Читать книгу Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4 - Александр Дюма - Страница 40

Siebentes bis zehntes Bündchen
XL
Was der Zufall ist!

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Wie hatte sich nun diese Auspackung bewerkstelligt, und wie war Meister Gamain aus dem beinahe starrsüchtigen Zustande, in welchem wir ihn verlassen, zu dem fast natürlichen Zustande, in dem wir ihn wiedersehen, übergegangen? Der Wirth der Schenke des Pont de Sèvres lag im Bette, und nicht der geringste Lichtfaden drang durch die Spalten seiner Fensterläden, als die ersten Faustschläge des Philanthropen, der Meister Gamain ausgenommen hatte, an seiner Thüre erschollen.

Diese Faustschläge wurden auf eine Art angebracht, daß sie nicht glauben ließen, die Besitzer des Hauses, so sehr sie dem Schlafe ergeben sein mochten, dürften eine lange Ruhe einem solchen Angriffe gegenüber genießen.

Ganz schlaftrunken, ganz stolpernd, ganz brummend, öffnete auch der Schenkwirt selbst denjenigen, welche ihn bemerkten, wobei er sich vornahm, sie einen der Störung würdigen Ersatz entrichten zu lassen, sollte, wie er sagte, das Spiel nicht das Licht werth sein.

Es scheint, daß das Spiel wenigstens dem Werthe des Lichtes das Gleichgewicht hielt, denn bei dem ersten Worte, das der Mann, welcher aus eine so unehrerbietige Art angeklopft hatte, dem Wirthe der Schenke des Pont de Sèvres in’s Ohr flüsterte, nahm dieser seine baumwollene Mütze ab, machte Bücklinge, welche durch sein Costume ganz sonderbar grotesk wurden, und führte den Unbekannten und Meister Gamain in das kleine Cabinet, wo wir diese schon den Burgunder, sein Lieblingsgetränke, haben verkosten sehen.

Diesmal aber, weil er zu viel verkostet, war Meister Gamain beinahe ohne Bewußtsein.

Vor Allem, da Kutscher und Pferde, der eine mit seiner Peitsche, die andern mit ihren Beinen gethan hatten, was sie thun konnten, fing der Fremde damit an, daß er sich seiner Zusage entledigte, indem er ein Vierundzwanzig-Sous-Stück als Trinkgeld den sechs Livres beifügte, die er schon als Bezahlung gegeben hatte.

Dann, als er Meister Gamain, den Kopf an das Täfelwerk angelehnt, mit einem Tische vor seiner Person, viereckig auf einem Stuhle sitzen sah, ließ er schleunig durch den Wirth zwei Flaschen Wein und eine Caraffe Wasser bringen und öffnete selbst das Fenster und die Läden, um die mephitische Luft zu verändern, die man im Innern der Schenke einathmete.

Diese Maßregel wäre unter anderen Umständen gefährdend gewesen. Jeder Beobachter weiß in der That, daß nur die Leute von einer gewissen Welt das Bedürfniß haben, die Luft in dem Verhältniß einzuathmen, in welchem die Natur sie macht, das heißt, bestehend aus siebenundsiebenzig Theilen Sauerstoff, einundzwanzig Theilen Stickstoff und zwei Theilen Wasser, während die gemeinen Leute, an ihre verpesteten Wohnungen gewöhnt, sie ohne Schwierigkeit einathmen, so sehr sie auch mit Kohlenstoff und Stickstoff geschwängert sein mag.

Zum Glück war Niemand da, um eine solche Bemerkung zu machen. Selbst der Wirth, nachdem er mit Eile die zwei Flaschen Wein und langsam die Caraffe Wasser gebracht, hatte sich ehrerbietig zurückgezogen und den Unbekannten unter vier Augen mit Meister Gamain gelassen.

Der Erste war, wie wir gesehen, gleich Anfangs besorgt gewesen, frische Luft einzulassen; dann, ehe er noch das Fenster wieder geschlossen, halte er ein Flacon an die weit geöffneten, pfeifenden Nasenlöcher des Schlossermeisters gehalten, welcher sich dem ekelhaften Schlafe des Rausches überließ, der gewiß die Trunkenbolde von der Weinliebe heilen würde, wäre es durch ein Wunder der Allmacht den Berauschten nur ein einziges Mal gegeben, sich schlafen zu sehen.

Als er den durchdringenden Geruch der im Flacon enthaltenen Flüssigkeit einathmete, riß Meister Gamain; die Augen weit auf und nieste sogleich ganz wüthend; dann murmelte er ein paar Sylben, welche ohne Zweifel unverständlich für jeden Andern, als den geübten Philologen, dem es, mit tiefer Aufmerksamkeit horchend, gelang, folgende Worte zu unterscheiden: »Der Unglückliche  . . .er hat mich vergiftet ., . vergiftet! ., .«

Der Waffenschmied schien zu seiner Zufriedenheit zu erkennen, daß Meister Gamain immer noch von derselben Idee beherrscht wurde; er hielt den Flacon abermals an seine Nase, was, einige Kraft dem würdigen Sohne Noä verleihend, diesem gestattete, den Sinn seines Satzes dadurch zu vervollständigen, daß er den schon ausgesprochenen Worten drei weitere Worte beifügte, welche eine um so schrecklichere Anschuldigung enthielten, als diese zugleich einen Vertrauensmißbrauch und ein Vergessen des Herzens bezeichnete.

»Einen Freund vergiften!  . . .einen Freund! . . .«

»Das ist in der That entsetzlich,« bemerkte der Waffenschmied.

»Entsetzlich!« stammelte Gamain.

»Schändlich!« sagte Nr. l.

»Schändlich!« wiederholte Nr. 2.

»Zum Glück war ich da,« sprach der Waffenschmied, »ich, um Ihnen Gegengift zu geben.«

»Ja, zum Glück!« murmelte Gamain.

»Doch da eine erste Dosis nicht für eine solche Vergiftung genügt, so nehmen Sie noch dieses,« fuhr der Unbekannte fort.

Und er goß in ein halbes Glas Wasser fünf bis sechs Tropfen von der im Flacon enthaltenen Flüssigkeit, was nichts Anderes war, als aufgelöster Ammoniak.

Dann näherte er das Glas den Lippen von Gamain.

»Ah! ah!« stammelte dieser, »das ist zu trinken durch den Mund; ich liebe das mehr, als durch die Nase!«

Und er verschluckte gierig den Inhalt des Glases.

Doch kaum war der Teufelstrank durch seinen Hals gelaufen, da riß er die Augen übermäßig weit aus und rief zwischen einem zweimaligen Niesen:

»Ha! Schurke, was Hast Du mir da gegeben? Pfui! Pfui!l«

»Mein Lieber,« erwiederte der Unbekannte, »ich habe Ihnen einen Trank gegeben, der Ihnen ganz einfach das Leben rettet.«

»Ah!« versetzte Gamain, »wenn er mir das Leben rettet, so thaten Sie wohl daran, mir denselben zu geben; doch wenn Sie das einen Trank nennen, so haben Sie Unrecht.«

Und er nieste abermals, zog den Mund zusammen und sperrte die Augen auf wie die Larve der alten Tragödie.

Der Unbekannte benützte diesen Augenblick der Pantomime, um, nicht das Fenster, sondern die Läden zu schließen.

Gamain hatte indessen nicht ohne Vortheil die Augen ein zweites oder drittes Mal geöffnet. Während dieser Bewegung, so krampfhaft sie war, schaute der Schlossermeister umher, und mit jenem Gefühle tiefer Dankbarkeit, das die Trunkenbolde für die Wände einer Schenke haben, erkannte er diese als ihm nichts weniger als fremd.

Bei den häufigen Reisen, welche nach Paris zu machen ihn sein Geschäft veranlaßte, kam es in der That selten vor, daß er nicht in der Schenke des Pont de Sèvres einkehrte. Sein Einkehren konnte sogar aus einem gewissen Gesichtspunkte als eine Nothwendigkeit betrachtet werden, da die fragliche Schenke ungefähr die Hälfte des Weges bezeichnete.

Dieses Erkennen brachte seine Wirkung hervor; es verlieh vor Allem ein großes Vertrauen dem Schlossermeister, indem es ihm bewies, daß er in befreundetem Lande war.

»Ei! Ei!« sagte er, »gut! es scheint, ich habe schon die Hälfte des Weges zurückgelegt.«

»Ja, mit meiner Hilfe,« versetzte der Waffenschmied.

»Wie, mit Ihrer Hilfe?« stammelte Gamain, der seine Augen von den leblosen Gegenständen zu den lebendigen überlenkte; »mit Ihrer Hilfe? Wer sind Sie denn?«

»Mein lieber Herr Gamain,« erwiederte der Unbekannte, »das ist eine Frage, welche mir beweist, daß Sie ein kurzes Gedächtniß haben.«

Gamain schaute den Sprechenden aufmerksamer als das erste Mal an und sagte:

»Warten Sie doch, warten Sie doch; mir scheint wirklich, ich habe Sie schon gesehen.«

»Ah! wahrhaftig? Das ist ein Glück!«

»Ja, ja, ja; aber wann und wo? das ist die Sache!«

»Wo dies? Wenn Sie umherschauen, werden vielleicht die Gegenstände, die Sie erblicken, ein wenig Ihre Erinnerungen unterstützen  . . .Wann? das ist etwas Anderes; wir werden vielleicht genöthigt sein, Ihnen eine neue Dosis Gegengift zu geben, damit Sie dies sagen können.«

»Nein, ich danke,« erwiederte Gamain, während er den Arm ausstreckte; »ich habe genug von Ihrem Gegengifte, und da ich beinahe gerettet bin, so werde ich hierbei stehen bleiben  . . .Wo habe ich Sie gesehen  . . .wo habe ich Sie gesehen? Nun, hier.«

»Ja wohl!«

»Wann ich Sie gesehen habe? warten Sie doch! an dem Tage, wo ich von Paris von einer  . . .geheimen Arbeit zurückkam  . . .Es scheint,« fügte Gamain lachend bei, »ich bin offenbar der Unternehmer von solchen Arbeiten.«

»Sehr gut. Und nun, wer bin ich?«

»Wer Sie sind? Sie sind ein Mann, der, mir zu trinken bezahlt hat, folglich ein wackerer Mann; schlagen Sie ein!«

»Mit um so viel mehr Vergnügen,« erwiederte der Unbekannte, »als der Schlossermeister vom Waffenschmied nur eine Hand breit entfernt ist.«

»Ah! gut, gut, gut! Ich erinnere mich nun. Ja, es war am 6. October, an dem Tage, wo der König nach Paris zurückkam; wir haben sogar an diesem Tage ein wenig von ihm gesprochen.«

»Und ich fand Ihre Conversation äußerst interessant, Meister Gamain, weshalb ich Sie, da ich sie noch ferner zu genießen wünsche und das Gedächtnis, bei Ihnen zurückkehrt, fragen möchte, wenn es keine Unbescheidenheit ist, was Sie vor einer Stunde machten, – Ihrer ganzen Länge nach über die Straße ausgestreckt und nur zwanzig Schritte von einem Frachtwagen entfernt, der nahe daran war, Sie entzweizuschneiden, wenn ich nicht in das Mittel trat. Haben Sie Kummer, Meister Gamain, und hatten Sie den Entschluß gefaßt, sich das Leben zu nehmen?«

»Mir das Leben nehmen? Bei meiner Treue, nein. Was ich dort mitten aus dem Wege, aus dem Pflaster liegend, machte?  . . . Wissen Sie auch gewiß, daß ich dort lag?«

»Bei Gott! schauen Sie sich an.«

Gamain warf einen Blick auf sich selbst.

»O ho!« machte er, »Madame Gamain wird ein wenig schreien, sie, welche gestern zu mir sagte:,»»Ziehe nicht Deinen neuen Rock an, nimm Dein altes Wamms, das ist gut genug, um in die Tuilerien zu gehen.««

»Wie, um in die Tuilerien zu gehen?« versetzte der Unbekannte; »Sie kommen aus den Tuilerien?«

Gamain kratzte sich am Kopf und suchte seine noch ganz verwirrten Erinnerungen zu sammeln.

»Ja, ja, so ist es,« sagte er, »gewiß kam ich aus den Tuilerien. Warum nicht? Es ist kein Geheimniß, daß ich Schlossermeister von Herrn Veto gewesen bin.«

»Wie, von Herrn Veto? Wen nennen Sie denn Herr Veto?«

»Ah! Sie wissen nicht, daß man den König so nennt? Woher kommen Sie denn? von China?«

»Was-wollen Sie? ich treibe mein Handwerk und beschäftige mich nicht mit Politik.«

»Sie sind sehr glücklich, ich beschäftige mich leider damit, oder man zwingt mich vielmehr, daß ich mich damit beschäftige; das wird mich zu Grunde richten.«

Hier schlug Gamain die Augen zum Himmel auf und stieß einen Seufzer aus,

»Bah!« versetzte der Unbekannte, »sind Sie nach Paris gerufen worden, um eine Arbeit in der Art von der zu machen, welche Sie gemacht hatten, als ich Sie zum ersten Male sah?«

»Ganz richtig, damals wußte ich nur nicht, wohin ich ging, und hatte die Augen verbunden, während ich diesmal wußte, wohin ich ging, und die Augen offen hatte.«

»So daß es Ihnen keine Mühe machte, die Tuilerien zu erkennen?«

»Die Tuilerien!« wiederholte Gamain, »Wer hat Ihnen gesagt, ich sei in den Tuilerien gewesen?«

»Sie selbst so eben, bei Gott! Wie sollte ich wissen, Sie kommen aus den Tuilerien, wenn Sie es mir nicht gesagt hätten?«

»Das ist wahr,« murmelte Gamain mit sich selbst sprechend; »wie sollte er es in der That wissen, wenn ich es ihm nicht gesagt hätte?«

Dann wandte er sich wieder an den Unbekannten und fuhr fort:

»Ich habe vielleicht Unrecht gehabt, es Ihnen zu sagen; doch bei meiner Treue, gleichviel! Sie sind nicht die ganze Welt. Nun wohl, ja, da ich es Ihnen gesagt habe, widerrufe ich nicht: ich bin in den Tuilerien gewesen.«

»Und,« sprach der Unbekannte, »Sie arbeiteten mit dem König, der Ihnen die fünfundzwanzig Louis d’or gab, welche Sie in Ihrer Tasche haben.«

»Wie!« rief Gamain; »ich hatte in der That fünfundzwanzig Louis d’or in meiner Tasche.«

»Und Sie haben sie immer noch.«

Gamain fuhr mit seinen Fingern in die Tiefen seiner Tasche und zog eine Handvoll Gold, gemischt mit kleiner Silbermünze und einigen Sous, heraus.

»Warten Sie doch, warten Sie doch; fünf, sechs, sieben  . . . gut! und ich hatte das vergessen  . . .zwölf, dreizehn, vierzehn . . . fünfundzwanzig Louis d’or sind eine Summe  . . .siebenzehn, achtzehn, neunzehn  . . .eine Summe, die man in gegenwärtiger Zelt nicht unter dem Fuße eines Pferdes findet ., . dreiundzwanzig, vierundzwanzig, fünfundzwanzig! Ah!« fügte Gamain freier athmend bei, »Gott sei Dank, die Rechnung ist richtig.«

»Da ich es Ihnen sagte, so konnten Sie sich aus mich verlassen, wie mir scheint.«

»Auf Sie? Und woher wußten Sie, daß ich fünfundzwanzig Louis d’or bei mir hatte?«

»Mein lieber Herr Gamain, ich hatte schon die Ehre Ihnen zu sagen, ich habe sie quer über die Landstraße liegend, zwanzig Schritte von einem Frachtwagen, der sie entzweizuschneiden im Begriffe war, gesunden. Ich hieß den Fuhrmann halten; ich rief einem Fiacre, der vorüber kam, ich machte eine von den Laternen seines Wagens los, und als ich Sie beim Scheine dieser Laterne betrachtete, erblickte ich ein paar Louis d’or, welche auf dem Pflaster rollten. Da diese Louis d’or in der Nähe Ihrer Tasche waren, so vermuthete ich, sie seien aus dieser herausgefallen. Ich steckte die Finger hinein, und an zwanzig weiteren Louis d’or, die Ihre Tasche enthielt, erkannte ich, daß ich mich nicht täuschte; doch da schüttelte der Kutscher den Kopf und sagte: »»Nein, mein Herr, nein.«« »»Wie so, nein?«« »»Nein, ich nehme diesen Mann hier nicht.«« »»Und warum nimmst Du ihn nicht?«« »»Weil er zu reich ist für seine Kleidung  . . .fünfundzwanzig Louis d’or in der Tasche einer Weste von Baumwollensammet, das riecht auf eine Stunde nach dem Galgen, mein Herr.«« »»Wie!«« sagte ich. »»Du glaubst, Du habest es mit einem Diebe zu thun?«« Es scheint, dieses Wort fiel Ihnen auf: »»Dieb?«« sagen Sie, »»Dieb, ich?«« »»Allerdings, Dieb Sie,«« erwiederte der Kutscher; »»wenn sie kein Dieb wären, wie hätten Sie fünfundzwanzig Louis d’or in Ihrer Tasche?«« »»Ich habe fünfundzwanzig Louis d’or in meiner Tasche, weil mein Schüler, der König von Frankreich, sie mir gegeben,«« erwiedern Sie. Bei diesen Worte glaubte ich in der That Sie zu erkennen; ich näherte die Laterne Ihrem Gesichte und rief: »»Er! Alles erklärt sich, das ist Herr Gamain, der Schlossermeister von Versailles; er hat mit dem König gearbeitet und der König hat ihm fünfundzwanzig Louis d’or für seine Mühe gegeben. Vorwärts, ich verbürge mich für ihn.«« Sobald ich mich für Sie verbürgte, machte der Kutscher keine Schwierigkeit mehr. Ich steckte die Louis d’or, welche herausgefallen waren, wieder in Ihre Tasche; man legte sie sachte in den Wagen, ich setzte mich aus den Bock, wir stiegen bei dieser Schenke ab, und hier sind Sie und beklagen sich, Gott sei Dank! über nichts, als daß Sie Ihr Gesell verlassen hat.«

»Ich habe von meinem Gesellen gesprochen? Ich habe mich über sein Verlassen beklagt?’ rief Gamain immer mehr erstaunt.

»Ah! gut, nun erinnert er sich nicht mehr dessen, was er so eben gesagt hat.«

»Ich?«

»Wie, haben Sie nicht in diesem Augenblicke gesagt: »»Das ist der Fehler von diesem Burschen, von diesem . . .Ich entsinne mich des Namens, den sie genannt, nicht mehr.«

»Louis Lecomte.«

»So ist es  . . .Wie! Sie haben nicht so eben gesagt: »»Das ist der Fehler von diesem Burschen, von diesem Louis Lecomte, der mit mir nach Versailles zurückzukehren versprochen hatte und sich im Augenblick meines Abgangs, ohne Abschied zu nehmen, von mir entfernte.«

»Das konnte ich allerdings wohl sagen, da es die Wahrheit ist.«

»Nun also, wenn es die Wahrheit ist, warum leugnen Sie es? Wissen Sie, daß bei einem Anderen als bei mir alle diese Geheimnißkrämereien in der Zeit, in der wir leben, gefährlich wären, mein Lieber?«

»Ja, doch bei Ihnen,« versetzte Gamain, dem Unbekannten schmeichelnd.

»Bei mir? Was will das besagen?«

»Das will besagen, bei einem Freunde.«

»Ah! ja. Sie bezeigen Ihrem Freunde großes Vertrauen. Sie sagen ihm ja und dann sagen Sie ihm nein; Sie sagen ihm: Das ist wahr, und dann: Das ist nicht wahr. Gerade wie damals hier, bei meinem Ehrenwort! Sie erzählten mir eine Geschichte  . . .man mußte von Pezenas sein, um sie nur einen Augenblick zu glauben.«

»Welche Geschichte?«

»Die Geschichte von der geheimen Thüre, welche Sie beschlagen hatten, bei dem vornehmen Herrn, dessen Adresse Sie mir nicht einmal nennen konnten.«

»Nun! Sie mögen mir diesmal glauben oder nicht glauben, es handelte sich abermals um eine Thüre.«

»Beim König?«

»Beim König. Nur, statt um eine Treppenthüre, um die Thüre eines Schrankes.«

»Und Sie werden mir zu verstehen geben, der König, der sich in die Schlosserei mischt, habe Sie holen lassen, um ihm eine Thüre zu beschlagen? Gehen Sie doch!«

»Es ist dennoch so. Ah! der arme Mann, er hielt sich freilich für stark genug, um meiner entbehren zu können. Er hatte sein Schloß so angefangen. »»Wozu Gamain? Was mit Gamain machen? Braucht man Gamain?«« Ja, doch man verhaspelt sich in den Barten, und man muß auf diesen armen Gamain zurückkommen!«

»Dann hat er Sie durch einen vertrauten Kammerdiener holen lassen: durch Hue, durch Durcy oder durch’ Weber?«

»Ei! gerade darin täuschen Sie sich. Er hatte, um sich von ihm helfen zu lassen, einen Gesellen genommen, der noch weniger verstand als er, und so kam dieser Geselle an einem schönen Morgen zu mir nach Versailles und sagte: »»Vater Gamain, wir wollten ein Schloß machen, der König und ich, ja, gute Nacht! das verdammte Schloß geht nicht!«« »»Was soll ich dabei thun?«« erwiederte ich. »»Sie sollen es in Stand setzen!«« Und da ich ihm entgegnete: »»Das ist nicht wahr; Sie kommen nicht im Auftrage des Königs, Sie wollen mich in eine Falle locken,«« da sprach er: »»Gut! der König hat mir Befehl gegeben, Ihnen fünfundzwanzig Louis d’or zuzustellen, damit Sie nicht zweifeln.«« »»Fünfundzwanzig Louis d’or!«« versetzte ich. »»Wo sind Sie?’« »»Hier.«« Und er gab sie mir.«

»Das sind also die fünfundzwanzig Louis d’or, die Sie bei sich haben?« fragte der Waffenschmied.

»Nein, das sind andere, die ersten fünfundzwanzig das war eine Abschlagszahlung.«

»Teufel! fünfzig Louis d’or, um ein Schloß zu verbessern! Dahinter steckt etwas, Meister Gamain.«

»Das sagte ich mir auch; um so mehr als der Geselle  . . .«

»Nun, der Geselle?«

»Das sieht mir aus wie ein falscher Geselle. Ich hätte ihn ausforschen, ihn über die einzelnen Umstände seiner Reise in Frankreich befragen sollen.«

»Sie sind aber nicht der Mann, der sich täuscht, wenn er einen Gesellen bei einer Arbeit sieht.«

»Gewiß nicht . . .Dieser handhabte die Feile und den Meißel ziemlich gut. Ich habe ihn eine eiserne Stange mit einem Schlage durchhauen und eine Platte mit einem Rattenschwanz durcharbeiten sehen, als hätte er es mit einem Bohrer an einer Latte gethan. Bei Allem dem war aber mehr Theorie als Praxis; er hatte nicht sobald seine Arbeit beendigt, als er seine Hände wusch, und er wusch nicht sobald die Hände, als sie weiß wurden. Werden wahre Schlosserhände so weiß? Ah, ja wohl! ich dürfte die meinigen immerhin waschen!« sagte Gamain.

Und er zeigte mit Stolz seine schwarzen, schwieligen Hände, welche in der That allen Mandelteigen und allen Seifen der Erde zu trotzen schienen.

»Aber, versetzte der Unbekannte, den Schlosser zu der Sache zurückführend, die ihn am meisten zu interessiren schien, »was haben Sie gethan, als Sie beim König ankamen?«

»Vor Allem scheint es, daß wir erwartet wurden. Man ließ uns in die Schmiede eintreten. Dort gab mir der König ein Schloß das, bei meiner Treue! nicht schlecht angefangen war, doch es blieb in den Bärten stecken. Ein Schloß mit drei Bärten, sehen Sie, es gibt nicht viele Schlosser, welche im Stande sind, dies zu machen, und Könige noch viel weniger, wie Sie leicht begreifen werden. Ich schaute mir das Ding an und sagte: »»Es ist gut, lassen Sie mich eine Stunde allein, und in einer Stunde wird das gehen wie auf Rädchen,«« Da erwiederte der König: »Wohl, Gamain, mein Freund, Du bist zu Hause; hier sind Feilen, hier sind Schraubstöcke; arbeite, mein Junge, arbeite, wir wollenden Schrank zurichten.« Wonach er mit dem Teufelsgesellen wegging.«

»Auf der großen Treppe?« fragte nachlässig der Waffenschmied.

»Nein, aus der kleinen Geheimtreppe, welche in sein Arbeitscabinet führt  . . .Als ich fertig war, sagte ich zu mir: »»Der Schrank ist nur ein Schein; sie haben sich mit einander eingeschlossen, um irgend ein Complot einzufädeln. Ich will sachte hinabgehen; ich öffne die Thüre des Cabinets und so sehe ich ein wenig, was sie thun.««

»Und was thaten sie?« fragte der Unbekannte.

»Ah! ja wohl! sie horchten wahrscheinlich. Sie begreifen, ich habe nicht den Tritt eines Tänzers! Ich mochte mich immerhin so leicht als möglich machen, die Treppe krachte unter meinen Füßen, und so hörten sie mich; sie stellten sich, als kämen sie mir und in dem Augenblick, wo ich die Hand an den Knopf der Thüre legen wollte, krach! da öffnete sie sich. Wer war übertölpelt? Gamain.«

»So wissen Sie also nichts?«

»Warten Sie doch! »»Ah! Gamain,«« sagte der König, »»Du bist es?«« »»Ja, Sire,«« erwiederte ich; »»ich bin fertig.«« »»Uno wir auch, wir sind auch fertig,«« sprach er; »»komm, ich will Dir nun ein anderes Geschäft geben,«« Und er ließ mich rasch das Cabinet durchschreiten, doch nicht so rasch, daß ich nicht aus einem Tische ausgebreitet eine große Karte sah, die ich für eine Karte von Frankreich halte, in Betracht, daß sie. drei Lilien an einer ihrer Ecken hatte.«

»Und Sie haben nichts Besonderes an dieser Karte von Frankreich bemerkt?«

»Doch: drei lange Reihen von Nadeln, welche, vom Mittelpunkte ausgehend, in einiger Entfernung von einander hinliefen und gegen das Ende vorrückten: man hätte glauben sollen, es seien Soldaten, die aus drei verschiedenen Straßen nach der Grenze marschirten.«

»Wahrhaftig, mein lieber Gamain,« sprach der Unbekannte, als wäre er von Bewunderung hingerissen, »Sie sind von einem Scharfsinn, dem nichts entgeht, ., . Und Sie glauben, statt sich mit Ihrem Schranke zu beschäftigen, haben sich der König und Ihr Geselle mit dieser Karte beschäftigt?«

»Ich bin dessen sicher,« versetzte Gamain.

»Sie können nicht dessen sicher sein.«

»Doch.«

»Wie so?«

»Das ist ganz einfach: die Nadeln hatten Köpfe von Wachs, – die einen von schwarzem Wachs, die andern von blauem Wachs, die dritten von rothem Wachs; nun wohl! der König hielt in der Hand und putzte sich die Zähne, ohne es zu bemerken, mit einer Nadel mit rothem Kopfe.«

»Ah! Gamain, mein Freund,« sagte der Unbekannte, »wenn ich ein neues System der Kunst des Waffenschmieds entdecke, so werde ich Sie nicht in mein Cabinet einlassen, nicht einmal, um es rasch zu durchschreiten, dafür stehe ich Ihnen! Oder ich verbinde Ihnen die Augen, wie an dem Tage, wo man Sie zu dem fraglichen vornehmen Herrn führte; und trotz Ihrer verbundenen Augen bemerkten Sie doch, daß die Freitreppe zehn Stufen hatte, und daß das Haus aus das Boulevard ging.«

»Warten Sie doch!« sagte Gamain, entzückt über das Lob, das man ihm spendete, »Sie sind nicht beim Ende: es war wirklich ein Schrank da!«

»Ah! ah! Und wo dies?«

»Ah! ja wo dies! Errathen Sie ein wenig!  . . .In die Mauer eingegraben, mein lieber Freund!«

»In welche Mauer?«

»In die Mauer des innern Corridors, der vom Alcoven des Königs mit dem Zimmer des Dauphin in Verbindung steht.«

»Wissen Sie, daß das, was Sie mir da sagen, sehr interessant ist?  . . .Und dieser Schrank war ganz offen?«

»Ja, prosit!  . . .Das heißt, ich mochte immerhin mit allen meinen Augen schauen, ich sah nichts und ich sagte: »»Nun, dieser Schrank, wo ist er denn?«« Da blickte der König umher und sprach zu mir: »»Gamain, ich habe immer Vertrauen zu Dir gehabt: es sollte auch kein Anderer als Du mein Geheimniß kennen. Sieh! . . .«« Und so sprechend, während der Geselle uns leuchtete, – denn das Tageslicht dringt nicht in diesen Corridor ein, – nahm der König eine Füllung des Täfelwerks weg, und ich erblickte ein rundes Loch, das ungefähr zwei Fuß im Durchmesser bei seiner Oeffnung hatte. Dann, als er mein Erstaunen sah, sagte er, unserem Gesellen mit dem Auge zublinzelnd: »»Mein Freund, Du siehst wohl dieses Loch? Ich habe es gemacht, um Geld darin zu verbergen; dieser junge Mann hat mir während der vier bis fünf Tage, die er im Schlosse war, geholfen. Nun muß man das Schloß an dieser eisernen Thüre anbringen, welche so schließen soll, daß die Füllung wieder ihren Platz einnimmt und sie verbirgt, wie sie das Loch verbarg . . . Brauchst Du einen Gehilfen, so wird Dich dieser junge Mann unterstützen; kannst Du seiner entbehren, so verwende ich ihn anderswo, doch immer in meinem Dienste.«« »»Oh!«« erwiederte ich, »»Sie wissen wohl, daß ich, wenn ich ein Geschäft allein verrichten kann, keine Hilfe verlange. Es sind hier vier Stunden Arbeit für einen guten Arbeiter, und ich, ich bin Meister, was besagen will, daß in drei Stunden Alles fertig sein wird. Gehen Sie also an Ihre Geschäfte, junger Mann, und Sie an die Ihrigen, Sire, und wenn Sie etwas hier zu verbergen haben, so kommen Sie in drei Stunden wieder.«« Man muß glauben, daß der König, wie er sagte, für unseren Gesellen anderswo Arbeit hatte denn ich habe ihn nicht wiedergesehen; nach Verlauf von drei Stunden kam der König allein zurück und fragte: »»Nun, Gamain, wie weit sind wir?«« »»Es ist fertig,«« erwiederte ich, und ich zeigte ihm die Thüre, welche ging, daß es ein Vergnügen war, ohne den geringsten Ton von sich zu geben, und das Schloß, das spielte wie ein Automat von Herrn Vaucauson. »»Gut,«« sagte er zu mir: »»nun wirst Du mir das Geld zählen helfen, das ich darin verbergen will.«« Und er ließ vier Säcke Doppel-Louis d’or durch den Kammerdiener bringen und sprach zu mir: »»Zählen wir.«« Da zählte er eine Million und ich eine Million, wonach er, da fünf und zwanzig Louis d’or Ueberschuß blieben, zu mir sagte: »»Hier, Gamain, nimm diese fünf und zwanzig Louis d’or; das ist für Deine Mühe;«« als wäre es nicht eine Schande, einen armen Mann, der fünf Kinder hat, eine Million Louis d’or zählen zu lassen und ihm nur fünf und zwanzig zur Belohnung zu geben!! Wie! was sagen Sie dazu?«

Der Unbekannte machte eine Bewegung mit den Lippen und erwiedert: »Das ist filzig!«

»Warten Sie doch, das ist nicht Alles. Ich nehme die fünf und zwanzig Louis d’or, ich stecke sie in meine Tasche und sage: »»Ich danke, Sire! doch mit Allem dem habe ich seit heute Morgen weder gegessen, noch getrunken, und ich sterbe vor Durst.«« Ich hatte nicht geendigt, als die Königin durch eine masquirte Thüre eintrat, so daß sie plötzlich, ohne nur: Aufgeschaut! zu sagen, vor mir stand; sie hielt in der Hand einen Teller, worauf ein Glas Wein und eine Butterstolle. »»Mein lieber Gamain,«« sagte sie zu mir, »»Sie haben Durst, trinken Sie dieses Glas Wein; Sie haben Hunger, essen Sie diese Butterstolle.«« »»Ah!«’ erwiederte ich, indem ich mich verbeugte, »»Frau Königin, Sie hätten sich meinetwegen nicht bemühen sollen.«« Sprechen Sie, was denken Sie hiervon? ein Glas Wein einem Menschen, der sagt, er habe Durst, eine Butterstolle einem Menschen, der sagt, er habe Hunger!  . . .Was soll man damit machen, Königin?  . . .Man sieht wohl, daß das nie Hunger und nie Durst gehabt hat? Ein Glas Wein!  . . .man bekommt wahrlich Mitleid!«

»Sie haben es also ausgeschlagen?«

»Es wäre besser gewesen, ich hätte es ausgeschlagen  . . .nein, ich habe es getrunken. Die Butterstolle wickelte ich aber in mein Taschentuch ein, und ich sagte zu mir: »»Was nicht gut für den Vater ist, ist gut für die Kinder.«« Dann dankte ich Ihrer Majestät, wie es der Mühe werth war, und ich begab mich auf den Weg, indem ich schwur, daß sie mich in den Tuilerien nicht Mehr sehen sollen!  . . .«

»Und warum sagen Sie, Sie hatten besser daran gethan, den Wein auszuschlagen?«

»Weil sie Gift hineingemischt haben müssen! Kaum hatte ich den Pont Tournant überschritten, als mich ein Durst erfaßte  . . .aber ein Durst!  . . .dergestalt, daß ich, da ich den Fluß zu meiner Linken und die Weinschenken zu meiner Rechten hatte, einen Augenblick schwankte, ob ich nicht in den Fluß gehen sollte  . . .Ah! da sah ich, was für eine schlechte Qualität Wein sie mir gegeben hatten: je mehr ich trank, desto mehr bekam ich Durst. Das dauerte so lange, bis ich das Bewußtsein verlor. Sie können auch ruhig sein: fordert man mich je zum Zeugniß gegen sie auf, so werde ich sagen, sie haben mir fünf und zwanzig Louis d’or dafür gegeben, daß sie mich hatten vier und zwanzig Stunden arbeiten und eine Million zählen lassen, und aus Furcht, ich könnte den Ort verrathen, wo sie ihren Schatz verbergen, haben sie mich vergiftet wie einen Hund.13«

»Und ich, mein lieber Gamain,« versetzte, während er aufstand, der Waffenschmied, der ohne Zweifel Alles wußte, was er wissen wollte, »ich werde Ihr Zeugniß unterstützen und sagen, ich habe Ihnen das Gegengift gegeben, durch welches Sie ins Leben zurückgerufen worden seien.«

»Zwischen uns,« sprach Gamaln, indem er die Hände des Unbekannten ergriff, »zwischen uns Beiden fortan auf Leben und Tod!«

Und nachdem er mit einer ganz spartanischen Mäßigkeit das Glas Wein zurückgewiesen, das ihm zum dritten oder vierten Male der unbekannte Freund anbot, dem er so eben eine ewige Zärtlichkeit geschworen halte, schlug Gamain, auf welchen der Ammoniak seine doppelte Wirkung, indem er ihm im Augenblick den Rausch benahm und bei ihm für vier und zwanzig Stunden einen Ekel gegen den Wein erregte, hervorgebracht hatte, schlug Gamain, sagen wir, wieder den Weg nach Versailles ein, wo er wohlbehalten Morgens um zwei Uhr mit den fünf und zwanzig Louis d’or in seiner Westentasche und der Butterstolle der Königin in seiner Wammstasche ankam.

Der falsche Waffenschmied aber, der hinter ihm im Cabinet geblieben war, zog aus seinem Sacke Tabletten von Schildpatt mit Gold incrustirt und schrieb darein die doppelte Notiz:

»Hinter dem Alcoven des Königs, in dem schwarzen Corridor, der zum Zimmer des Dauphin führt, – eiserner Schrank.

»Sich versichern, ob dieser Louis Lecomte, Schlossergeselle nicht ganz einfach der Graf Louis, Sohn des Marquis von Buoillé, vor elf Tagen aus Metz angekommen, wäre.«

13

 Das war wirklich die Anklage, welche dieser Elende vor dem Connent vorbrachte.

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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