Читать книгу Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4 - Александр Дюма - Страница 27

Drittes bis sechstes Bändchen
XXVII
Der Vortheil, den man aus einem abgeschnittenen Kopfe ziehen kann

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Gilbert hatte rasch das Billet gelesen, das ihm Mirabeau zugesteckt, er hatte es langsam ein zweites Mal gelesen und sodann in seine Westentasche geschoben. Hierauf hatte er einen Fiacre gerufen und dem Kutscher Befehl gegeben, ihn in die Tuilerien zu führen.

Bei seiner Ankunft fand er alle Gitter geschlossen und alle Wachen verdoppelt, auf Befehl von Lafayette, der, so bald er erfahren, es finden Unruhen in Paris statt, damit angefangen, daß er aus die Sicherheit des Königs und der Königin bedacht gewesen war, wonach er sich an den Ort, wo, wie man ihm gesagt, die Unruhen stattfanden, begeben hatte.

Gilbert gab sich dem Concierge der Rue de l’Echelle zu erkennen und gelangte in das Innere.

Als ihn Madame Campan, welche von der Königin das Losungswort erhalten hatte, erblickte, ging sie ihm entgegen und führte ihn sogleich ein. Weber war, der Königin gehorchend, zu den Orten zurückgekehrt, wo Neues sich ereignete.

Als sie Gilbert gewahrte, stieß die Königin einen Schrei aus.

Ein Theil des Rockes und des Jabot von Gilbert war in dem Kampfe, den er ausgehalten, um den unglücklichen François zu retten, zerrissen worden, und einige Blutstropfen befleckten seine Hand.

»Madame,« sagte er. »ich bitte Eure Majestät um Verzeihung, daß ich so vor ihr erscheine; aber ich habe sie unwillkürlich schon lange genug warten lassen, und ich wollte sie nicht länger warten lassen.«

»Und der Unglückliche, Herr Gilbert?«

»Er ist todt, Madame, er ist ermordet, in Stücke zerrissen worden  . . .«

»Er war doch wenigstens schuldig?«

»Er war unschuldig, Madame.«

»Oh! mein Herr, das sind die Früchte Ihrer Revolution! Nachdem sie die adeligen Herren, die Staatsbeamten, die Garden umgebracht haben, erwürgen sie einander unter sich; es gibt also kein Mittel, Gerechtigkeit an diesen Mördern zu üben?«

»Wir werden bemüht sein, dies zu thun; mehr werth wäre es aber, den Mördern zuvorzukommen, als sie zu bestrafen.«

»Wie soll man denn zu diesem Ziele gelangen? Mein Gott!l der König und ich verlangen ja nichts Anderes.«

»Madame, alle diese unglücklichen Vorfälle rühren von einem großen Mißtrauen des Volkes gegen die Agenten der Macht her: stellen Sie an die Spitze der Regierung Männer, welche das Vertrauen des Volkes haben, und nichts Aehnliches wird mehr vorfallen.«

»Ja, ja. Herrn von Mirabeau, Herrn von Lafayette, nicht wahr?«

»Ich hoffte, die Königin habe mich rufen lassen, um mir zu sagen, sie habe den König dahin gebracht, daß er aufhöre, gegen die von mir vorgeschlagene Combination feindlich gesinnt zu sein.«

»Vor Allem, Doctor, verfallen Sie in einen schweren Irrthum, einen Irrthum, in den übrigens auch Andere als Sie verfallen: Sie glauben, ich habe Einfluß auf den König? Sie glauben, er folge meinen Eingebungen? Sie täuschen sich; wenn Jemand Einfluß aus den König hat, so ist es Madame Elisabeth und nicht ich, und zum Beweise dient, daß er gestern erst einen von meinen Dienern, Herrn von Charny, in einer Mission abgeschickt hat, ohne daß ich weiß, wohin derselbe geht und in welchem Zwecke er abgereist ist.«

»Und dennoch, wenn die Königin ihren Widerwillen gegen Herrn von Mirabeau überwinden wollte, könnte ich ihr dafür stehen, daß der König meinen Wünschen beizutreten bestimmt würde.«

»Sprechen Sie, Herr Gilbert/’ versetzte die Königin lebhaft, »werden Sie mir zufällig sagen, dieser Widerwille sei nicht motivirt?«

»In der Politik, Madame, soll es weder Sympathie, noch Antipathie geben: es soll Verwandtschaften der Principien oder Combinationen der Interessen geben, und ich muß Eurer Majestät zur Schande der Menschen bemerken, daß die Combinationen der Interessen viel sicherer sind, als die Principienverwandtschaften.«

»Doctor, werden Sie mir im Ernste sagen, ich soll mich einem Manne anvertrauen, der den 5. und 6. October gemacht, und mit einem Redner einen Vertrag abschließen, der mich öffentlich auf der Tribune beschimpft hat?«

»Glauben Sie mir, Madame, nicht Herr von Mirabeau hat den 5. und 6. October gemacht; die Hungersnoth, das Elend haben das Werk des Tags begonnen, ein geheimnißvoller, mächtiger, erschrecklicher Arm aber hat das Werk der Nacht gemacht . . .Vielleicht werde ich eines Tags im Stande sein, Sie auf dieser Seite zu vertheidigen und mit der finstern Macht zu kämpfen, welche nicht nur Sie allein, sondern auch alle die anderen gekrönten Häupter, nicht nur den Thron von Frankreich, sondern auch alle Throne der Erde verfolgt. So wahr ich die Ehre habe, mein Leben zu Ihren Füßen und zu denen des Königs zu legen, Madame, eben so wahr ist Herr von Mirabeau nicht betheiligt an jenen gräßlichen Tagen, und er hat in der Nationalversammlung wie die Andern, vielleicht ein wenig früher als die Andern, durch ein Billet, das ihm zugestellt wurde, erfahren, das Volk marschire gegen Versailles.«

»Werden Sie auch das leugnen, was weltkundig ist, ich meine die Beleidigung, die er mir aus der Tribüne angethan hat?«

»Madame, Herr von Mirabeau ist einer von den Männern, die ihren Werth kennen und sich erbittern, wenn, während sie sehen, wozu sie taugen und von welcher Hilfe sie sein können, die Könige halsstarrig sie nicht verwenden; ja, damit Sie die Augen gegen ihn wenden, Madame, wird Herr von Mirabeau jedes Mittel, sogar die Beleidigung gebrauchen; es wird ihm lieber sein, wenn die erhabene Tochter von Maria Theresia, Königin und Frau, einen zornigen Bück aus ihn wirst, als wenn sie ihn gar nicht anschaut.«

»Sie glauben also, Herr Gilbert, dieser Mann würde einwilligen, uns zu gehören?«

»Er ist ganz und gar hierzu bereit, Madame; entfernt sich Herr von Mirabeau vom Königthum, so ist es wie bei einem Pferde, das Seitensprünge macht und nur den Zügel und den Sporn seines Reiters zu fühlen braucht, um aus den rechten Weg zurückzukehren.«

»Da er aber schon dem Herrn Herzog von Orleans gehört, so kann er nicht der ganzen Weit gehören?«

»Darin liegt gerade der Irrthum, Madame.«

»Herr von Mirabeau gehört nicht dem Herrn Herzog von Orleans?« versetzte die Königin.

»Er gehört so wenig dem Herrn Herzog von Orleans, daß er, als er vernahm, der Prinz habe sich nach England vor den Drohungen von Herrn von Lafayette zurückgezogen, in seinen Händen das Billet von Herrn von Lauzun, welches ihm diese Abreise meldete, zerknitternd, sagte: »»Man behauptet, ich gehöre zur Partei dieses Menschen. Ich möchte nicht einmal für meinen Lackei etwas von ihm!««

»Ah! das söhnt mich wieder ein wenig mit ihm aus,« sprach die Königin, indem sie zu lächeln suchte, »und wenn ich glaubte, man könnte wirklich aus ihn zählen?  . . .«

»Nun?«

»Nun, vielleicht wäre ich weniger weit als der König davon entfernt, auf ihn zurückzukommen.«

»Madame am Morgen nach dem Tage, wo das Volk von Versailles Eure Majestät, sowie der König und die königliche Familie zurückgeführt hat, traf ich Herrn von Mirabeau  . . .«

»Berauscht von seinem Siege am vorhergehenden Tage . . .«

»Erschrocken über die Gefahren, welche Sie liefen, und über die, welche Sie noch lausen könnten.«

»Wahrhaftig, sind Sie dessen sicher?« versetzte die Königin mit einer Miene des Zweifels.

»Soll ich Ihnen die Worte mittheilen, die er mir gesagt hat?«

»Ja, Sie werden mir Vergnügen machen.«

»So vernehmen Sie dieselben, Wort für Wort; ich habe sie in mein Gedächtniß eingegraben, in der Hoffnung, ich werde eines Tags Gelegenheit haben, sie Eurer Majestät zu wiederholen: »»Wissen Sie ein Mittel, sich beim König und bei der Königin Gehör zu verschaffen, so bringen sie ihnen die Ueberzeugung bei, daß Frankreich und sie verloren sind, wenn die königliche Familie Paris nicht verläßt. Ich beschäftige mich mit einem Plane, um ihren Abgang zu bewerkstelligen. Wären sie im Stande, ihnen die Versicherung zu geben, daß sie auf mich zählen können?««

Die Königin wurde nachdenkend.

»Also,« sagte sie, »es ist also auch die Ansicht von Herrn von Mirabeau, daß wir Paris verlassen sollen?«

»Es war seine Ansicht damals.«

»Und er hat sie seitdem geändert?«

»Ja, wenn ich einem Bittet glauben darf, welches ich vor einer halben Stunde erhalten habe.«

»Von wem?«

»Von ihm selbst.«

»Kann man dieses Bittet sehen?«

»Es ist für Eure Majestät bestimmt,« erwiederte Gilbert.

Und er zog das Papier aus seiner Tasche.

»Eure Majestät wird entschuldigen, es ist auf Schülerpapier und auf dem Comptoir eines Weinhändlers geschrieben worden.«

»Oh! seien Sie hierüber unbesorgt: Papier und Pult, Alles ist im Einklang mit der Politik, welche in diesem Augenblick getrieben wird.«

Die Königin nahm das Papier und las:

»Das Ereignis, von heute verändert das Angesicht der Dinge.

»Man kann einen großen Nutzen aus diesem abgeschnittenen Kopfe ziehen.

»Die Nationalversammlung wird bange haben und das Martialgesetz verlangen.

»Herr von Mirabeau kann das Martialgesetz unterstützen und votiren lassen.

»Herr von Mirabeau kann behaupten, es sei nur Heil darin zu suchen, daß man die Macht der Exekutivgewalt zurückgebe.

»Herr von Mirabeau kann Herrn von Necker über die Lebensmittel angreifen und ihn stürzen.

»An der Stelle des Ministeriums Necker mache man ein Ministerium Mirabeau und Lafayette, Herr von Mirabeau steht für Alles!«

»Nun?« sagte die Königin, »dieses Billet ist nicht unterzeichnet?«

»Hatte ich nicht die Ehre gehabt, Eurer Majestät zu sagen, Herr von Mirabeau habe es mir selbst übergeben?«

»Was denken Sie von Allem dem?«

»Meine Ansicht, Madame, ist, daß Herr von Mirabeau vollkommen Recht hat, und daß die Verbindung, die er vorschlägt, allein Frankreich retten kann.«

»Gut; Herr von Mirabeau lasse mir durch Sie eine Denkschrift über die Lage der Dinge und den Entwurf eines Ministeriums zukommen; ich werde Alles dem König vorlegen.«

»Und Eure Majestät wird es unterstützen?«

»Ich werde es unterstützen.«

»Mittlerweile also, und als erstes dem Königthum gegebenes Pfand, kann Herr von Mirabeau das Martialgesetz vertheidigen und verlangen, daß die Macht der Executivgewalt zurückgegeben werde?«

»Er kann das.«

»Dagegen würde, sollte der Sturz von Herrn von Necker dringlich werden, ein Ministerium Lafayette und Mirabeau nicht ungünstig ausgenommen?«

»Durch mich? Nein. Ich will beweisen, daß ich bereit bin, alle meine persönlichen Gefühle dem Wohle des Staates zu opfern. Nur, wie Sie wissen, stehe ich nicht für den König.«

»Würde uns Monsieur bei dieser Angelegenheit beistehen?«

»Ich glaube, daß Monsieur seine eigenen Projecte hat, die ihn verhindern werden, die von Andern zu unterstützen.«

»Und die Königin hat von den Projecten von Monsieur keine Idee?«

»Ich glaube, er ist der ersten Ansicht von Herrn von Mirabeau, nämlich, daß der König Paris verlassen soll.«

»Eure Majestät ermächtigt mich, Herrn von Mirabeau zu sagen, daß diese Denkschrift und dieser Entwurf eines Ministeriums von Eurer Majestät verlangt werden?«

»Ich mache Herrn Gilbert zum Richter über das Maaß, welches er einem Manne gegenüber zu beobachten hat, der unser Freund von gestern ist und morgen wieder unser Feind werden kann.«

»Oh! in diesem Punkte verlassen Sie sich aus mich; nur, da die Umstände ernst sind, ist keine Zeit zu verlieren; erlauben Sie also, daß ich in die Nationalversammlung gehe und Herrn von Mirabeau heute noch zu sehen suche; sehe ich ihn, so wird Eure Majestät in zwei Stunden die Antwort haben.«

Die Königin machte mit der Hand ein Zeichen der Beistimmung und des Abschieds. Gilbert entfernte sich.

Eine Viertelstunde nachher war er in der Nationalversammlung.

Er fand die Versammlung in großer Aufregung wegen des vor ihren Thüren begangenen Verbrechens, und zwar begangen an einem Manne, der gleichsam ihr Diener war.

Die Mitglieder gingen von der Tribune zu ihren Bänken, von ihren Bänken in den Corridor hin und her.

Mirabeau saß allein, unbeweglich aus seinem Platze. Er wartete und hatte die Augen auf die öffentliche Tribune geheftet.

Als er Gilbert erblickte, klärte sich sein Löwengesicht auf.

Gilbert machte ihm ein Zeichen, das er durch eine Bewegung des Kopfes von oben nach unten erwiederte.

Gilbert riß ein Blatt aus seinen Tabletten und schrieb:

»Ihre Vorschläge sind angenommen, wenn nicht von beiden Partien, doch wenigstens von derjenigen, welche Sie für die einflußreichere von beiden halten und die ich auch dafür halte.

»Man verlangt eine Denkschrift für morgen, den Entwurf eines Ministeriums für heute.

»Bewirken Sie, daß die Macht der Executivgewalt zurückgegeben wird, und die Executivgewalt wird mit Ihnen rechnen.«

Dann legte er das Papier in Briefform zusammen, schrieb als Adresse daraus: »An Herrn von Mirabeau,« rief einem Huissier und ließ das Billet an seine Bestimmung tragen.

Von der Tribune, wo er war, sah Gilbert den Huissier in den Saal eintreten, gerade aus den Abgeordneten von Aix zugehen und ihm das Billet übergeben.

Mirabeau las es mit einem Ausdrucke so tiefer Gleichgültigkeit, daß es seinem nächsten Nachbar unmöglich gewesen wäre, zu errathen, das Billet, welches er so eben empfangen, entspreche seinen glühendsten Wünschen; und mit derselben Gleichgültigkeit schrieb er aus ein halbes Blatt Papier, das er vor sich hatte, ein paar Zeilen, faltete es nachlässig zusammen, gab es, immer mit derselben scheinbaren Sorglosigkeit, dem Huissier und sagte:

»Der Person, welche Ihnen das Billet, das Sie mir gebracht zugestellt hat.«

Gilbert öffnete rasch das Papier.

Es enthielt folgende paar Zeilen, welche vielleicht für Frankreich eine andere Zukunft in sich schlossen hätte der Plan, den sie vorschlugen, zur Ausführung gebracht werden können:

»Ich werde sprechen.

»Morgen werde ich die Denkschrift schicken.

»Hier ist die verlangte Liste; man wird ein paar Namen modificiren können.

»Herr Necker, erster Minister  . . .«

Dieser Name ließ Gilbert beinahe zweifeln, daß das Billet, welcher er las, von der Hand von Mirabeau sei.

Da aber eine Note zwischen zwei Klammern auf diesen Namen wie auf die andern folgte, so fuhr er fort:

»Herr Necker, erster Minister. (Man muß ihn so ohnmächtig machen, daß er unfähig ist, und dennoch seine Popularität dem König erhalten.)

»Der Erzbischof von Bordeaux, Kanzler. (Man wird ihm empfehlen, mit großer Sorgfalt seine Redacteurs zu wählen)

»Der Herzog von Liancourt, Krieg. (Er hat Ehre, Festigkeit, persönliche Zuneigung für den König, was dem König Sicherheit geben wird.)

»Der Herzog von Larochefoucault. Haus des Königs, Stadt Paris. (Thouret mit ihm )

»Der Graf von der Mark, Marine. (Er kann das Kriegsdepartement nicht haben, das man Herrn von Liancourt geben muß. Herr von der Mark hat Treue, Charakter, Ausführung.)

»Der Bischof von Autun, Minister der Finanzen. (Seine Motion in Betreff der Geistlichkeit hat ihm diese Stelle erworben. Laborde mit ihm.)

»Der Graf von Mirabeau im Conseil des Königs. Ohne Departement. (Die kleinen Bedenklichkeiten rücksichtlich des Urtheils der Menschen sind nicht mehr an der Zeit; die Regierung muß ganz laut versichern und erklären, ihre ersten Hilfsgenossen werden fortan der Charakter und das Talent sein)

»Target, Maire von Paris. (Die Basoche wird ihn immer leiten.)

»Lafayette im Conseil; Marschall von Frankreich, Generalissimus aus Termin, um die Armee neu zu bilden.

»Herr von Montmorin, Gouverneur, Herzog und Pair. (Seine Schulden bezahlt.)

»Herr von Segur (von Rußland), auswärtige Angelegenheiten.

«Herr von Mounier, die Bibliothek des Königs,

»Herr Charpellter, die Gebäude.

Unter diese erste Note war folgende zweite geschrieben:

Theil von Lafayette

»Minister der Justiz, der Herzog von Larochefoucault.

»Minister der auswärtigen Angelegenheiten, der Bischof von Autun.

«Minister der Finanzen, Lambert, Haller oder Clavières.

»Minister der Marine  . . .«

Theil der Königin

»Minister des Kriegs oder der Marine, von der Mark.

»Chef des Bildungs – und Erziehungsrathes, der Abbé Sieyès.

»Geheimer Siegelbewahrer des Königs  . . .

Die zweite Note deutete offenbar die Veränderungen und Modificationen an, welche sich an der von Mirabeau vorgeschlagenen Combination machen ließen, ohne Hindernisse seinen Absichten entgegenzusetzen, ohne Verwirrung in seine Pläne zu bringen.9

Alles war mit einer leicht zitternden Hand geschrieben, was bewies, daß Mirabeau, gleichgültig auf der Oberfläche, doch in seinem Innern von einer gewissen Bewegung ergriffen war.

Gilbert las rasch, riß ein neues Blatt Papier aus seinen Tabletten und schrieb darauf folgende Zeilen, welche er, nachdem er sie geschrieben, dem Huissier übergab, den er sich nicht zu entfernen gebeten hatte.

»Ich kehre zu der Herrin der Wohnung zurück, die wir miethen wollen, und bringe ihr die Bedingungen, unter denen Sie das Haus zu nehmen und wiederherzustellen einwilligen.

»Thun Sie mir in mein Haus, Rue Saint-Honoré, über der Assomption, der Bude eines Tischlers Namens Duplay gegenüber, das Resultat der Sitzung zu wissen, so bald sie beendigt ist.«

Immer gierig nach Bewegung und Aufregung, angestachelt durch die Hoffnung, sie werde durch die politischen Intriguen die Leidenschaften ihres Herzens zu bekämpfen vermögen, wartete die Königin voll Ungeduld aus die Rückkehr von Gilbert, während sie die neue Erzählung von Weber anhörte.

Diese Erzählung betraf die Entwickelung der gräßlichen Scene, deren Anfang und nun auch Ende Weber gesehen hatte.

Von der Königin zurückgeschickt, um Erkundigungen einzuziehen, war er auf ein Ende des Pont Notre-Dame gelangt, während aus dem andern Ende dieser Brücke der blutige Cortége erschien, als Mordstandarte den Kopf des Bäcker François tragend, den in einer Volksverhöhnung, ähnlich der, welche die Köpfe der Gardes du corps beim Pont de Sèvres hatte rasiren und frisiren lassen, einer der Mörder, der drolliger als die Andern, mit einer baumwollenen Mütze, die er einem von seinen Zunftgenossen genommen, geschmückt hatte.

Ungefähr auf dem Drittel der Brücke blieb eine bleiche, bestürzte, von Schweiß triefende junge Frau, welche trotz eines schon sichtbaren Anfangs von Schwangerschaft so rasch als möglich nach dem Stadthause lief, plötzlich stehen.

Dieser Kopf, dessen Züge sie noch nicht zu unterscheiden im Stande gewesen war, halte jedoch schon in der Entfernung die Wirkung des Schildes im Alterthum auf sie hervorgebracht.

Und wie der Kopf immer näher kam, ließ sich leicht an der sichtbaren Verwandlung der Gesichtszüge der Armen wahrnehmen, daß sie nicht in Stein verwandelt war.

Als die gräßliche Trophäe nur noch zwanzig Schritte von ihr entfernt, gab sie einen Schrei von sich, streckte die Arme mit einer verzweifelten Bewegung aus und fiel, als hätten sich ihre Füße von der Erde gelöst, ohnmächtig aus die Brücke nieder.

Das war die im fünften Monat schwangere Frau von François.

Man trug sie bewußtlos vom Platze.

»Oh! mein Gott!« murmelte die Königin, »Du schickst hier Deiner Magd die entsetzliche Lehre, daß es, so unglücklich man auch sein mag, immer noch Unglücklichere gibt!«

In diesem Augenblick erschien Gilbert, eingeführt durch Madame Campan, welche Weber in der Bewachung der königlichen Thüre ersetzt hatte.

Er fand nicht mehr die Königin, sondern die Frau, das heißt die Gattin, das heißt die Mutter, niedergebeugt unter der Erzählung, die sie zweimal in’s Herz getroffen.

Die Stimmung war um so besser, da Gilbert, wenigstens seiner Meinung nach, das Mittel bot, um allen diesen Morden ein Ziel zu setzen.

Die Königin nahm, während sie Ihre Augen, denen Thränen entrollten, und ihre Stirne, auf der der Schweiß perlte, abwischte, aus den Händen von Gilbert die Liste, die er brachte.

Doch ehe sie einen Blick aus dieses Papier warf, so wichtig es war, sagte sie:

»Weber, wenn diese arme Frau nicht todt ist, so werde ich sie morgen empfangen, und ist sie wirklich in anderen Umständen, so werde ich die Pathe ihres Kindes sein.«

»Oh! Majestät!« rief Gilbert, »warum können nicht alle Franzosen die Thränen sehen, die Ihren Augen entfließen, die Worte hören, die aus Ihrem Munde kommen!«

Die Königin bebte. Das waren ungefähr dieselben Worte, welche bei einem nicht minder kritischen Umstande Charny ihr gesagt hatte.

Sie warf einen Blick aus die Note von Mirabeau; doch in diesem Moment zu sehr erschüttert, um eine entsprechende Antwort zu geben, sagte sie:

»Es ist gut, Doctor; lagen Sie mir diese Note. Ich werde es mir überlegen und Ihnen morgen antworten.«

Dann streckte sie, vielleicht ohne zu wissen, was sie that, gegen Gilbert eine Hand aus, welche dieser, ganz erstaunt, nur mit dem Ende der Finger und der Lippen berührte.

Man wird zugestehen, es war schon eine furchtbare Verwandlung für die stolze Marie Antoinette, daß sie Erörterungen über ein Ministerium pflog, bei welchem Mirabeau und Lafayette betheiligt waren, und ihre Hand zum Kusse dem Doctor Gilbert reichte.

Um sieben Uhr Abends übergab ein Bedienter ohne Livree Gilbert folgendes Billet:

»Die Sitzung ist heiß gewesen.

»Das Martialgesetz ist votirt.

»Buzot und Robespierre wollten die Schöpfung eines höchsten Gerichtshofes für politische Verbrecher.

»Ich habe decretiren lassen, daß die Verbrechen der beleidigten Nation (das ist ein neues Wort, welches wir erfunden haben) durch das königliche Tribunal abgeurtheilt werden sollen.

»Ich habe, ohne Umschweife, das Heil Frankreichs in die Macht des Königthums gesetzt, und drei Viertel der Versammlung klatschten Beifall.

»Es ist heute der 21. October. Ich hoffe, das Königthum hat einen guten Weg seit dem 6. October gemacht.

»Vale et me ama.«

Das Billet war nicht unterzeichnet, aber es war von derselben Handschrift wie die ministerielle Note und das Billet vom Morgen; was ganz aus eins herauskam, da diese Schrift die von Mirabeau war.

9

 Diese Noten, welche man in den Papieren von Mirabeau wieder aufgefunden, sind seitdem, in dem von Herrn von Bacourt veröffentlichten Werke gesammelt worden, das ein scharfes Licht aus die zwei letzten Lebensjahre von Mirabeau wirft.

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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