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Drittes bis sechstes Bändchen
XXIX
Abermals das Haus der Rue Saint-Claude

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Man weiß übrigens, welche Gewalt Gilbert über sich besaß; er hatte nicht den großen einsamen Hof durchschritten, als er sich schon wieder erholt, und er stieg mit einem eben so festen Tritte die Stufen der Freitreppe hinauf, als er schwankend über die Thürschwelle gegangen war.

Ueberdies kannte er das Haus, in das er eintrat, schon, da er in demselben einen Besuch in einer Epoche seines Lebens gemacht, welche tiefe Erinnerungen in ihm hinterlassen hatte,

Im Vorzimmer traf er denselben deutschen Bedienten, den er sechszehn Jahre früher hier getroffen; er war an demselben Platze und trug eine ähnliche Livree; nur war er, wie er, Gilbert, wie der Graf, wie selbst das Vorzimmer, um sechszehn Jahre älter geworden.

Fritz, – man erinnert sich, daß der würdige Diener so hieß, – Fritz errieth mit dem Auge, wohin sein Herr Gilbert führen wollte, und rasch öffnete er zwei Thüren und blieb aus der Schwelle der dritten stehen, um sich zu versichern, ob ihm Cagliostro keinen weiteren Besehl zu geben habe.

Diese dritte Thür war die des Salon.

Cagliostro bedeutete Gilbert durch ein Zeichen mit der Hand, er könne in den Salon eintreten, und hieß mit dem Kopfe nickend Fritz sich zurückziehen.

Nur fügte er mit der Stimme in deutscher Sprache bei:

»Ich bin bis auf weiteren Befehl für Niemand zu Hause.«

Dann wandte er sich gegen Gilbert um und sagte:

»Nicht, damit Sie nicht verstehen, was ich zu meinem Bedienten sage, spreche ich deutsch; ich weiß, daß Sie dieser Sprache mächtig sind; aber Fritz, ein Tyroler, versteht das Deutsche besser als das Französische . . .Nun setzen Sie sich, ich gehöre ganz Ihnen, lieber Doctor.«

Gilbert konnte sich nicht enthalten, mit einem neugierigen Blicke umherzuschauen, und seine Augen hefteten sich nach und nach aus die verschiedenen Meubles und Gemälde, welche den Salon schmückten, und es schien einer um den andern von diesen Gegenständen in sein Gedächtniß zurückzukehren.

Der Solon war wohl derselbe wie einst, die acht Meisterbilder hingen noch an den Wänden; die Fauteuils von kirschrothem, goldgesticktem Lampas ließen immer noch ihre Blumen in dem Halbschatten, den die dichten Vorhänge verbreiteten, glänzen; der große Tisch von Boule war an seinem Plage, und die mit Porzellan von Sèvres beladenen Guéridons erhoben sich immer noch zwischen den Fenstern.

Gilbert stieß einen Seufzer aus und ließ seinen Kopf in seine Hand fallen. Auf die Neugierde der Gegenwart waren, für einen Augenblick wenigstens, die Erinnerungen an die Vergangenheit gefolgt.

Cagliostro schaute Gilbert an, wie Mephistopheles Faust anschauen mußte, als der deutsche Philosoph so unklug war, sich vor ihm seinen Träumen hinzugeben.

Plötzlich sagte er mit seiner scharfen Stimme:

»Es scheint, lieber Doctor, Sie erkennen diesen Salon wieder?«

»Ja, und er erinnert mich an die Verbindlichkeiten, die ich gegen Sie habe.«

»Ah! bah! Chimären!«

»Wahrhaftig,« fuhr Gilbert fort, der eben so wohl mit sich selbst, als mit Cagliostro sprach, »Sie sind ein seltsamer Mann, und erlaubte mir die allmächtige Vernunft den magischen Wundern, welche uns die Dichter und Chronikschreiber des Mittelalters berichten, Glauben beizumessen, so wäre ich versucht, zu glauben, Sie seien Zauberer wie Merlin oder Goldmacher wie Nicolas Flamel.«

»Ja, für alle Welt bin ich dies, Gilbert; doch für Sie, nein. Nie habe ich Sie durch Wunder zu blenden gesucht. Sie wissen, ich ließ Sie immer den Grund der Dinge berühren, und haben Sie zuweilen, auf meinen Ruf, die Wahrheit aus ihrem Schachte ein wenig mehr geschmückt, ein wenig besser gekleidet, als sie dies zu sein pflegt, hervorkommen sehen, so rührt dies davon her, daß ich als achter Sicilianer, was ich bin, den Geschmack für Flittergold habe.«

»Hier, wie Sie sich erinnern, Graf, haben Sie hundert tausend Thaler einem unglücklichen Kinde in Lumpen mit derselben Leichtigkeit gegeben, wie ich einem Armen einen Sou geben würde.«

»Sie vergessen etwas noch Außerordentlicheres, Gilbert,« sprach Cagliostro mit ernstem Tone: »daß mir dieses Kind in Lumpen die hundert tausend Thaler, weniger zwei Louis d’or, die es angewendet, um sich Kleider zu kaufen, zurückgebracht hat.«

»Das Kind war nur ehrlich, während Sie herrlich waren.«

»Und wer sagt Ihnen, Gilbert, es sei nicht leichter herrlich, als ehrlich zu sein, hundert tausend Thaler zu geben, wenn man Millionen hat, als demjenigen, welcher er sie Ihnen geliehen, hundert tausend Thaler zurückzubringen, wenn man keinen Sou hat.«

»Das ist vielleicht wahr,« versetzte Gilbert.

»Uebrigens hängt Alles von der Stimmung des Geistes ab, in der man sich befindet. Es war mir kurz zuvor das größte Unglück meines Daseins widerfahren, Gilbert; ich hing an nichts mehr, und hätten Sie mein Leben von mir verlangt, ich glaube, Gott verzeihe mir, ich würde es Ihnen gegeben haben, wie ich Ihnen dir hundert tausend Thaler gab.«

»Sie sind also eben so dem Unglück unterworfen, wie die anderen Menschen?« sagte Gilbert, indem er Cagliostro mit einem gewissen Erstaunen anschaute.

Cagliostro seufzte.

»Sie sprachen von Erinnerungen, die dieser Salon in Ihnen zurückruft. Spräche ich Ihnen von dem, woran er mich erinnert  . . . Doch nein; vor dem Ende meiner Erzählung würden der Rest meiner Haare weiß werden; lassen wir die abgelaufenen Ereignisse in ihrem Leichentuche, der Vergessenheit, – in der Vergangenheit, ihrem Grabe, – schlafen  . . .Plaudern mir von der Gegenwart, plaudern wir sogar von der Zukunft, wenn Sie wollen.«

»Graf, so eben führten Sie mich selbst zur Wirklichkeit zurück; so eben brachen Sie für mich, wie Sie sagten, mit dem Charlatanismus, und nun sprechen Sie selbst das sonore Wort: die Zukunft, aus? Als ob diese Zukunft in Ihren Händen wäre, und als ob Ihre Augen ihre unentzifferbaren Hieroglyphen lesen könnten!«

»Und Sie vergessen, daß man sich, da ich zu meiner Verfügung mehr Mittel habe, als die anderen Menschen, nicht wundern darf, wenn ich besser und weiter sehe, als sie.«

»Immer Worte, Graf!«

»Sie sind vergeßlich in Betreff der Thatsachen, Doctor.«

»Was wollen Sie, – wenn meine Vernunft sich weigert; zu glauben?«

»Erinnern Sie sich des Philosophen, der die Bewegung leugnete?«

»Ja.«

»Was that sein Gegner?«

»Er ging von ihm  . . .Gehen Sie! ich schaue, oder vielmehr, sprechen Sie! ich höre Sie.«

»In der That, wir sind zu diesem Ende gekommen, und es ist nun schon viel Zeit mit Anderem verloren. Reden Sie, Doctor, woran sind wir mit unserem Fusions-Ministerium?«

»Wie, mit unserem Fusionsministerium?«

»Ja, mit unserem Ministerium Mirabeau,Lafayette.«

»Wir sind bei leeren Gerüchten, welche Sie, wie die Anderen, haben wiederholen hören, und Sie wollen ihre Realität erkennen, indem Sie mich befragen.«

»Doctor, Sie sind der eingefleischte Zweifel, und das Erschreckliche daran ist, daß Sie zweifeln, nicht weil Sie nicht glauben, sondern weil Sie nicht glauben wollen. Ich muß Ihnen also zuerst sagen, was Sie so gut wissen, als ich? Es sei  . . .Hernach werde ich Ihnen sagen, was ich besser weiß, als Sie.«

»Ich höre, Graf.«

»Vor vierzehn Tagen sprachen Sie mit dem König von Herrn von Mirabeau als von dem einzigen Manne, der die Monarchie retten könnte. An jenem Tage, – erinnern Sie sich dessen, – gingen Sie aus dem Zimmer des Königs weg, als Herr von Favras gerade eintrat.«

»Was beweist, daß er damals noch nicht gehenkt war, Graf,« sagte Gilbert lachend.

»Oh! Sie haben große Eile, Doctor! ich wußte nicht, daß Sie so grausam sind; lassen Sie doch dem armen Teufel ein paar Tage: ich habe Ihnen die Prophezeiung am 6. October gemacht; heute ist der 6. November, das ist nicht mehr als ein Monat. Sie werden wohl seiner Seele, um aus seinem Körper zu gehen, die Zeit bewilligen, die man einem Miethmann bewilligt, um seine Wohnung zu verlassen – das Trimester. Doch ich muß Ihnen bemerken, Doctor, daß Sie mich vom geraden Wege abbringen.«

»Kehren Sie auf denselben zurück, Graf; ich folge Ihnen mit Vergnügen,«

»Sie sprachen also mit dem König von Herrn von Mirabeau als von dem einzigen Menschen, der die Monarchie retten könnte.«

»Das ist meine Meinung, Graf; darum habe ich diese Combination dem König vorgeschlagen.«

»Das ist auch die meinige, Doctor; darum wird die Combination, die Sie dem König vorgeschlagen haben, scheitern.«

»Scheitern?«

»Allerdings  . . .Sie wissen wohl, ich will nicht, daß die Monarchie gerettet werde!«

»Fahren Sie fort.«

»Ziemlich erschüttert durch das, was Sie ihm sagten, hat der König, – verzeihen Sie, ich bin genöthigt, von oben wieder aufzunehmen, um Ihnen zu beweisen, daß mir nicht eine Phase der Unterhandlung unbekannt ist, – ziemlich erschüttert durch das, was Sie ihm sagten, hat der König von Ihrer Combination mit der Königin gesprochen, und, – zum großen Erstaunen der oberflächlichen Geister, wenn die große Schwätzerin, die man die Geschichte nennt, laut sagen wird, was wir hier leise sagen, – war die Königin Ihren Plänen weniger entgegen als der König; sie ließ Sie rufen; sie erörterte mit Ihnen das Für und Wider und ermächtigte Sie am Ende, mit Herrn von Mirabeau zu sprechen. Ist dies die Wahrheit, Doctor?« fragte Cagliostro, Gilbert ins Gesicht schauend.

»Ich muß gestehen, Graf, daß Sie bis hierher nicht einen Augenblick vom geraden Wege abgegangen sind.«

»Wonach Sie, Herr Hochmüthiger, sich entzückt und in der tiefen Ueberzeugung, diese königliche Verwandlung sei Ihrer unwiderlegbaren Logik und Ihren unwiderstehlichen Argumenten zuzuschreiben, entfernt haben.«

Bei diesem ironischen Tone biß sich Gilbert unwillkürlich leicht aus die Lippen.

»Und was hätte diese Verwandlung bewirkt, wenn nicht meine Logik und meine Argumente? sprechen Sie, Graf; das Studium der Herzens ist mir so kostbar, als das des Leibes; Sie haben ein Instrument erfunden, mit dessen Hilfe man in der Brust der Könige liest: geben Sie mir dieses wunderbare Teleskop; Sie müßten ein Feind der Menschheit sein, wenn Sie es für sich allein behalten würden.«

»Ich sagte Ihnen, ich habe keine Geheimnisse für Sie, Doctor. Ich werde also Ihrem Wunsche gemäß mein Teleskop in Ihre Hände legen; Sie können nach Ihrem Belieben durch das Ende schauen, welches vergrößert, oder durch das, welches verkleinert . . .Nun denn, die Königin hat aus zwei Gründen nachgegeben: einmal, weil am Tage vorher ihr Herz einen großen Schmerz erduldet hatte, und weil ihr eine Intrigue zum Anknüpfen und zum Entwickeln vorschlagen der Königin eine Zerstreuung vorschlagen hieß; sodann, weil die Königin Frau ist, weil man ihr Herrn von Mirabeau als einen Löwen, als einen Tiger, als einen Bären geschildert hat und eine Frau nie dem für die Eitelkeit so schmeichelhaften Wunsche, einen Bären, einen Tiger oder einen Löwen zu zähmen, widerstehen kann. Sie sagte sich: »»Es wäre seltsam, wenn ich zu meinen Füßen diesen Mann beugte, der mich haßt; wenn ich den Tribun, der mich beschimpft hat, dahin brächte, daß er in Demuth Abbitte thäte. Ich werde ihn vor mir knieen sehen, das wird meine Rache sein; geht dann aus dieser Kniebeugung etwas Gutes für Frankreich und das Königthum hervor, desto besser!«« Doch Sie begreifen, dieses letzte Gefühl war ganz secundär,«

»Sie bauen auf Hypothesen, Graf, und Sie hatten mir versprochen, mich durch Thatsachen zu überzeugen.«

»Sie schlagen mein Teleskop auf; sprechen wir nicht mehr davon und kommen wir aus die materiellen Dinge zurück, auf die, welche man mit bloßen Augen sehen kann, aus die Schulden von Herrn von Mirabeau, zum Beispiel. Ah! das gehört zu den Dingen, für welche man kein Teleskop braucht.«

»Nun, Graf, Sie haben da Gelegenheit. Ihre Freigebigkeit zu zeigen.«

»Indem ich die Schulden von Herrn von Mirabeau bezahle?«

»Warum nicht? Sie haben wohl eines Tags die des Herrn Cardinal von Rohan bezahlt.«

»Ah! werfen Sie mir diese Speculation nicht vor, das ist eine von denjenigen, welche mir am besten geglückt sind.«

»Und was hat sie Ihnen eingetragen?«

»Die Halsbandgeschichte . ., mir scheint, das ist hübsch. Um einen solchen Preis bezahle ich die Schulden von Herr von Mirabeau. Doch für den Augenblick wissen Sie, daß er nicht auf mich rechnet; er rechnet aus den zukünftigen Generalissimus Lafayette, der ihn unglücklichen fünfzigtausend Franken, welche er ihm am Ende nicht gibt, wie einen Hund Kastanien nachspringen läßt.«

»Oh! Graf!«

»Armer Mirabeau in der That, wie alle diese Dummköpfe und diese Gecken, mit denen Du zu thun hast, Dein Genie die Thorheiten Deiner Jugend bezahlen lassen! Es ist wahr, Alles dies ist providentell und Gott ist genöthigt, durch menschliche Mittel zu verfahren. »»Der unmoralische Mirabeau!«« so sagt Monsieur, der unvermögend ist; »»Mirabeau, der Verschwender!«« sagt der Graf d’Artois, dem sein Bruder dreimal seine Schulden bezahlt hat. Armes Genie! ja, Du würdest die Monarchie vielleicht retten, da aber die Monarchie nicht gerettet werden soll, so sagt Rivarol: »»Mirabeau ist ein ungeheurer Schwätzer!«« »»Mirabeau ist ein Lump!«« sagt Malby. »»Mirabeau ist ein wunderlicher ausschweifender Kopf!«« sagt la Poule. »»Mirabeau ist ein Ruchloser!«« sagt Guillermy. »»Mirabeau ist ein Mörder!«« sagt der Abbé Maury. »»Mirabeau ist ein todter Mann!«« sagt Target. »»Mirabeau ist ein begrabener Mann!«« sagt Duport. »»Mirabeau ist ein Redner, der mehr ausgezischt als beklatscht worden ist!«« sagt Pelletier. »»Mirabeau hat die Blattern an der Seele!«« sagt Champcenetz. »»Man muß Mirabeau auf die Galeeren schicken!«« sagt Lambesc. »»Man muß Mirabeau aushängen!«« sagt Marat. Und Mirabeau sterbe morgen, so wird ihm das Volk eine Apotheose machen, und alle diese Zwerge, die er um die ganze Brust überragt, und auf denen er lastet, so lange er lebt, werden seinem Leichenbegängniß folgen und singen und schreien; »»Wehe Frankreich, das seinen Tribun verloren hat! wehe dem Königthum, das seine Stütze verloren hat!«

»Werden Sie mir auch den Tod von Mirabeau prophezeien?« rief Gilbert beinahe erschrocken.

»Sprechen Sie offenherzig, Doctor, glauben Sie, er werde lange leben, dieser Mann, den sein Blut verbrennt, den sein Herz erstickt, den sein Genie verzehrt? Glauben Sie, Kräfte, so riesig sie sein mögen, erschöpfen sich nicht in einem ewigen Kampfe gegen den Strom der Mittelmäßigkeit? Das von ihm unternommene Werk ist der Stein des Sisyphus. Erdrückt man ihn seit zwei Jahren nicht unablässig mit dem Worte: Unsittlichkeit? So oft er es nach unerhörten Anstrengungen auf den Gipfel des Berges zurückgeschoben zu haben glaubt, fällt dieses Wort schwerer als je wieder auf ihn herab. Was hat man dem König gesagt, der beinahe der Meinung der Königin in Beziehung aus Herrn von Mirabeau als ersten Minister beigetreten war? »»Sire, Paris wird über Unsittlichkeit schreien; Frankreich wird über Unsittlichkeit schreien; Europa wird über Unsittlichkeit schreien!«« Als ob Gott die großen Männer in derselben Form gösse, wie den gemeinen Haufen der Sterblichen, und als ob, sich erweiternd, der Kreis, der die großen Tugenden umfaßt, nicht auch die großen Laster umfassen müßte! Gilbert, Sie werden sich erschöpfen, Sie und ein paar Männer von Intelligenz, um Mirabeau zum Minister zu machen, das heißt zu dem, was Herr von Turgot, ein Einfaltspinsel, Herr Necker, ein Pedant, Herr von Calonne, ein Geck, Herr von Brienne, ein Atheist, gewesen sind; – und Mirabeau wird nicht Minister sein, weil er hunderttausend Franken Schulden hat, welche bezahlt wären, wäre er der Sohn eines einfachen Generalpächters, und weil er zum Tode verurtheilt worden ist, wegen der Entführung der Frau eines alten Blödsinnigen, welche Frau sich am Ende aus Liebe für einen schönen Kapitän mit Kohlendampf erstickt hat.«

»Aber was prophezeien Sie mir denn da?« fragte Gilbert, der, während er dem Ausfluge, den der Geist von Cagliostro in das Land der Phantasie gemacht hatte, seinen Beifall gab, sich nur um den Schluß bekümmerte, den er daraus zurückgebracht.

»Ich sage Ihnen,« wiederholte Cagliostro mit dem Prophetentone, der nur ihm eigenthümlich war und keine Entgegnung zuließ, »ich sage Ihnen, Herr von Mirabeau, der Mann von Genie, der Staatsmann, der große Redner, wird sein Leben auszehren und am Grabe anlangen, ohne daß er es dazu gebracht hat, das zu sein, was alle Welt gewesen sein wird: Minister! Ah! die Mittelmäßigkeit ist eine gute Protection, mein lieber Gilbert!«

»Aber . . .der König widersetzt sich also?« fragte Gilbert.

»Pest! er hütet sich wohl; er müßte mit der Königin streiten, der er beinahe sein Wort gegeben hat. Sie wissen, daß die Politik des Königs in dem Worte beinahe liegt; er ist beinahe constitutionell, beinahe Philosoph, beinahe populär und beinahe fein, wenn er von Monsieur berathen wird. Gehen Sie morgen in die Nationalversammlung, mein lieber Doctor, und Sie werden sehen, was dort vorfällt!«

»Können Sie mir es nicht zum Voraus sagen?«

»Dies hieße Ihnen das Vergnügen der Ueberraschung rauben.«

»Morgen, das ist lang!«

»So thun Sie etwas Besseres. Es ist fünf Uhr; in einer Stunde wird sich der Club der Jacobiner eröffnen. Das sind Nachtvögel, wie Sie wissen, diese Herren Jacobiner. Gehören Sie zur Gesellschaft?«

»Nein. Kamille Desmoulins und Danton haben mich bei den Cordeliers aufnehmen lassen.«

»Nun wohl, in einer Stunde wird, wie ich Ihnen sagte, der Club der Jacobiner sich eröffnen. Das ist eine sehr gut zusammengesetzte Gesellschaft, in welcher wir, seien Sie unbesorgt, nicht am unrechten Orte sein werden. Wir speisen mit einander zu Mittag; nach dem Essen nehmen wir einen Fiacre; wir lassen uns in die Rue Saint-Honoré führen, und wenn Sie aus dem alten Kloster weggehen, werden Sie erbaut sein. Zwölf Stunden im Voraus in Kenntniß gesetzt, werden Sie überdies vielleicht Zeit haben, den Streich zu pariren. Nun aber lassen Sie uns speisen.«

»Wie!« fragte Gilbert, »Sie speisen um fünf Uhr zu Mittag?«

»Auf den Schlag fünf. Ich bin ein Vorläufer in allen Dingen; in zehn Jahren wird Frankreich nur zwei Mahle machen: ein Frühstück um zehn Uhr Morgens und ein Mittagemahl um sechs Uhr Abends.«

»Und wer wird diese Veränderungen in den Gewohnheiten herbeiführen?«

»Die Hungersnoth, mein Lieber.«

»Sie sind wahrhaftig ein Unglücksprophet.«

»Nein, denn ich prophezeie Ihnen ein gutes Mahl.«

»Haben Sie Gesellschaft?«

»Ich bin durchaus allein. Doch Sie kennen das Wort des alten Gastronomen: »»Lucullus speist bei Lucullus.««

»Monseignieur ist bedient,« meldete ein Lakei, der beide Flügel der Thüre eines glänzend erleuchteten und kostbar servirten Speisezimmers öffnete.

»Kommen Sie, Herr Pythagoräer,« sagte Cagliostro, indem er Gilbert beim Arme nahm, »Bah! ein Mal ist nicht Gewohnheit!«

Gilbert folgte dem Zauberer, unterjocht durch die Magie seiner Worte, und vielleicht auch hingezogen durch die Hoffnung, in seinem Gespräche irgend einen Blitz glänzen zu machen, der ihn in der Nacht, in welcher er ging, leiten könnte.

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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