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Erstes bis viertes Bändchen
Neuntes Kapitel
Wie Bussy, immer mehr überzeugt, es wäre eine Wirklichkeit, Nachforschungen über seinen Traum anstellte

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Bussy und der Herzog von Anjou waren indessen, Beide träumerisch, zurückgekehrt; der Herzog, weil er die Folgen des kräftigen Ausfalls befürchtete, zu dem ihn Bussy gleichsam genötigt hatte; Bussy, weil ihn die Ereignisse der vorhergehenden Nacht ungemein in Anspruch nahmen und beschäftigten.

»Kurz,« sagte er zu sich selbst, als er seine Wohnung wieder erreichte, nachdem er dem Herzog von Anjou viel Schönes über die Energie, die er entwickelt, gesagt hatte, »kurz, es ist gewiss, dass ich angegriffen worden bin, dass ich mich geschlagen, dass ich eine Wunde erhalten habe, denn das fühle ich hier an meiner rechten Seite, und die Wunde ist sogar viel schmerzhafter geworden. Während ich mich aber schlug, sah ich, wie ich dort das Kreuz der Petits-Champs sehe, die Mauer des Hotel des Tournelles und die Zinnen der Bastille. Auf dem Platze der Bastille, etwas vor dem Hotel des Tournelles, zwischen der Rue Sainte-Catherine und der Rue Saint-Paul, wurde ich angegriffen, als ich nach dem Faubourg Saint-Antoine ging, um den Brief der Königin von Navarra zu holen. Dort also wurde ich angegriffen, bei einer Türe, woran eine Schießscharte, durch welche ich, sobald die Türe hinter mir geschlossen war, Quélus erblickte, der sehr bleiche Wangen und sehr flammende Augen hatte. Ich war in einem Gange; am Ende des Ganges fand sich eine Treppe. Ich fühlte noch die erste Stufe dieser Treppe, als ich darauf strauchelte. Ich wurde ohnmächtig. Dann begann mein Traum. Später erwachte ich wieder bei einem sehr frischen Winde auf der Böschung der Gräben des Temple liegend, zwischen einem Augustinermönche, einem Fleischer und einem alten Weibe.

Wie kommt es nun, dass meine anderen Träume so schnell und vollständig aus meinem Gedächtnis entschwinden, während dieser sich immer mehr eingräbt, je mehr ich mich von dem Zeitpunkte, wo ich ihn gehabt, entferne?«

»Ah!« sagte Bussy, »das ist das Geheimnis.«

Und er blieb an der Türe seines Hotel, das er in diesem Augenblick erreichte, stehen, lehnte sich an die Mauer an, schloss die Augen und fuhr fort:

»Bei Gott! ein Traum kann unmöglich einen solchen Eindruck im Geiste zurücklassen. Ich sehe das Zimmer mit seiner Tapete und den Figuren darauf, ich sehe den gemalten Plafond, ich sehe mein Bett von geschnitztem Eichenholz mit seinen weiß und goldenen Damastvorhängen, ich sehe das Portrait, ich sehe die blonde Frau; ich bin minder sicher, dass das Portrait und die Frau eines und dasselbe sind. Ich sehe endlich das gute und freundliche Gesicht des jungen Arztes, den man mit verbundenen Augen an mein Bett führte. Das sind doch Anzeichen genug. Durchgehen wir es noch einmal: eine Tapete, ein Plafond, ein geschnitztes Bett, Vorhänge von weiß und goldenem Damast, ein Portrait, eine Frau und ein Arzt. Vorwärts! vorwärts! ich muss Nachforschungen nach Allem dem anstellen, und wenn ich nicht der aller dümmste Mensch bin, die Sache auch finden.

»Vor Allem,« schloss Bussy, »vor Allem wollen wir, um das Geschäft gut zu beginnen, eine für einen Nachtschwärmer passendere Tracht wählen, dann zur Bastille!«

In Folge dieses Entschlusses, der eben nicht sehr vernünftig für einen Mann war, welcher, nachdem er am Abend zuvor beinahe an einem Orte ermordet worden wäre, am Tage darauf ungefähr zu derselben Stunde, um Nachforschungen anzustellen, an denselben Ort ging, in Folge dieses Entschlusses, sagen wir, ging Bussy in seine Wohnung hinauf, ließ die Binde, welche seine Wunde schloss, durch einen Lackei befestigen, der ein wenig Wundarzt war und für alle Fälle in seinen Diensten stand, zog lange, bis mitten an die Schenkel gehende Stiefeln an, wählte seinen zuverlässigsten Degen, hüllte sich in seinen Mantel, setzte sich in seine Sänfte, ließ am Ende der Rue du Roi de Sicile halten, stieg aus, befahl seinen Leuten zu warten, erreichte die große Rue Saint-Antoine und wanderte nach dem Platze der Bastille.

Es war ungefähr neun Uhr Abends. Die Glocke, welche damals das Zeichen gab, dass die Bürgerschaft nach Hause gehen sollte, hatte sich bereits hörbar gemacht. Paris wurde öde. In Folge des Tauwetters, das ein wenig Sonne und ein wenig laue Atmosphäre im Verlaufe des Tages herbeigeführt hatten, machten die Pfützen von gefrorenem Wasser und die Schlammlöcher auf dem Platze der Bastille einen mit Seen und Abstürzen überstreuten Boden, den wie eine Chaussee der von uns bereits erwähnte gebahnte Weg umzog.

Bussy schaute sich um; er suchte die Stelle, wo sein Pferd gefallen war, und glaubte sie gefunden zu haben; er machte dieselben Bewegungen des Rückzuges und des Angriffes, die er gemacht zu haben sich erinnerte; er wich bis an die Mauer zurück und untersuchte jede Türe, um den Winkel, an den er sich angelehnt, und das Gitter zu finden, durch das er Quélus betrachtet hatte. Doch alle Türen hatten einen Winkel und beinahe alle ein Gitter; es fand sich ein Gang hinter den Türen. Durch einen misslichen Umstand, der weniger außerordentlich erscheinen wird, wenn man bedenkt, dass der Concierge in jener Zeit bei bürgerlichen Häusern etwas Unbekanntes war, hatten drei Viertel der Türen Gänge.

»Bei Gott!« sagte Bussy mit tiefem Ärger zu sich selbst, »wenn ich an jede von diesen Türen klopfen, alle Mietsleute fragen, tausend Thaler ausgeben müsste, um die Bedienten und alten Weiber zum Sprechen zu bringen, ich werde erfahren, was ich wissen will. Es sind fünfzig Häuser, bei zehn Häusern für den Abend verliere ich fünf Abende; ich werde nur warten, bis es ein wenig trockener ist.«

Als Bussy dieses Selbstgespräch vollendete, gewahrte er ein kleines, zitterndes, bleiches Licht, das, in den Pfützen sich spiegelnd wie ein Leuchtfeuer im Meere, herbei kam.

Dieses Licht näherte sich sehr langsam und ungleich, blieb von Zeit zu Zeit stehen, ging bald rechts, bald links ab, strauchelte plötzlich und fing an zu tanzen wie ein Irrlicht, bekam dann wieder seinen ruhigen Gang und überließ sich wieder neuen Abschweifungen.

»Der Platz der Bastille ist offenbar ein sonderbarer Platz,« sagte Bussy. »Doch gleichviel, wir wollen warten.«

Und um bequemer zu warten, hüllte sich Bussy in seinen Mantel und drückte sich in die Ecke einer Türe. Die Nacht war sehr finster, und man konnte sich nicht auf vier Schritte sehen.

Die Laterne setzte ihren Weg fort und machte immer tollere Evolutionen. Doch da Bussy nicht abergläubisch war, so blieb er überzeugt, das Licht, das er sah, wäre kein irrendes Feuer, von der Natur derjenigen, welche die Reisenden so sehr im Mittelalter erschreckten, sondern ganz einfach eine Stocklaterne, welche an einer Hand hängen müsste, die wiederum an irgend einem Körper befestigt wäre.

Nachdem er einige Sekunden gewartet, bestätigte sich wirklich seine Mutmaßung. Bussy erblickte dreißig Schritte von sich eine schwarze, pfahlartig dünne und lange Form, welche Form allmählich den Umriss eines lebendigen Wesens annahm, das die Laterne an seinem rechten Arme hielt und diesen bald gerade ausstreckte bald auf die Seite hinaus stieß, bald an seiner Hüfte herabhängen ließ. Dieses lebendige Wesen schien für den Augenblick der Brüderschaft der Trunkenbolde anzugehören, denn nur der Trunkenheit ließen sich die seltsamen krummen Linien, die es beschrieb, und die Philosophie voraussetzen, mit der es in die Kothlöcher stolperte und in den Wasserlachen herumpatschte. Einmal geschah es ihm sogar, dass es auf einer schlecht aufgetauten Eislache ausglitschte, und ein dumpfer Schall, begleitet von einer unwillkürlichen Bewegung der Laterne, welche von oben nach unten zu stürzen schien, deutete Bussy an, nicht sehr sicher auf seinen beiden Beinen, habe der nächtliche Spaziergänger einen solideren Schwerpunkt gesucht.

Bussy fing nun an, in seinem Innern jene Ehrfurcht zu fühlen, welche alle edle Herzen für verspätete Trunkenbolde hegen, und er ging vor, um diesem Dienstmann des Bacchus, wie Meister Ronsard sagte, Hilfe zu leisten, als er sah, dass die Laterne sich mit einer Schnelligkeit erhob, welche andeutete, der Träger derselben besitze mehr Festigkeit, als man bei dem ersten Anscheine hätte glauben sollen.

»Gut, noch ein Abenteuer, wie es scheint,« murmelte Bussy.

Und da die Laterne wieder ihren Gang nahm und gerade auf ihn zuzukommen schien, so drückte er sich tiefer als zuvor in den Winkel der Türe.

Die Laterne machte zehn Schritte, und nun sah Bussy bei dem Scheine, den sie von sich gab, etwas Seltsames, nämlich, dass der Mensch, der sie trug, eine Binde über den Augen hatte.

»Bei Gott!« sagte Bussy, »es ist doch ein sonderbarer Gedanke, mit einer Laterne blinde Kuh zu spielen, namentlich bei einem Wetter wie heute und auf einem Boden wie dieser. Sollte ich zufällig wieder anfangen, zu träumen?«

Bussy wartete abermals, und der Mensch mit der Binde machte wieder fünf bis sechs Schritte.

»Gott vergebe mir!« sagte Bussy, »ich glaube, er spricht ganz allein. Das ist weder ein Betrunkener, noch ein Narr, sondern ein Mathematiker, der die Lösung eines Problems sucht.«

Diese Ansicht wurde dem Beobachter durch die letzten Worte eingegeben, die der Mann mit der Laterne gesprochen und Bussy gehört hatte.

»Vierhundert acht und achtzig, vierhundert neun und achtzig, vierhundert neunzig murmelte der Mann mit der Laterne, »das muss ganz hier in der Nähe sein.«

Und dann hob der Geheimnisvolle mit der rechten Hand seine Binde auf, sah sich einem, Hause gegenüber und näherte sich der Türe. Als er bei der Türe war, schaute er sie aufmerksam an.

»Nein,« sagte er, »diese ist es nicht.«

Dann ließ er seine Binde herab und setzte sich rechnend wieder in Marsch.

»Vierhundert ein und neunzig, vierhundert zwei und neunzig, vierhundert drei und neunzig, vierhundert vier und neunzig; ich muss ganz nahe daran sein,« sagte er. Und er hob abermals seine Binde auf, näherte sich der Türe zunächst von der, an welcher sich Bussy verborgen hielt, und betrachtete sie mit nicht geringerer Aufmerksamkeit, als die erste.

»Hm! hm!« sagte er, »das könnte es wohl sein; nein, ja, nein, diese Teufel von Türen gleichen sich alle.«

»Eine Betrachtung, die ich bereits angestellt habe,« sagte Bussy zu sich selbst, »das flößt mir Ehrfurcht vor dem Mathematiker ein.«

Der Mathematiker ließ seine Binde wieder herab und setzte seinen Weg fort.

»Vierhundert sechs und neunzig, vierhundert sieben und neunzig, vierhundert acht und neunzig, vierhundert neun und neunzig … wenn mir gegenüber eine Türe ist, so muss diese es sein,« sprach der Sucher.

Es fand sich in der Tat eine Türe, und diese Türe war diejenige, an welcher sich Bussy verborgen hielt; in Folge hiervon hob der mutmaßliche Mathematiker seine Stocklaterne bis zu einer Mannshöhe empor, nahm seine Binde ab, und so standen Bussy und er einander gegenüber.

»Nun!« sprach Bussy.

»Oh!« machte der nächtliche Spaziergänger, einen Schritt zurückweichend.

»Halt!« sagte Bussy. »Es ist nicht möglich!« rief der Unbekannte.

»Doch wohl, nur ist es wunderbar. Ihr seid der Arzt?«

»Und Ihr der Edelmann?«

»Ganz richtig.«

»Jesus! welch ein Zufall!«

»Der Arzt,« fuhr Bussy fort, »der gestern Abend einen Edelmann verband, welcher einen Degenstich in die Seite bekommen hatte …«

«Allerdings.«

»Es ist so, ich erkannte Euch auf der Stelle; Ihr habt eine so zarte, so leichte und zugleich so geschickte Hand.«

»Ah! mein Herr, ich erwartete nicht, Euch hierzu finden.«

»Was suchtet Ihr denn?«

»Das Haus.«

»Ah!« rief Bussy, »Ihr suchtet das Haus?«

»Ja.«

»Ihr kennt es also nicht?«

»Wie soll ich es kennen,« entgegnete der junge Mann, »da man mich mit verbundenen Augen dahin geführt hat!«

»Man hat Euch mit verbundenen Augen dahin geführt?«

»Allerdings.«

»Ihr seid also wirklich in diesem Hause gewesen?«

»In diesem oder in einem von den anstoßenden; ich kann nicht' sagen, in welchem, denn ich suche es.«

»Gut,« versetzte Bussy, »also habe ich nicht geträumt.«

»Wie? Ihr habt nicht geträumt!«

»Ich muss Euch sagen, mein lieber Freund, ich glaubte, dieses ganze Abenteuer wäre, wohl verstanden abgesehen von dem Degenstich, nur ein Traum.«

»Ihr setzt mich nicht in Erstaunen, mein Herr,« entgegnete der junge Arzt.

»Wie so?«

»Ich vermutete, es walte ein Geheimnis dabei ob.«

»Ja, mein Freund, und zwar ein Geheimnis, das ich aufklären will; nicht wahr, Ihr werdet mir dabei behilflich sein?«

»Sehr gern.«

»Gut; vor Allem zwei Worte.«

»Sprecht.«

»Wie heißt Ihr?«

»Mein Herr,« antwortete der junge Arzt, »ich werde mich nicht eigensinnig zeigen; ich weiß wohl, dass ich, in guter Manier und nach der Mode, auf eine solche Frage stolz mich auf einen Fuß stützen und die Hand auf der Hüfte zu Euch sagen müsste: ›Und Ihr, mein Herr, wenn es Euch beliebt!‹ Doch Ihr habt einen langen Degen, und, ich habe nur meine Lanzette. Ihr habt das Aussehen eines würdigen Edelmanns, und ich muss Euch wie ein Schelm vorkommen, denn ich bin bis auf die Knochen durchnässt und bis auf den Rücken mit Kot überzogen. Ich entschließe mich also, ganz offenherzig Eure Frage zu beantworten und sage: Ich heiße Remy der Haudouin.«

»Sehr gut, mein Herr, tausend Dank. Ich bin der Graf Louis von Clermont, Herr von Bussy.«

»Bussy d'Amboise, der Held Bussy,« rief der junge Doktor mit einer offenbaren Freude. »Wie! mein Herr, Ihr wäret der berühmte Bussy, der Oberst, der … der … oh!«

»Ich bin es, mein Herr,« erwiderte bescheiden der Edelmann. »Und nun, da wir gegenseitig über unsere Personen aufgeklärt sind, so bitte ich Euch, befriedigt meine Neugierde, so schmutzig und nass Ihr auch seid.«

»Es ist nicht zu leugnen,« sagte der junge Mann, seine ganz mit Kot befleckten Hosen betrachtend, »es ist nicht zu leugnen, dass ich wie Epaminondas, der Thebaner, genötigt sein werde, drei Tage zu Hause zu bleiben, in Betracht, dass ich nur ein Paar Beinkleider habe und nur ein Wamms besitze. Doch verzeiht, Ihr erwiest mir, glaube ich, die Ehre, mich zu fragen.«

»Ja, mein Herr, ich wollte Euch fragen, wie Ihr in dieses Haus gekommen wäret.«

»Das ist zugleich ganz einfach und ganz verwickelt, wie Ihr sehen werdet.«

»Sprecht.«

»Verzeiht, Herr Graf, bis jetzt war ich so unruhig, dass ich Euch Euren Titel zu geben vergaß.«

»Das thut nichts, nur vorwärts.«

»Herr Graf, hört also, was mir begegnete: Ich wohne in der Rue Beautreillis, fünfhundert Schritte von hier, und bin ein armer Anfänger in der Chirurgie, doch nicht ungeschickt, wie ich Euch wohl versichern darf.«

»Ich weiß etwas davon zu sagen.«

»Ich habe viel studiert, aber keine Kunden bekommen,« fuhr der junge Mann fort. »Man nennt mich, wie ich Euch gesagt habe, Remy den Haudouin, Remy, meinem Taufnamen nach, und den Haudouin, weil ich in Nanteuil-le-Haudouin geboren bin. Als vor sieben oder acht Tagen hinter dem Arsenal ein Mensch einen großen Messerstich bekam, nähte ich ihm die Bauchhaut zu und verschloss auf geeignete Weise in dem Inneren dieser Haut die Eingeweide, welche herausgetreten waren. Das machte mir in der Nachbarschaft einen gewissen Ruf, dem ich das Glück zuschreibe, dass ich gestern Nacht durch eine kleine Flötenstimme aufgeweckt wurde.«

»Eine Frauenstimme!« rief Bussy.

»Ja, doch gebt wohl Acht, so bäurisch ich auch sein mag, so bin ich doch überzeugt, dass es die Stimme einer Zofe war. Ich verstehe mich darauf, insofern ich mehr solche Stimmen, als Stimmen von Gebieterinnen gehört habe.«

»Und was tatet Ihr sodann?«

»Ich stand auf und öffnete meine Türe; doch kaum war ich auf dem Ruheplatz, als zwei kleine Hände, nicht zu weich und auch nicht zu hart, mir eine Binde auf dem Gesicht befestigten.«

»Ohne etwas zu sagen?« fragte Bussy.

»Doch wohl, sie sagte zu mir: ›Kommt; versucht nicht, zu sehen, wohin Ihr geht; seid verschwiegen; hier ist Eure Belohnung.‹

»Und diese Belohnung war?«

»Eine Börse Pistolen enthaltend, die sie mir in die Hand drückte.«

»Ah! ah! und was habt Ihr geantwortet?«

»Ich antwortete, ich wäre bereit, meiner reizenden Führerin zu folgen. Ich wusste nicht, war sie reizend oder nicht reizend, doch ich dachte, das Beiwort könnte, wenn auch übertrieben, in jedem Falle nicht schaden.«

»Und Ihr folgtet, ohne eine Bemerkung zu machen, ohne Garantien zu verlangen?«

»Ich habe oft solche Geschichten in den Büchern gelesen und bemerkt, dass immer etwas Angenehmes für den Arzt daraus entsprang. Ich folgte also, wie ich Euch zu sagen die Ehre hatte; man führte mich auf einem harten Boden; es fror, und ich zählte vierhundert, vierhundert fünfzig, fünfhundert und endlich fünfhundert und zwei Schritte.«

»Gut,« sagte Bussy, »das war klug; also müsst Ihr an dieser Türe sein?«

»Ich muss wenigstens nicht fern davon sein, da ich diesmal bis auf vierhundert neun und neunzig zählte, wenn mich nicht die verschmitzte Dirne, ich klage sie dieses schwarzen Verbrechens an, Umwege machen ließ.«

»Ja,« entgegnete Bussy, »aber auch vorausgesetzt, sie hätte an diese Vorsicht gedacht, so muss sie doch wohl, und wenn der Teufel dabei gewesen wäre, irgend ein Zeichen von sich gegeben, irgend ein Wort gesprochen haben.«

»Durchaus nicht.«

»Doch Ihr musstet eineWahrnehmung machen?«

»Ich bemerkte Alles, was man mit Fingern bemerken kann, welche zuweilen die Augen zu ersetzen gewohnt sind, nämlich eine Türe mit Nägeln; hinter der Türe einen Gang, und am Ende des Gangs eine Treppe.«

»Links?«

»So ist es. Ich zählte sogar die Stufen.«

»Wie viel?«

»Zwölf.«

»Und der Eingang sogleich?«

»Ich glaube, eine Hausflur, denn man öffnete drei Türen.«

»Gut.«

»Dann hörte ich eine Stimme: ah! das war die Stimme einer Gebieterin, sanft und lieblich.«

»Ja, ja, es war die ihrige.«

»Gut, es war die ihrige.«

»Ich bin davon überzeugt.«

»Das ist schon etwas, wenn Ihr davon überzeugt seid. Dann schob man mich in das Zimmer, in welchem Ihr lagt, und hieß mich die Binde abnehmen.«

»So ist es.«

»Hierauf erblickte ich Euch.«

»Wo war ich?«

»Ihr laget auf einem Bett.«

»Auf einem Bett von weißem Damast mit goldenen Blumen?«

»Ja.«

»In einem austapezierten Zimmer.«

»Vortrefflich.«

»Mit einem Plafond, woran Figuren?«

»So ist es; dann zwischen zwei Fenstern …«

»Ein Portrait.«

»Bewunderungswürdig.«

»Eine Frau von achtzehn bis zwanzig Jahren vorstellend.«

»Ja.«

»Blond?«

»Sehr gut.«

»Schön wie alle Engel.«

»Schöner.«

»Bravo! Was habt Ihr sodann getan?«

»Ich habe Euch verbunden.«

»Meiner Treue, sehr gut!«

»So gut ich konnte.«

»Ausgezeichnet, mein lieber Herr, ausgezeichnet; denn diesen Morgen war die Wunde beinahe geschlossen und rosenfarbig.«

»Das ist die Wirkung eines von mir bereiteten Balsams, der mir ganz einzig in seiner Art vorkommt. Da ich nicht wusste, an wem ich Versuche machen sollte, so durchlöcherte ich mir die Haut an verschiedenen Stellen, und meiner Treue! die Löcher schlossen sich in zwei bis drei Tagen.«

»Mein lieber Herr Remy,« rief Bussy, »Ihr seid ein Mann zum Entzücken, und ich fühle mich ganz zu Euch hingerissen. Doch hernach, sprecht, was geschah hernach?«

»Ihr wurdet wieder ohnmächtig. Die Stimme erkundigte sich nach Euch.«

»Von wo aus erkundigte sie sich?«

»Von einem Nebenzimmer aus.«

»Ihr habt also die Dame nicht gesehen?«

»Ich habe sie nicht erblickt.«

»Ihr antwortetet ihr?«

»Die Wunde wäre nicht gefährlich und in vier und zwanzig Stunden Alles vorbei.«

»Sie schien zufrieden?«

»Entzückt, denn sie rief: ›Mein Gott! welch ein Glück.‹

»Sie rief, welch ein Glück! mein lieber Herr Remy, ich werde Euer Glück machen. Hernach, hernach …«

»Hernach war Alles geschehen, Ihr wart verbunden, und ich hatte nichts mehr dort zu tun; die Stimme sagte dann zu mir: ›Herr Remy …‹

»Die Stimme wusste Euren Namen?«

»Allerdings, immer in Folge des Abenteuers mit dem Messerstich, das ich Euch erzählt habe.«

»Ganz richtig; die Stimme sagte also zu Euch: ›Herr Remy …‹

›Seid ganz ein Mann von Ehre; gebt eine arme Frau nicht preis, die sich von einem Übermaß von Menschenliebe hinreißen ließ, nehmt wieder Eure Binde und duldet, ohne eine List anzuwenden, dass man Euch nach Hause führt.‹

»Ihr verspracht?«

»Ich gab mein Wort.«

»Und habt es gehalten?«

»Ihr seht es wohl,« antwortete naiv der junge Mann, »Ihr seht es wohl, da ich die Türe suche.«

»Das ist ein herrlicher Zug, der Zug eines galanten Mannes, und ich bin darüber so sehr entzückt, dass ich Euch sage: Nehmt Herr Remy.«

Und Bussy reichte ganz begeistert dem jungen Doktor die Hand.

»Mein Herr,« versetzte Remy verlegen.

»Nehmt! nehmt! Ihr verdient ein Edelmann zu sein.«

»Edler Herr, es ist ein ewiger Ruhm für mich, die Hand des braven Bussy d'Amboise berührt zu haben; mittlerweile trage ich ein Bedenken …«

»Welches?«

»Es waren zehn Pistolen in der Börse.«

»Nun!«

»Das ist zu viel für einen Menschen, der sich seine Besuche mit fünf Sous bezahlen lässt, wenn er sie nicht ganz umsonst macht; und ich suchte das Haus …«

»Um die Börse zurückzugeben?«

»Ganz richtig.«

»Mein lieber Herr Remy, ich schwöre Euch, das ist zu viel Zartgefühl, Ihr habt das Geld auf eine ehrenhafte Weise verdient, und es gehört Euch.«

»Ihr glaubt?« versetzte Remy, in seinem Innern sehr befriedigt.

»Ich stehe Euch dafür; nur hätte Euch die Dame nicht bezahlen sollen, denn ich kenne sie nicht, und sie kennt mich eben so wenig.«

»Ihr seht, das ist abermals ein Grund.«

»Ich wollte damit nur sagen, ich hätte auch eine Schuld gegen Euch.«

»Ihr, eine Schuld gegen mich?«

»Ja, und ich werde mich derselben entledigen. Was macht Ihr in Paris? Lasst hören, sprecht, seid offenherzig, mein lieber Herr Remy.«

»Was ich in Paris mache? Gar nichts, Herr Graf; doch ich würde etwas machen, wenn ich Kunden hätte.«

»Das kommt vortrefflich; ich will Euch vor Allem einen geben: wollt Ihr mich haben? Ich bin ein ausgezeichneter Kunde, denn es vergeht kein Tag, wo ich nicht bei Anderen das schönste Werk des Schöpfers verschlechtere, oder wo nicht bei mir dieses Werk zerstört wird. Sprecht, wollt Ihr es unternehmen, die Löcher zu flicken, die man an meiner Haut macht, oder die ich an den Häuten von Andern machen werde?«

»Ah! Herr Graf, mein Verdienst ist zu gering …«

»Nein, im Gegenteil, Ihr seid der Mann, den ich brauche, oder der Teufel soll mich holen! Ihr habt eine Hand so leicht wie die einer Frau, und dabei den Balsam von Ferragus …«

»Gnädiger Herr!«

»Ihr zieht zu mir; … Ihr habt Eure eigene Wohnung, Eure eigenen Leute; nehmt an, oder bei meinem Worte, Ihr zerreißt mir die Seele. Überdies ist Eure Aufgabe noch nicht beendigt: Ihr habt mir noch einen zweiten Verband aufzulegen, lieber Herr Remy.«

»Herr Graf,« erwiderte der junge Doktor, »ich bin so sehr entzückt, dass ich nicht weiß, wie ich Euch meine Freude ausdrücken soll. Ich werde arbeiten, ich werde Kunden haben!«

»Nein, da ich Euch sage, ich nehme Euch für mich ganz allein … mit meinen Freunden, wohlverstanden. Erinnert Ihr Euch nun keines weiteren Umstandes?«

»Keines.«

»Wohl, so helft mir wenigstens, dass ich mich wieder ausfinde, wenn es möglich ist.«

»Wie?«

»Sagt, Ihr, der Ihr ein Mann der Beobachtung seid, der Ihr die Schritte zählt, der Ihr die Stimmen bemerkt, wie ist es zugegangen, dass ich mich, nachdem Ihr mich verbunden hattet, von diesem Hause auf den Rand der Gräben des Temple versetzt sah?«

»Ihr!«

»Ja … ich … Habt Ihr etwa bei dieser Überschaffung geholfen?«

»Nein! ich hätte mich im Gegenteil sehr widersetzt, wäre ich um Rat gefragt worden. Die Kälte konnte Euch bedeutend schaden.«

»Dann werde ich ganz irre,« versetzte Bussy, »wollt Ihr nicht noch ein wenig mit mir suchen?«

»Ich will Alles, was Ihr wollt, edler Herr; doch ich befürchte sehr, es wird vergeblich sein; alle diese Häuser gleichen sich ungemein.«

»Wohl, so muss man bei Tage nachsehen.«

»Ja, doch bei Tage wird man uns wahrnehmen.«

»Dann müssen wir uns erkundigen.«

»Wir wollen uns erkundigen, Monseigneur.«

»Und wir werden zum Ziele gelangen; wir sind nun zu zwei, und wir haben eine Wirklichkeit, was schon viel ist, glaubt mir, Remy.«

Die Dame von Monsoreau

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