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Erstes bis viertes Bändchen
Zweites Kapitel
Wie nicht immer derjenige, welcher die Türe öffnet, in das Haus eintritt

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Die Porte Saint-Antoine war eine Art von steinernem Gewölbe, der Porte Saint-Denis und der Porte Saint-Martin unserer Tage ähnlich. Nur stand sie durch ihre linke Seite mit den anliegenden Gebäuden, mit der Bastille in Verbindung, und gehörte so gleichsam zu der alten Feste.

Der Raum rechts zwischen dem Tore und dem Hotel de Bretagne war groß, düster und schmutzig: doch dieser Raum war bei Tag wenig besucht, und gänzlich verlassen, wenn der Abend kam, denn die nächtlichen Wanderer schienen sich einen Weg näher an der Festung gemacht zu, haben, um sich gewissermaßen in einer Zeit, wo die Straßen höchst unsicher waren und man von einer Nachtwache nichts wusste, unter den Schutz des Turmwächters zu stellen, der sie zwar nicht unterstützen, aber doch wenigstens um Hilfe rufen und durch sein Geschrei, die Bösewichte erschrecken konnte.

Es versteht sich, dass die Winternächte die Wanderer noch vorsichtiger machten, als die Sommernächte. Die Nacht, in der die von uns bereits erzählten und die noch folgenden Ereignisse vorfielen, war so kalt, so schwarz und so von Wolken beladen, dass Niemand hinter den Zinnen der königlichen Feste die glückselige Schildwache bemerkt hätte, welche ihrerseits kaum im Stande gewesen wäre, auf dem Platze die Vorübergehenden zu unterscheiden.

Vor der Porte Saint-Martin auf der inneren Seite der Stadt, erhoben sich keine Häuser, sondern nur hohe Mauern. Diese Mauern waren rechts die der Kirche Saint-Paul, und links die des Hotel des Tournelles. Am Ende dieses Hotel, auf der Seite der Rue Saint-Catherine, bildete die Mauer den eingehenden Winkel, dessen Saint-Luc gegen Bussy erwähnt hatte.

Dann kam das Bollwerk von Häusern, welche zwischen der Rue de Jouy und der großen Rue Saint-Antoine lagen, welche zu jener Zeit sich gegenüber die Rue des Billettes und die Kirche Saint-Catherine hatte.

Keine Laterne beleuchtete den von uns beschriebenen Teil des alten Paris. In den Nächten, wo es der Mond übernahm, die Erde zu erhellen, sah man düster, majestätisch und unbeweglich die riesige Bastille emporragen, welche sich kräftig von dem bestirnten Azur des Himmels abhob. In den düsteren Nächten gewahrte man dagegen da, wo sie war, nur eine verdoppelte Finsternis, die an einzelnen Stellen durch das bleiche Licht einiger Fenster unterbrochen wurde.

Während dieser Nacht, welche mit einer scharfen Kälte begonnen hatte und mit reichlichem Schnee endigen sollte, machte kein Vorübergehender unter seinen Tritten die gesprungene Erde des von der Straße nach der Vorstadt ausmündenden Weges krachen, von dem wir gesagt haben, er sei durch ein kluges Abweichen verspäteter Spaziergänger bereitet worden. Dagegen hätte ein geübtes Auge in der Mauerecke der Tournelles mehrere schwarze Schatten erkannt, die sich hinreichend gebärdeten, um zu beweisen, dass sie armen Teufeln von Menschen angehörten, welche sehr in Verlegenheit waren, wie sie ihre natürliche Wärme bewahren sollten, der sie von Minute zu Minute die Unbeweglichkeit beraubte, zu welcher sie sich freiwillig, in Erwartung irgend eines Ereignisses, verurteilt hatten.

Die Schildwache des Turmes, welche wegen der Dunkelheit nicht auf den Platz sehen konnte, vermochte eben so wenig, mit so leiser Stimme wurde es geführt, das Gespräch der schwarzen Schatten zu hören. Es mangelte jedoch diesem Gespräche nicht an einem gewissen Interesse.

»Der wütende Bussy hatte Recht,« sagte einer von den Schatten; das ist in der Tat eine Nacht, wie wir sie in Warschau hatten, als König Heinrich König von Polen war, und wenn das so fortgeht, so wird uns, wie er es prophezeit, die Haut springen.«

»Stille, Maugiron, Du klagst wie ein Weib,« entgegnete ein anderer Schatten. »Es ist allerdings nicht warm; doch ziehe Deinen Mantel über die Augen, stecke Deine Hände in die Taschen, und Du wirst die Kälte nicht mehr fühlen.«

»Wahrhaftig, Schomberg,« versetzte ein dritter Schatten, »Du sprichst ganz nach Deinem Behagen, und man sieht wohl, dass Du ein Deutscher bist. Mir, was mich betrifft, bluten die Lippen, und mein Schnurrbart ist starr vor Eis.«

»Die Hände sind es hauptsächlich,« sagte eine vierte Stimme. »Bei meiner Ehre, ich wollte wetten, ich hätte gar keine mehr.«

»Warum hast Du nicht den Muff Deiner Mama genommen, armer Quélus,« entgegnete Schomberg, »die gute Frau würde ihn Dir geliehen haben, besonders wenn Du ihr erzählt hättest, es wäre, um sie von ihrem teuren Bussy zu befreien, den sie ungefähr liebt wie die Pest.«

»Ei, mein Gott! habt doch Geduld,« sprach eine fünfte Stimme. »Ich bin überzeugt, Ihr werdet Euch bald über zu viel Wärme beklagen.«

»Gott höre Dich, Épernon,« sagte Maugiron, die Füße schüttelnd. »Ich habe nicht gesprochen, sondern d'O,« versetzte Épernon. »Ich schweige aus Furcht, meine Worte könnten einfrieren.«

»Was sagtest Du?« fragte Quélus Maugiron.

»D'O sagte,« sprach Maugiron, »wir werden sogleich zu warm haben, und ich antwortete ihm: Gott höre Dich!«

»Ich glaube, er hat Dich gehört, denn ich sehe dort etwas durch die Rue Saint-Paul kommen.«

»Irrtum. Er kann es nicht sein.«

»Warum nicht?«

»Weil er eine andere Marschroute angegeben hat.«

»Als ob das zum Erstaunen wäre, wenn er etwas vermutet und einen andern Weg eingeschlagen hätte.«

»Ihr kennt Bussy nicht; wo er gesagt hat, dass er vorübergehen würde, geht er auch, selbst wenn er wüsste, der Teufel erwarte ihn auf der Straße, um ihm den Weg zu versperren.«

»Mittlerweile kommen hier zwei Menschen,« sagte Quélus.

»Meiner Treue, ja,« wiederholten ein paar Stimmen, die Wahrheit der Bemerkung erkennend.

»Dann lasst uns angreifen,« sprach Schomberg.

»Einen Augenblick,« sagte Épernon, »wir wollen nicht gute Bürger oder ehrliche Hebammen umbringen: halt, sie bleiben stehen.«

Am Ende der Rue Saint-Paul, die nach der Rue Saint-Antoine ging, blieben die zwei Personen, welche die Aufmerksamkeit unserer fünf Gefährten erregt hatten, wirklich wie unentschlossen stehen:

»Oh! oh!« sagte Quélus, »haben sie uns vielleicht gesehen?«

»Vorwärts, wenn wir nur sie gesehen.«

»Du hast Recht,« versetzte Quélus. »Halt! sie drehen sich links, sie bleiben vor einem Hause stehen; sie suchen.«

»Meiner Treue, ja.«

»Es ist, als wollten sie hinein,« sprach Schomberg, »sollte er uns entkommen?«

»Er ist es nicht, da er sich nach dem Faubourg Saint-Antoine begeben soll, während diese, nachdem sie durch die Rue Saint-Paul ausgemündet, die Straße hinabgegangen sind.«

»Ei!« versetzte Schomberg, »wer sagt Euch, dass Euch der schlaue Bursche nicht aus Zufall oder Nachlässigkeit, aus Bosheit oder Überlegung eine falsche Fährte angegeben hat?«

»Das könnte in der Tat wohl sein,« sprach Quélus.

Diese Vermutung machte wie eine hungrige Meute die ganze Truppe der Edelleute aufspringen. Sie verließen ihren Schlupfwinkel und stürzten, den Degen hoch, gegen die zwei vor der Türe stehenden Männer los.

Der eine von diesen zwei Männern hatte gerade den Schlüssel in das Schloß gesteckt; die Türe gab nach und fing an sich zu öffnen, als das Geräusch der Angreifenden die zwei Geheimnisvollen Nachtwandler aufzuschauen veranlasste.

»Was ist das?« fragte sich umdrehend der Kleinere von Beiden seinen Gefährten, »sollte man zufällig an uns wollen, Aurilly?«

»Ah! Monseigneur,« erwiderte derjenige, welcher die Türe geöffnet hatte, »das sieht mir gerade so aus. Werdet Ihr Euch nennen, oder das Inkognito beobachten?«

»Bewaffnete Leute! ein Hinterhalt!«

»Eifersüchtige, die uns belauern. Wahrhaftiger Gott! Monseigneur, ich habe es Euch gesagt, die Dame ist zu schön, als dass man ihr nicht den Hof machen sollte.«

«Gehen wir rasch hinein, Aurilly. Man hält eine Belagerung besser innerhalb, als außerhalb der Türe aus.«

»Ja, Monseigneur, wenn es keine Feinde im Platze selbst gibt. Doch wer sagt Euch? …«

Er hatte nicht Zeit, zu vollenden. Die jungen Leute durchmaßen den Raum von etwa hundert Schritten mit Blitzessschnelligkeit. Quélus und Maugiron, die an der Mauer hingelaufen waren, warfen sich zwischen die Türe und diejenigen, welche eintreten wollten, um ihnen den Rückzug abzuschneiden, während Schomberg, d'O und Épernon sie von vorn anzugreifen im Begriffe waren.

»Schlagt ihn tot!« rief Quélus, stets der Heftigste von Allen.

Doch plötzlich wandte sich derjenige, welchen sein Gefährte Monseigneur genannt und gefragt hatte, ob er sein Inkognito behaupten wolle, gegen Quélus um, machte einen Schritt, kreuzte auf eine anmaßende Weise die Arme und sprach mit einer düsteren Stimme:

»Ich glaube, Ihr habt gesagt, schlagt ihn todt, während Ihr von einem Sohne von Frankreich spracht, Herr von Quélus.«

Quélus wich, die Augen starr, die Knie wankend, die Hände träg, zurück und rief:

»Monseigneur der Herzog von Anjou!«

»Monseigneur der Herzog von Anjou!« wiederholten die Andern.

»Nun, meine edle Herren, rufen wir immer noch: ›Schlagt ihn tot!‹

»Monseigneur,« stammelte Épernon, »es war ein Scherz; verzeiht uns.«

»Monseigneur,« sagte d'O, »wir vermuteten nicht, wir würden Eure Hoheit am Ende von Paris und in diesem öden Quartiere finden.«

«Ein Scherz!« entgegnete Franz, ohne d'O der Ehre einer Antwort zu würdigen. »Ihr habt eine besondere Manier zu scherzen, Herr von Épernon. Doch sprecht, da es nicht auf mich abgesehen war, wen bedrohte Euer Scherz?«

»Monseigneur,« antwortete Schomberg ehrfurchtsvoll, »wir sahen Saint-Luc das Hotel Montmorency verlassen und einen Weg in dieser Richtung einschlagen. Das kam uns seltsam vor und wir wollten wissen, in welcher Absicht ein Mann in der Hochzeitnacht von seiner Frau wegginge.«

Die Entschuldigung hatte viel für sich, denn der Herzog von Anjou würde aller Wahrscheinlichkeit noch am andern Tage erfahren, Saint-Luc hätte nicht in dem Hotel Montmorency geschlafen, und diese Nachricht würde sodann mit dem, was Schomberg gesagt, übereinstimmen.

»Herr von Saint-Luc? Ihr habt mich für Herrn von Saint-Luc gehalten, meine Herren?«

»Ja, Monseigneur,« antworteten im Chor die fünf Gefährten.

»Und seit wann kann man sich so in uns Beiden täuschen?« fragte der Herzog von Anjou.

»Das ist wahr, Monseigneur,« erwiderte Quélus, »doch er ist gerade gewachsen wie Herr Aurilly, der Euch zu begleiten die Ehre hat.«

«Auch ist die Nacht so finster, Monseigneur,« fügte Maugiron bei.

»Und dann, als wir einen Menschen einen Schlüssel in das Schloss stecken sahen, hielten wir ihn für den Vornehmsten unter Euch,« murmelte d'O.

»Monseigneur kann auch nicht voraussetzen, wir hätten in Beziehung auf ihn nur den Schatten eines schlechten Gedanken, und wäre es auch nur, seine Vergnügungen zu stören,« sagte Quélus.

Unter diesem Gespräche und indes er die mehr oder minder logischen Antworten hörte, die das Erstaunen und die Furcht ihm zu geben gestatteten, hatte Franz durch ein geschicktes strategisches Manoeuvre die Schwelle der Türe verlassen, und befand sich, Schritt für Schritt von Aurilly, seinem Lautenschläger und gewöhnlichen Gefährten bei seinen nächtlichen Gängen, gefolgt, bereits in hinreichend großer Entfernung von dieser Türe, dass sie, mit den andern vermengt, nicht mehr erkannt werden konnte.

»Meine Vergnügungen,« sagte er mit spitzigem Tone, »was kann Euch glauben machen, ich suche hier meine Vergnügungen?«

»Ah! Monseigneur, in jedem Falle seid Ihr aus irgend einem Grunde hierher gekommen,« sprach Quélus, »verzeiht, wir entfernen uns.«

»Es ist gut, Gott befohlen, meine Herren.«

»Monseigneur,« fügte Épernon bei, »unsere Euch wohlbekannte Verschwiegenheit …«

Der Herzog von Anjou hatte bereits einen Schritt gemacht, um sich zurückzuziehen, aber er blieb wieder stehen, faltete die Stirne und fragte:

»Verschwiegenheit, Herr von Nogaret? ich bitte, wer verlangt sie von Euch?«

»Monseigneur, wir glaubten, allein zu dieser Stunde, und nur gefolgt von ihrem Vertrauten, hätte Eure Hoheit …«

»Ihr täuschtet Euch, das ist es, was Ihr glauben sollt.«

Die fünf Edelleute hörten in tiefstem und ehrfurchtsvollstem Stillschweigen.

»Ich war im Begriff,« sprach der Herzog von Anjou langsam und als wollte er jedes Wort dem Gedächtnis seiner Zuhörer einprägen, »ich war im Begriff, den Juden Manasse, der im Glas und im Kaffeesatze zu lesen versteht, um Rat zu fragen. Er wohnt, wie Ihr wisst, in der Rue de la Tournelle. Im Vorübergehen bemerkte Euch Aurilly und hielt Euch für Bogenschützen, welche die Runde machten. Als Menschen, die sich bei Zauberern Rats erholen, wie wir, streiften wir an den Mauern hin, und verschwanden an den Türen, um uns wo möglich Euren furchtbaren Blicken zu entziehen,« fügte er mit einer Heiterkeit bei, die etwas Erschreckendes für diejenigen hatte, welche den Charakter des Prinzen kannten.

Während er so sprach, hatte der Prinz unmerklich die Rue Saint-Paul, und eine Stelle erreicht, wo er von den Schildwachen der Bastille gehört werden konnte, falls ihn ein Angriff bedrohte, vor dem ihn, wie er wohl wusste, bei dem dumpfen und eingefleischten Hasse seines Bruders gegen ihn die Entschuldigungen und Ehrfurchtsbezeigungen der Mignons von Heinrich III. nur in geringem Maße schützten.

»Und nun, da Ihr wisst, was Ihr glauben, und besonders, was Ihr sagen sollt, Gott befohlen, meine Herren!« rief der Prinz.

Alle verbeugten sich und nahmen Abschied von dem Prinzen, der sich wiederholt umwandte, um ihnen mit den Augen zu folgen, während er selbst einige Schritte in entgegengesetzter Richtung machte.

»Monseigneur,« sagte Aurilly, »ich schwöre Euch, die Menschen, mit denen wir zu tun hatten, hegten schlimme Absichten. Es ist bald Mitternacht; wir sind, wie sie sagten, in einem öden Quartiere; kehren wir rasch in das Hotel zurück, Monseigneur.«

»Nein,« versetzte der Prinz ihn aufhaltend, »benützen wir im Gegenteil ihren Abgang.«

»Eure Hoheit täuscht sich; sie sind durchaus nicht weggegangen, sie haben sich nur, wie Monseigneur selbst sehen kann, in den Schlupfwinkel zurückgezogen, in welchem sie verborgen waren; schaut dort, Monseigneur, dort an der Ecke des Hotel des Tournelles.«

Franz schaute. Aurilly hatte nur strenge Wahrheit gesprochen. Die fünf Edelleute hatten in der Tat ihre Stellung wieder eingenommen und sannen offenbar auf Ausführung eines durch die Ankunft des Prinzen unterbrochenen Vorhabens; vielleicht verfügten sie sich nur an diesen Ort, um den Prinzen und seinen Gefährten zu bespähen und sich zu versichern, ob sie wirklich zu dem Juden Manasse gingen.

»Nun, Monseigneur,« fragte Aurilly, »was beschließen wir? Ich werde tun, was Eure Hoheit befiehlt, doch ich halte es nicht für klug, länger hier zu verweilen.«

»Gottes Tod!« versetzte der Prinz, »es ist jedoch ärgerlich die Partie aufzugeben.«

»Ich weiß es wohl, Monseigneur, doch die Partie lässt sich wiederholen. Ich habe bereits die Ehre gehabt, Eurer Hoheit zu sagen, ich hätte mich erkundigt. Das Haus ist für ein Jahr gemietet. Wir wissen, dass die Dame im ersten Stocke wohnt; wir stehen im Einverständnis mit ihrer Kammerfrau und haben einen Schlüssel, der ihre Türe öffnet. Mit allen diesen Vorteilen können wir warten.«

»Du bist sicher, dass die Türe nachgegeben hat?«

»Ich bin dessen sicher: mit dem dritten Schlüssel, den ich versuchte.«

»Doch hast Du wieder geschlossen?«

»Die Türe?«

»Ja.«

»Allerdings, Monseigneur.«

Mit welchem Tone der Wahrheit Aurilly auch diese Behauptung aussprach, so müssen wir doch bemerken, dass er weniger sicher, war, die Türe wieder geschlossen, als sie geöffnet zu haben. Seine Bestimmtheit ließ indessen dem Prinzen ebenso wenig Zweifel über die zweite Aussage, als über die erste.

»Doch, es wäre mir gar nicht unangenehm gewesen,« sprach der Prinz,«wenn ich erfahren hätte …«

»Was sie hier machen, Monseigneur? Ich kann es Euch ohne Furcht vor einer Täuschung sagen: sie haben sich zu einem Hinterhalt versammelt. Gehen wir. Eure Hoheit hat Feinde; wer weiß, was man gegen sie zu unternehmen wagen dürfte?«

»Wohl! gehen wir, ich willige ein, doch um wiederzukommen.«

»Wenigstens nicht in dieser Nacht, Monseigneur. Eure Hoheit wolle meine Befürchtungen würdigen: ich sehe überall Hinterhalte, und eine solche Angst ist mir sicherlich erlaubt, wenn ich den ersten Prinzen von Geblüt, den Erben der Krone begleite, bei welchem so viele Leute ein Interesse haben, ihn nicht erben zu sehen.«

Diese letzten Worte machten einen solchen Eindruck auf Franz, dass er sich augenblicklich zum Rückzug entschloss; es geschah indessen nicht, ohne dass er gegen das missliche Zusammentreffen murrte und in seinem Innern sich gelobte, diesen fünf Edelleuten zu geeigneter Zeit und geeigneten Ortes die Unannehmlichkeit, die sie ihm bereitet, zurückzugeben.

»Es sei,« sagte er, »gehen wir wieder in das Hotel, wir finden dort Bussy, der von der verfluchten Hochzeit zurückgekommen sein muss; er wird einen guten Streit angesponnen und einige von diesen Mignons getötet haben oder er wird sie wenigstens morgen früh töten, und das tröstet mich.«

»Wohl, Monseigneur, hoffen wir auf Bussy,« sagte Aurilly, »das ist mir ganz lieb, und ich habe in dieser Hinsicht, wie Eure Hoheit, das größte Zutrauen zu ihm.«

Und sie gingen weg.

Sie hatten sich noch nicht um die Ecke der Rue de Jouy gewendet, als unsere fünf Gefährten auf der Höhe der Rue Tison einen in einen großen Mantel gehüllten Reiter erblickten. Der hohle, harte Tritt des Pferdes erscholl auf der beinahe versteinerten Erde, und gegen die dichte Nacht kämpfend, versilberte ein schwacher Mondstrahl, der einen letzten Versuch wagte, um den wolkigen Himmel und die von Schnee beschwerte Atmosphäre zu durchdringen, die weiße Feder seines Baretts. Er hielt das Ross, das er lenkte, fest und vorsichtig im Zügel, während der Druck, der dasselbe im Schritte zu gehen nötigte, das edle Tier, trotz der Kälte, schäumen machte.

»Diesmal,« sagte Quélus, »diesmal ist er es.«

»Unmöglich,« sprach Maugiron.

»Warum?«

»Weil er allein ist, und wir ihn mit Livarot, Ribeirac und d'Entraques verließen, die ihn ohne Zweifel nicht allein der Gefahr bloßstellten.«

»Er ist es dennoch,« versetzte Épernon. »Erkennst Du sein schallendes hum! und seine freche Weise den Kopf zu tragen? Er ist ganz allein.«

»Dann ist es eine Falle,« bemerkte d'O.

»Mag es sein, wie es will, Falle oder nicht Falle,« sprach Schomberg, »er ist es, und da er es ist: Zu den Degen, zu den Degen!«

Es war wirklich Bussy, der sorglos durch die Rue Saint-Antoine ritt und pünktlich dem ihm von Quélus bezeichneten Wege folgte; er hatte, wie wir gesehen, den Rat von Saint-Luc erhalten, und trotz des sehr natürlichen Bebens, das derselbe bei ihm veranlasst, sowie trotz der dringenden Bitten seiner drei Freunde diese an der Türe des Hotel Montmorency verabschiedet.

Dies war eine von den Prahlereien, wie sie der mutige Oberst liebte, der von sich selbst sagte: »Ich bin nur ein einfacher Edelmann, aber ich trage in meiner Brust das Herz eines Kaisers, und wenn ich im Plutarch die Taten der alten Römer lese, so finde ich im ganzen Altertum keinen Helden, welchen ich nicht in dem, was er getan, nachzuahmen vermöchte.«

Vielleicht dachte Bussy auch, Saint-Luc, den er gewöhnlich nicht zur Zahl seiner Freunde rechnete und dessen unerwartete Teilnahme er auch nur der peinlichen Stellung zu verdanken hätte, in welcher sich derselbe befand, hätte ihn aus keinem andren Grunde gewarnt, als um ihn zu Vorsichtsmaßregeln zu veranlassen, die ihn in den Augen seiner Feinde, angenommen, er würde von Feinden erwartet, lächerlich machen könnten. Bussy aber befürchtete die Lächerlichkeit mehr, als die Gefahr. Er stand sogar in den Augen seiner Feinde im Rufe eines Mutes, der ihn, um denselben auf dem Niveau zu erhalten, zu dem er sich aufgeschwungen, die tollsten Abenteuer unternehmen ließ. Als Mann des Plutarch verabschiedete er also seine drei Gefährten, ein kräftiges Geleite, das ihm selbst bei einer ganzen, Schwadron Achtung verschafft hätte. Und allein, die Arme in seinem Mantel gekreuzt, ohne andere Waffen als seinen Degen und seinen Dolch, wandte er sich nach dem Hause, wo ihn nicht eine Geliebte, wie man hätte glauben können, sondern ein Brief erwartete, den ihm jeden Monat an demselben Tag, die Königin von Navarra zur Erinnerung an ihre Freundschaft schickte, und den der brave Edelmann, gemäß einem Versprechen, das er der schönen Königin Margot geleistet, und noch nicht ein einziges Mal gebrochen hatte, in der Nacht, und zwar selbst in der Wohnung des Boten holen sollte, um Niemand zu gefährden.

Er hatte ungestraft den Weg von der Rue des Grands-Augustins nach der Rue Saint-Antoine zurückgelegt, als er, auf der Höhe der Rue Sainte-Catherine angelangt, mit seinem scharfen, geübten Auge in der Finsternis; längs der Mauer die menschlichen Gestalten erblickte, welche der Herzog von Anjou zuerst gesehen hatte. In dem wahrhaft mutigen Herzen entsteht bei Annäherung der Gefahr, die es errät, eine Exaltation, welche den Sinnen und dem Geiste die höchste Schärfe verleiht.

Bussy zählte die schwarzen Schatten an der grauen Mauer.

»Drei, vier, fünf,« sagte er, »die Lackeien nicht zu zählen, die sich ohne Zweifel in einem andern Winkel aufhalten und auf den ersten Ruf ihrer Herren herbeilaufen. Man gönnt mir einigen Wert, wie es scheint. Teufel! das ist im Ganzen doch viel Geschäft für einen einzigen Menschen. Vorwärts! der brave Saint-Luc hat mich nicht getäuscht. Und sollte er mir zuerst bei dem Zanke den Magen durchstoßen, ich würde ihm sagen: »Ich danke für die Warnung, Kamerad.«

Während er so sprach, rückte er immer vor, nur spielte sein rechter Arm unter seinem Mantel, dessen Spange er ohne eine scheinbare Bewegung losgemacht hatte.

In diesem Augenblick rief Schomberg:»Zu den Degen!« und auf den von seinen vier Gefährten wiederholten Ruf, sprangen die Edelleute Bussy entgegen.

»Hollah! meine Herren,« sprach Bussy mit seiner scharfen, aber ruhigen Stimme, »man will also den armen Bussy umbringen! Wir gedenken also ein wildes Tier, den berüchtigten Eber zu jagen. Wohl, meine Herren, der Eber wird Einige aufschlitzen, das schwöre ich Euch, und Ihr wisst, ich habe mein Wort stets gehalten.«

»Es mag sein,« sagte Schomberg, »dessen ungeachtet bist Du ein ungezogener Bursche, Seigneur Bussy d'Amboise, dass Du so vom Pferde mit uns sprichst, während wir Dich zu Fuße hören.«

Und während er diese Worte sprach, kam der in weißen Atlass gehüllte Arm des jungen Mannes aus dem Mantel hervor und funkelte wie ein silberner Blitz in den Strahlen des Mondes, ohne dass Bussy erraten konnte, in welcher Absicht, wenn nicht einer Drohung die Gebärde entsprach, die er machte.

Er war auch eben im Begriff zu antworten, wie Bussy gewöhnlich antwortete, als er in dem Augenblick, wo er die Sporen in den Bauch des Pferdes drückte, fühlte, dass das Tier sich unter ihm bog und zusammenbrach. Mit einer Ihm eigentümlichen Geschicklichkeit, von der er, trotz seiner Jugend, bereits in vielen Kämpfen Beweise abgelegt, hatte Schomberg eine Art von langem Messer, dessen breite Klinge schwerer war, als das Heft, geschleudert, und diese Waffe war, in die Hackse des Pferdes einschneidend, in der Wunde stecken geblieben, wie ein Keil in einem eichenen Aste.

Das Tier stieß ein dumpfes Stöhnen aus und fiel bebend auf seine Knie.

Stets auf alles vorbereitet, stand Bussy, den Degen in der Hand, mit beiden Füßen auf der Erde.

»Ah! Unglücklicher,« sagte er, »das ist mein Lieblingspferd, und Ihr werdet es mir bezahlen.«

Und da sich ihm Schomberg, durch seinen Mut fortgerissen, näherte, ohne den Bereich des Degens zu ermessen, den Bussy an seinen Leib gedrückt hielt, wie man den Bereich des Zahns der schneckenförmig, zusammengerollten Schlange schlecht ermisst, streckten sich dieser Degen und dieser Arm aus und schlugen ihm tief in den Schenkel.

Schomberg stieß einen Schrei aus.

»Nun!« rief Bussy, »bin ich ein Mann von Wort? Einer ist geschlitzt! In das Faustgelenke von Bussy, und nicht in die Kniebeuge seines Pferdes hättet Ihr schlagen sollen, Ungeschickter!«

Und in einem Augenblick, während Schomberg seinen Schenkel mit seinem Sacktuch zusammendrückte, hatte Bussy die Spitze seines langen Degens gegen das Gesicht und die Brust der vier Angreifenden ausgestreckt, wobei er es verachtete, zu schreien, denn um Hilfe rufen, das heißt anerkennen, dass er der Hilfe bedurfte, war Bussy's unwürdig; er rollte nur seinen Mantel um seinen linken Arm machte sich einen Schild daraus und wich etwas zurück, nicht um zu fliehen, sondern um eine Mauer zu erreichen, an die er sich anlehnen konnte, um nicht von hinten gefasst zu werden; dann aber führte er zehn Streiche in einer Minute und fühlte zuweilen den weichen Widerstand des Fleisches, welcher erkennen lässt, dass die Streiche getroffen haben. Einmal glischte er aus und schaute maschinenmäßig zu Boden. Dieser Augenblick genügte für Quélus, ihm einen Stich in die Seite beizubringen.

»Getroffen!« rief Quélus. »Ja, in das Wamms, wie Leute treffen, welche Angst haben,« erwiderte Bussy, der nicht einmal seine Wunde zugestehen wollte. Und auf Quélus eindringend, band er so kräftig dessen Klinge, dass die Waffe des jungen Mannes auf zehn Schritte hinaussprang. Doch er konnte seinen Sieg nicht verfolgen, denn in demselben Augenblick griffen ihn d'O, Épernon und Maugiron mit neuer Wut an. Schomberg hatte seine Wunde verbunden, Quélus seinen Degen aufgehoben; er begriff, dass er umzingelt werden sollte und nur noch eine Minute hatte, um die Mauer zu erreichen, und dass er verloren wäre, wenn er diese Minute nicht benützen würde.

Bussy machte einen Sprung zurück, der ihn um drei Schritte von seinen Angreifern entfernte. Doch vier Degen holten ihn schnell wieder ein, und dennoch war es zu spät, denn es gelang Bussy durch einen andern Sprung sich an die Mauer anzulehen. Hier blieb er stehen, stark wie Achill oder wie Roland, und lächelnd bei dem Sturme von Schwertstreichen, welche um sein Haupt her schwirrten.

Plötzlich fühlte er den Schweiß auf seiner Stirne und eine Wolke zog über seine Auge hin.

Er hatte seine Wunde vergessen, und die Symptome einer herannahenden Ohnmacht erinnerten ihn erst daran.

»Ah! Du wankst,« rief Quélus seine Streiche verdoppelnd.

»Urteile selbst!« entgegnete Bussy. Und er schlug ihn mit seinem Degenknopfe an den Schläfe. Quélus sank unter diesem eisernen Faustschlag nieder.

Außer sich, wütend wie der Eber, der nachdem er den Hunden Stand gehalten, auf sie losbricht, stieß er einen furchtbaren Schrei aus und stürzte vorwärts. D'O und Épernon wichen zurück. Maugiron hatte Quélus aufgehoben und hielt ihn in seinen Armen. Bussy zerbrach mit dem Fuße den Degen des letzteren und schlitzte mit einem Stoße den Vorderarm von Épernon auf. Einen Augenblick war Bussy Sieger, doch Quélus kam wieder zu sich, Schomberg, so sehr er verwundet war, kehrte zum Kampfe zurück, und es flammten abermals vier Degen. Bussy fühlte sich zum zweiten Male verloren. Er raffte alle seine Kräfte zusammen, um seinen Rückzug zu bewerkstelligen, und wich Schritt für Schritt vom Platze, in der Absicht, die Mauer zu erreichen. Der eisige Schweiß seiner Stirne, ein dumpfes Klingeln in seinen Ohren, eine schmerzliche, blutige, über seinen Augen sich ausbreitende Decke verkündigten ihm bereits das Erschöpfen seiner Kräfte. Der Degen verfolgte nicht mehr den Weg, den ihm der verdunkelte Geist vorschrieb. Bussy suchte die Mauer mit seiner linken Hand, berührte sie, und die Kälte der Mauer tat ihm wohl; doch zu seinem großen Erstaunen gab diese nach: es war eine angelehnte Türe. Da fasste Bussy Hoffnung und gewann wieder alle seine Kräfte für diesen äußersten Augenblick. Eine Sekunde lang waren seine Streiche rasch und so heftig, dass alle Schwerter sich von ihm zurückzogen oder sich vor ihm senkten. Dann schlüpfte er auf die andere Seite der Türe und stieß dieselbe, sich umwendend, mit der Schulter zu. Der Riegel klirrte in der Schließkappe. Es war vorbei. Bussy war außer Gefahr, Bussy war Sieger, denn er war gerettet.

Da erblickte er mit einem freudetrunkenen Auge durch das enge Gitter der Türe die bleichen Gesicht seiner Feinde. Er hörte die wütenden Schwertstreiche, die sie vergebens nach dem Holze führten. Endlich kam es ihm plötzlich vor, als ob die Erde unter seinen Füßen wiche, als ob die Mauer wankte. Er machte drei Schritte vorwärts und fand sich in einem Hofe, drehte sich um und rollte die Stufen einer Treppe hinab.

Dann fühlte es nichts mehr, und er glaubte in die Stille und Dunkelheit des Grabes hinabzusteigen.

Die Dame von Monsoreau

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