Читать книгу Zwangsvollstreckungsrecht, eBook - Alexander Bruns - Страница 104
2. Die Verwirklichung in neueren Reformen oder Reformvorhaben
Оглавление4.18
Von den aufgereihten Reformvorschlägen sind in den jüngeren Novellen aufgegriffen die Vereinfachung der Pfändung nach § 850e (SGB-ÄnderungsG v. 13.6.1994, BGBl. I, 1229) und die Verbesserung der Stellung des Schuldners gegen Offenlegung seiner Daten im Rahmen der §§ 915 ff. (Gesetz v. 15.7.1994, BGBl. I, 1566; jetzt § 802k Abs. 4 iVm §§ 1 ff. Vermögensverzeichnisverordnung). Vereinfacht wurde der Rechtsbehelf gegen Entscheidungen des Rechtspflegers in § 11 RpflG (Gesetz v. 6.8.1998, BGBl. I, 2030). Die ZPO-Reform eröffnete die Möglichkeit vereinfachter Tenorierung der Sicherheitsleistung gemäß §§ 709 S. 2, 711 S. 2, 712 S. 1 HS. 2 (Gesetz v. 27.7.2001, BGBl. I, 1887). Die 2. Zwangsvollstreckungsnovelle 1999 hat unter anderem folgende Reformen verwirklicht[26]:
4.19
Prozesskostenhilfe für Zwangsvollstreckung (§§ 117, 119); Anpassung der Wertgrenzen für die vorläufige Vollstreckbarkeit (§ 708 Nr. 11); teilweise Sicherheitsleistung bei Teilvollstreckung (§ 752); wörtliches Angebot bei Zug-um-Zug-Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher (§§ 756 Abs. 2, 765); Kodifikation der Rechtsprechung des BVerfG zur richterlichen Anordnung von Durchsuchungen (§ 758a); einstweiliger Rechtsschutz bei § 765a und Verhältnis des § 765a zum Räumungsschutz; Modernisierung des Erfüllungsnachweises (§ 775 Nr. 5); gesamtschuldnerische Kostenhaftung anteilsmäßiger Gesamtschuldner und Möglichkeit der Kostenfestsetzung (§ 788); Erweiterung des Anwendungsbereiches der vollstreckbaren Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5).
4.20
Erleichterte Voraussetzungen der Vermögensauskunft – seinerzeit Offenbarungsversicherung – gemäß § 807 (Durchsuchungsverweigerung, Abwesenheit des Schuldners bei Pfändungsversuchen); Pfändung unpfändbarer eigener Sachen des Vorbehaltsverkäufers für urkundlich belegbaren Eigentumsvorbehalt (§ 811 Abs. 2); Teilzahlungsvereinbarung des Gerichtsvollziehers, falls der Gläubiger nicht widerspricht (§ 813a a.F.) – heute: falls der Gläubiger eine Zahlungsvereinbarung nicht ausgeschlossen hat und nicht widerspricht (§ 802b Abs. 2, 3); Aussetzungen der Verwertung gepfändeter Sachen unter Anordnung von Zahlungsfristen durch das Vollstreckungsgericht auf Schuldnerantrag (§ 813b a.F.); unförmliche Verwertung von Mobilien (§ 825); Abgabe an das zuständige Gericht bei Forderungspfändungen (§ 828 Abs. 3); einheitlicher Pfändungsbeschluss bei mehreren Drittschuldnern (§ 829 Abs. 1 S. 3); Fortdauer der Gehaltspfändung bei Unterbrechung des Dienstverhältnisses (§ 833 Abs. 2); Offenbarungsversicherung des Schuldners bei verweigerter Auskunft nach Überweisung (§ 836 Abs. 3 S. 2).
4.21
Anhebung des Mindestbetrages für Sicherungshypotheken auf € 750 (§ 866 Abs. 3); Titulierung der Sicherungshypothek ohne neues Verfahren (§ 867 Abs. 3); Verwertungsbefugnis des Gerichtsvollziehers bei Räumungsvollstreckung für Räumungsgut (§ 885 Abs. 3 und 4); Fortfall der Androhung von Zwangsmitteln bei nicht vertretbarer Handlung (§ 888 Abs. 2).
4.22
Abgabepflicht des angegangenen Gerichts und Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers bei eidesstattlicher Versicherung (§ 802e); Flexibilisierung des Aufschubs der Offenbarungsversicherung (§ 900 a.F.); Flexibilisierung des Haftvollzugs (§§ 802g, 802h) und zeitliche Begrenzung der Haftbefehlswirkung auf drei (heute: zwei) Jahre.
4.23
Die Reform der Sachaufklärung (Gesetz v. 29.7.2009; BGBl. I, 2258) hat die Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung wesentlich umgestaltet. Aufgrund eines entsprechenden Antrags des Gläubigers ist der Schuldner auch schon vor einem fehlgeschlagenen Erstzugriff verpflichtet, gegenüber dem Gerichtsvollzieher eine Vermögensauskunft zu erteilen (§§ 802a Abs. 2 Nr. 2, 802c ff.), ein vorheriger Vollstreckungsfehlschlag ist nicht mehr erforderlich. Die Rolle des Gerichtsvollziehers wurde gestärkt, u.a. durch den Auftrag zur gütlichen Erledigung (§ 802 b).
4.24
Neu eingeführt wurde ferner das Pfändungsschutzkonto, das dem Schuldner den automatischen Schutz des pfändungsfreien Teils seines Arbeitseinkommens ermöglichen soll (§§ 850k, 850l)[27]. § 885a hat für die Räumung von Grundstücken die Möglichkeit eines beschränkten Vollstreckungszugriffs geschaffen, was die Vollstreckung von Räumungstiteln vereinfachen soll[28]. Ferner wurde an verschiedenen Stellen Formularzwang bei Einleitung der Zwangsvollstreckung eingeführt (§§ 753 Abs. 3; 758a Abs. 6; 829 Abs. 4).
4.25
Eine teilweise geforderte grundlegende Reform des Gerichtsvollzieherwesens und der beamtenrechtlichen Stellung des Gerichtsvollziehers, etwa durch weitgehende Privatisierung, wurde nicht realisiert. Hingegen wurde die Gerichtsvollziehergeschäfts-Anweisung weitreichenden Änderungen unterzogen. Reformen ergaben sich ferner im Bereich des Europäischen Zwangsvollstreckungsrechts (dazu Rn. 55.1 ff.). Schließlich hat das 2021 in Kraft getretene Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz; StaRUG) im Verhältnis von Einzelzwangsvollstreckung und Insolvenzverfahren für Verschiebungen gesorgt. Das StaRUG sieht bereits vorinsolvenzlich – zur Abwendung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit (vgl. § 29 Abs. 1 StaRUG) – Restrukturierungsmöglichkeiten vor, die denen des Insolvenzplanverfahrens nachgebildet sind. Durch den gestaltenden Teil eines Restrukturierungsplans kann in ähnlicher Weise wie im Insolvenzplanverfahren auf Gläubiger- oder sonstige Rechte eingewirkt werden (§§ 7, 67 StaRUG). Das StaRUG-Verfahren soll vorinsolvenzliche Restrukturierungen zur Abwendung einer Insolvenz ermöglichen und zielt so auf eine Unternehmenserhaltung. Für die Einzelzwangsvollstreckung ist von Bedeutung, dass im Rahmen einer auf Schuldnerantrag zu treffenden Stabilisierungsanordnung gerichtlich Vollstreckungs- und Verwertungssperren angeordnet werden können (§ 49 Abs. 1 StaRUG). Diese sind in ihren Wirkungen den Anordnungen im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und 5 InsO) nachgebildet.