Читать книгу Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4 - Александр Дюма - Страница 39

Siebentes bis zehntes Bündchen
XXXIX
Wo bewiesen ist, daß es wirklich einen Gott für die Trunkenen gibt

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An demselben Tage, gegen acht Uhr Abends, kam ein als Arbeiter gekleideter Mann, der vorsichtig die Hand auf die Tasche seines Wammses drückte, als enthielte an diesem Abend seine Tasche eine bedeutendere Summe, als die Tasche eines Arbeiters gewöhnlich enthält, kam ein Mann, sagen wir, aus den Tuilerien über den Pont Tournant, wandte sich links und folgte von einem Ende zum andern der großen Allee, welche aus der Seite der Seine diesen Theil der Champs-Elysées verlängert, den man früher den Port au Marbre oder Port aux Pierres nannte und heute den Cours-la-Reine nennt.

Am äußersten Ende dieser Allee befand er sich aus dem Quai de la Savonnerie.

Der Quai de la Savonnerie war zu jener Zeit sehr heiter am Tage und sehr erleuchtet am Abend durch eine Menge kleiner Schenken, wo am Sonntag die guten Bürger den flüssigen und festen Proviant kauften, den sie auf Schiffen, welche sie um zwei Sous für die Person mietheten, mit sich nahmen, um den Tag aus der Schwaneninsel zuzubringen; eine Insel, auf der sie, ohne diese Vorsicht, Hungers zu sterben Gefahr gelaufen wären, und zwar an gewöhnlichen Wochentagen, weil sie völlig verödet, und an Sonntagen, weil sie zu sehr bevölkert war.

Bei der ersten Schenke, die er an seinem Wege traf, schien der als Arbeiter gekleidete Mann einen heftigen Kampf mit sich selbst zu entspinnen, – einen Kampf, aus dem er siegreich hervorging: ob er nämlich in die Schenke eintreten oder nicht eintreten sollte.

Er trat nicht ein und ging weiter.

Bei der zweiten erneuerte sich dieselbe Versuchung, und diesmal konnte ein zweiter Mann, der ihm wie ein Schatten, ohne daß er es bemerkte, seit einiger Zeit folgte, glauben, er werde nachgeben, denn, von der geraden Linie abgehend, neigte er sich so sehr vor dieser Beikirche des Bacchus-Tempels, wie man damals sagte, daß er ihre Schwelle berührte.

Nichtsdestoweniger siegte auch diesmal die Mäßigkeit, und es ist wahrscheinlich, daß er, würde sich nicht eine dritte Schenke auf seinem Wege gesunden haben und er hätte zurückkehren müssen, um den Eid zu brechen, den er sich selbst geschworen zu haben schien, seine Wanderung fortgesetzt hätte, – nicht nüchtern, denn der Reisende halte wohl schon eine redliche Dosis von der Flüssigkeit, die des Menschen Herz erfreut, zu sich genommen, – aber in einem Zustande der Selbstbeherrschung, der seinem Kopfe erlaubte, seine Beine in einer hinreichend geraden Linie aus dem Wege zu führen, den er zu machen hatte.

Unglücklicher Weise gab es nicht nur eine dritte, sondern auch eine vierte, eine fünfte, eine zehnte, eine zwanzigste Schenke aus diesem Wege; eine Folge hiervon war, daß, da sich die Versuchungen zu oft wiederholten, die Widerstandskraft sich nicht im Einklange fand mit der Versuchungskraft und der dritten Probe unterlag.

Es ist nicht zu leugnen, daß durch eine Art von Transaction mit sich selbst der Arbeiter, der so glücklich den Dämon des Weines bekämpft hatte, als er in die Schenke eintrat, vor dem Schanktisch stehen blieb und nur einen Schoppen verlangte.

Der Dämon des Weins, gegen den er stritt, schien indessen siegreich durch den Unbekannten vertreten zu sein, der ihm in einiger Entfernung folgte, wobei er bemüht war, in der Dunkelheit zu bleiben, ohne jedoch den Ersten aus den Augen zu verlieren.

Ohne Zweifel, um diese Perspective zu genießen, die ihm angenehm zu sein schien, setzte er sich aus die Brustmauer gerade der Thüre der Schenke gegenüber, wo der Arbeiter seinen Schoppen trank, und begab er sich wieder auf den Weg, fünf Secunden, nachdem dieser sein Glas geleert hatte und über die Schwelle getreten war, um weiter zu gehen.

Doch wer kann sagen, wo die Lippen stille stehen werden, welche sich einmal am unseligen Becher der Trunkenheit befeuchtet und mit dem den Trunkenen eigenthümlichen, mit Befriedigung gemischten Erstaunen wahrgenommen haben, daß nichts so sehr Durst erregt, als das Trinken? Kaum hatte der Arbeiter hundert Schritte gemacht, da war sein Durst so mächtig, daß er abermals anhalten mußte, um ihn zu löschen; nur sah er diesmal ein, daß ein Schoppen zu wenig war, und verlangte eine halbe Flasche.

Der Schatten, der an ihn festgebunden zu sein schien, war wohl nicht unzufrieden mit dem wiederholten Verzuge, den das Bedürfniß, sich zu erfrischen, in die Vollendung seines Weges brachte. Er blieb an der Ecke der Schenke stehen, und obgleich der Trinker sich gesetzt hatte, um es sich bequemer zu machen, und eine Viertelstunde brauchte, um seine halbe Flasche Wein zu schlürfen, gab der Schatten doch kein Zeichen von Ungeduld von sich und folgte ihm nur wieder in dem Augenblick, wo er herauskam, mit demselben Schritte, den er bis zum Eingang gemacht hatte.

Nach hundert weiteren Schritten wurde diese Langmuth auf eine neue und gestellt; der Arbeiter machte einen dritten Halt, und diesmal, da sein Durst immer mehr zunahm, verlangte er eine ganze Flasche.

Das war abermals eine halbe Stunde des Wartens für den geduldigen Argus, der sich an seine Ferse angehängt hatte.

Diese nach und nach verlorenen fünf Minuten, fünfzehn Minuten, dreißig Minuten erregten ohne Zweifel Gewissensbisse im Herzen des Trinkers; denn da er, wie es schien, nicht mehr anhalten wollte, während er fortzutrinken wünschte, so ging er mit sich selbst eine Art von Vergleich ein, der darin bestand, daß er sich im Augenblick seines Abganges mit einer entpfropften Flasche Wein versah, aus der er seine Reisegefährtin zu machen beschloß.

Dies war ein weiser Entschluß, der denjenigen, welcher ihn gesehen, nur aushielt nach Maßgabe der immer mehr ausgedehnten krummen Linien und der immer öfter wiederholten Zickzacke, die das Resultat von jeder Annäherung waren, welche zwischen dem Halse der Flasche und den durstigen Lippen des Trinkers stattfand.

In einer dieser geschickt combinirten krummen Linien gelangte er durch die Barrière de Passy ohne irgend ein Hinderniß  . . .Die Flüssigkeiten sind bekanntlich beim Ausgange von jedem Octroi frei.

Der Unbekannte, der ihm folgte, ging hinter ihm und mit demselben Glücke wie er hinaus.

Hundert Schritte vor der Barrière mußte sich unser Mann Glück wünschen zu der sinnreichen Vorsichtsmaßregel, die er genommen, denn von da an wurden die Schenken immer seltener, bis sie am Ende völlig verschwanden.

Doch was war unserem Philosophen hieran gelegen? Wie der Weise des Alterthums, trug er nicht nur seine Habe, sondern auch seine Freude mit sich.

Wir sagen seine Freude, in Betracht, daß bei der Hälfte der Flasche unser Trinker zu singen anfing, und Niemand wird bestreiten daß der Gesang, mit dem Lachen, eines von den Mitteln ist, die dem Menschen gegeben sind, um seine Freude zu offenbaren.

Der Schatten des Trinkers schien sehr empfänglich für die Harmonie dieses Gesangs, den er leise wiederholte, und für den Ausdruck dieser Freude, deren Phrasen er mit einem ganz besonderen Interesse folgte. Leider aber war die Freude ephemer und der Gesang von kurzer Dauer. Die Freude währte nur gerade so lange, als der Wein in der Flasche, und sobald die Flasche leer und wiederholt vergebens zwischen den Händen des Trinkers gepreßt worden war, verwandelte sich der Gesang in ein Grunzen, das immer stärker wurde und am Ende in Verwünschungen ausartete.

Diese Verwünschungen waren an unbekannte Verfolger gerichtet, über welche sich stolpernd, unser armer Wanderer beklagte.

»Oh! der Unglückliche!« sagte er, »oh! der Unglückliche! einem, alten Freunde, einem Meister einen verfälschten Wein geben! . . . pfui! Er lasse mich wieder holen, um seine Schlösser zu verbessern; er schicke seinen schurkischen Gesellen, der mich verläßt, wieder zu mir, und ich werde kommen und ihm sagen: »»Gute Nacht, Sire, Deine Majestät verbessere ihre Schlösser selbst!«« Und wir werden sehen, ob man ein Schloß macht wie ein Decret!  . . . Ah! ich werde Dir Schlösser mit drei Bärten geben  . . .ah! ich werde Dir Schlösser mit Zuhaltung geben., . ich werde Dir geben gebohr  . . .gebohrte Schlüssel mit eingeschnittenem Kamm . . .Oh! Der Unglückliche! oh! die Unglückliche! sie haben mich offenbar vergiftet.«

Und während er diese Worte sprach, fiel er, ohne Zweifel besiegt durch die Macht des Giftes, der Länge nach zum dritten Male auf das Straßenpflaster, wo ihn alsbald eine dichte Kothlage umhüllte.

Die zwei ersten Male war unser Mann allein wieder aufgestanden. Die Operation war schwierig gewesen, doch er hatte sie zu seiner Ehre vollbracht; das dritte Mal war er nach verzweifelten Anstrengungen genöthigt, sich selbst zu gestehen, daß die Aufgabe seine Kräfte überstieg, und mit einem Seufzer, der einem Stöhnen glich, schien er sich zu entschließen, zur Lagerstätte für diese Nacht den Schooß unserer gemeinschaftlichen Mutter, der Erde, zu nehmen.

Bei diesem Punkte der Entmuthigung und der Schwäche erwartete ihn ohne Zweifel unser Unbekannter, der ihm von der Place Louis XV. an mit so viel Beharrlichkeit folgte, denn nachdem er, sich in der Entfernung haltend, ihn die fruchtlosen Anstrengungen, welche wir zu schildern versucht, hatte unternehmen lassen, näherte er sich ihm vorsichtig, ging im Kreise um seine zusammengesunkene Größe, rief einem Fiacre, der vorüberfuhr, und sagte zum Kutscher:

»Mein Freund, hier liegt mein Geselle, dem es unwohl geworden ist; nehmt diesen Sechs Livres-Thaler, schafft den armen Teufel in Euren Wagen und führt ihn nach der Schenke des Pont de Sèvres. Ich werde zu Euch hinaufsteigen.«

Man durste sich nicht wundern über den Vorschlag, seinen Sitz zu theilen, den derjenige von den zwei Gefährten, welcher stehen geblieben war, dem Kutscher machte, da er selbst ein Mensch von ziemlich geringem Stande zu sein schien. Mit dem rührenden Vertrauen, das die Menschen von solchen Verhältnissen zu einander haben, erwiederte auch der Kutscher:

»Sechs Franken  . . .und wo sind Deine sechs Franken?«

»Hier, mein Freund,« sagte, ohne daß er sich im Geringsten zu ärgern schien, indem er dem Kutscher den Thaler darreichte, der Mann, welcher diese Summe angeboten hatte.

»Und wenn wir dort sind, mein Bürger,« versetzte der durch das Bildniß des Königs besänftigte Automedon, »wird es nicht ein kleines Trinkgeld geben?«

»Je nachdem wir gefahren sind. Schaffe diesen armen Teufel in Deinen Wagen, schließe sorgfältig die Schläge, sei bemüht, bis dort Deine zwei Mähren auf ihren Beinen zu halten, und sind wir beim Pont de Sèvres, so werden wir sehen  . . .Hast Du uns gut gefahren, so sollst Du bedacht werden.«

»Schön,« sagte der Kutscher, »das heiße ich antworten. Seien Sie ruhig, Sie werden zufrieden sein. Steigen Sie auf den Bock und verhindern Sie die wälschen Hühner, Dummheiten zumachen; ah! zu dieser Stunde riechen sie den Stall und haben Eile, nach Hause zu kommen; das Uebrige ist meine Sache.«

Der freigebige Unbekannte folgte ohne irgend eine Bemerkung der Instruction, die man ihm gab. Der Kutscher hob mit aller Zartheit, der er fähig war, den Trunkenen in seinen Armen auf, legte ihn sanft zwischen die zwei Sitze seines Fiacre, schloß den Schlag, stieg auf seinen Bock, wo er den Unbekannten fand, ließ seinen Wagen sich umwenden und peitschte seine Pferde, welche bald mit den, bei diesen Vierfüßigen gewöhnlichen melancholischen Gang durch den Flecken Point-du-Jour trabten und nach einer halben Stunde zu der Schenke des Pont de Sèvres kamen.

Im Innern dieser Schenke finden wir nach zehn Minuten, die man der Auspackung de»Bürgers Gamain widmete, den der Leser ohne Zweifel längst erkannt hat, den würdigen Meister über Meister, Meister über Alle wieder; er sitzt an demselben Tische und demselben Waffenschmiede gegenüber, wie wir ihn im ersten Kapitel dieser Geschichte gesehen haben.

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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