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4tes – 7tes Bändchen
Erstes Kapitel
Die Serenade
ОглавлениеUm vom Louvre nach Hause zu kommen, hatte Chicot keinen weiten Weg zu gehen.
Er stieg an dem steilen Ufer hinab und fing an über den Fluß mit einem kleinen Schiffe zu fahren, das er selbst lenkte und von der Rive de Nesle an den verlassenen Quai des Louvre gebracht hatte.
»Es ist seltsam,« sagte er zu sich selbst, indem er ruderte, und während er ruderte, nach den Fenstern des Pallastes schaute, von denen ein einziges das des Königs trotz der vorgerückten Nacht erleuchtet bliebe, »es ist seltsam, nach vielen Jahren ist Heinrich immer noch derselbe, die Einen sind groß geworden. Andere haben sich erniedrigt und wieder Andere sind gestorben, er hat ein paar Falten im Gesicht und im Herzen bekommen und mehr nicht, es ist immer derselbe schwache und erhabene phantastische und politische Geist; es ist ewig diese selbstsüchtige Seele, welche stets mehr verlangt, als man ihr geben kann, – die Freundschaft bei der Gleichgültigkeit, die Liebe bei der Freundschaft, die Ergebenheit bei der Liebe – und ein unglücklicher König, ein armer König, traurig bei Alledem mehr als ein Mensch seines Reiches. Ich glaube, ich habe diese seltsame Mischung von Ueppigkeit und von Reue, von Gottlosigkeit und Aberglauben ergründet; wie nur ich allein den Louvre kenne, durch dessen Gemächer so viele Günstlinge gezogen sind, um in das Grab, die Verbannung oder in die Vergessenheit zu gehen; auch nur ich allein ohne Gefahr mit dieser Krone spiele, welche einstweilen den Geist von so vielen Leuten verbrennt, da sie ihnen auch die Finger verbrennen wird.
Chicot stieß einen mehr philosophischen als trauriger Seufzer aus und drückte kräftig auf seine Ruder.
»Ah!« sagte er plötzlich, »hat mir der König nicht von Reisegeld gesprochen? dieses Vertrauen ehrt mich, den es beweist mir, daß ich immer noch sein Freund bin.«
Dabei lachte Chicot im Stillen, wie es seine Gewohnheit war, und warf dann mit einem letzten Ruderschlag sein Schiff auf den feinen Sand, wo es sitzen blieb.
Er band das Vordertheil mit einem Knoten, dessen Geheimniß er kannte, und der in jenen, vergleichungsweise unschuldigen Zeiten hinreichende Sicherheit bot, an einem Pfahl an und wandte sich sofort nach seiner, wie man weiß nur zwei Büchsenschüsse von dem Ufer der Seine entfernt liegenden Wohnung.
Als er in die Rue des Augustins kam, war er sehr erstaunt, da er Stimmen und Instrumente ertönen hörte, welche das in so vorgerückter Stunde sonst so friedliche Quartier mit Harmonie erfüllten.
»Es ist also hier eine Hochzeit,« dachte er Anfangs, »alle Wetter! ich hatte nur fünf Stunden zu schlafen, und werde genöthigt sein, zu wachen, ich, der ich nicht Hochzeit halte.«
Während er sich näherte, sah er einen großen Lichtschein in den Fensterscheiben der wenigen Häuser tanzen, die sich in dieser Straße fanden; dieser Schein wurde durch Dutzend Fackeln hervorgebracht, welche Pagen und Lackeien trugen, indeß vier und zwanzig Musiker unter Befehlen eines besessenen Italieners aus Leibeskräften mit ihren Violen, Psaltern, Geigen, Zithern, Trompeten und Trommeln aufspielten.
Dieses Heer von Lärmmachern war in schöner Ordnung vor einem Hause aufgestellt, in welchem Chicot zu seiner Verwunderung das seinige erkannte.
Der unsichtbare General, der das Manoeuvre leitete, hatte Musiker und Pagen so geordnet, daß alle, das Gesicht gegen die Wohnung von Robert Briquet gewendet, das Auge auf die Fenster geheftet, nur für diese Betrachtung zu athmen zu leben und sich zu beleben schienen.
Chicot schaute einen Augenblick erstaunt diese Evolution an und horchte auf das ganze Getöse.
Dann schlug er mit seinen knochigen Händen auf seine Schenkel und sprach:
»Das ist ein Irrthum; es ist nicht möglich, daß man für mich einen solchen Lärmen macht.«
Hierauf trat er näher hinzu, vermischte sich mit den Neugierigen, welche die Serenade herbeigezogen hatte, und versicherte sich, aufmerksam umherschauend, daß alles Licht der Fackeln sich an seinem Hause abspiegelte, wie die ganze Harmonie an dieses anprallte, und daß Niemand in der Menge sich im Geringsten um das Haus gegenüber oder um die benachbarten Häuser bekümmerte.
»In der That,« sagte Chicot zu sich selbst, »es ist für mich: sollte sich zufällig eine unbekannte Prinzessin in mich verliebt haben?«
Diese Annahme, so schmeichelhaft sie auch war, schien indessen Chicot keines Wegs zu überzeugen.
Er wandte sich nach dem Hause um, das dem seinigen gegenüber stand.
Nur zwei Fenster dieses Hauses, die zwei einzigen, welche keine Läden hatten, fingen zuweilen Lichtblitze auf; doch dies geschah nur zum Vergnügen des armen Hauses selbst, das alles Lebens beraubt, von jedem menschlichen Antlitz verlassen zu sein schien.
»Man muß einen sehr harten Schlaf in diesem Hause haben,« sagte Chicot, »alle Teufel! ein solches Bacchanal müßte Todte erwecken.«
Während aller dieser Fragen und Antworten, welche Chicot an sich selbst richtete, setzte das Orchester seine Symphonie fort, als ob es vor einer Versammlung von Königen und Kaisern gespielt hätte.
»Verzeiht Freund,« fragte Chicot, sich an einen Fackelträger wendend, »könntet Ihr mir nicht sagen, für wen diese ganze Musik?«
»Für den Bürger, der hier wohnt,« antwortete der Diener, indem er Chicot das Haus von Robert Briquet bezeichnete.
»Es ist für mich, entschieden für mich,« dachte Chicot.
Chicot drang durch die Menge, um die Erklärung des Räthsels auf dem Aermel und der Brust der Pagen zu lesen, aber jedes Wappen war sorgfältig unter einer Art von mauerfarbigem Ueberwurf verborgen.
»Wem gehört Ihr, mein Freund?« fragte Chicot einen Tamburinschläger, der seine Finger mit dem Athen erwärmte, weil er in diesem Augenblick gerade nichts zu trommeln hatte.
»Dem Bürger, der hier wohnt,« antwortete der Musiker, indem er mit seinem Stäbchen die Wohnung von Robert Briquet bezeichnete.
»Ah! ah!« sagte Chicot, »sie sind nicht nur meinetwegen hier, sondern sie gehören sogar mir. Es kommt immer besser; wir werden wohl am Ende sehen.«
Er bewaffnete sein Gesicht mit der schwierigsten Grimasse, die er finden konnte, stieß rechts und links Pagen, Lackeien, Musiker, um die Thüre zu erreichen, ein Manoeuvre, das er nicht ohne Schwierigkeit durchführte, zog hier, sichtbar und glänzend in dem von den Fackelträgern gebildeten Kreis, den Schlüssel aus der Tasche öffnete die Thüre, trat ein, stieß die Thüre wieder zu und schob den Riegel vor.
Dann stieg er auf seinen Balkon, stellte auf den Vorsprung einen metallenen Stuhl, setzte sich bequem darauf, stützte das Kinn auf das Geländer und sprach, ohne daß er das Gelächter zu bemerken schien, das seine Person empfing:
»Meine Herren, täuscht Ihr Euch nicht, sind Eure Triller, Cadenzen und Rouladen wirklich an mich gerichtet?«
»Ihr seid Meister Robert Briquet?« fragte der Director des ganzen Orchesters.
»In Person.«
»Wohl, wir sind ganz zu Euren Diensten, mein Herr,« erwiederte der Italiener mit einer Bewegung seines Stabes, welche einen neuen Melodiesturm hervorrief.
»Das ist wahrhaftig nicht zu verstehen,« sagte Chicot zu sich selbst, indem er seine scharfen Augen auf der ganzen Menge und an allen Häusern der Nachbarschaft umherlaufen ließ.
Alle Bewohner waren an ihren Fenstern, auf der Schwelle ihres Hauses oder mit den Gruppen vermischt, die vor der Thüre standen.
Meister Fournichon, seine Frau und das ganze Gefolge der Fünf und Vierzig bevölkerten die Oeffnungen des Gasthauses zum Schwert des kühnen Ritters.
Nur das Haus gegenüber war stumm, düster wie ein Grab.
Chicot suchte fortwährend mit den Augen den Schlüssel zu diesem unerklärlichen Räthsel, als er plötzlich unter dem Weiterdach seines Hauses, durch die Spalten des Bodens vom Balken, einen ganz in einen dunkelfarbigen Mantel gehüllten Mann erblickte, der einen schwarzen Hut mit rother Feder und einen langen Degen trug und, da er nicht gesehen zu sein glaubte, mit seiner ganzen Seele nach dem gegenüber liegenden öden, stummen, todten Haus schaute.
Von Zeit zu Zeit verließ der Director des Orchesters seinen Posten, um leise mit diesem Mann zu sprechen.
Chicot errieth bald, daß das ganze Interesse der Scene hier war, und daß dieser schwarze Hut das Gesicht eines Edelmanns verbarg.
Von diesem Augenblick an war seine ganze Aufmerksamkeit dem Unbekannten zugewendet. Die Rolle des Beobachtens war ihm leicht, seine Stellung am Geländer erlaubte seinem Blicke aus der Straße und unter dem Wetterdache zu unterscheiden; es gelang ihm, jeder Bewegung des geheimnißvollen Unbekannten zu folgen, dessen Züge ihm seine erste Unvorsichtigkeit unfehlbar enthüllen mußte.
Plötzlich, und während Chicot ganz in seine Beobachtungen vertieft war, erschien ein Cavalier, gefolgt von zwei Stallmeistern, an der Ecke der Straße und vertrieb energisch mit Gertenhieben die Neugierigen, welche hartnäckig Gallerie für die Musiker bildeten.
»Herr Joyeuse,« murmelte Chicot, der in dem Cavalier den aus Befehl des Königs gestiefelten und gespornten Großadmiral von Frankreich erkannte.
Sobald die Neugierigen zerstreut waren, schwieg das Orchester.
Ohne Zweifel hatte ihm ein Wink des Gebieters Stillschweigen auferlegt.
Der Cavalier näherte sich dem unter dem Wetterdache verborgenen Edelmann und fragte:
»Nun, Henri, was gibt es Neues?«
»Nichts, mein Bruder, nichts.«
»Nichts!«
»Neins sie ist nicht einmal erschienen.«
»Diese Bursche haben also keinen Lärmen gemacht?«
»Sie haben das ganze Quartier betäubt.«
»Sie haben also nicht gerufen, wie es ihnen empfohlen war, sie spielen zu Ehren dieses Bürgers?«
»Sie haben es so laut gerufen, daß er in Person auf seinem Balcon sitzt und der Serenade zuhört.
»Sie ist nicht erschienen?«
»Weder sie, noch sonst Jemand.«
»Der Gedanke war doch geistreich,« sagte Joyeuse gereizt, »denn sie könnte es am Ende, ohne sich zu compromittiren, machen wie alle diese guten Bürgersleute und die ihrem Nachbar gegebene Musik benütze.«
Henri schüttelte den Kopf.
»Ah! man sieht wohl, daß Du sie nicht kennst, Bruder,« sagte er.
»Doch, doch, ich kenne sie; das heißt, ich kenne alle Frauen, und da sie in dieser Zahl inbegriffen ist, so wollen wir den Muth nicht sinken lassen.«
»Oh! mein Gott! Bruder, Du sagst mir das mit einem ganz entmuthigten Tone.«
»Durchaus nicht; nur muß der Bürger von heute an jedem Abend seine Serenade bekommen.«
»Sie wird ausziehen.«
»Warum, wenn Du nichts sagst, wenn Du sie nicht bezeichnest, wenn Du stets verborgen bleibst? Sprach der Bürger, als man ihm diese Artigkeit erwies?«
»Er hat eine Rede an das Orchester gehalten… Ah! sieh, Bruder, er will in der That noch einmal sprechen.«
Entschlossen, in der Sache ins Klare zu kommen, stand Briquet wirklich auf, um zum zweiten Male den Direktor des Orchesters zu befragen.
»Schweigt da oben und geht hinein,« rief Anne in seiner üblen Laune, »was Teufels, da Euch Eure Serenade zu Theil geworden ist, so habt Ihr nichts zu sagen, haltet Euch also ruhig.«
»Meine Serenade. meine Serenade,« erwiederte Chicot mit der freundlichsten Miene, »ich will wenigstens wissen, an wen meine Serenade gerichtet ist.«
»An Eure Tochter, Dummkopf.«
»Verzeiht, Herr, ich habe keine Tochter.«
»An Eure Frau also.«
»Ich bin, Gott sei Dank! nicht verheirathet.«
»An Euch, an Euch persönlich.«
»Ja, an Dich und wenn Du nicht hineingehst…«
Joyeuse verband die That mit der Drohung und sprengte sein Pferd gegen den Balcon von Chicot, und zwar mitten durch die Instrumentisten.
»Alle Wetter!« rief Chicot, »wer wirft hier die Musiker nieder, wenn die Musik für mich ist?«
»Alter Narr,« brummte Joyeuse das Haupt erhebend, »wenn Du Dein häßliches Gesicht nicht in Deinem Rabennest verbirgst, so werden Dir die Musiker alle ihre Instrumente auf dem Genick zerbrechen.«
»Laß diesen armen Menschen,« sprach Du Bouchage, »er muß sich in der That sehr wundern!«
»Und warum wundert er sich, beim Teufel! Uebrigens siehst Du wohl, daß wir, wenn wir einen Streit anfangen, Jemand an das Fenster ziehen werden; prügeln wir also den Bürger, stecken wir sein Haus in Brand, wenn es sein muß, aber rühren wir uns, rühren wir uns.«
»Ich bitte, mein Bruder,« entgegnete Heinrich, »erpressen wir nicht die Aufmerksamkeit dieser Frau, wir sind besiegt, ergeben wir uns!«
Briquet verlor kein Wort von diesem Zwiegespräch, das helles Licht in seine noch verworrenen Ideen brachte; er traf im Geiste seine Anstalten zur Vertheidigung, denn er kannte die Laune desjenigen, welcher ihn angriff.
Doch Joyeuse ergab sich den Vernunftgründen seines Bruders, ging nicht weiter und entließ Pagen, Diener, Musiker und Maestro.
Er zog sodann seinen Bruder bei Seite und sprach zu ihm:
»Du siehst mich in Verzweiflung, Alles ist gegen uns verschworen.«
»Was willst Du damit sagen?«
»Es gebricht mir an Zeit, Dir zu helfen.«
»Du bist in der That in Reisekleidern; ich hatte das nicht bemerkt.«
»Ich reise heute Nacht mit einer Sendung des Königs nach Antwerpen ab.«
»Wann hat er Dir sie übertragen?«
»Diesen Abend.«
»Mein Gott!«
»Komm mit mir, ich bitte Dich.«
Erbleichend bei dem Gedanken an diese Abreise, ließ Henri die Arme sinken und fragte:
»Befiehlst Du es mir, mein Bruder?«
Joyeuse machte eine Bewegung.
»Wenn Du es mir befiehlst, Bruder, werde ich Dir gehorchen.«
»Ich bitte Dich nur darum, Du Bouchage.«
»Ich danke, mein Bruder.«
Joyeuse zuckte die Achseln.
»So lange Du willst, Joyeuse; aber siehst Du, wenn ich darauf verzichten müßte, meine Nächte in dieser Straße zuzubringen, wenn ich aufhören müßte, nach diesem Fenster zu schauen…«
»Nun?«
»So würde ich sterben.«
»Armer Narr!«
»Mein Herz ist dort,« sagte Henri, indem er die Hand nach dem Fenster ausstreckte, »mein Leben ist dort; fordere nicht, daß ich lebe, wenn Du mir das Herz aus der Brust reißest.«
Der Herzog kreuzte die Arme mit einem Zorn, in den sich Mitleid mischte, biß sich auf seinen feinen Schnurrbart und sprach, nachdem er einige Augenblicke stillschweigend nachgedacht hattet:
»Wenn Dein Vater Dich bäte, Du möchtest Dich durch Miron behandeln lassen, der ein Philosoph und zugleich ein Arzt ist…«
»So würde ich ihm antworten, ich sei nicht krank, mein Kopf sei gesund, und Miron heile keinen Liebesschmerz.«
»Man muß also Deine Art, die Sache anzusehen, adoptiren; doch warum sollte ich mich beunruhigen? Diese Frau ist eine Frau, Du bist beharrlich, nichts steht also verzweifelt, und bei meiner Rückkehr werde ich Dich munterer, freudiger und singlustiger finden, als ich bin.«
»Ja, ja,« erwiederte der junge Mann, seinem Freunde die Hände drückend, »ja, ich werde genesen, ja, ich werde glücklich sein, ja, ich werde munter sein, Dank sei Deiner Freundschaft!… Das ist mein kostbarstes Gut.«
»Nach Deiner Liebe.«
»Vor meinem Leben.«
Trotz seiner scheinbaren Frivolität tief gerührt, sagte Joyeuse, seinen Bruder ungestüm unterbrechend:
»Gehen wir? Die Fackeln sind ausgelöscht, die Instrumente auf dem Rücken der Musiker, die Pagen unter Weges.«
»Gehe, gehe, mein Bruder, ich folge Dir,« erwiederte Du Bouchage seufzend, daß er den Platz verlassen sollte.
»Ich verstehe Dich,« sprach Joyeuse, »das letzte Lebewohl an das verlassene Fenster, das ist billig! Nun auch ein Lebewohl für mich, Henri.«
Henri schlang seine Arme um den Hals seines Bruders, der sich zu ihm herabneigte.
»Nein,« sagte er, »ich werde Dich bis zu den Thoren begleiten; erwarte mich nur hundert Schritte von hier. Wenn sie die Straße verlassen glaubt, wird sie sich vielleicht zeigen.«
Anne ritt zu der Escorte, welche in einer Entfernung von hundert Schritten stille gehalten hatte.
»Vorwärts, vorwärts,« sagte er, »wir bedürfen Euer bis aus weiteren Befehl nicht mehr. Entfernt Euch.«
Die Fackeln verschwanden, das Gelächter und die Gespräche der Musiker erloschen, und eben so auch die letzten den Saiten der Violen und Lauten durch das Berühren einer verirrten Hand entlockten Seufzer.
Henri warf einen letzten Blick nach dem öden Hause, sandte ein letztes Gebet nach dessen Fenstern, und folgt langsam und beständig sich umwendend seinem Bruder, dem seine zwei Stallmeister voranritten.
Als Robert Briquet die zwei jungen Leute mit den Musikanten sich entfernen sah, dachte er, die Entwickelung dieser Scene, wenn sie überhaupt eine Entwickelung hätte, würde stattfinden.
Dem zu Folge zog er sich geräuschvoll vom Balcon zurück und schloß das Fenster.
Einige hartnäckige Neugierige blieben noch auf ihrem Posten, aber nach zehn Minuten war auch der Ausdauerndste verschwunden.
Während dieser Zeit erreichte Robert Briquet das Dach seines Hauses, welches ausgezackt war, wie das der flamändischen Häuser; er verbarg sich hinter einer dieser Zackungen und beobachtete die Fenster gegenüber.
Sobald der Lärm auf der Straße aufgehört hatte und man weder Instrumente, noch Tritte, noch Stimmen mehr vernahm, sobald endlich Alles in die gewöhnliche Ordnung zurückgekehrt war, öffnete sich geheimnißvoll eines von den oberen Fenstern dieses seltsamen Hauses und ein vorsichtiger Kopf kam daraus hervor.
»Nichts mehr,« murmelte eine Männerstimme, »folglich keine Gefahr mehr; es war eine Mystification an unsern Nachbar gerichtet; Ihr könnt Euer Versteck verlassen, gnädige Frau und in Euer Zimmer hinabgehen.«
Bei diesen Worten schloß der Mann das Fenster wieder, ließ das Feuer aus einem Stein springen, zündete eine Lampe an und reichte sie einem Arm, der sich ausstreckte, um sie zu empfangen.
Chicot schaute mit allen Kräften seines Augensternes.
Doch er hatte nicht sobald das bleiche und erhabene Antlitz der Frau erschaut, welche die Lampe in Empfang nahm, er hatte nicht sobald den sanften, traurigen Blick aufgefaßt, der zwischen dem Diener und der Gebieterin ausgetauscht wurde, als er selbst erbleichte und fühlte, wie ein eisiger Schauer seine Adern durchlief.
Die junge Frau war kaum vier und zwanzig Jahre alt. Sie stieg nun die Treppe hinab; ihr Diener folgte Ihr.
»Ah!« murmelte Chicot der mit der Hand über die Stirne fuhr, um sich den Schweiß abzuwischen, und als ob er zugleich eine furchtbare Erscheinung hätte verjagen wollen, »ah! Graf Du Bouchage, braver, schöner junger Mann, wahnsinniger Verliebter, der Du davon sprichst Du werdest freudig, munter, singlustig werden, tritt Deinen Wahlspruch Deinem Bruder ab, denn nie mehr wirst Du sagen können: hilariter.«8
Dann stieg er ebenfalls in sein Zimmer hinab… die Stirne verdüstert, wie wenn er in eine furchtbare Vergangenheit, in einen blutigen Abgrund hinabgestiegen wäre, und setzte sich in den Schatten, unterjocht, er zuletzt, aber am vollständigsten vielleicht, durch den unglaublichen Einfluß der Schwermuth, der von dem Mittelpunkte dieses Hauses ausging.
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Joyeusement, freudig, vergnügt, die Devise von Henri von Joyeuse war, wie gesagt, das lateinische Wort: hilariter.