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1tes bis 3tes Bändchen
Dreizehntes Kapitel
Das Schlafgemach

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Obgleich es erst zehn Uhr war, wie Épernon gesagt hatte, herrschte doch schon eine Todesstille im Louvre, kaum hörte man, so wüthend wehte der Wind, den schweren Tritt der Schildwachen und das Knarren der Zugbrücken.

Die nächtlichen Wanderer gelangten wirklich in weniger als fünf Minuten zu den Gebäuden der Rue de l’Astruce, welche diesen Namen selbst seit der Erbauung von Saint-Germain-l‘Auxerrois, beibehalten hatten.

Der Herzog holte einen Schlüssel aus seiner Tasche, stieg einige Stufen hinab, durchschritt einen kleinen Hof und öffnete eine gewölbte Thüre, welche halb von Brombeerstauden und langem Gras versperrt war.

Er folgte ungefähr zehn Schritte einem dunkeln Weg, an dessen Ende er sich in einem inneren Hof befand, hier war in einer Ecke eine steinerne Treppe bemerkbar.

Diese Treppe führte in ein weites Zimmer oder vielmehr in einen ungeheuren Corridor.

Épernon hatte auch den Schlüssel zu diesem Corridor.

Er öffnete sachte die Thüre und machte Heinrich auf die seltsame Einrichtung, aufmerksam, welche, sobald diese Thüre geöffnet war, sogleich ins Auge fiel.

Es waren fünf und vierzig Betten aufgereiht. In jedem Bett lag ein Schläfer.

Der König schaute alle diese Betten, alle diese Schläfer an, wandte sich dann mit einer unruhigen Neugierde gegen den Herzog um und fragte:

»Nun, wer sind alle diese Leute, welche hier schlafen?«

»Leute, welche noch diesen Abend schlafen, morgen aber nicht mehr schlafen werden, als es ihre Reihe erlaubt.«

»Und warum werden sie nicht mehr schlafen?«

»Damit Eure Majestät schlafen kann.«

»Erkläre Dich; diese Leute sind also insgesamt Freunde?«

»Durch mich erwählt, ausgelesen wie das Korn auf der Tenne; unerschütterliche Wachen, die Eure Majestät nicht mehr als ihr Schatten verlassen werden, lauter Edelleute, welche, weil sie das Recht haben, überallhin zu gehen, wohin Eure Majestät geht, auf eine Degenlänge Niemand Euch nähern lassen werden.«

»Du hast dies erfunden, Épernon?«

»Ei! mein Gott, ja, ich ganz allein, Sire.«

»Man wird darüber lachen.«

»Nein, man wird Furcht darüber haben.«

»Sie sind schrecklich, Deine Edelleute?«

»Sire, es ist eine Meute, die Ihr auf jedes Wild, das Euch beliebt, hetzen werdet, und die, da sie nur Euch kennt, nur mit Eurer Majestät in Verbindung steht, sich nur an Euch wenden wird, um das Licht, die Wärme, das Leben zu erhalten.«

»Aber das wird mich zu Grunde richten.«

»Richtet sich ein König je zu Grunde?«

»Ich kann schon die Schweizer nicht bezahlen.«

»Schaut diese Ankömmlinge wohl an, und sagt mir, ob sie wie Leute aussehen, welche große Ausgaben fordern?«

Der König warf einen Blick auf diesen langen Schlafsaal, der eine ziemlich bemerkenswerthe Ansicht selbst für einen König bot, welcher an schöne architekturale Einrichtungen gewöhnt war.

Dieser lange Saal war von einem Verschlag durchschnitten, an dem der Erbauer fünf und vierzig Allkoven angebracht hatte, welche wie eben so viele Kapellen neben einander lagen, und auf den Gang ausmündeten, an dessen einem Ende der König und Épernon standen.

Eine Thüre in jedem von diesen Alkoven gewährte den Zugang in eine Art von Loge unmittelbar daneben.

Folge von dieser geistreichen Eintheilung war, daß jeder Edelmann sein öffentliches Leben und sein abgeschlossenes Leben hatte.

Oeffentlich erschien er in dem Alkoven.

In Familie verbarg er sich in seiner Loge.

Die Thüre von jeder dieser Logen ging auf einen Balcon, der an der ganzen Länge des Hauses hinlief.

Der König begriff diese seinen Unterscheidungen nicht sogleich.

»Warum zeigt Ihr mir sie Alle so in ihren Betten schlafend?« fragte der König.

»Sire, weil ich gedacht habe, die Inspection wäre so leichter von Eurer Majestät vorzunehmen. Jeder von diesen Alkoven hat eine Nummer und diese Nummer läßt sich auf seinen Bewohner übertragen. Somit wird jeder von diesen Bewohnern nach dem Bedürfniß ein Mann oder eine Zahl sein.«

»Das ist gut ersonnen,« sagte der König, »besonderes wenn wir allein den Schlüssel dieser Arithmetik bewahren. Aber die Unglücklichen werden ersticken, wenn sie beständig in dieser Keuche leben sollen.«

»Wünscht es Eure Majestät, so wird sie mit mir umhergehen und die Wohnung jedes Einzelnen besichtigen.«

»Gottes Tod! welch eine Geräthekammer hast Du mir machen lassen, Épernon!« sagte der König, indem er die mit dem Besitz der Schläfer beladenen Stühle betrachtete. »Wenn ich die Fetzen dieser Bursche darin einschließe, wird Paris viel lachen.«

»Es ist wahr,« antwortete der Herzog, »meine Fünf und Vierzig sind nicht sehr kostbar gekleidet; doch, Sire, wenn sie Alle Herzöge und Pairs gewesen wären…«

»Ja, ich begreife,« sprach der König lächelnd, »sie würden mich bedeutend mehr kosten.«

»Das ist es, Sire.«

»Wie viel werden sie mich kosten? laßt hören. Das wird mich vielleicht bestimmen, denn in der That, das Aussehen ist nicht sehr Appetit erregend.«

»Sire, ich weiß, sie sind ein wenig mager und gebräunt von der Sonne, die in unseren südlichen Provinzen glüht, aber ich war auch mager und sonnverbrannt, wie sie, als ich nach Paris kam, und sie werden fett werden und sich bleichen wie ich.«

»Hm!« machte Heinrich und warf einen schiefen Blick auf Épernon.

Dann nach einer Pause sagte der König:

»Weißt Du, daß Deine Edelleute schnarchen wie Domsänger?«

»Sire, man darf sie nicht hiernach beurtheilen, sie haben sehr gut zu Nacht gespeist.«

»Sieh, hier ist Einer, der ganz laut träumt,« sagte der König neugierig horchend.

Den Kopf und die Arme aus dem Bett hängend, den Mund halb geschlossen, seufzte wirklich einer von den Edelleuten einige Worte mit einem schwermüthigen Lächeln.

Der König näherte sich ihm auf den Fußspitzen.

»Wenn Ihr eine Frau seid,« sagte er, »flieht, flieht!«

»Ah! Ah!« sprach Heinrich, »dieser ist galant.«

»Was denkt Ihr von ihm, Sire?«

»Sein Gesicht gefällt mir ziemlich gut.«

Épernon näherte seine Fackel dem Alkoven.

»Er hat auch weiße Hände und einen gut gekämmten Bart.«

»Es ist der Sire Ernauton von Carmainges, ein hübscher Junge, der es weit bringen wird.«

»Der arme Teufel hat dort eine angefangene Liebschaft zurückgelassen.«

»Um keine andere Liebe mehr zu haben, als die zu seinem König. Sire; wir werden ihm für sein Opfer Rechnung tragen.«

»Oh! Oh! da kommt eine seltsame Gestalt hinter Deinem Sire. Wie nennst Du ihn?«

»Ernauton von Carmainges.«

»Ah! Pest, was für ein Hemd hat Nummer 34. Man sollte glauben, es wäre ein Büßersack.«

»Das ist Herr von Chalabre; wenn er Eure Majestät zu Grunde richtet, so wird es nicht geschehen, ohne daß er sich ein wenig dabei bereichert.«

»Und das andere düstere Gesicht, das nicht aussieht, als träumte es von der Liebe?«

»Welche Nummer, Sire?«

»Nummer 12.«

»Ein feiner Degen, ein ehernes Herz, ein Mann von Mitteln, Herr von Sainte-Maline, Sire.«

»Ah! wenn ich bedenke… weißt Du, daß Du da einen guten Gedanken gehabt hast?«

»Ich glaube wohl; beurtheilt ein wenige welche Wirkung diese meine Hofhunde hervorbringen müssen, welche Eure Majestät nicht mehr verlassen werden, als der Schatten den Körper, diese Molosser, die man nirgends gesehen hat und die sich bei der ersten Gelegenheit auf eine Weise zeigen werden, welche uns Ehre macht.«

»Ja, ja, Du hast Recht, es ist ein guter Gedanke. Aber warte doch.«

»Was?«

»Ich denke, sie werden mir in diesem Aufzug nicht wie mein Schatten folgen. Mein Körper hat eine gute Form, und sein Schatten, oder vielmehr seine Schatten sollen ihm keine Schande machen.«

»Ah! Sire, wir kommen auf die Zifferfrage zurück.«

»Gedachtest Du sie zu umgehen?«

»Nein, denn es ist bei allen Dingen die Grundfrage; aber in Beziehung auf diese Ziffer habe ich auch einen Gedanken.«

»Épernon! Épernon!«

»Was wollt Ihr, Sire? Das Verlangen, Eurer Majestät zu gefallen, verdoppelt meine Einbildungskraft.«

»So sprich doch Deinen Gedanken aus.«

»Nun wohl! wenn es von mir abhängen würde, fände jeder von diesen Edelleuten morgen früh auf dem Stuhle, der seine Kleidungsstücke trägt, eine Börse mit tausend Thalern… zu Bezahlung des ersten Semesters.«

»Tausend Thaler für das erste Semester, sechs tausend Livres jährlich! Geht doch, Herzog. Ihr seid ein Narr. Ein ganzes Regiment würde nicht so viel kosten.«

»Ihr vergeßt, Sire, daß sie die Schatten Eurer Majestät zu werden bestimmt sind; und Ihr habt selbst den Wunsch ausgesprochen, Eure Schatten mögen gut gekleidet sein. Jeder wird sich also von diesen tausend Thalern auf eine Weise zu kleiden und zu bewaffnete haben, die Euch Ehre macht. Und auf das Wort Ehre laßt den Gascognern den Zügel ein wenig lose. Fünfzehn hundert Livres für die Equipirung angenommen, so wäre dies also viertausend fünfhundert Livres für das erste Jahr, dreitausend für das zweite und die anderen.«

»Das ist annehmbarer.«

»Und Eure Majestät willigt ein?«

»Es hat nur eine Schwierigkeit. Herzog.«

»Welche?«

»Den Mangel an Geld.«

»Den Mangel an Geld?«

»Bei Gott! Du mußt besser als irgend Jemand wissen, daß der Grund, den ich Dir hier angebe; kein schlechter Grund ist, Du, der Du Dir noch nicht einmal hast können Deine Steuer bezahlen lassen.«

»Sire, ich habe ein Mittel gefunden.«

»Mir Geld zu verschaffen?«

»Für Eure Leibwache, ja.«

»Ein Knauserstückchen,« dachte der König, Épernon von der Seite anschauend.

Dann sprach er laut:

»Laß Dein Mittel hören.«

»Man hat gerade heute vor sechs Monaten ein Edict über die Abgaben von Wildbret und Fischen einregistriert.«

»Das ist möglich.«

»Die Bezahlung des ersten Semesters hat fünfundsechzig tausend Thaler abgeworfen, die der Staatsschatzmeister diesen Morgen einkassiren wollte, doch ich sagte ihm, er möge nichts thun, so daß er, statt es in den Schatz fließen zu lassen, das Steuergeld Eurer Majestät zur Verfügung hält.«

»Ich bestimmte es zu Kriegen, Herzog.«

»Gerade das ist es, Sire, die erste Bedingung des Krieges ist, Menschen zu haben; das erste Interesse des Königreichs ist die Vertheidigung und Sicherheit des Königs; wenn man die Leibwache des Königs besoldet, erfüllt man alle diese Bedingungen.«

»Der Grund ist nicht schlecht; doch Deiner Rechnung nach sehe ich nur fünf und vierzig tausend Thaler verwendet. es werden mir also zwanzig tausend für meine Regimenter bleiben.«

»Verzeiht, Sire, ich habe, mit Vorbehalt der Billigung Eurer Majestät, über diese zwanzig tausend Thaler verfügt.«

»Ah! Du hast darüber verfügt.«

»Ja, Sire, es wird eine Abschlagszahlung an meiner Steuer sein.«

»Ich wußte das,« sagte der König, »Du gibst mir eine Leibwache, um zu Deinem Gelde zu kommen.«

»Ah! Sire!«

»Aber warum gerade die Zahl fünf und vierzig?« fragte der König zu einem andern Gedanken übergehend.

»Höret, Sire. Die Zahl drei ist eine Urzahl und göttlich. Mehr noch, sie ist bequem. Wenn zum Beispiel ein Reiter drei Pferde hat, ist er nie zu Fuß; das zweite ersetzt das erste, wenn dieses müde ist, und dann bleibt noch ein drittes, um im Falle einer Verwundung oder Krankheit für das erste einzutreten. Ihr werdet also immer dreimal fünfzehn Edelleute haben. Fünfzehn im Dienst, dreißig, welche ausruhen. Jeder Dienst wird zwölf Stunden dauern. Und während dieser zwölf Stunden habt Ihr immer fünf rechts, fünf links. Zwei vorne und drei hinten. Mit einer solchen Wache komme man und wage es ein wenig, Euch anzugreifen.«

»Bei Gottes Tod! das ist geschickt combinirt, Herzog, und ich mache Dir mein Compliment.«

»Schaut sie an, Sire, sie werden wahrhaftig eine gute Wirkung hervorbringen.«

»Ja, gekleidet werden sie nicht übel sein.«

»Glaubt Ihr nun, daß ich das Recht habe, von den Gefahren zu sprechen, die Euch bedrohen?«

»Ich sage nicht nein.«

»Ich hatte also Recht.«

»Es mag sein.«

»Herr von Joyeuse hätte diesen Gedanken nicht gehabt!«

»Épernon! Épernon! es ist nicht liebreich, Schlimmes von Abwesenden zu sagen.«

»Parfandious! Ihr sagt viel Schlimmes von den Anwesenden. Sire.«

»Ah! Joyeuse begleitet mich immer. Er war mit mir heute auf der Grève.«

»Nun, ich war hier, Sire, und Eure Majestät sieht, daß ich meine Zeit nicht verloren habe.«

»Ich danke Lavalette.«

»Ah! Sire,« sagte Épernon, nachdem er einen Augenblick geschwiegen hatte, »ich wollte Eure Majestät um etwas bitten.«

»Es wunderte mich in der That sehr, Herzog, daß Du mich um nichts batest.«

»Eure Majestät ist heute bitter, Sire.«

»Ei! nein, Du begreifst nicht, mein Freund.« sprach der König, bei dem der Spott die Rache befriedigt hatte, »oder Du begreifst vielmehr schlecht; ich sagte, da Du mir einen Dienst geleistet, so habest Du das Recht, Dir etwas von mir zu erbitten; bitte also.«

»Das ist etwas Anderes, Sire. Uebrigens ist das, was ich mir von Eurer Majestät erbitte, eine Stelle.«

»Eine Stelle! Du, der General-Oberste der Infanterie willst noch eine Stelle; sie wird Dich erdrücken.«

»Ich bin stark wie Simson für den Dienst Eurer Majestät; für Eurer Majestät Dienst würde ich den, Himmel und die Erde tragen.«

»Bitte also,« sprach der König seufzend.«

»Ich wünsche, daß Eure Majestät mir das Commando dieser fünf und vierzig Edelleute übertrage.«

»Wie,« erwiederte der König erstaunt, »Du willst vor mir, hinter mir marschiren? Du willst Dich in diesem Maße aufopfern, Du willst Kapitän der Garden sein?«

»Nein, nein, Sire!«

»Nun. was willst Du denn?« sprich.

»Ich will, daß diese Garden, meine Landsleute, mein Commando besser verstehen, als das von jedem Andern; doch ich will ihnen weder vorausmarschiren, noch folgen. Ich werde einen Beiständigen haben.«

»Darunter steckt wieder etwas,« dachte Heinrich den Kopf schüttelnd, »dieser verteufelte Mensch gibt immer, um zu erhalten.«

Dann sprach er laut:

»Gut. Du sollst das Commando haben.«

»Geheim?«

»Ja. Doch wer wird officiell der Anführer meiner Fünf und Vierzig sein?«

»Der kleine Loignac.«

»Ah! desto besser.«

»Er ist Eurer Majestät genehm?»

»Vollkommen.«

»Ist das nun abgemacht, Sire?«

»Ja, aber…«

»Aber?«

»Welche Rolle spielt, er bei Dir, dieser Loignac?«

»Er ist mein Épernon, Sire.«

»Er kostest Dich also viel?« brummelte der König.

»Was sagt Eure Majestät?«

»Ich sage, ich willige ein.«

»Ich gehe zum Staatszahlmeister, um die fünf und vierzig Börsen zu holen.«

»Diesen Abend?«

»Müssen sie nicht unsere Leute morgen auf ihren Stühlen finden?«

»Das ist richtig. Gehe; ich kehre in meine Wohnung zurück.«

»Zufrieden, Sire?«

»Ziemlich.«

»In jedem Fall gut bewacht.«

»Ja, durch Leute, die mit geschlossenen Fäusten schlafen.«

»Sie werden morgen wachen, Sire.«

Épernon führte Heinrich bis zur Thüre der Gallerie zurück und verließ ihn, indem er zu sich selbst sagte:

»Wenn ich nicht König bin, so habe ich wenigstens Leibwachen wie ein König, und diese kosten mich nichts… Parfandious!«

Die Fünf und Vierzig

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