Читать книгу Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4 - Александр Дюма - Страница 34

Drittes bis sechstes Bändchen
XXXIV
Alte Bekannte

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Am Abend desselben Tages, an welchem Herr Louis von Bouillé die Ehre gehabt hatte, zuerst von der Königin und dann vom König empfangen zu werden, ereignete sich, zwischen sechs und sieben Uhr im dritten und letzten Stocke eines kleinen, alten, finstern, schmutzigen Hauses der Rue de la Juiverie eine Scene, welcher unsere Leser beiwohnen zu lassen wir um Erlaubniß bitten.

Wir werden sie vom Eingange des Pont au Change mitnehmen, entweder beim Aussteigen aus ihrer Carrosse, oder beim Aussteigen aus ihrem Fiacre, je nachdem sie sechs tausend Livres jährlich für einen Kutscher, ein Paar Pferde und einen Wagen aufzuwenden oder dreißig Sous täglich für einen einfachen nummerirten Wagen zu geben haben. Wir werden mit ihnen dem Pont au Change folgen, sodann in die Rue de la Pelleterie eintreten und durch diese in die Rue de la Juiverie gehen, wo wir vor der dritten Thüre links stehen bleiben.

Wir wissen wohl, daß der Anblick dieser Thüre, – welche die Miethleute des Hauses nicht einmal zu verschließen sich die Mühe geben, so sehr glauben sie sich vor jedem nächtlichen Versuche der Herren Diebe der Eite geschützt, – nicht besonders anziehend ist, aber, wie gesagt, wir brauchen die Leute, welche in den Mansarden dieses Hauses wohnen, und da sie uns nicht aufsuchen würden, so müssen wir, lieber Leser oder geliebte Leserin, muthig zu ihnen gehen.

Sichern Sie also so viel als möglich Ihren Tritt, um nicht in dem kleberigen Kothe auszugleiten, der den Boden des schmalen, schwarzen Ganges, in welchen wir eindringen, bedeckt; schließen wir unsere Kleider fest an unsern Leib, damit sie nicht an den Wänden der feuchten, schmierigen Treppe, die im Hintergrunde dieses Ganges, wie die Stücke einer schlecht zusammengefügten Schlange, aufwärts kriecht, anstreifen; halten wir an unsere Nase einen Essigflacon oder vor unser Gesicht ein parfümirtes Taschentuch, damit der schärfste und aristokratischste von unseren Sinnen, der Geruch, soviel als möglich der Berührung dieser mit Stickstoff geschwängerten Lust entgehe, die man zugleich durch den Mund, durch die Nase und durch die Augen einathmet, und bleiben wir aus dem Ruheplatze des dritten Stockes vor einer Thüre stehen, auf welche die unschuldige Hand eines jungen Malers mit Kreide Figuren gezeichnet hat, die man Anfangs für kabalistische Zeichen halten könnte, während es nur unglückliche Versuche in der erhabenen Kunst der Leonard da Vinci, der Raphael, der Michel Angelo sind.

Hier angelangt, werden wir, wenn Sie wollen, durch das Schlüsselloch schauen, damit Sie, lieber Leser oder geliebte Leserin, wenn Sie ein gutes Gedächtniß haben, die Personen erkennen, welche Sie treffen werden. Erkennen Sie dieselben aber nicht vom Ansehen, so mögen Sie Ihr Ohr an die Thüre halten und horchen. Dann maß Ihnen wohl, wenn Sie unser Buch: »Das Halsband der Königin,« ein wenig gelesen haben, das Gehör zu Hilfe kommen: unsere Sinne vervollständigen einander.

Sagen wir zuerst, was man sieht, wenn man durch das Schlüsselloch schaut.

Das Innere eines Zimmers, das die Noth bezeichnet und von drei Personen bewohnt wird; diese drei Personen sind ein Mann, eine Frau und ein Kind.

Der Mann ist fünf und vierzig Jahre alt und scheint fünf und fünfzig zu sein; die Frau ist vier und dreißig alt, und scheint vierzig zu sein; das Kind zählt fünf, und sieht aus wie sein Alter; es hat noch nicht Zeit gehabt, zweimal zu altern.

Der Mann trägt die abgenutzte Uniform eines Sergenten bei den Gardes françaises – eine verehrte Uniform seit dem 14. Juli, wo sich die Gardes françaises mit dem Volke verbanden, um mit den Deutschen von Herrn von Lambesc und den Schweizern von Herrn von Besenval Flintenschüsse zu wechseln.

Er hält in der Hand ein vollständiges Kartenspiel, vom Aß an mit dem Zweier, dem Dreier und dem Vierer von jeder Farbe bis zum König; er versucht zum hundertsten, zum tausendsten, zum zehntausendsten Male eine unfehlbare Martingale. Ein Carton, durch den eben so viele Löcher gestochen sind, als es Sterne am Himmel gibt, ruht an seiner Seite.

Wir haben gesagt ruht, und wir beeilen uns, dieses Wort zurückzunehmen, denn es ist ein sehr ungeeignetes auf diesen Carton angewandt, da ihn der Spieler, – er ist unbestreitbar ein Spieler, – unablässig quält, indem er ihn von fünf zu fünf Minuten um Rath fragt.

Die Frau hat ein altes seidenes Kleid an; bei ihr ist das Elend um so erschrecklicher, als sie mit Ueberresten von Luxus erscheint; ihre Haare werden über dem Nacken durch einen kupfernen, ehemals vergoldeten Kamm festgehalten; ihre Hände sind sorgfältig reinlich und haben durch diese große Reinlichkeit ein gewisses aristokratisches Aussehen bewahrt oder vielmehr erlangt; ihre Nägel, welche der Herr Baron von Taverney, in seinem groben Realismus Horn nannte, sind geschickt gegen die Spitze zu gerundet: der Farbe beraubte, an gewissen Stellen verschobene Pantoffeln, welche einst mit Gold und Seide gestickt waren, spielen an ihren, mit Ueberbleibseln von durchbrochenen Strümpfen bedeckten, Füßen.

Das Gesicht ist, wie gesagt, das einer Frau von vier und dreißig bis fünf und dreißig Jahren und würde, wäre es künstlich nach der Mode der Zeit bearbeitet, derjenigen, die es trügt, erlauben, sich das Alter zu geben, an das sich ein Lustrum hindurch und sogar zwei Lustra die Frauen mit aller Hartnäckigkeit anklammern, wir meinen neun und zwanzig, – zeigt aber, der rothen und weißen Schminke beraubt und folglich von allen Mitteln entblößt, die Schmerzen und die Armuth, diesen dritten und vierten Flügel der Zeit, zu verbergen, vier bis fünf Jahre mehr als die Wirklichkeit an.

So entblößt aber auch dieses Gesicht ist, so fängt man doch an zu träumen, wenn man es sieht, und ohne sich Antwort geben zu können, so sehr zögert der Geist, so kühn auch sein Flug sein mag, über eine solche Entfernung zu springen, fragt man sich, in welchem goldenen Palaste, in welchem sechsspännigen Wagen, unter welchem königlichen Staube man ein glänzendes Gesicht, von dem dieses nur der bleiche Reflex ist, gesehen habe.

Das Kind ist, wie wir erwähnt, fünf Jahre alt; es hat die krausen Haare eines Cherubs, die runden Backen eines Franzapfels, die teuflischen Augen seiner Mutter, den gefräßigen Mund seines Vaters, die Trägheit und die Launen von Beiden.

Es ist mit einem Reste von einem nacaratfarbigen Sammetrock bekleidet, und während es ein Stück, beim Specereihändler der Ecke, mit Muß bestrichenes Brod ißt, fasert es die Ueberbleibsel eines alten dreifarbigen Gürtels auf den Boden eines alten perlgrauen Hutes aus.

Alles wird beleuchtet durch eine Talgkerze mit einem riesigen Schnuppen, der eine leere Flasche als Leuchter dient, und die, indeß sie den Mann mit den Karten ins Licht setzt, die übrige Stube in einem Halbdunkel läßt.

Nachdem dies vorangeschickt ist, und da, nach unserer Voraussicht, die Inspection mit bloßem Auge uns nichts gelehrt hat, wollen wir horchen.

Der Knabe bricht zuerst das Stillschweigen, er wirst über seinen Kopf das Mußbrod, welches auf den Fuß des nur noch aus einer Matratze bestehenden Bettes fällt, und ruft seiner Mutter zu:

»Mama, ich will kein Brod und kein Muß mehr  . . .pfui!«

»Was willst Du denn, Toussaint?«

»Ich will eine Stange rothen Gerstenzucker.«

»Hörst Du, Beausire?« fragt die Frau.

Dann, da sie sieht, daß Beausire, in seine Berechnungen versunken, nicht antwortet, wiederholt sie noch lauter:

»Hörst Du, was das arme Kind sagt?«

Dasselbe Stillschweigen.

Nun hebt sie ihren Fuß bis zur Höhe der Hand empor, nimmt ihren Pantoffel, schleudert ihn dem Rechner an den Kopf und ruft:

»He! Beausire!«

»Nun! was gibt es?« sagt dieser mit einem bemerkbaren Ausdruck schlechter Laune.

»Toussaint verlangt rothen Gerstenzucker, weil er kein Muß mehr will, der arme Knabe!«

»Er wird morgen bekommen.«

»Ich will heute, ich will diesen Abend, ich will aus der Stelle!« ruft das Kind mit einem weinerlichen Tone, der stürmisch zu werden droht.

»Toussaint, mein Freund spricht der Vater, »ich rathe Dir, uns Stillschweigen zu gewähren, oder Du hast es mit Papa zu thun.«

Das Kind stieß einen Schrei aus, welcher ihm mehr durch den Eigensinn, als durch die Angst entrissen wurde.

»Rühre doch den Kleinen ein wenig an, Trunkenbold, und Du wirst es mit mir zu thun haben!« versetzt die Mutter, indem sie gegen Beausire die weiße Hand ausstreckt, die bei der Sorgfalt, welche die Eigenthümerin aus die Form der Nägel verwendet hatte, im Nothfall ohne Klaue werden konnte.

»Ei! wer des Teufels will denn dieses Kind anrühren? Du weißt wohl, daß dies eine Redensart ist, Frau Oliva, und daß man, wenn man auch von Zeit zu Zeit der Mutter die Kleider ausklopst, doch immer das Wamms des Kindes respeclirt hat  . . .Komm und küsse den armen Beausire, der in acht Tagen reich sein wird wie ein König; auf, komm, meine kleine Nicole!«

»Bist Du einmal reich wie ein König, mein Herzchen, so wird es noch Zeit sein, Dich zu umarmen, doch bis dahin, nein!«

»Ich sage Dir aber, daß es ist, als hätte ich hier eine Million; mache mir einen Vorschuß, das wird uns Glück bringen: der Bäcker gibt uns Credit.«

»Ein Mensch, der in Millionen wühlt und vom Bäcker Credit für einen vierpfündigen Laib Brod verlangt!«

»Ich will rothen Gerstenzucker!« rief das Kind mit einem Tone, der immer bedrohlicher wurde.

»Nun, Du Millionär, gib dem Kinde ein Stück Gerstenzucker.«

Beausire machte eine Bewegung, als wollte er mit der Hand in die Tasche greisen, doch diese Hand legte nicht die Hälfte des Weges zurück.

»Ei!« sagte er, »Du weißt wohl, daß ich Dir gestern mein letztes Vierundzwanzig-Sous-Stück gegeben habe.«

»Da Du Geld hast, Mutter,« rief de: Knabe, indem er sich gegen diejenige umwandte, welche der ehrenwerthe Herr von Beausire abwechselnd Oliva und Nicole genannt halte, »so gib mir einen Sou, daß ich rothen Gerstenzucker kaufen kann.«

»Hier hast Du zwei, böses Kind, und nimm Dich in Acht, daß Du nicht fällst, wenn Du die Treppe hinabgehst.«

»Ich danke, Mütterchen!« versetzte der Knabe, der die Hand ausstreckte und vor Freude hüpfte.

»Komm hierher, kleiner Bursche, ich will Dir Deinen Gürtel umschnallen und Deinen Hut aufsetzen, damit man nicht sagt, Herr von Beausire lasse sein Kind ganz zerlumpt aus der Straße gehen, was ihm gleichgültig ist, ihm, der kein Herz hat, worüber ich aber vor Scham sterben würde.«

Der Knabe hatte große Lust, was auch die Nachbarn über den muthmaßlichen Erben des Hauses Beausire sagen dürften, ohne Hut und Gürtel wegzulaufen, denn er hatte die Nützlichkeit dieser Gegenstände nur so lange anerkannt, als sie durch ihre Frische und ihren Glanz die Bewunderung der anderen Kinder erregten. Da aber Gürtel und Hut eine der Bedingungen der zwei Sous waren, so mußte sich der junge Schreihals, so widerspänstig er war, wohl fügen.

Er tröstete sich damit, daß er, ehe er wegging, sein Zwei-Sous-Stück seinem Vater unter die Nase hielt, – ein reizender Spaß, über den Herr von Beausire, in seinen Berechnungen versunken, nur einfach lächelte.

Dann hörte man seinen ängstlichen, obwohl durch die Naschhaftigkeit beschleunigten, Tritt aus der Treppe sich verlieren.

Die Frau, nachdem sie ihrem Kinde mit den Augen gefolgt war, bis sich die Thüre wieder hinter ihm zugethan hatte, lenkte ihren Blick vom Sohne aus den Vater zurück und sagte nach einem kurzen Stillschweigen:

»Ah! Herr von Beausire, Ihr Verstand wird uns, doch aus der elenden Lage, in der wir uns befinden, reißen müssen, sonst müßte ich zu dem meinigen Zuflucht nehmen.«

Und sie sprach diese letzten Worte, indem sie sich zierte wie eine Frau, der ihr Spiegel am Morgen gesagt hätte: »Sei ruhig, mit diesem Gesichte stirbt man nicht Hungers!«

»Du siebst ja, meine kleine Nicole, daß ich mich hiermit beschäftige,« erwiederte Herr von Beausire.

»Ja, indem Du Karten umschlägst und Cartons durchstichst.«

»Ich sage Dir aber, daß ich sie gefunden habe!«

»Was?«

»Meine Martingale.«

»Gut, das fängt wieder an! Herr von Beausire, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich in meinem Gedächtnisse unter meinen alten Bekannten suchen werde, ob nicht einer darunter ist, der die Macht hätte, Sie als Narren nach Charenton bringen zu lassen.«

»Ich sage Dir, daß sie unfehlbar ist!«

»Ah! wäre Herr von Richelieu nicht todt!« murmelte die junge Frau.

»Was sprichst Du?«

»Wäre der Herr Cardinal von Rohan nicht zu Grunde gerichtet!«

»Wie?«

»Wäre Frau von La Mothe nicht aus der Flucht!«

»Was beliebt?«

»Man würde die Mittel finden und wäre nicht genöthigt, das Elend eines solchen alten Strolchs zu theilen.«

Und mit der Geberde einer Königin bezeichnete Mademoiselle Nicole Legay, genannt Madame Oliva, verächtlich Beausire.

»Ich sage Dir aber,« wiederholte dieser mit dem Tone der Ueberzeugung, »morgen werden wir reich sein!«

»Millionen?«

»Millionen!«

»Herr von Beausire, zeigen Sie mir die ersten zehn Louis d’or von Ihren Millionen, und ich werde das Uebrige glauben.«

»Du wirst sie heute Abend sehen, diese ersten zehn Louis d’or.«

»Und Du willst sie mir geben?« fragte lebhaft Nicole.

»Das heißt, ich werde Dir fünf davon geben, um ein seidenes Kleid für Dich und ein Sammetröckchen für den Kleinen zu kaufen; mit den fünf anderen . . .«

»Nun, mit den fünf anderen?«

»Bringe ich Dir die versprochene Million.«

»Du willst abermals spielen, Unglücklicher?«

»Wenn ich Dir sage, daß ich die unfehlbare Martingale gesunden habe.«

»Ja, die Schwester von der, mit welcher Du die sechzigtausend Livres, die Dir von Deinem Geschäfte mit Portugal blieben, verbraucht hast.«

»Ein schlecht erworbenes Geld bringt keinen Vortheil,« erwiederte Beausire sentenziös, »und es war immer meine Idee, die Art, wie uns jenes Geld zugekommen, habe uns Unglück gebracht.«

»Es scheint also, dieses fällt Dir durch die Erbschaft zu. Du hattest einen Oheim, der in America oder in Indien gestorben ist, und er hinterläßt Dir zehn Louis d’or.«

»Diese zehn Louis d’or, Mademoiselle Nicole Legay,« sprach Beausire mit einer gewissen erhabenen Miene, »diese zehn Louis d’or, hören Sie werden nicht nur auf eine ehrliche, sondern auch aus eine ehrenvolle Art verdient werden, und zwar in einer Sache, bei der ich, wie der ganze Adel Frankreichs, interessirt bin.«

»Sie sind also von Adel, Herr Beausire?« versetzte Nicole hohnlächelnd.

»Sagen Sie von Beausire, Mademoiselle Legay, von Beausire,« erwiederte er mit Nachdruck, »wie dies constatirt der Geburtsschein Ihres Kindes, abgefaßt in der Saint-Paul-Kirche und unterzeichnet von Ihrem Diener Jean Baptiste Toussaint von Beausire an dem Tage, wo ich ihm meinen Namen gegeben habe.«

»Da haben Sie ihm ein schönes Geschenk gemacht!« murmelte Nicole.

»Und mein Vermögen!« fügte Beausire emphatisch bei.

»Schickt ihm der gute Gott nicht etwas Anderes,« sagte Nicole den Kopf schüttelnd, »so ist der arme Kleine sicher, daß er von Almosen leben und im Spital sterben wird.«

»Wahrhastig, Mademoiselle Nicole,« versetzte Beausire unwillig, »das ist nicht auszuhalten, Sie sind nie zufrieden.«

»So halten Sie es doch nicht aus!« rief Nicole, welche endlich ihrem lange unterdrückten Zorne die Zügel schießen ließ. »Ei! guter Gott, wer bittet Sie denn, es auszuhalten? Gott sei Dank! ich bin für meine Person und für die meines Kindes nicht in Verlegenheit, und schon heute Abend kann ich auch anderswo Glück suchen.«

Nach diesen Worten stand Nicole auf und machte drei Schritte gegen die Thüre.

Beausire seinerseits machte einen gegen dieselbe Thüre und versperrte sie, beide Arme öffnend.

»Aber, Böse,« rief er, »wenn man Dir doch sagt, daß dieses Vermögen heute Abend kommt  . . .«

»Nun?« fragte Nicole.

»Es kommt heute Abend; wenn man Dir sagt, daß, sollte die Martingabe falsch sein, – was nach meinen Berechnungen unmöglich ist, – fünf Louis d’or verloren wären und nicht mehr.«

»Es gibt Augenblicke, wo fünf Louis d’or ein Vermögen sind, hören Sie, Herr Verschwender! Sie wissen das nicht, Sie, der Sie Gold so schwer wie dieses Haus verzehrt haben.«

»Das ist ein Beweis für mein Verdienst, Nicole; habe ich dieses Gold verzehrt, so hatte ich es gewonnen, und wenn ich es gewonnen hatte, so kann ich es abermals gewinnen: übrigens gibt es einen Gott für die gewandten Leute.«

»Ah! ja, darauf rechne!«

»Mademoiselle Nicole, sollten Sie zufällig Atheistin sein?«

Nicole zuckte die Achseln.

»Sollten Sie aus der Schule von Herrn von Voltaire sein, der die Vorsehung leugnet?«

»Beausire, Sie sind ein Dummkopf,« sagte Nicole.

»Man dürste sich, da Sie vom Volke herkommen, nicht wundern, wenn Sie solche Ideen hätten. Ich muß Ihnen bemerken, daß es nicht diejenigen sind, welche meiner gesellschaftlichen Kaste und meiner politischen Meinung angehören.«

»Herr von Beausire, Sie sind ein Unverschämter,« rief Nicole.

»Ich glaube, verstehen Sie? ich, ich habe den Glauben; und sagte mir Einer: »»Dein Sohn, Jean Baptiste Toussaint von Beausire, der hinabgegangen ist, um rothen Gerstenzucker für ein Zwei-Sous-Stück zu kaufen, wird, mit einer Börse voll Gold in der Hand herauskommen,«« so würde ich antworten: »»Das kann sein, wenn es der Wille Gottes ist!««

Hierbei schlug Beausire seine Augen frommgläubig zum Himmel auf.

»Beausire, Sie sind ein einfältiger Tropf!« sagte Nicole.

Sie hatte diese Worte noch nicht vollendet, als man aus der Treppe die Stimme des jungen Toussaint hörte.

»Papa! Mama!« rief er.

Beausire und Nicole horchten bei dieser geliebten Stimme.

»Papa! Mama!« wiederholte die Stimme, welche immer näher kam.

»Was ist geschehen?« rief Nicole, während sie die Thüre mit einer ganz mütterlichen Besorgnis! öffnete.

»Komm, mein Kind, komm!«

»Papa! Mama!« fuhr die Stimme fort, immer näher kommend, wie die eines Bauchredners, der sich den Anschein gibt, als öffnete er die Thüre eines Kellers.

»Ich würde nicht erstaunen,« sagte Beausire, der in dieser Stimme das auffaßte, was sie Freudiges hatte, »ich würde nicht erstaunen, wenn das Wunder sich verwirklichte und der Kleine die Börse gefunden hätte, von der ich so eben sprach.«

In diesem Augenblick erschien das Kind auf der letzten Stufe der Treppe und stürzte in das Innere; es hielt im Munde sein Stück rothen Gerstenzucker, schloß mit seinem linken Arm einen Sack Zuckerwerk an seine Brust und zeigte in seiner offenen und ausgestreckten rechten Hand einen Louis d’or, der beim Scheine des magern Talglichtes glänzte wie der Stern Aldebaran.

»Ah! mein Gott! mein Gott!« rief Nicole, welche es der Thüre überließ, sich allein zu schließen. »Was ist Dir denn begegnet, liebes armes Kind?»

Und sie bedeckte das schmierige Gesicht des jungen Toussaint mit jenen mütterlichen Küssen, welche nichts anekelt, weil sie Alles zu reinigen scheinen.

»Es ist,« sagte Beausire, indem er sich geschickt des Louis d’or bemächtigte und ihn beim Lichte prüfend betrachtete, »es ist ein ächter Louis d’or, vierundzwanzig Livres werth.«

Dann kam er zu dem Kinde zurück und fragte:

»Wo hast Du das gefunden, Bürschchen, damit ich die andern suchen kann?«

»Ich habe es nicht gefunden,« erwiederte das Kind, »man hat es mir geschenkt.«

»Wie man hat es Dir geschenkt?« rief die Mutter.

»Ja, Mama, ein Herr.«

Nicole war nahe daran, wie Beausire es bei dem Louis d’or gemacht hatte, zu fragen, wo dieser Herr sei.

Doch klug durch die Erfahrung, denn sie wußte, wie empfindlich Beausire im Punkte der Eifersucht war, wiederholte sie nur:

»Ein Herr!«

»Ja, Mütterchen,« antwortete das Kind, während es seinen Gerstenzucker unter seinen Zähnen krachen ließ, »ein Herr!«

»Ein Herr!« wiederholte Beausire ebenfalls.

»Ja, Papachen, ein Herr, der beim Spezereihändler eintrat, während ich dort war; er sagte: »»Herr Specereihändler, ist es nicht ein junger Edelmann Namens von Beausire, den Sie in diesem Augenblicke zu bedienen die Ehre haben?««

Beausire warf sich in die Brust; Nicole zuckte die Achseln.

»Und was hat der Specereihändler geantwortet, mein Sohn?« fragte Beausire.

»Er hat geantwortet: »»Ich weiß nicht, ob er Edelmann ist, aber er heißt wirklich Beausire.«« »»Und wohnt er nicht ganz hier in der Nähe?«« fragte der Herr. »»Dort in dem Hause links, im dritten Stocke.«« »Geben Sie diesem Kinde alle Arten von guten Dingen, ich bezahle,«« sagte der Herr. Und zu mir sprach er: »»Hier, Kleiner, da ist ein Louis d’or ’, dafür kaufe Dir andere Bonbons, wenn diese gegessen sind.«« Und er legte mir den Louis d’or in die Hand; der Specereihändler gab mir dieses Paquet auf den Arm, und ich ging sehr zufrieden weg . . .Halt! wo ist denn mein Louis d’or?«

Und der Knabe, der die Escamotage von Beausire nicht gesehen hatte, fing an auf allen Seiten zu suchen.

»Kleiner Ungeschickter,« sagte Beausire, »Du wirst ihn verloren haben!«

»Nein! nein! nein!« rief das Kind.

Dieser Streit hätte ernster werden können; ohne das Ereigniß, das sogleich folgen wird und demselben ein Ende machen mußte.

Während das Kind, noch an sich selbst zweifelnd, auf der Erde den Louis d’or suchte, welcher schon im doppelten Boden der Westentasche von Beausire ruhte; während Beausire den Verstand des jungen Toussaint bewunderte, der sich durch die von uns mitgetheilte Erzählung geoffenbart, welche sich vielleicht ein wenig unter unserer Feder verbessert hat; während sich Nicole, die Begeisterung ihres Liebhabers für diese frühreife Beredtsamkeit theilend, im Ernste fragte, wer dieser Spender von Bonbons und Louis d’or sein könnte, wurde die Thüre geöffnet, und eine äußerst sanfte Stimme ließ die Worte vernehmen:

»Guten Abend, Mademoiselle Nicole; guten Abend, Herr von Beausire; guten Abend, junger Toussaint.«

Alle Drei wandten sich nach der Seite um, von der die Stimme kam.

Auf der Schwelle stand, mit einem diesem Familiengemälde zulächelnden Gesichte, ein sehr eleganter Mann.

»Ah! der Herr mit den Bonbons!« rief der junge Toussaint.

»Der Graf von Cagliostro!« sagten gleichzeitig Nicole und Beausire.

»Sie haben da ein reizendes Kind, Herr von Beausire,« sprach der Graf, »und Sie müssen sich äußerst glücklich fühlen, Vater zu sein.«

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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