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4tes – 7tes Bändchen
Fünftes Kapitel
Die Tischgenossen

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Gorenflot brauchte nicht lange, um seine Befehle zu geben.

War der würdige Prior auf der aufsteigenden Linie, wie er dies behauptete, so war er es besonders in dem man die Einzelheiten eines Mahles und die Fortschritte der culinarischen Wissenschaft betraf.

Dom Modeste ließ den Bruder Eusèbe rufen, der nicht vor seinem Oberen, sondern vor seinem Richter erschien. Aus der Art und Weise, wie man ihn vorgefordert, hatte er errathen können, daß etwas Außerordentliches bei dem ehrwürdigen Prior vorging.

»Bruder Eusèbe,« sprach Gorenflot mit strengem Tone, »hört, was Herr Robert Briquet, mein Freund, Euch sagen wird. Ihr vernachläßigt Euch, wie es scheint. Ich habe über schwere Unpünktlichkeiten bei Eurer letzten Kraftsuppe und über eine unselige Unachtsamkeit hinsichtlich des Krachens Eurer Ohren klagen hören. Nehmt Euch in Acht, Bruder Eusèbe, ein einziger Schritt auf dem schlimmen Weg zieht den ganzen Körper nach sich.«

Der Mönch erröthete und erbleichte abwechselnd und stammelte eine Entschuldigung, welche nicht angenommen wurde.

»Genug,« sprach Gorenflot.

Bruder Eusèbe schwieg.

»Was habt Ihr heute zu frühstücken?« fragte der ehrwürdige Prior.

»Ich habe Rühreier mit Hahnenkämmen.«

»Hernach?«

»Gefüllte Champignons.«

»Hernach?«

»Krebse in Madeira.«

»Kleines Zeug, dies Alles, kleines Zeug, habt Ihr nicht etwas, das einen Grund bilden würde, sprecht geschwinde.«

»Ich hatte außerdem noch einen Schinken mit Pistazien.«

»Puh!« machte Chicot.

»Verzeiht,« unterbrach ihn schüchtern der Bruder Eusèbe, »er ist in Xeres Sect gekocht. Ich habe ihn mit einem in einer Marinade von Aix-Oel erweichten Ochsenfleisch gespickt, so daß man mit dem Fett des Ochsen das Magere des Schinken und mit dem Fett des Schinken das Magere des Ochsen ißt.«

Gorenflot wagte es, an Chicot einen Blick begleitet von einer Geberde der Billigung zu richten.

»Das ist gut, nicht wahr, Herr Robert?« sagte er.

Chicot machte eine Geberde der Halbbefriedigung.

»Und hernach?« fragte Gorenflot, »was habt Ihr noch?«

»Man kann Euch einen Aal in der Minute fertig machen.«

»Pfui über Euren Aal!»sagte Chicot.

»Ich glaube, Herr Briquet,« entgegnete Bruder Eusèbe, der nach und nach muthig wurde, »ich glaube, daß Ihr von meinen Aalen kosten könnt, ohne es zu sehr zu bereuen.«

»Was haben sie denn so Seltenes, Eure Aale?«

»Ich füttere sie auf eine eigenthümliche Weise.«

»Oh! oh!«

»Ja,« sprach Gorenflot, »es scheint, daß die Römer oder die Griechen, ich weiß nicht mehr genau, kurz ein Volk Italiens, ihre Lampreten fütterten, wie es Bruder Eusèbe thut. Er hat es in einem alten Autor Namens Sueton gelesen, der über die Küche schreibt.«

»Wie, Bruder Eusèbe,« rief Chicot »Ihr gebt Euren Aalen Menschen zu fressen?«

»Nein, mein Herr, ich hacke die Eingeweide und Lebern von Geflügel und Wildbret klein, ich füge ein wenig Schweinefleisch bei, ich mache aus dem Allem eine Art von Wurstfleisch, das ich meinen Aalen vorwerfe, welche in dem auf einem, jeden Tag erneuerten Kies in einem Monat fett werden und sich, während sie fett werden, beträchtlich verlängern. Derjenige, zum Beispiel, welchen ich heute dem ehrwürdigen Herrn Prior anbiete, wiegt neun Pfund.«

»Das ist also eine Schlange,« sagte Chicot.

»Er verschlang mit einem Mal ein Hühnchen von sechs Tagen.«

»Und wie habt Ihr ihn zubereitet?« fragte Chicot.

»Ja, wie habt Ihr ihn zubereitet?« wiederholte der Prior.

»Abgehäutet, gebräunt, durch Sardellenbutter gezogen, in feinem geriebenem Brod umgedreht, dann wieder zehn Secunden lang auf den Rost gelegt, wonach ich die Ehre haben werde, Euch denselben mit Knoblauch und spanischem Pfeffer gewürzt, in einer Sauce schwimmend vorzusetzen.«

»Aber die Sauce selbst?«

»Ja, die Sauce selbst?«

»Eine einfache Sauce von Aix-Oel, mit Citronen und Senf geschlagen.«

»Ganz gut,« sagte Chicot.

Bruder Eusèbe athmete.

»Nun fehlen die Confituren,« sprach Gorenflot einsichtsvoll.

»Ich werde ein Gericht ersinnen, das im Stande ist, den Beifall den ehrwürdigen Herrn Priors zu gewinnen.«

»Es ist gut, ich verlasse mich auf Euch,« sagte Gorenflot, »zeigt Euch meines Vertrauens würdig.«

Eusèbe verbeugte sich.

»Darf ich mich entfernen?« fragte er.

Der Prior befragte Chicot.

»Er mag sich entfernen,« sagte Chicot.

»Gut, und schickt mir den Bruder Kellermeister.«

Eusèbe verbeugte sich und ging hinaus.

Der Bruder Kellermeister folgte auf den Bruder Eusèbe und erhielt nicht minder pünktliche und nicht minder ins Einzelne gehende Befehle.

Zehn Minuten nachher saßen die zwei Freunde vor einem mit einem feinen leinenen Tuche bedeckten Tisch, in großen ganz mit Kissen ausgelegten Lehnstühlen begraben, Messer und Gabeln in der Hand, wie zwei Duellisten einander gegenüber.

Obgleich hinreichend groß für sechs Personen, war die Tafel doch voll gestellt, dergestalt hatte der Kellermeister Flaschen von verschiedenen Formen und Etiquetten aufgehäuft.

Dem Programm getreu, schickte Eusèbe Rühreier, Krebse und Champignone, welche die Luft mit einem milden Dampf von Trüffeln und von Butter durchdufteten, wozu sodann der Geruch der Thymiancrême und des Madeiraweins kam.

Chicot griff wie ein Hungeriger an.

Der Prior dagegen wie ein Mensch, der sich selbst, seinem Koch und seinem Tischgenossen mißtraut.

Doch nach einigen Minuten fing Gorenflot an zu schlingen, während Chicot beobachtete.

Man begann mit dem Rheinwein, dann ging man zu dem Burgunder von 1550 über, man machte einen Ausflug zu einem Ermitage, dessen Alter man nicht kannte; man nippte am Saint-Perey; endlich kam man zum Wein des Beichtkindes.

»Was sagt Ihr dazu?« fragte Gorenflot, nachdem er dreimal gekostet hatte, ohne daß er sich auszusprechen wagte.«

»Wild, aber leicht,« erwiederte Chicot, »und wie heißt die Bußfertige?«

»Ich kenne sie nicht.«

»Alle Wetter, Ihr wißt ihren Namen nicht.«

»Meiner Treue, nein, wir verhandeln durch Botschafter.«

Chicot machte eine Pause, während welcher er sanft die Augen schloß, als wollte er den Geschmack eines Schlucks Wein untersuchen, den er im Mund hielt, ehe er ihn durch die Gurgel laufen ließ, in der Wirklichkeit aber, um nachzudenken.

»Ich habe also die Ehre, einem Armee-General gegenüber zu speisen?« sagte er nach fünf Minuten.

»Oh! mein Gott, ja!«

»Wie, Ihr seufzt, während Ihr dies sagt?«

»Ah! das ist sehr anstrengend.«

»Allerdings; aber es ist ehrenvoll, es ist schön.«

»Herrlich! nur habe ich keine Stille mehr in den Officien… und vorgestern bin ich beinahe genöthigt gewesen, eine Platte beim Abendbrod zu streichen.«

»Eine Platte streichen… und warum?«

»Weil mehrere von meinen besten Soldaten, ich muß es gestehen, die Vermessenheit hatten, den Weinbeermus von Burgund, den man am Freitag als drittes Gericht gibt, ungenügend zu finden.«

»Ah! ungenügend… und welchen Grund gaben sie hierfür an?«

»Sie behaupteten, sie hätten noch Hunger, und verlangten noch eine Fastenspeise, wie Kriechente, Hummer oder einen schmackhaften Fisch. Begreift Ihr diese Freßgierigen?«

»Verdammt, wenn sie übermäßige Uebungen vornehmen müssen, so darf man nicht staunen, daß sie Hunger haben, diese Mönche.«

»Wo wäre denn das Verdienst?« entgegnete der Prior, »gut essen und gut arbeiten kann Jedermann. Was Teufels! man muß seine Entbehrungen dem Herrn anzubieten wissen,« fügte der würdige Abt bei, indem er ein großes Stück Schinken und Ochsenfleisch auf eine sehr ehrenwerthe Portion Gelantine häufte, von der der Bruder Eusèbe nicht gesprochen hatte, weil dieses Gericht zu einfach war, nicht um auf den Tisch gesetzt zu werden, wohl aber, um auf der Karte zu figuriren.

»Trinkt, Modeste, trinkt,« sagte Chicot, »Ihr werdet ersticken, Ihr seht schon carmesinroth aus.«

»Vor Entrüstung,« erwiederte der Prior und leerte sein Glas, das eine halbe Pinte enthielt.

Chicot ließ ihn machen, als jedoch Gorenflot sein Glas wieder auf den Tisch gesetzt hatte, sprach er:

»Laßt hören, vollendet Eure Geschichte, sie interessirt mich sehr lebhaft, bei meinem Ehrenwort. Ihr habt ihnen also eine Platte entzogen, weil sie fanden, sie hätten nicht genug zu essen?«

»Ganz richtig.«

»Das ist geistreich.«

»Die Strafe hat auch eine gehörige Wirkung hervorgebracht; ich glaubte, man würde sich empören, die Augen glänzten, die Zähne klapperten.«

»Das ist ganz natürlich, sie hatten Hunger.«

»Sie hatten Hunger, nicht wahr?«

»Ganz gewiß.«

»Ihr sagt es, Ihr glaubt es?«

»Ich bin dessen sicher.«

»Nun, ich habe an jenem Abend eine seltsame Erscheinung wahrgenommen, die ich der Analyse der Wissenschaft empfehlen werde; ich berief den Bruder Borromée und gab ihm meine Instructionen in Betreff dieser Entziehung einer Platte, der ich, als ich die Meuterei sah, die Entziehung den Weins beifügte.

»Nun?«

»Um mein Wort zu krönen, befahl ich eine neue Uebung, da ich die hydra den Aufruhrs zu Boden treten wollte; die Psalmen sagen das, Ihr wißt; wartet doch: Cabis poriabis diagonem, ei! Ihr kennt das, Gottes Tod!«

»Proculcabis draconem,« sagte Chicot und schenkte dem Prior Wein ein.

»Draconem, so ist es, bravo! Ah! was die Drachen betrifft, eßt doch von diesem Aal, er ist vortrefflich.«

»Ich danke, ich kann nicht mehr schnaufen; doch erzählt, erzählt.«

»Was?«

»Eure seltsame Erscheinung.«

»Welches ich erinnere mich nicht mehr.«

»Diejenige, welche Ihr den Gelehrten empfehlen wolltet.«

»Ah! ja, nun entsinne ich mich.«

»Ich höre.«

»Ich verordne also eine Uebung für den Abend; ich glaubte, ich würde meine Bursche geschwächt, bleich schwitzend sehen, und hatte eine ziemlich hübsche Rede über den Texte:Derjenige, welcher mein Brod ißt, vorbereitet.«

»Trockenes Brod? Ganz richtig, trockenen Brod,« rief Gorenflot und riß mit einem cyklopischen Gelächter seine mächtigen Kinnladen auseinander und hatte mit dem Worte gespielt. »Ich lachte zum Voraus eine Stunde lang ganz allein, als ich mitten im Hofe eine Truppe belebter nerviger, wie Heuschrecken hüpfender Bursche fand, und dies ist die Illusion, über welche ich die Gelehrten befragen will.«

»Eine Illusion!«

»Und nach Wein rochen sie auf eine Meile.

»Nach Wein? Bruder Borromée hatte Euch also hintergangen?«

»Oh! des Borromée bin ich sicher,« rief Gorenflot, »das ist der leidende Gehorsam in Person; wenn ich dem Bruder Borromée sagte, er solle sich am kleinen Feuer rösten, er würde selbst den Rost holen und ein Reisbüschel anzünden.«

»Das heißt ein schlechter Physiognomiker sein,« erwiederte Chicot, indem er sich an der Nase kratzte, »auf mich macht er nicht diesen Eindruck.«

»Es ist möglich, doch ich kenne meinen Borromée, siehst Du, wie ich Dich kenne, mein lieber Chicot,« sprach Gorenflot, der trunken werdend zugleich auch zärtlich wurde.

»Und Du sagst, sie haben nach Wein gerochen?«

»Borromée?«

»Nein, Deine Mönche.«

»Wie die Fässer, abgesehen davon, daß sie roth waren wie gesottene Krebse; ich machte diese Bemerkung gegen Borromée.«

»Bravo!«

»Ah! ich schlafe nicht.«

»Und was hat er geantwortet?«

»Warte, das war sehr subtil.«

»Ich glaube es.«

»Er antwortete, das sehr lebhafte natürliche Verlangen bringe dieselben Wirkungen hervor, wie die Befriedigung.«

»Oh! oh!« machte Chicot, »alle Wetter! das ist in der That äußerst subtil, wie Du sagst. Dein Borromée ist sehr stark, ich wunderte mich, daß er eine so schmale Nase und so dünne Lippen hat. Und das überzeugte Dich?«

»Ganz und gar, und Du wirst selbst überzeugt werden, nähere Dich ein wenig, denn ich kann mich nicht mehr ohne einen Schwindel rühren.«

Chicot rückte näher. Gorenflot machte aus seiner Hand einen akustischen Trichter, den er an das Ohr von Chicot hielt.

»Nun?« fragte Chicot«

»Warte doch, ich will mich kurz fassen. Erinnerst Du Dich noch der Zeit, wo wir jung waren, Chicot?«

»Ich erinnere mich.«

»Der Zeit, wo das Blut brannte… wo unehrbare Gelüste?…«

»Prior! Prior!« rief der keusche Chicot.

»Borromée spricht, und ich behaupte, er hat Recht; brachte ein sehr lebhaftes Verlangen nicht zuweilen die Illusionen der Wirklichkeit hervor?«

Chicot lachte so heftig, daß der Tisch mit den Flaschen zitterte, wie der Boden einen Schiffes.

»Gut, gut,« sagte er, »ich werde in die Schule von Bruder Borromée gehen, und wenn mich seine Theorien gehörig durchdrungen haben, werde ich Euch um eine Gnade bitten, mein Ehrwürdiger.«

»Und sie soll Euch bewilligt werden, wie Alles was Ihr von Eurem Freunde verlangt. Sprecht nun, was für eine Gnade?«

»Beauftragt mich nur acht Tage lang mit der Oekonomie-Verwaltung der Priorei.«

»Und was wollt Ihr während dieser acht Tage thun?«

»Ich werde den Bruder Borromée mit seinen Theorien füttern, ihm eine Platte und ein leeres Glas vorsetzen und ihm sagen: verlangt mit der ganzen Macht Euers Hungers und Euren Durstes ein wälsches Huhn mit Champignons und eine Flasche Chambertin, aber nehmt Euch in Acht, daß Ihr Euch nicht mit diesem Chambertin berauscht, nehmt Euch in Acht vor einer Indigestion durch dieses wälsche Huhn, lieber Bruder Philosoph.«

»Du glaubst also nicht an das natürliche Verlangen, Heide?« sagte Gorenflot.

»Es ist gut! es ist gut! ich glaube, was ich glaube, doch lassen wir die Theorien.«

»Es sei, lassen wir sie und sprechen wir ein wenig von der Wirklichkeit,« versetzte Gorenflot. Und er füllte sich ein Glas.

»Auf die gute Zeit, von der Du vorhin sprachst, Chicot,« sagte er, »auf unsere Abendbrode im Füllhorn

»Bravo, ich glaubte, Du hättest dies Alles vergessen, Ehrwürdiger.«

»Profaner, dies Alles schläft unter der Majestät meiner Stellung; aber ich, bin, bei Gott! immer derselbe.«

Und Gorenflot stimmte, obgleich ihn Chicot wiederholt zum Schweigen ermahnte, sein Lieblingslied an.

»Riecht der Esel nur die Weid,

Spitzt er stracks das lange Ohr,

Ist die Flasch’ vom Kork befreit,

Spritzet wilder Wein empor.

Doch nichts ist so ausgelassen,

Als der Mönch vom Wein erhitzt,

Der sich tollt in Schenk und Gassen,

Wenn die Freiheit ihm geblitzt.«


Die Fünf und Vierzig

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