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Siebentes bis zehntes Bündchen
XLIII
Was die Königin in einer Caraffe zwanzig Jahre früher im Schlosse Taverney gesehen hatte

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Der König, als er vom Spieltische ausstand, wandte sich zu der Gruppe der jungen Leuten, deren munteres Gelächter, noch ehe er in den Salon eintrat, seine Aufmerksamkeit erregt hatte.

Sobald er sich der Gruppe näherte, trat das tiefste Stillschweigen ein.

»Nun, mein Herren,« sagte er, »ist denn der König so unglücklich, daß er die Traurigkeit mit sich trägt?«

»Sire,« murmelten die jungen Leute.

»Die Heiterkeit war groß und das Gelächter geräuschvoll, als ich vorhin mit der Königin eintrat,« sprach Ludwig XVI.


Was die Königin gesehen hatte.


Dann schüttelte er den Kopf und fügte bei:

»Wehe den Königen, vor denen man nicht zu lachen wagt!«

»Sire,« versetzte Herr von Lameth, »die Ehrfurcht!  . . .«

»Mein lieber Charles, wenn Sie an den Sonntagen und Donnerstagen aus der Pension kamen und ich Sie zur Belustigung nach Versailles rufen ließ, enthielten Sie sich da auch des Lachens, weil ich da war? Ich sagte soeben: »»Wehe den Königen, vor denen man nicht zu lachen wagt.«« Ich sage nun: »»Glücklich sind die Könige, vor denen man lacht!««

»Sire,« erwiederte Herr von Castries, »der Gegenstand, der uns in Heiterkeit versetzte, wird vielleicht Eurer Majestät nicht äußerst komisch erscheinen.«

»Wovon sprachen Sie denn, meint Herren?«

»Sire,« antwortete Suleau vortretend, »ich überliefere den Schuldigen Eurer Majestät.«

»Ah!« sagte der König, »Sie sind es, Herr Suleau. Ich habe die letzte Nummer der Actes des Apótres gelesen. Nehmen Sie sich in Acht! nehmen Sie sich in Acht!«

»Wovor?« fragte der junge Journalist.

»Sie sind ein wenig zu royalistisch. Sie könnten sich wohl schlimme Händel mit dem Liebhaber von Mademoiselle Theroigne zuziehen?«

»Mit Herrn Populus?« versetzte Suleau lachend.

»Ganz richtig. Und was ist aus der Heldin Ihres Gedichtes geworden?«

»Aus Theroigne?«

»Ja  . . .Ich höre nicht mehr von ihr sprechen.«

»Sire, ich glaube, sie findet, unsere Revolution gehe nicht rasch genug, und sie hat sich nach Brabant begeben, um dort zu agiren. Eure Majestät weiß wahrscheinlich, daß diese keusche Amazone von Lüttich ist?«

»Nein, ich wußte es nicht  . . .Lachten Sie ihretwegen, vorhin?«

»Nein, Sire, über die Nationalversammlung.«

»Ho! ho i meine Herren, da haben Sie wohl daran gethan, daß Sie ernst wurden, als Sie mich erblickten. Ich kann nicht erlauben, daß man über die Nationalversammlung bei mir lacht. Allerdings,« fügte der König in Form einer Capitulation bei, »allerdings bin ich nicht bei mir, sondern bei der Prinzessin von Lamballe; indem Sie nicht mehr lachen, oder indem Sie leise lachen, können Sie mir also sagen, was Sie so laut lachen machte.«

»Der König weiß, von was heute während der ganzen Sitzung der Nationalversammlung die Rede gewesen ist?«

»Ja, und das hat mich sogar sehr interessirt. War nicht von einer neuen Maschine, um die Verbrecher hinzurichten, die Rede?«

»Von Herrn Guillotin der Nation angeboten  . . .ja, Sire,« erwiederte Suleau.

»Ho! ho! und Sie spotteten über Herrn Guillotin, über einen Philanthropen! Ah! Sie vergessen, daß ich selbst Philanthrop bin.«

»Oh! Sire, ich weiß wohl, was ich sagen will; es ist ein Unterschied zwischen den Philanthropen. Es sieht zum Beispiel an der Spitze der französischen Nation ein Philanthrop, der die Folter aufgehoben hat; diesen achten, verehren wir; wir thun noch mehr: diesen lieben wir, Sire.«

Alle die jungen Leute verbeugten sich mit einer Bewegung.

»Aber,« fuhr Suleau fort, »es gibt Andere, welche, während sie schon Aerzte sind und in ihren Händen tausend Mittel, von denen die einen immer geschickter oder ungeschickter, als die andern, haben, um die Kranken aus dem Leben hinauszubringen, auch noch das Mittel suchen, diejenigen hinauszuschaffen, welche sich wohl befinden. Ah! bei meiner Treue, diese, Sire, bitte ich Eure Majestät, mir zu überlassen.«

»Und was wollen Sie mit ihnen machen, Herr Suleau? Werden Sie dieselben ohne Schmerz enthaupten?« fragte der König, auf die vom Doctor Guillotin ausgesprochene Behauptung anspielend; »werden sie mit einer leichten Kühle davon kommen, die sie aus dem Halse fühlen?«

»Sire, das wünsche ich denselben, doch ich verspreche es ihnen nicht,« erwiederte Suleon.

»Wie, das wünschen Sie ihnen?« versetzte der König.

»Ja, Sire, ich liebe es, daß die Leute, welche neue Maschinen erfinden, sie selbst versuchen. Ich beklage nicht sehr Meister Aubriot, der die Mauern der Bastille zu versuchen hatte, und Messire Enguerrand von Marigny, der zuerst den Galgen von Montsaucon schmückte. Leider habe ich nicht die Ehre, König zu sein; leider habe ich nicht das Glück, Richter zu sein. Ich werde mich also wahrscheinlich genöthigt sehen, dem ehrenwerthen Doctor Guillotin gegenüber mich aus das zu beschränken, was ich ihm verspreche, und aus das, was ich zu halten schon angefangen habe.«

»Und was haben Sie versprochen, oder was haben Sie vielmehr gehalten?«

»Es ist mir der Gedanke gekommen, Sire, dieser große Wohlthäter der Menschheit müsse seine Belohnung aus der Wohlthat selbst ziehen. Morgen nun, in der Nummer der Actes des Apótres, die man heute Nacht druckt, wird die Taufe stattfinden. Es ist nicht mehr als billig, daß die Tochter von Herrn Guillotin, heute öffentlich von ihrem Vater im Angesichte der Nationalversammlung anerkannt, Mademoiselle Guillotine heiße.«

Der König selbst konnte sich eines Lächelns nicht erwehren.

»Und da es weder Hochzeit noch Taufe ohne Lied gibt, so hat Suleau über seine Pathe ein Lied gemacht,« sagte Charles Lameth.

»Auf welche Melodie haben Sie dieses Lied gemacht?

»Ich denke, nur die Melodie von De profundis wird dafür gehen.«

»Pfui doch, Sire! Eure Majestät vergißt, welche Annehmlichkeit man haben wird, wenn man sich den Kopf durch die Tochter von Herrn Guillotin abschneiden läßt. Nein, Sire, mein Lied geht aus eine Melodie, welche sehr in der Mode ist, auf die des Menuett Exaudet.«

»Kann man einen Vorgeschmack von Ihrer Dichtung haben, Herr Suleau?« fragte der König.

Suleau verbeugte sich und erwiederte:

»Ich gehöre nicht zu der Nationalversammlung, um so anmaßend zu sein, die Macht des Königs beschränken zu wollen; nein, ich bin ein treuer Unterthan Seiner Majestät, und es ist meine Ansicht, daß der König Alles kann, wenn er will.«

»So lassen Sie hören.«

»Sire, ich gehorche,« sagte Suleau.

Und er sang mit halber Stimme auf die Melodie des Menuetts Exaudet:

Guillotin,

Médicin,

Politique,

Imagine, un beau matin,

Que pendre est inhumain

Et peu patriotique.

Aussitot

Il lui faut

Un supplice

Qui, sans corde ni poteau,

Supprime du bourreau

L’office  . . .

C’est en vain que l’on publie

Que c’est pure jalousie

D’un suppot

Du tripot

D’Hippocrate,

Qui de tuer impunément,

Même exclusivement,

Se flatte.

Le Romain

Guillotin,

Qui s’apprète,

Consulte gens du metier,

Bernave et Chapelier

Même le coupe tète;

Et sa main

Fait soudain

la machine

Qui simplement nous tûra

Et que l’on nommera:

Guillotine! 14


Das Gelächter der jungen Leute verdoppelte sich, und obgleich Alles dies dem König nicht sehr heiter dünkte, wollte er doch nicht, da Suleau einer seiner Ergebensten war, die Beklemmung sehen lassen, die ihm das Herz zusammenschnürte.

»Nun, meine Herren,« sagte er, »Sie lachen; wenn aber diese Maschine von Herrn Guillotin bestimmt wäre, den unglücklichen Verurtheilten erschreckliche Leiden zu ersparen! Was verlangt die Gesellschaft, wenn sie den Tod eines Schuldigen fordert? Die reine, einfache Unterdrückung des Individuums. Wird diese Unterdrückung von Leiden begleitet, wie beim Rade, wie bei der Viertheilung, so ist es nicht mehr Gerechtigkeit, sondern Rache.«

»Aber, Sire,« bemerkte Suleau, »wer sagt Eurer Majestät, der Schmerz sei durch das Factum der Trennung des Kopfes vom Rumpfe aufgehoben, unterdrückt? Wer sagt Ihnen, das Leben bestehe nicht zugleich in diesen zwei Stümpfen fort, und der Sterbende leide nicht doppelt, da er das Bewußtsein seiner Dualität habe?«

»Das ist eine Frage, welche die Leute der Kunst zu erörtern haben; es muß übrigens, wie ich glaube, diesen Morgen in Bicêtre ein Versuch gemacht worden sein. Hat Niemand von Ihnen diesem Versuche beigewohnt?«

»Nein, Sire! nein, nein, nein!« riefen beinahe gleichzeitig zwölf bis fünfzehn spöttische Stimmen.

»Ich war dabei,« sprach eine ernste Stimme.

Der König wandte sich um und erkannte Gilbert, welcher während der Discussion eingetreten war, sich ehrerbietig der Gruppe genähert hatte und, nachdem er bis jetzt geschwiegen, nun aus die Frage des Königs antwortete.

»Ah! Sie da, Doctor?« sagte der König schauernd; »ah! Sie waren dabei?«

»Ja, Sire!«

»Und ist der Versuch gelungen?«

»Vollkommen bei den zwei Ersten; doch beim Dritten, obgleich der Rückgrat durchschnitten war, mußte man die Trennung des Kopfes mit einem Messer vollenden.«

Die jungen Leute horchten mit offenem Munde und stieren Augen.

»Wie, Sire,« sagte Charles Lameth, der sichtbar im Namen aller Andern und in dem seinigen sprach, »man hat drei Menschen heute Morgen hingerichtet?«

»Ja, meine Herren!« antwortete der König, »nur waren diese Menschen Leichname, welche das Hotel-Dien geliefert hatte. Und Ihre Ansicht, Gilbert?«

»Worüber, Sire?«

»Ueber das Instrument.«

»Sire, das ist offenbar ein Fortschritt neben allen bis heute erfundenen Maschinen derselben Art; doch der Unfall, der sich beim dritten Leichname zugetragen hat, beweist, daß diese Maschine der Vervollkommnung bedarf.«

»Und wie ist sie gemacht?« fragte der König, bei dem der Geist der Mechanik erwachte.

Gilbert versuchte es, eine Erläuterung zu geben; da aber der König nach den Worten des Doctors die Form des Instrumentes nicht genau auffassen konnte, so sagte er:

»Kommen Sir, Doctor; hier aus diesem Tische sind Federn, Tinte und Papier. Sie zeichnen, glaube ich?«

»Ja, Sire.«

»Nun, so machen Sie mir eine Skizze, und ich werde besser begreifen.«

Und da es die jungen Leute, durch die Ehrfurcht zurückgehalten, nicht wagten, dem König zu folgen, ohne aufgefordert sein, so fügte Ludwig XVI. bei:

»Oh! kommen Sie, kommen Sie, meine Herren, diese Fragen interessiren die ganze Menschheit.«

»Und dann, wer weiß,« sagte Suleau halblaut, »wer weiß, ob nicht Einer von uns zu der Ehre, Mademoiselle Guillotine zu heirathen, bestimmt ist! Auf, meine Herren, wir wollen mit unserer Braut Bekanntschaft machen!«

Alle schlossen sich dem König und Gilbert an und gruppirten sich um den Tisch, an den sich Gilbert, um seine Zeichnung leichter auszuführen, auf die Einladung des Königs setzte.

Gilbert begann die Skizze der Maschine, deren Linien Ludwig XVI. mit der ängstlichsten Aufmerksamkeit folgte.

Nichts fehlte daran, weder die Plattform, noch die Treppe, welche auf diese führte, noch die zwei Säulen, noch die Schaukel, noch das kleine Fenster, noch das Eisen in Form eines Halbmonds.

Kaum hatte er diese letzte Einzelheit beendigt, als ihn der König zurückhielt.

»Wahrhaftig!« sagte er, »man darf sich nicht wundern, daß der Versuch mißglückt ist, besonders beim dritten Male.«

»Wie so, Sire?« fragte Gilbert.

»Das rührt von der Form des Messers her,« erwiederte Ludwig XVI,; »man muß keinen Begriff von der Mechanik haben, um einem Gegenstande, der die Bestimmung hat, eine Widerstand bietende Materie zu durchschneiden, die Form eines Halbmonds zu geben.«

»Welche Form würde ihm denn Eure Majestät geben?«

»Das Ist ganz einfach, die eines Dreiecks.«

Gilbert suchte seine Zeichnung zu berichtigen.

»Nein, nein, nicht dies,« rief der König, »nicht dies. Geben Sie mir Ihre Feder.«

»Sire,« sagte Gilbert, »hier ist die Feder, hier der Stuhl.«

»Warten Sie, warten Sie,« versetzte Ludwig XVI., Fortgerissen von seiner Liebe für die Mechanik; »machen Sie mir das Messer schräge, so  . . .ja!  . . .so  . . .und ich steht Ihnen dafür, daß Sie fünfundzwanzig Köpfe hintereinander abschneiden würden, ohne daß das Eisen bei einem einzigen widerspänstig wäre.«

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als ein herzzerreißender Schrei, ein Schrei des Schreckens, beinahe des Schmerzes, über seinem Haupte erscholl.

Er wandte sich um und sah die Königin bestürzt, bleich wanken und dann ohnmächtig in die Arme von Gilbert fallen.

Wie die Andern von der Neugierde angetrieben, war sie an den Tisch getreten, hatte sich über den Stuhl des Königs geneigt und in dem Augenblick, wo er den Hauptpunkt verbesserte, die häßliche Maschine erkannt, welche sie Cagliostro, zwanzig Jahre früher, im Schlosse Taverney-Maison-Rouge hatte sehen lassen.

Bei diesem Anblick hatte sie nur noch die Kraft gehabt, einen Schrei auszustoßen, und war, nachdem sie das Leben verlassen, als ob die unselige Maschine an ihr operirt hätte, wie gesagt, ohnmächtig in die Arme von Gilbert gefallen.

14

 Diese echt französische Versification ist dem Geiste der deutschen Sprache so fremd, daß wir das Lied im Original geben und nur eine Uebersetzung in Prosa beifügen zu müssen glaubten: »Guillotin, ein Arzt, ein Politiker, denkt an einem schönen Morgen, das Henken sei unmenschlich und unpatriotisch. Sogleich muß er eine Strafe haben, welche, ohne Strick und ohne Galgen, den Dienst des Henkens aufhebt. Vergebens behauptet man öffentlich, es sei reine Eifersucht eines Helfershelfers des Hippokrates, welcher ungestraft, sogar ausschließlich, tödten zu können sich schmeichle. Der Römer Guillotin, der sich in Bereitschaft setzt, zieht Leute vom Handwerk, Barnave und Chapelier, selbst den Kopfabschneider zu Rath; und seine Hand macht plötzlich die Maschine, die uns einfach tödten soll, und die man nennen wird: Guillotine!

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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