haben, mein Kind.‹

»Nun legte Gertrude ihren Finger auf den Mund.

›Ja, ja, ich verstehe Dich,‹ sagte ich zu ihr.

»Gertrude hieß mich durch ein Zeichen bleiben, wo ich wäre, und trug den Kandelaber auf den Tisch des Schlafzimmers zurück.

»Ich hatte ihre Absicht bereits begriffen und mich dem Fenster genähert, dessen Federn ich suchte.

»Ich fand sie oder vielmehr Gertrude, die wieder zu mir gekommen war, fand sie. Der Laden öffnete sich.

»Ich stieß einen Freudenschrei aus; das Fenster war nicht vergittert.

»Doch Gertrude hatte bereits die Ursache dieser scheinbaren Nachlässigkeit unserer Wächter bemerkt: ein breiter Teich bespülte den Fuß der Mauer; wir wurden durch zehn Fuß Wasser viel besser bewacht, als wir es durch die Gitter unserer Fenster gewesen wären.

»Doch als meine Augen von dem Wasser auf seine Ufer übergingen, erkannten sie eine Landschaft, mit der sie vertraut waren; wir befanden uns in dem Schlosse Beaugé, das ich, wie gesagt, wiederholt mit meinem Vater besucht, und in welches man mich einen Monat zuvor am Tage des Todes meiner armen Daphne gebracht hatte.

»Das Schloß Beaugé gehörte dem Herrn Herzog von Anjou.

»Wie durch den Schimmer eines Blitzes erleuchtet, begriff ich nun Alles.

»Ich schaute den Teich mit einer düsteren Befriedigung an: er war ein letztes Mittel gegen die Gewalttat, eine äußerste Zuflucht gegen die Schande.

»Wir schlossen die Läden wieder. Ich warf mich ganz angekleidet auf mein Bett, Gertrude legte sich in einen Lehnstuhl und entschlief zu meinen Füßen.

»Zwanzigmal erwachte ich während dieser Nacht, von unerhörtem Schrecken erfasst; doch nichts rechtfertigte diesen Schrecken, als die Lage, in der ich mich befand; nichts deutete schlimme Absichten gegen mich an; Alles schlief im Schlosse oder schien wenigstens zu schlafen, und kein anderes Geräusch, als das Geschrei der Sumpfvögel unterbrach die Stille der Nacht.

»Der Tag erschien; während er der Landschaft den furchtbaren Charakter nahm, den ihr die Dunkelheit verleiht, bestätigte er mich in meinen Befürchtungen; jede Flucht war ohne eine äußere Hilfe unmöglich; und woher sollte uns diese Hilfe zukommen?

»Gegen neun Uhr klopfte man an unsere Türe: ich ging in das Zimmer von Gertrude und sagte ihr, sie möge zu öffnen erlauben.

»Ich konnte die Klopfenden durch die Öffnung der Verbindungstüre sehen; es waren unsere Diener vom vorhergehenden Tage; sie nahmen unser Abendbrot weg, das wir nicht berührt hatten, und brachten das Frühstück.

»Gertrude machte einige Fragen an sie, doch sie gaben keine Antwort und entfernten sich wieder.

»Ich kehrte in das Zimmer zurück; durch unsern Aufenthalt in dem Schlosse Beaugé und die scheinbare Achtung, mit der man uns behandelte, war mir Alles klar. Der Herr Herzog von Anjou sah mich bei dem Feste von Herrn von Monsoreau; der Herr Herzog von Anjou verliebte sich in mich; mein Vater wurde davon benachrichtigt und wollte mich den Verfolgungen, deren Gegenstand ich ohne Zweifel werden sollte, entziehen; er entfernte mich von Méridor; doch er wurde entweder durch einen ungetreuen Diener oder durch einen unglücklichen Zufall verraten, seine Vorsicht war vergeblich, und ich fiel in die Hände des Mannes, dem er mich umsonst zu entziehen gesucht hatte.

»Ich blieb bei diesem Gedanken, dem einzigen wahrscheinlichen und in der Tat auch einzigen wahren, stehen.

»Auf die Bitten von Gertrude trank ich eine Tasse Milch und aß ein wenig Brot.

»Der Morgen verging mit dem Entwerfen von wahnsinnigen Plänen für eine Flucht. Und dennoch konnten wir hundert Schritte von uns, im Schilfrohr angebunden, eine Barke mit ihren Rudern sehen. Wäre diese Barke in unserem Bereiche gewesen, so hätten meine durch den Schrecken angespornten Kräfte, im Vereine mit den natürlichen Kräften von Gertrude, genügt, um uns aus der Gefangenschaft zu befreien.

»Während dieses Morgens störte uns nichts. Man brachte uns das Mittagsbrot, wie man uns das Frühstück gebracht hatte. Ich fiel vor Schwäche beinahe um und setzte mich zu Tische, wo ich nur von Gertrude bedient wurde; sobald unsere Wächter unser Mahl aufgetragen hatten, zogen sie sich zurück. Doch plötzlich entdeckte ich, mein Brot brechend, ein Billet.

»Ich öffnete es hastig; es enthielt nur folgende Worte:

›Ein Freund wacht über Euch. Morgen werdet Ihr Kunde von ihm und Eurem Vater erhalten.‹

»Man begreift, wie groß meine Freude war: mein Herz schlug, dass die Brust hätte springen sollen. Ich zeigte das Billet Gertrude. Der Rest des Tages ging mit Hoffen und Warten hin.

»Die zweite Nacht verlief eben so ruhig, als die erste; dann kam die so sehr ersehnte Stunde des Frühstücks, denn ich zweifelte nicht, ich würde in meinem Brod ein neues Billet finden. Ich täuschte mich nicht; das Billet war in folgenden Worten abgefasst:

›Die Person, welche Euch entführt hat, kommt diesen Abend um zehn Uhr im Schlosse Beaugé an; doch der Freund, der über Euch wacht findet sich um neun Uhr unter Euren Fenstern mit einem Briefe Eures Vaters ein, der Euch das Vertrauen empfehlen wird, das Ihr ihm vielleicht ohne diesen Brief nicht gewähren würdet.

›Verbrennt dieses Billet.‹

»Ich las den Brief wieder und wieder, dann warf Ich ihn nach dem Bitten des Schreibers in das Feuer. Die Handschrift war mir völlig unbekannt, und ich gestehe, ich wusste nicht, woher er kommen konnte.

»Gertrude und ich verloren uns in Mutmaßungen; hundertmal gingen wir im Verlauf des Morgens an das Fenster, um zu sehen, ob wir Niemand an dem Ufer des Teiches und in der Tiefe des Waldes entdecken könnten; Alles war öde.

»Eine Stunde nach dem Mittagessen klopfte man an die Türe; es war zum ersten Male, dass man zu einer andern Zeit, als zu der, wo man uns das Essen brachte, bei uns einzutreten versuchte; da wir indessen kein Mittel hatten, uns von innen einzuschließen, so mussten wir den Eintritt zugeben. Es war der Mann, der mit uns an der Türe der Sänfte und im Hofe des Schlosses gesprochen hatte. Ich vermochte ihn nicht am Gesicht zu erkennen, da er verlarvt war, wenn er mit uns sprach; doch bei den ersten Worten, die er von sich gab, erkannte ich ihn an der Stimme.

»Er reichte mir einen Brief.

›In wessen Auftrag kommt Ihr, mein Herr?‹ fragte ich.

›Das Fräulein wolle den Brief lesen, und es wird selbst sehen,‹ antwortete er.

›Ich kann diesen Brief nicht lesen, da ich nicht weiß, von wem er kommt.‹

›Mein Fräulein, es steht in Eurem Belieben, zu tun, was Ihr wollt. Ich hatte Befehl, Euch diesen Brief zu übergeben; ich lege ihn zu Euren Füßen nieder; gefällt es Euch, denselben aufzuheben, so werdet Ihr ihn aufheben.‹

»Und der Diener, der ein Stallmeister zu sein schien, legte den Brief wirklich auf das Tabouret, auf welchem meine Füße ruhten, und entfernte sich.

›Was ist zu tun?‹ fragte ich Getrude.

›Wenn ich dem Fräulein einen Rat geben dürfte, so wäre es der, den Brief zu lesen. Vielleicht enthält er die Offenbarung einer Gefahr, der wir uns, darauf aufmerksam gemacht, zu entziehen im Stande sein werden.‹

»Der Rat war so vernünftig, dass ich von meinem ersten Entschluss abging und den Brief öffnete.«

In diesem Augenblick unterbrach sich Diana in ihrer Erzählung, stand auf, öffnete einen kleinen Schrank von der Art derjenigen, für welche wir den italienischen Namen Stippo beibehalten haben, und zog aus einem seidenen Portefeuille einen Brief hervor. Bussy warf einen Blick auf die Adresse und las:

»An die schöne Diana von Méridor.«

Dann die junge Frau anschauend, sagte er:

»Diese Adresse ist von der Hand des Herzogs von Anjou.«

»Ah!« rief Diana mit einem Seufzer, »er hat mich also nicht getäuscht.«

Dann, als Bussy zögerte, den Brief zu öffnen, fuhr sie fort:

»Lest, der Zufall hat Euch mit dem ersten Schlage in das Innerste meines Lebens versetzt; ich darf keine Geheimnisse mehr für Euch haben.«

Bussy gehorchte und las:

›Ein unglücklicher Prinz, den Eure himmlische Schönheit im Herzen berührt hat, wird diesen Abend um zehn Uhr zu Euch kommen, um sein Benehmen gegen Euch zu entschuldigen, ein Benehmen, für welches es, wie er wohl fühlt, keine andere Entschuldigung gibt, als die unüberwindliche Liebe, die er für Euch empfindet.‹

Franz.«

»Dieser Brief war also wirklich vom Herzog von Anjou?« fragte Diana.

»Ach! ja,« antwortete Bussy, »es ist seine Handschrift und sein Namenszug.«

Diana seufzte und murmelte:

»Sollte er weniger schuldig sein, als ich glaubte?«

»Wer, der Prinz?« fragte Bussy.

»Nein, er, der Graf von Monsoreau.«

Bussy seufzte ebenfalls und sprach dann:

»Fahrt fort, Madame, und wir werden den Prinzen und den Grafen beurteilen.«

»Dieser Brief, an dessen Echtheit zu zweifeln ich damals keine Ursache hatte, da er so sehr mit meinen eigenen Befürchtungen übereinstimmte, bezeichnete mir, wie es Gertrude vorhergesehen, die Gefahr, der ich ausgesetzt war, und machte mir die Vermittlung des unbekannten Freundes, der mir im Namen meines Vaters seine Hilfe anbot, noch viel kostbarer. Meine ganze Hoffnung beruhte also auf ihm.

»Unsere Nachforschungen begannen wieder; die Scheiben durchdringend, verließen unsere Blicke den Teich und den unsern Fenstern gegenüberliegenden Teil des Waldes nicht mehr. In der ganzen Ausdehnung, welche unsere Blicke zu umfassen vermochten, sahen wir nichts, was sich auf unsere Hoffnungen zu beziehen und dieselben zu unterstützen schien.

»Es kam die Nacht, doch da wir uns im Monat Januar befanden, so trat die Nacht sehr bald ein; vier bis fünf Stunden trennten uns daher noch von dem entscheidenden Augenblick; wir warteten voll Bangigkeit.

»Es war eine von den schönen, klaren Winternächten, während welcher man sich, wenn keine Kälte herrschte, gegen das Ende des Frühjahrs, oder gegen den Anfang des Herbstes versetzt glauben würde. Der Himmel glänzte mit tausend Sternen besät, und aus einer Ecke dieses Himmels beleuchtete der Mond, einer Sichel ähnlich, die Landschaft mit seinem silbernen Schimmer. Wir öffneten das Fenster in dem Zimmer von Gertrude, welches in jedem Fall weniger streng beobachtet werden musste, als das meinige.

»Gegen sieben Uhr stieg ein leichter Dunst von dem Teiche auf, doch einem Gazeschleier ähnlich, hinderte dieser Dunst nicht, zu sehen, oder allmählich an die Dunkelheit sich gewöhnend vermochten vielmehr unsere Augen diesen Dunst zu durchdringen.

»Da uns nichts die Zeit ermessen half, so hätten wir nicht sagen können, wie viel Uhr es war, als wir am Saum des Waldes durch diese durchsichtige Finsternis Schatten sich bewegen zu sehen glaubten. Diese Schatten schienen sich vorsichtig zu nähern, wobei sie sich an die Bäume hielten, welche die Finsternis verdichteten und ihnen zugleich Schutz gewährten. Wir kamen auf den Gedanken, diese Schatten könnten am Ende nur ein Spiel unseres ermüdeten Gesichts sein, als das Wiehern eines Pferdes den Raum durchdrang und bis zu uns gelangte.

»Das sind unsere Freunde,« flüsterte Gertrude.

›Oder der Prinz,‹ erwiderte ich.

›Oh! der Prinz,‹ sagte sie, ›der Prinz würde sich nicht verbergen.‹

»Diese so einfache Äußerung zerstreute meinen Verdacht und beruhigte mich.

»Wir verdoppelten unsere Aufmerksamkeit.

»Ein Mann schritt allein heran: es kam mir vor, als verließe er einige Menschen, welche unter dem Schutze einer Baumgruppe zurückgeblieben waren.

»Dieser Mann ging gerade auf die Barke zu, band sie von ihrem Pfahl los, stieg hinein und die Barke glitt leicht in der Richtung nach unserem Fenster über das Wasser hin.

»Während sie vorrückte, strengten sich meine Augen furchtbar an, um die Dunkelheit zu durchdringen.

»Ich glaubte von Anfang die hohe Gestalt und dann die düsteren, scharf ausgeprägten Züge des Grafen von Monsoreau zu erkennen. Als er zehn Schritte von uns war, blieb mir kein Zweifel mehr.

»Ich fürchtete mich nun eben so sehr vor der Hilfe, als vor der Gefahr. Ich blieb stumm, unbeweglich und in die Ecke des Fensters gedrückt, so dass er mich nicht sehen konnte. Sobald er am Fuße der Mauer war, band er seine Barke an einem Ringe an, und ich sah seinen Kopf auf der Höhe des Fenstergesimses erscheinen.

»Ich vermochte mich eines leichten Schreis nicht zu erwehren.

›Ah! Verzeiht,« sprach der Graf von Monsoreau, ›ich glaubte, Ihr erwartetet mich.‹

›Ich erwartete allerdings irgend Jemand, mein Herr,‹ antwortete ich, »doch ich wusste nicht, dass Ihr der Jemand wäret.«

»Ein bitteres Lächeln zog über das Antlitz des Grafen hin.

›Wer außer mir und Eurem Vater wacht über der Ehre von Diana von Méridor?‹

›In dem Briefe, den Ihr mir geschrieben, mein Herr, sagtet Ihr mir, Ihr kämet im Auftrage meines Vaters?‹

›Ja, mein Fräulein, und da ich vorhergesehen, Ihr würdet an meiner Sendung zweifeln, so nehmt dieses Billet des Barons.‹

»Und der Graf reichte mir ein Papier.

»Wir hatten weder Kerzen noch Kandelaber angezündet, damit es uns freistünde, in der Dunkelheit Alles zu tun, was uns die Umstände gebieten würden. Ich ging aus dem Zimmer von Gertrude in das meinige, kniete vor dem Feuer nieder und las bei dem Schimmer der Flamme des Herdes:

»Meine liebe Diana, der Herr Graf von Monsoreau kann Dich allein der Gefahr entreißen, der Du preisgegeben bist, und diese Gefahr ist ungeheuer. Vertraue Dich ihm ganz und gar an, wie dem besten Freunde, den uns der Himmel zu schicken vermag.«

»Er wird Dir später sagen, was Du nach dem innigsten Wunsche meines Herzens zu tun hast, um die Schuld abzutragen, die wir gegen ihn eingehen. ›Dein Vater, der Dich ihm zu glauben, und mit Dir und ihm Mitleid zu haben bittet,

›Baron von Méridor.‹

»Es waltete nichts Festes in meinem Geiste gegen Herrn von Monsoreau ob; der Widerwille, den er mir einflößte, war mehr instinktartig, als eine Folge vernünftiger Gründe. Ich hatte ihm nichts vorzuwerfen, als den Tod einer Hirschkuh, und das war ein sehr leichtes Verbrechen für einen Jäger.

»Ich trat daher wieder an das Fenster.«

›Nun?‹ fragte er.

›Mein Herr, ich habe den Brief meines Vaters gelesen; er sagt mir, Ihr wäret bereit, mich von hier wegzuführen; doch er sagt mir nicht, wohin Ihr mich führen werdet.‹

›Ich führe Euch dahin, wo Euch der Baron erwartet, mein Fräulein.‹

›Und wo erwartet er mich?‹

›Im Schlosse Méridor.‹

›Also werde ich meinen Vater wiedersehen?‹

›In zwei Stunden.‹

›Oh! mein Herr, wenn Ihr die Wahrheit sprecht …‹

»Ich hielt inne; der Graf erwartete sichtbar das Ende meines Satze?

›Zählt auf meine ganze Dankbarkeit,‹ fügte ich mit zitternder, schwacher Stimme bei, denn ich erriet, was er von dieser Dankbarkeit erwarten konnte, und hatte nicht die Kraft, dies auszusprechen.

›Ihr seid also bereit, mir zu folgen, mein Fräulein?‹ fragte der Graf.

»Ich schaute Gertrude unruhig an; es war leicht zu sehen, dass das düstere Gesicht des Grafen sie nicht mehr beruhigte, als mich.

›Bedenkt, dass jede entfliehende Minute unendlich kostbarer für Euch ist, als Ihr Euch einbilden könnt,‹ sagte er. ›Ich bin ungefähr eine halbe Stunde zurück; es wird bald zehn Uhr sein, … und habt Ihr nicht die Nachricht erhalten, der Prinz werde um zehn Uhr im Schlosse Beaugé eintreffen?‹

›Ach ja!‹ antwortete ich.

›Ist der Prinz einmal hier, so kann ich nichts mehr für Euch tun, als mein Leben ohne Hoffnung einsetzen, während ich es in diesem Augenblick mit der Gewissheit, Euch zu retten, wage.‹

›Warum ist mein Vater nicht gekommen?‹

›Denkt Ihr, Euer Vater sei nicht von Spähern umgeben? Denkt Ihr, er könne einen Schritt tun, ohne dass man weiß, wohin er geht?‹

›Doch Ihr?‹ fragte ich.

›Bei mir ist es etwas Anderes; ich bin der Freund, der Vertraute des Prinzen.‹

›Aber mein Herr,‹ rief ich, ›wenn Ihr der Freund, der Vertraute des Prinzen seid, so …‹

›So verrate ich ihn, Euch zu Liebe, ja so ist es. Ich sagte Euch auch in diesem Augenblick, ich wage mein Leben, um Eure Ehre zu retten.‹

»Es lag ein solcher Ausdruck von Überzeugung in dieser Antwort des Grafen und sie stand so sichtbar mit der Wahrheit im Einklang, dass ich, obgleich es mir noch teilweise widerstrebte, mich ihm anzuvertrauen, doch keine Worte fand, um dieses Widerstreben auszudrücken.

›Ich warte,‹ sagte der Graf.

»Ich sah, dass Gertrude eben so unentschlossen war, als ich.

›Seht,‹ sagte Herr von Monsoreau zu mir, ›wenn Ihr noch zweifelt, so schaut auf jene Seite.‹

»Und auf der entgegengesetzten Seite zeigte er mir, am andern Ufer des Teiches hingehend, eine Truppe von Reitern, welche nach dem Schlosse vorrückten.

›Wer sind diese Männer?‹ fragte ich.

›Es ist der Herzog von Anjou mit seinem Gefolge,‹ antwortete er.

›Mein Fräulein,‹ sagte Gertrude, ›wir haben keine Zeit zu verlieren.‹

›Es ist bereits zu viel verloren,‹ sprach der Graf, ›im Namen des Himmels entscheidet Euch.‹

»Ich fiel auf einen Stuhl, es gebrach mir an Kräften, und ich murmelte nur:

›Oh! mein Gott! mein Gott!‹

›Hört,‹ sagte der Graf, ›hört, sie klopfen an das Thor.‹

»Man hörte in der Tat den Hammer unter der Hand von zwei Männern erdröhnen, welche wir hatten von der Gruppe sich trennen und vorauseilen sehen.

›In fünf Minuten ist es nicht mehr Zeit,‹ sprach der Graf.

»Ich versuchte aufzustehen; meine Beine wankten.

›Hilf mir, Gertrude,‹ stammelte ich, ›hilf mir!‹

›Mein Fräulein,‹ sagte das arme Mädchen, ›hört Ihr das Thor sich öffnen? Hört Ihr die Pferde im Hofe stampfen?‹

›Ja! Ja!‹ antwortete ich mit einer Anstrengung.

›Doch die Kräfte fehlen mir.‹

›Oh! ist es nur das?‹ sagte sie und nahm mich in ihre Arme, hob mich auf, wie sie es mit einem Kind getan hätte, und legte mich in die Arme des Grafen.

»Die Berührung dieses Mannes fühlend, bebte ich so heftig, dass ich ihm beinahe entschlüpft und in den See gefallen wäre.

»Aber er presste mich an seine Brust und setzte mich in dem Schiffe nieder.

»Gertrude folgte mir, und stieg herab, ohne einer Hilfe zu bedürfen.

»Da gewahrte ich, dass mein Schleier sich losgemacht hatte und auf dem Wasser schwamm.

»Es kam mir der Gedanke, er würde unsere Spur anzeigen.

›Meinen Schleier! meinen Schleier!‹ sagte ich zu dem Grafen, ›fangt doch meinen Schleier auf.‹

»Der Graf warf einen Blick auf den Gegenstand, den ich ihm mit dem Finger bezeichnete, und erwiderte dann:

›Nein, es ist besser auf diese Art.‹

»Und die Ruder ergreifend, gab er der Barke einen mächtigen Antrieb, dass wir uns mit ein paar Stößen nahe am Ufer des Teiches befanden.

»In diesem Augenblick sahen wir die Fenster meines Zimmers sich erleuchten! Diener traten mit Lichtern ein.

›Habe ich Euch getäuscht?‹ fragte Herr von Monsoreau, ›war es Zeit?‹

›Oh! ja, ja, mein Herr, Ihr seid in der Tat mein Retter,‹ antwortete ich.

›Die Lichter liefen indessen in großer Unruhe bald in meinem Zimmer, bald in dem von Gertrude hin und her. Wir hörten Rufe; ein Mann trat ein, vor dem die Andern zurückwichen. Dieser Mann näherte sich dem offenen Fenster, erblickte den auf dem Wasser schwimmenden Schleier, und stieß einen Schrei aus.

›Seht Ihr, dass ich wohl daran getan habe, den Schleier zurückzulassen?‹ sagte der Graf, ›der Prinz wird glauben, Ihr habet Euch, um ihm zu entgehen, in den See gestürzt, und während er Euch suchen lässt, fliehen wir.‹

»Da zitterte ich wirklich vor den finsteren Tiefen dieses Geistes, der schon zum Voraus auf ein solches Mittel gerechnet hatte.«

Die Dame von Monsoreau

Подняться наверх