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1tes bis 3tes Bändchen
Sechzehntes Kapitel
Wie und aus welcher Ursache Chicot gestorben war

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Chicot ein wirklicher Körper, – es mißfalle dies denjenigen Lesern nicht, welche genugsam Freunde des Wunderbaren wären, um zu glauben, wir haben die Kühnheit gehabt, einen Schatten in unsere Geschichte einzuführen – Chicot war weggegangen, nachdem er dem König unter der Form des Spottes seiner Gewohnheit gemäß, alle Wahrheiten gesagt, die er ihm zu sagen hatte.

Man höre, was geschehen war.

Nach dem Tode der Freunde des Königs, seit den von den Guisen angesponnenen Unruhen und Verschwörungen, hatte Chicot nachgedacht. Brav, wie man weiß, und sorglos, war ihm doch sehr viel am Leben gelegen, das ihn ergötzte, wie alle Leute der Elite. Nur die Albernen langweilen sich in dieser Weit und suchen Zerstreuung in der anderen.

Das Resultat der bezeichneten Ueberlegung war, daß ihm die Rache von Herrn von Mayenne furchtbarer vorkam, als die Protection des Königs wirksam sein konnte, und er sagte sich mit jener praktischen Philosophie, die ihn auszeichnete, daß in dieser Welt nichts ungeschehen zu machen sei, was einmal geschehen, und daß alle Hellebarden und alle Gerichtshöfe des Königs von Frankreich eine gewisse Oeffnung, die das Messer von Herrn von Mayenne dem Wammse von Chicot beigebracht, so wenig sichtbar sie auch sein dürfte, nicht wieder schließen würden.

Er faßte also seinen Entschluß als ein Mann, der überdies der Rolle des Spaßmachers, die er jede Minute in eine ernste Rolle zu verwandeln vor Begierde brannte, und der königlichen Vertraulichkeiten müde war, die ihn, in diesen Zeitläufen gerade zum Verderben führten.

Chicot fing also damit an, daß er zwischen das Schwert von Herrn von Mayenne und die Haut von Chicot eine möglichst große Entfernung setzte. Zu diesem Behufe reiste er nach Beaune ab, in der dreifachen Absicht, Paris zu verlassen, seinen Freund Gorenflot zu umarmen, und den berühmten Wein von 1550 zu kosten, von dem so viel die Rede war in dem bekannten Briefe, der unsere Erzählung von der  D a m e   v o n  M o n s o r e a u  endigt.

Die Tröstung war in der That wirksam: nach Verlauf von zwei Monaten bemerkte Chicot, daß er augenscheinlich stärker wurde, was seine Absicht, sich zu verstellen, wunderbar unterstützen würde, aber er bemerkte auch, daß er, stärker werdend, sich Gorenflot mehr näherte, als es für einen Mann von Geist schicklich war. Der Geist trug den Sieg über die Materie davon. Nachdem Chicot einige hundert Flaschen von dem berühmten 1550er getrunken, und die zwei und zwanzig Bände verschlungen hatte, aus denen die Bibliothek der Priorei bestand, und worin vom Prior das Axiom: bonum vinum laetificat cor hominis, aufgefunden worden war, fühlte Chicot ein großes Gewicht im Magen und eine gewaltige Leere im Hirn.

»Ich würde wohl Mönch werden,« dachte er, »aber bei Gorenflot wäre ich zu sehr Meister und in einer andern Abtei wäre ich es nicht genug. Die Kutte würde mich allerdings für immer in den Augen von Herrn von Mayenne verbergen. aber bei allen Teufeln, es gibt andere Mittel, als die gewöhnlichen: suchen wir. Ich habe in einem Buche gelesen, – es ist wahr, dieses trifft man nicht in der Bibliothek von Gorenflot: Quaere et invenies.7.« Chicot suchte also und fand Folgendes. Für jene Zeit war es ziemlich neu.

Er eröffnete sich Gorenflot und bat ihn, dem König unter seinem Dictate zu schreiben.

Gorenflot schrieb schwer, es ist nicht zu leugnen, doch er schrieb. Chicot habe sich in die Priorei zurückgezogen, der Kummer darüber, daß er sich habe genöthigt gesehen, sich von seinem Herrn zu trennen, als dieser sich mit Herrn von Mayenne ausgesöhnt, sei sehr nachtheilig für seine Gesundheit gewesen, er habe durch Zerstreuung dagegen zu kämpfen gesucht, doch der Schmerz sei stärker gewesen und er sei am Ende unterlegen.

Chicot schrieb seinerseits selbst einen Brief an den König. Dieser Brief, datirt vom Jahr 1580, war in fünf, Paragraphen abgetheilt.

Jeder von diesen Paragraphen war, wie man glauben mußte, an einem von dem andern entfernten Tag und gemäß der Fortschritte der Krankheit geschrieben.

Der erste Paragraph war mit einer ziemlich festen Hand geschrieben und unterzeichnet.

Der zweite zeugte von einer minder sicheren Hand, und die Unterschrift war, wenn auch leserlich, doch schon zitternd.

Unten an den dritten schrieb er nur Chic…

An das Ende des vierten Ch…

An das Ende des fünften machte er ein C mit einem Tintenklecks.

Dieser Tintenklecks eines Sterbenden brachte die schmerzliche Wirkung auf den König hervor.

Dies erklärt, warum er Chicot für ein Gespenst und einen Schatten gehalten hatte.

Wir würden wohl den Brief von Chicot hier citiren, aber Chicot war, wie man heut zu Tage sagen würde, ein sehr excentrischer Mensch, und da der Styl der Mensch ist, so war besonders sein Briefstyl so excentrisch, daß wir es nicht wagen, diesen Brief hier zu wiederholen, welche Wirkung wir auch damit hervorbringen dürften.

Unten an diesem Brief, und um das Interesse von Heinrich für seine Person nicht erkalten zu lassen, fügte Gorenflot bei, seit dem Tode seines Freundes sei ihm die Priorei Beaune verhaßt geworden und er würde Paris vorziehen.

Chicot hatte besonders viel Mühe, diese Nachschrift mit dem Ende der Finger von Gorenflot zu schreiben. Gorenflot befand sich im Gegentheil vortrefflich in Beaune und Panurgos auch. Er bemerkte Chicot mit kläglichem Tone, der Wein sei immer verfälscht, wenn man ihn nicht an Ort und Stelle auswähle. Chicot aber versprach, jedes Jahr in Person seine Einkäufe an Romanée, Volnay und Chambertin zu machen, und da Gorenflot in diesem Punkt wie in so vielen andern die Ueberlegenheit von Chicot anerkannte, so gab er am Ende dem Begehren seines Freundes nach.

In Antwort auf den Brief von Gorenflot und die letzten Abschiedsworte von Chicot schrieb der König eigenhändig:

»Mein Herr Prior, Ihr werdet ein frommes und poetisches Begräbniß unserem armen Chicot geben, den ich von ganzer Seele beklage, denn er war nicht nur ein treu ergebener Freund, sondern auch ein ziemlich guter Edelmann, obgleich er selbst in seiner Genealogie nie über seinen Urältervater hinaussehen konnte. Ihr werdet ihn mit Blumen umgeben und es so machen, daß er in der Sonne ruht, die er sehr liebte, da er von Süden war. Was Euch betrifft, dessen Traurigkeit ich in gleichem Maße ehre und theile, so werdet Ihr nach dem Wunsche, den Ihr gegen mich aussprecht, die Priorei Beaune verlassen. Ich bedarf in Paris zu sehr ergebener Männer und guter Geistlicher, um Euch entfernt zu halten. Dem zu Folge ernenne ich Euch zum Prior der Jakobiner, wonach Ihr vor der Porte Saint-Antoine wohnen werdet, ein Quartier, dem unser armer Freund ganz besonders zugethan war.

»Euer wohlgewogener Heinrich, der Euch bittet, ihn in Euren Gebeten nicht zu vergessen.«

Man kann sich denken, wie der Prior bei diesem ganz eigenhändig vom König geschriebenen Briefe große Augen machte, die Macht des Genies von Chicot bewunderte und sich beeilte, seinen Flug gegen die ehrenvolle Stellung zu nehmen, die ihn erwartete.

Denn der Ehrgeiz hatte, wie man sich erinnert, schon früher eines von den haltbaren Wurzelreisern in dem Herzen von Gorenflot getrieben, – von Gorenflot, dessen Vorname stets Modeste gewesen, und der sich, schon seitdem er Prior von Beaune war, Dom Modeste Gorenflot nannte.

Alles ging zugleich nach den Wünschen des Königs und von Chicot. Ein Bündel Dorne, bestimmt physisch und allegorisch den Leichnam darzustellen, wurde in der Sonne, inmitten von Blumen, unter einer schönen Weinrebe begraben; und sobald Chicot todt und in effigie beerdigt war, half er Gorenflot bei seinem Umzuge.

Modeste nahm mit großem Gepränge Besitz von seiner Priorei der Jacobiner. Chicot wählte die Nacht, um in Paris einzuschlüpfen. Er kaufte bei der Porte Bussy ein kleines Haus, das ihn drei hundert Thaler kostete, und wenn er Gorenflot besuchen wollte, so hatte er drei Wege: den durch die Stadt, der der kürzere, den am Strande des Wassers, der der poetischere, und den längs den Mauern, der der sicherste war.

Aber Chicot, ein Träumer, wählte beinahe immer den an der Seine, und da der Fluß in jener Zeit noch nicht zwischen steinerne Mauern eingeschachtet war, so leckte das Wasser, wie der Dichter sagt, seine Ufer, an denen die Bewohner der Cité mehr als einmal die lange Silhouette von Chicot bei schönem Mondschein sich hervorheben sehen konnten.

Nachdem Chicot eingezogen war und seinen Namen verändert hatte, war er bemüht. auch sein Gesicht zu verändern; er nannte sich Robert Briquet und ging leicht vorwärts gebeugt; dann hatte ihn die beständige Unruhe und der Verlauf der letzten sechs Jahre beinahe kahl gemacht, so daß sein sonst krauses schwarzes Haar sich, wie das Meer bei der Ebbe, von seiner Stirne gegen sein Genick zurückgezogen.

Ueberdies trieb er, wie gesagt, die den alten Mimen so theure Kunst, welche darin bestand, daß man durch geschicktes Zusammenziehen das natürliche Spiel der Muskeln und das gewöhnliche Spiel der Physiognomie veränderte.

Folge von diesem anhaltenden Studium war, daß Chicot am hellen Tag gesehen, wenn er sich die Mühe geben wollte, als ein wahrhafter Robert Briquet, das heißt, als ein Mensch erschien, dessen Mund von einem Ohr zum andern ging, dessen Kinn die Nase berührte und dessen Augen schielten, daß man bange bekam: Alles ohne Grimassen, aber nicht ohne einen gewissen Reiz für Liebhaber von Verwandlungen, weil sein Gesicht, sonst lang, fein und eckig, breit, aufgedunsen und stumpf wurde.

Nur seine langen Arme und seine ungeheuren Beine konnte Chicot nicht verkürzen; da er aber sehr erfindungsreich war, so bog er, wie gesagt, seinen Rücken, so daß seine Arme beinahe so lang waren, als seine Beine.

Mit diesen physiognomischen Uebungen verband er die Vorsicht, daß er mit Niemand eine Bekanntschaft anknüpfte. So ausgerenkt Chicot auch war, so konnte er doch nicht ewig dieselbe Postur behalten. Wie kann man buckelig um zwölf Uhr erscheinen, wenn man um zehn Uhr gerade gewesen war, und welchen Vorwand soll man einem Freund angeben, der uns plötzlich das Gesicht verändern sieht, weil uns, während wir mit ihm spazieren gehen zufällig eine verdächtige Person begegnet?

Robert Briquet führte also ein Klausnerleben, was übrigens seinem Geschmacke entsprach; seine ganze Zerstreuung bestand darin, daß er Gorenflot besuchte, mit dem er vollends den ausgezeichneten 1550er trank, welchen in den Kellern von Beaune zu lassen der würdige Prior sich wohl gehütet hatte.

Doch die gemeinen Geister sind Veränderungen unterworfen, wie die großen Geister. Gorenflot veränderte sich, Gott sei Dank nicht physisch, aber moralisch.

Er sah denjenigen, welcher bisher sein Geschick in seinen Händen hatte, in seiner Macht und seiner Diskretion anheimgegeben. Chicot, der zum Mittagessen in die Priorei kam, erschien ihm als ein Chicot-Sklave, und Gorenflot hielt von diesem Augenblick an zu viel von sich und nicht genug von Chicot.

Chicot sah, ohne sich dadurch beleidigt zu fühlen, die Veränderung seines Freundes. Er hatte sich durch ähnliche Erfahrungen bei König Heinrich zu einer solchen Philosophie gebildet. Er beobachtete sich mehr, und das war Alles. Statt alle zwei Tage in die Priorei zu gehen, ging er nur noch einmal in der Woche, dann alle vierzehn Tage, dann alle Monate dahin. Gorenflot war so aufgeblasen, daß er es gar nicht bemerkte.

Chicot war zu sehr Philosoph, um empfindlich zu sein; er lachte im Stillen über die Undankbarkeit von Gorenflot und kratzte sich nach seiner Gewohnheit an der Nase und am Kinn.

»Das Wasser und die Zeit,« sagte er, »sind die zwei mächtigsten auflösenden Mittel, die ich kenne. Das eine löst den Stein auf und das andere die Eitelkeit. Warten wir.« Und er wartete.

Er war in diesem Warten begriffen, als die von uns erzählten Ereignisse eintraten, unter denen einige von den neuen Elementen aufzutauchen schienen, welche große politische Katastrophen weissagen. Da nun sein König, den er immer noch liebte, obgleich er gestorben war, ihm unter diesen zukünftigen Ereignissen einigen Gefahren, denen ähnlich, vor welchen er ihn bewahrt hatte, preisgegeben zu sein schien, so entschloß er sich, ihm im Zustande eines Gespenstes zu erscheinen und ihm in dieser Absicht allein die Zukunft vorherzusagen. Wir haben gesehen, wie Chicot durch die in die Entlassung von Joyeuse eingewickelte Ankündigung der nahe bevorstehenden Ankunft von Herrn von Mayenne, eine Ankündigung, welche Chicot im Grunde ihrer Hülle herausgefunden, wie Chicot, sagen wir vom Zustande eines Gespenstes zur Lage eines Lebendigen, und von der Stellung eines Propheten zu der eines Botschafters überging.

Nun, da Alles, was in unserer Erzählung dunkel erscheinen könnte, erklärt ist, werden wir, wenn es unsere Leser erlauben, Chicot bei seinem Ausgang aus dem Louvre wiederaufnehmen und ihm bis zu seinem kleinen Hause im Carrefour Bussy folgen.

7

Suche und du wirst finden.

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