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Erstes bis viertes Bändchen
Dreizehntes Kapitel
Wer Diana von Méridor war
Der Vertrag

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Es trat wieder ein kurzes Stillschweigen ein. Beinahe eben so sehr bewegt bei dieser Erinnerung, als sie es in der Wirklichkeit gewesen war, fühlte Diana, wie ihr die Stimme den Dienst verweigern wollte. Bussy hörte ihr mit allen Fähigkeiten seiner Seele zu und schwor zum Voraus einen ewigen Hass allen ihren Feinden, wer sie auch sein möchten.

Endlich, nachdem sie an einem Flacon gerochen hatte, den sie aus der Tasche zog, fuhr Diana fort:

»Kaum hatten wir den Fuß auf die Erde gesetzt, als sieben bis acht Männer auf uns zuliefen. Es waren Leute des Grafen, unter denen ich zwei Diener zu bemerken glaubte, welche unsere Sänfte begleiteten, als wir durch die Menschen angegriffen wurden, die mich nach dem Schlosse Beaugé führten. Ein Stallmeister hielt zwei Pferde an der Hand; das eine derselben war ein Rappe des Grafen, das andere ein für mich bestimmter weißer Zelter. Der Graf half mir den Zelter besteigen und schwang sich auf sein Ross, sobald ich im Sattel saß.

»Gertrude ritt auf dem Kreuze hinter einem von den Dienern des Grafen.

»Diese Anordnungen waren kaum getroffen, als wir uns im Galopp entfernten.

»Der Graf nahm meinen Zelter beim Zaume; ich bemerkte ihm, ich verstände gut genug zu reiten, dass er sich dieser Vorsichtsmaßregel überheben könnte, doch er entgegnete mir, mein Pferd wäre scheu und könnte einen Seitensprung machen, der mich von ihm trennen würde.

»Wir ritten ungefähr zehn Minuten, als ich die Stimme von Gertrude mich rufen hörte. Ich wandte mich um und sah, dass unsere Truppe sich in zwei Hälften geteilt hatte; vier Mann schlugen einen Seitenpfad ein und führten sie in den Wald fort, während der Graf von Monsoreau und die vier andern mit mir den bisherigen Weg verfolgten.

›Gertrude!‹ rief ich.

›Mein Herr, warum kommt Gertrude nicht mit uns?‹

›Das ist eine unerlässliche Maßregel,‹ antwortete der Graf, ›wenn wir verfolgt werden, so müssen wir zwei Spuren zurückgelassen haben; man muss auf zwei Seiten sagen können, man habe eine Frau durch Männer entführen sehen; dann können wir hoffen, dass der Herzog von Anjou einen falschen Weg einschlägt und einer Zofe nachjagt, statt uns zu verfolgen.«

»Obgleich scheinbar vernünftig, befriedigte mich die Antwort nicht: doch was war zu sagen, was war zu tun? Ich seufzte und wartete.

»Überdies war der Weg, den der Graf verfolgte, wohl derjenige, welcher nach dem Schlosse Méridor zurückführte. In einer Viertelstunde sollten wir, so wie wir ritten, das Schloss erreichen, als der Graf plötzlich, auf einem Kreuzwege des Waldes, der mir wohl bekannt war, statt sich auf dem Wege zu halten, der mich zu meinem Vater zurückbrachte, links einbog und einen Pfad wählte, der sich sichtbar von der Richtung unseres Schlosses entfernte. Ich schrie laut auf und stützte bereits, trotz des raschen Laufes meines Zelters, die Hand auf den Sattelknopf, um zu Boden zu springen, als der Graf, der ohne Zweifel alle meine Bewegungen beobachtete, sich auf meine Seite neigte, mich mit seinem Arme umschlang, von meinem Rosse aufhob und auf den Sattelbogen seines Pferdes setzte. Sobald der Zelter sich frei fühlte, entfloh er wiehernd durch den Wald.

»Diese ganze Handlung wurde so rasch von Seiten des Grafen ausgeführt, dass ich nicht Zeit hatte, einen Schrei auszustoßen.

»Herr von Monsoreau legte mir schnell die Hand auf den Mund und sprach:

›Mein Fräulein, ich schwöre Euch bei meiner Ehre, dass ich Alles auf Befehl Eures Vaters tue, wie ich Euch bei dem ersten Halt, den wir machen, beweisen werde; genügt Euch dieser Beweis nicht oder scheint er Euch zweifelhaft, so seid Ihr, ebenfalls bei meiner Ehre, frei, mein Fräulein.‹

›Mein Herr, Ihr sagtet mir, Ihr würdet mich zu meinem Vater führen,‹ rief ich, seine Hand von mir stoßend und den Kopf zurückwerfend.

›Ja, ich sagte Euch das, weil ich sah, dass Ihr zögertet, mir zu folgen, und ein Augenblick dieses Zögerns mehr richtete uns zu Grunde, ihn, Euch und mich, wie Ihr selbst sehen konntet. Nun lasst hören,‹ sagte der Graf anhaltend, ›wollt Ihr den Baron töten? Wollt Ihr geraden Wegs Eurer Schande in die Hände, laufen? Sprecht ein Wort, und ich führe Euch nach dem Schlosse Méridor zurück.‹

›Ihr sagtet, Ihr würdet mir einen Beweis geben, dass Ihr im Namen meines Vaters so handeltet.‹

›Wohl, so empfangt diesen Beweis. Nehmt diesen Brief und lest ihn in dem ersten Lager, wo wir anhalten. Wollt Ihr, wenn Ihr ihn gelesen, in das Schloss zurückkehren, so seid Ihr frei, das wiederhole ich Euch abermals bei meiner Ehre. Doch bleibt Euch noch einige Achtung vor den Befehlen des Barons, so werdet Ihr nicht zurückkehren, dessen bin ich gewiss.‹

›Vorwärts, mein Herr, damit wir rasch das erste Lager erreichen, denn es drängt mich, Gewissheit zu erlangen, ob Ihr die Wahrheit sprecht.‹

›Erinnert Euch, dass Ihr mir freiwillig folgt.‹

›Ja, frei, in so weit ein Mädchen in einer Lage frei ist, wo es auf der einen Seite den Tod seines Vaters und seine Schande, und auf der andern die Notwendigkeit steht, sich dem Worte eines Mannes anzuvertrauen, den es kaum kennt; gleichviel, ich folge Euch freiwillig und Ihr könnt Euch dessen versichern, wenn Ihr mir ein Pferd geben wollt.‹

»Der Graf hieß einen von seinen Leuten durch ein Zeichen absteigen; ich sprang von seinem Pferde herab und befand mich einen Augenblick nachher neben ihm im Sattel.

›Der Zelter kann nicht fern sein,‹ sagte er zu dem Mann, der abgestiegen war, ›sucht ihn im Walde, ruft Ihn, Ihr wisst, dass er wie ein Hund auf seinen Namen oder auf die Pfeife kommt. Ihr werdet uns in La Châtre wieder einholen.‹

»Ich bebte unwillkürlich, La Châtre war bereits mehr als zehn Stunden von dem Schlosse Méridor auf der Straße nach Paris entfernt.

›Mein Herr,‹ sagte ich zu ihm, ›ich begleite Euch, doch in La Châtre werden wir unsere Bedingungen machen.‹

›Das heißt, mein Fräulein,‹ erwiderte der Graf, ›in La Châtre werdet Ihr mir Eure Befehle geben.‹

»Dieser scheinbare Gehorsam beruhigte mich nicht; da mir jedoch die Wahl der Mittel nicht zu Gebot stand und dasjenige, welches sich mir zeigte, das einzige war, um dem Herzog von Anjou zu entkommen, so setzte ich schweigsam meinen Weg fort. Bei Tagesanbruch erreichten wir La Châtre. Doch statt in das Dorf zu reiten, ritten wir hundert Schritte von den ersten Gärten querfeldein und wandten uns nach einem abgelegenen Hause.

»Ich hielt mein Pferd an und fragte:

›Wohin gehen wir?‹

›Hört, mein Fräulein,‹ sprach der Graf, ›ich habe bereits die außerordentliche Schärfe Eures Geistes wahrgenommen, und, an Euren Geist appelliere ich auch. Können wir, vor den Nachstellungen des nach dem König mächtigsten Prinzen fliehend, in einem gewöhnlichen Gasthofe und mitten in einem Dorfe anhalten, wo uns der erste der beste Bauer, der uns sieht, angeben wird? Man kann einen Menschen erkaufen, aber man kann nicht ein ganzes Dorf erkaufen.‹

»In allen Antworten des Grafen lag eine Logik oder wenigstens eine scheinbare Logik, der ich wenig entgegen zu halten wusste.

›Gut,‹ sagte ich zu ihm, ›reiten wir weiter.‹

»Und wir setzten uns wieder in Marsch.

»Wir wurden erwartet; ein Mann hatte sich, ohne dass ich es bemerkte, von unserer Eskorte getrennt und war voraus geritten. Ein gutes Feuer brannte in dem Kamin eines ziemlich reinlichen Zimmers, und ein Bett stand bereit.

›Hier ist Euer Zimmer, mein Fräulein,‹ sagte der Graf, ›ich werde Eure Befehle erwarten.‹

»Er grüßte, zog sich zurück und ließ mich allein. »Es war meine erste Sorge, mich der Lampe zu nähern und den Brief meines Vaters aus meiner Brust hervorzuziehen . . . Hier ist er, Herr von Bussy; ich mache Euch zum Richter, lest.«

Bussy nahm den Brief und las:

›Meine viel geliebte Diana, wenn Du, wie ich nicht bezweifle, meiner Bitte Dich fügend, dem Herrn Grafen von Monsoreau gefolgt bist, so weißt Du durch ihn, dass Du das Unglück gehabt hast, dem Herzog von Anjou zu gefallen, und dass er es gewesen ist, der Dich entführen und nach dem Schlosse Beaugé bringen ließ; schließe aus dieser Gewalttat, wozu der Herzog fähig ist, und welche Schande Dich bedroht. Es gibt ein Mittel, dieser Schande, die ich nicht überleben würde, zu entkommen; es besteht darin, dass Du unsern edlen Freund heiratest; bist Du einmal Gräfin von Monsoreau, so wird Dich der Graf verteidigen, und er hat mir geschworen, Dich durch alle ihm zu Gebot stehende Mittel zu verteidigen. Es ist daher mein Wunsch, geliebte Tochter, dass diese Heirat so bald als möglich stattfinden möge, und wenn Du meinen Wünschen entsprichst, so füge ich meiner entschiedenen Einwilligung meinen väterlichen Segen bei und bitte Gott, er möge Dir alle Schätze des Glückes gewähren, die seine Liebe für Herzen wie das Deinige vorbehalten hat.

»Dein Vater, der Dir nicht befiehlt, sondern Dich bittet,

»Baron von Méridor.‹

»Ach!« sprach Bussy, »wenn dieser Brief von Eurem Vater ist, Madame, so lautet er nur zu bestimmt.«

»Er ist von ihm und darüber habe ich keinen Zweifel; nichtsdestoweniger las ich ihn dreimal ehe ich einen Entschluss fasste. Endlich rief ich den Grafen. Er trat sogleich ein, woraus ich ersah, dass er vor der Türe gewartet hatte.

»Ich hielt den Brief in der Hand.

›Nun,‹ sagte er zu mir, ›Ihr habt gelesen?‹

›Ja,‹ antwortete ich.

›Zweifelt Ihr immer noch an meiner Ergebenheit und an meiner Achtung?‹

›Ich würde daran gezweifelt haben, mein Herr,‹ antwortete ich, ›hätte mir nicht dieser Brief den mir fehlenden Glauben geboten. Doch lasst nun hören, mein Herr, angenommen, ich wäre geneigt, dem Rate meines Vaters nachzukommen: was gedenkt Ihr zu tun?‹

«»Ich gedenke Euch nach Paris zu führen, mein Fräulein; dort ist es noch leichter, Euch zu verbergen.‹

›Und mein Vater?‹

›Ihr wisst wohl, dass er überall sein wird, wo Ihr seid, und sobald Ihr nicht mehr durch seine Gegenwart gefährdet werden könnt, wird der Baron nachfolgen.‹

›Wohl, mein Herr, ich bin bereit, Euren Schutz unter den Bedingungen anzunehmen, die Ihr mir vorschreibt.‹

›Ich schreibe nichts vor, mein Fräulein,‹ entgegnete der Graf, ›ich biete Euch einzig und allein ein Mittel zur Rettung.‹

›Wohl, ich verbessere meine Worte und sage mit Euch: ich bin bereit, das Mittel der Rettung, das Ihr mir anbietet, unter drei Bedingungen anzunehmen.‹

›Sprecht, mein Fräulein.‹

›Die erste ist die, dass mir Gertrude zurückgegeben wird.‹

›Sie ist da,‹ sagte der Graf.

›Die zweite, dass wir bis Paris getrennt reisen.‹

›Ich wollte Euch diese Trennung anbieten, um Euer Zartgefühl zu beruhigen.‹

›Und die dritte, dass unsere Heirat, wenn nicht ihre Dringlichkeit von meiner Seite anerkannt wird, nur in Gegenwart meines Vaters stattfindet.‹

›Das ist mein lebhaftestes Verlangen und ich zähle auf seinen Segen, um den des Himmels auf uns herabzurufen.‹

»Ich war ganz erstaunt, denn ich glaubte, ich würde bei dem Grafen einen Widerstand gegen diesen dreifachen Ausdruck meines Willens finden, und er machte im Gegenteil nicht die geringste Einwendung.«

›Mein Fräulein,‹ sagte Herr von Monsoreau, ›erlaubt mir nun, Euch ebenfalls einige Ratschläge zu geben.‹

›Ich höre, mein Herr.‹

›Reist nur bei Nacht.‹

›Hierzu bin ich entschlossen.‹

›Überlasst mir die Sorge für Eure Lager und die Wahl des Weges; alle meine Vorsichtsmaßregeln werden ein Ziel im Auge haben, das, Euch dem Herzog von Anjou entkommen zu lassen.‹

›Wenn Ihr mich liebt, wie Ihr sagt, mein Herr, so sind unsere Interessen dieselben; ich habe daher keinen Einwurf gegen Euer Verlangen zu machen.‹

›In Paris nehmt endlich die Wohnung an, die ich für Euch bereit halten werde, so einfach und abgelegen sie auch sein mag.‹

›Ich will nur verborgen leben, mein Herr, und je abgelegener und einfacher die Wohnung ist, desto mehr muss sie einer Flüchtigen zusagen.‹

›So verstehen wir uns also in jedem Punkte, mein Fräulein, und um mich mit diesem von Euch entworfenen Plane in Einklang zu setzen, habe ich Euch nur noch meine Ehrfurcht zu bezeigen, Eure Kammerfrau zu schicken, und mich mit dem Wege zu beschäftigen, den Ihr verfolgen sollt.‹

›Mein Herr,« erwiderte ich, »ich bin meinerseits Edeldame, wie Ihr Edelmann seid, haltet alle Eure Versprechungen, und ich werde alle die meinigen halten.«

»Mehr verlange ich nicht,‹ rief der Graf, ›und diese Zusage gewährt mir die Versicherung, dass ich bald der Glücklichste der Menschen sein werde.‹

»Nach diesen Worten verbeugte er sich und ging weg.

»Fünf Minuten nachher trat Gertrude ein.

»Die Freude dieser treuen Dienerin war groß; sie hatte geglaubt, man wollte sie für immer von mir trennen. Ich erzählte ihr, was vorgefallen war; ich bedurfte einer Person, welche in alle meine Absichten eingehen, alle meine Wünsche unterstützen, vorkommenden Falles ein halbes Wort verstehen, auf ein Zeichen oder auf eine Gebärde gehorchen würde. Diese Bereitwilligkeit von Herrn von Monsoreau setzte mich in Erstaunen und ich befürchtete irgend eine Verletzung des zwischen uns festgestellten Vertrages.

»Bald hörten wir das Geräusch eines Pferdes, das sich entfernte. Ich lief an das Fenster, es war der Graf, der im Galopp wieder den Weg einschlug, dem wir gefolgt waren. Warum kehrte er auf diesem Wege zurück, statt vorwärts zu reiten? das begriff ich nicht. Doch er hatte den ersten Artikel des Vertrags vollzogen, indem er mir Gertrude zurückgab, und vollzog den zweiten, indem er sich entfernte. Es war nichts zu sagen. Überdies beruhigte mich dieser Abgang des Grafen, nach welchem Ziele er sich auch richten mochte.

»Wir brachten den ganzen Tag, von unserer Wirtin bedient, in dem kleinen Hause zu: erst am Abend traf derjenige ein, welchen ich für den Anführer unserer Eskorte gehalten hatte, und fragte nach meinen Befehlen. Da mir die Gefahr um so größer vorkam, je näher ich bei dem Schlosse Beaugé war, so antwortete ich ihm, ich wäre bereit; fünf Minuten nachher kehrte er zurück und meldete mir mit einer Verbeugung, dass man nur noch auf mich warte. Vor der Türe fand ich meinen weißen Zelter; er war, wie es der Graf von Monsoreau vorhergesehen, auf den ersten Ruf zurückgekommen.

»Wir marschierten die ganze Nacht und hielten bei Tagesanbruch an. Ich berechnete, dass wir ungefähr fünfzehn Stunden zurückgelegt hatten; übrigens waren von Herrn von Monsoreau alle Vorsichtsmaßregeln genommen worden, dass ich weder durch die Müdigkeit, noch durch die Kälte litt. Der von ihm gewählte Zelter hatte einen besonders sanften Trab, und man warf mir, als ich das Haus verließ, einen Pelzmantel über die Schultern.

»Dieser Halt glich dem ersten und alle unsere Nachtmärsche glichen dem, welchen wir bereits gemacht: stets dieselben Rücksichten und dieselbe Ehrfurcht; überall die gleiche Sorgfalt; offenbar reiste uns Jemand voran, der die Wohnungen für uns in Bereitschaft setzen ließ: ob dies der Graf war, wusste ich nicht, denn dieser Teil unseres Vertrages wurde mit derselben Regelmäßigkeit erfüllt, wie die andern, und ich sah ihn nicht ein einziges Mal auf dem ganzen Wege.

»Am Abend des siebenten Tages erblickte ich von einem Hügel herab eine große Masse von Häusern. Es war Paris.

»Wir machten Halt, um die Nacht abzuwarten; als es hinreichend dunkel war, begaben wir uns wieder auf den Weg. Bald zogen wir durch ein Thor, und der erste Gegenstand, den ich jenseits desselben wahrnahm, war ein ungeheures Gebäude, in welchem ich an seinen hohen Mauern ein Kloster erkannte, und dann kamen wir zweimal über den Fluss. Wir wandten uns rechts und befanden uns nach einem Marsche von zehn Minuten auf dem Platze der Bastille. Ein Mann, der uns zu erwarten schien, entfernte sich von einer Türe, näherte sich dem Anführer der Eskorte und sagte zu ihm:

›Es ist hier!‹

»Der Anführer der Eskorte wandte sich gegen mich um und sprach:

›Madame, Ihr hört, wir sind an Ort und Stelle.‹

»Und von seinem Pferde springend, reichte er mir die Hand, um mich von meinem Zelter absteigen zu lassen, wie er dies auf jeder Station zu tun pflegte.

»Die Türe war offen; eine auf den Stufen stehende Lampe erleuchtete die Treppe.

›Madame,‹ sprach der Anführer der Eskorte, ›Ihr seid hier zu Hause; an dieser Türe endigt unser Auftrag, Euch zu geleiten; darf ich mir schmeicheln, diesen Auftrag nach Euren Wünschen und mit der gebührenden Ehrfurcht vollzogen zu haben?‹

›Ja, mein Herr,‹ antwortete ich, ›und ich habe Euch nur meinen Dank zu sagen; entbietet diesen auch den braven Leuten, die mich begleiteten. Gern möchte ich sie auf eine nachdrücklichere Weise belohnen, aber ich besitze nichts.‹

›Beunruhigt Euch nicht hierüber, Madame,‹ entgegnete derjenige, bei welchem ich mich entschuldigte, ›sie sind reichlich belohnt.‹

»Und er verbeugte sich, stieg wieder zu Pferde und sagte zu den Andern:

»Kommt, Ihr Leute, und Keiner von Euch erinnere sich morgen früh hinreichend dieser Türe, um sie wiederzuerkennen.‹

»Nach diesen Worten entfernte sich die kleine Truppe im Galopp und verlor sich in der Rue Saint-Antoine.

»Die erste Sorge von Gertrude war es, die Türe wieder zu schließen, und wir sahen durch das Gitter, wie sie weg ritten.

»Dann gingen wir auf die durch die Lampe beleuchtete Treppe zu; Gertrude schritt voran.

»Wir stiegen die Stufen hinauf und befanden uns in der Flur; die drei Türen derselben waren offen.

»Wir wählten die mittlere und traten in den Salon, in welchem wir uns befinden. Er war völlig erleuchtet, wie in diesem Augenblick. Ich öffnete diese Türe und gewahrte ein großes Ankleidecabinet; dann diese andere, welche in mein Schlafzimmer führte, und sah mich zu meinem großen Erstaunen meinem Portrait gegenüber. Ich erkannte dasjenige, welches früher in dem Zimmer meines Vaters in Méridor war; der Graf hatte es sich ohne Zweifel von dem Baron erbeten und von ihm erhalten.

»Ich schauerte bei diesem neuen Beweise, dass mich mein Vater bereits als die Frau von Herrn von Monsoreau betrachtete.

»Wir durchliefen die Wohnung; sie war einsam, aber nichts fehlte; es brannte Feuer in allen Kaminen, und in dem Speisesaale erwartete mich ein vollständig bestellter Tisch.

»Rasch warf ich die Augen auf den Tisch; es fand sich nur ein Gedeck, und das beruhigte mich.

›Nun, mein Fräulein,‹ sagte Gertrude zu mir, ›Ihr seht, der Graf hält sein Versprechen bis zum letzten Punkte.‹

›Ach ja!‹ erwiderte ich mit einem Seufzer; denn es wäre mir lieber gewesen, wenn er mich, seine Zusagen verletzend, der meinigen entbunden hätte.

»Ich speiste zu Nacht; dann beschauten wir zum zweiten Male das Haus, doch abermals ohne ein lebendes Wesen zu finden: es gehörte uns, ganz allein uns.

»Gertrude schlief in meinem Zimmer.

»Am andern Morgen ging sie aus, um Erkundigungen einzuziehen. Nun erst erfuhr ich durch sie, dass wir uns am Ende der Rue Saint-Antoine dem Hotel des Tournelles gegenüber befanden, und dass die Festung, die sich zu unserer Rechten erhob, die Bastille war.

»Diese Auskunft belehrte mich indessen nicht viel; ich kannte Paris nicht, da ich es nie gesehen hatte.

»Der Tag verging, ohne etwas Neues herbeizuführen: als ich mich am Abend zu Tische setzen wollte, um zu speisen, klopfte man an die Türe. Gertrude und ich sahen uns an.

»Man klopfte zum zweiten Male.

›Schau', wer klopft,‹ sagte ich zu ihr.

›Wenn es der Graf ist?‹ versetzte sie, als sie mich erbleichen sah.

›Wenn es der Graf ist,‹ antwortete ich mit einer Anstrengung gegen mich selbst, ›so öffne ihm, Gertrude; er hat getreulich alle seine Versprechungen gehalten und soll sehen, dass ich wie er nur ein Wort habe.«

›Einen Augenblick nachher erschien Gertrude wieder.

›Es ist der Herr Graf, mein Fräulein,‹ sagte sie.

›Er mag eintreten,‹ antwortete ich.

»Gertrude verschwand und machte dem Grafen Platz, der auf der Schwelle erschien.

»Nun, Madame,‹ fragte er, ›habe ich den Vertrag getreulich erfüllt?‹

›Ja, mein Herr, und ich danke Euch dafür,‹ antwortete ich.

›Ihr wollt mich also bei Euch empfangen?‹ versetzte er mit einem Lächeln, dessen Ironie er trotz aller Anstrengung nicht verbergen konnte.

»Tretet ein, mein Herr.«

»Der Graf näherte sich und blieb stehen. Ich bedeutete ihm durch ein Zeichen, er möge sich setzen.

›Habt Ihr Nachrichten, mein Herr?‹ fragte ich ihn …

›Von woher und von wem, Madame?‹

›Vor Allem von meinem Vater und von Méridor.‹

›Ich bin nicht nach dem Schlosse Méridor zurückgekehrt und habe den Baron nicht gesehen.‹

›Also von Beaugé und dem Herzog von Anjou.‹

›Das ist etwas Anderes; ich war in Beaugé und sprach den Herzog.‹

›Wie habt Ihr ihn gefunden?‹

›Er wollte zweifeln.‹

›Woran?‹

›An Eurem Tode.‹

›Doch Ihr bestätigtet ihm denselben?‹

›Ich tat, was ich konnte.‹

›Wo ist der Herzog?‹

›Seit gestern wieder in Paris.‹

›Warum ist er so schnell zurückgekehrt?‹

›Weil man nicht gern an einem Orte bleibt, wo man sich den Tod einer Frau vorwerfen zu müssen glaubt.‹

›Habt Ihr ihn seit seiner Rückkehr nach Paris gesehen?‹

›Ich komme so eben von ihm her.‹

›Sprach er von mir mit Euch?‹

›Ich ließ ihm nicht Zeit dazu.‹

›Wovon spracht Ihr mit ihm?‹

›Von einem Versprechen, das er mir gegeben und auf dessen Vollziehung ich drang.‹

›Was war dies?‹

›Er hat sich anheischig gemacht, mich für Dienste, die ich ihm geleistet, zum Oberstjägermeister ernennen zu lassen.‹

›Ah! ja,‹ sagte ich zu ihm mit einem traurigen Lächeln, denn ich erinnerte mich des Todes meiner armen Daphne, ›ich weiß, Ihr seid ein furchtbarer Jäger und habt als ein solcher ein Recht auf diese Stelle.‹

›Ich erhalte sie nicht als Jäger, Madame, sondern als Diener des Prinzen; nicht weil ich ein Recht habe, wird man sie mir geben, sondern weil der Herzog es nicht wagen wird, undankbar gegen mich zu sein.‹

»Trotz des achtungsvollen Tones, in welchem sie gegeben wurden, lag in allen diesen Antworten etwas, was mich erschreckte; es war dies der Ausdruck eines düsteren, unbeugsamen Willens.

»Ich blieb einen Augenblick stumm und fragte sodann:

›Wird es mir erlaubt sein, an meinen Vater zu schreiben?‹

›Allerdings; doch bedenkt, dass Eure Briefe aufgefangen werden können.‹

›Ist es mir verboten, auszugehen?‹

›Nichts ist Euch verboten, Madame; nur bemerke ich Euch, dass man Euch folgen kann.‹

›Ich muss doch wenigstens Sonntags die Messe hören?‹

›Es wäre, glaube ich, für Eure Sicherheit besser, wenn Ihr sie nicht hören würdet; doch wenn Euch viel daran gelegen ist, so hört sie wenigstens, wohl verstanden, es ist dies ein einfacher Rat, den ich Euch gebe, so hört sie wenigstens bei Sainte-Catherine …‹

›Und wo ist diese Kirche?‹

›Eurem Hause gegenüber, auf der andern Seite der Straße,‹

›Ich danke, mein Herr.‹

»Es trat ein abermaliges Stillschweigen ein.

›Wann werde ich Euch wiedersehen, mein Herr?‹

›Ich erwarte hierzu Eure Erlaubnis.‹

›Bedürft Ihr derselben?‹

›Gewiss; bis jetzt bin ich ein Fremder für Euch.‹

»Habt Ihr keinen Schlüssel zu diesem Hause?‹

›Euer Gatte allein hat das Recht, einen solchen zu besitzen.‹

›Mein Herr,‹ erwiderte ich, mehr erschrocken über diese so seltsam unterwürfigen Antworten, als ich es über ganz entschiedene Antworten gewesen wäre, ›mein Herr, Ihr werdet wiederkommen, wann es Euch beliebt oder wann Ihr mir etwas Wichtiges zu sagen habt.‹

›Ich danke, Madame, und werde von Eurer Erlaubnis Gebrauch, aber nicht Missbrauch machen, und der erste Beweis, den ich Euch gebe, ist, dass ich Euch bitte, den Ausspruch meiner Achtung in Empfang zu nehmen.‹

»Und nach diesen Worten erhob sich der Graf.

›Ihr verlasst mich?'« fragte ich, immer mehr erstaunt über diese Handlungsweise, welche ich entfernt nicht erwartet hatte.

›Madame,‹ antwortete der Graf, ›ich weiß, dass Ihr mich nicht liebt, und will Eure Lage, die Euch nötigt, meine Fürsorge anzunehmen, nicht missbrauchen. Bleibe ich nur in Bescheidenheit Euch gegenüber, so hoffe ich, dass Ihr Euch allmählich an meine Gegenwart gewöhnen werdet; auf diese Art wird Euch das Opfer weniger kosten, wenn der Augenblick gekommen ist, wo Ihr meine Frau werden sollt.‹

›Mein Herr,‹ sprach ich ebenfalls aufstehend, ›ich erkenne die ganze Zartheit Eures Benehmens und weiß dasselbe zu schätzen, trotz der Härte welche jedes Eurer Worte begleitet. Ihr habt Recht, und ich werde eben so offenherzig mit Euch sprechen, als Ihr mit mir gesprochen habt. Ich hatte eine vorgefasste Meinung gegen Euch, welche die Zeit heilen wird, wie ich hoffe.‹

›Erlaubt mir, Madame, diese Hoffnung zu teilen und in der Erwartung dieses glücklichen Augenblickes zu leben,‹ sprach der Graf.

»Dann verbeugte er sich vor mir mit aller Ehrfurcht, die der demütigste von meinen Dienern hätte an den Tag legen können, bedeutete Gertrude, vor der das ganze Gespräch stattgefunden hatte, durch ein Zeichen, sie möge ihm leuchten, und entfernte sich.«

Die Dame von Monsoreau

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