Читать книгу Zeugen sind lästig: Krimi Sammelband 8 Thriller - Alfred Bekker - Страница 11
4
ОглавлениеMilo betätigte die Sprechanlage eines Apartments in der Upper West Side. Eine ziemlich luxuriöse Adresse. Glenda Garcias Geschäfte mussten ganz gut gehen. Andererseits bediente sie wohl auch eine Kundschaft, die sich nicht in irgendeiner Absteige an der Bowery abfertigen konnte.
"Ja, bitte?", fragte eine rauchige Stimme.
"Milo Tucker, Special Agent, FBI!" stellte Milo sich vor. "Mein Kollege Agent Trevellian und ich möchten Ihnen gerne ein paar Fragen stellen."
"Worum geht es?"
"Das möchten wir ungern hier auf dem Flur besprechen, wo Video-Kameras alles aufnehmen, Miss Garcia. Können wir hereinkommen?"
"Und wenn ich mich weigere?"
"Wir können sie natürlich vorladen. Aber Sie würden uns und Ihnen eine Menge Unannehmlichkeiten ersparen, wenn wir das so über die Bühne bekommen."
Es klickte in der Anlage.
Glenda Garcia schien zu überlegen.
Sie schien ziemlich lange dazu zu brauchen. Ich wurde schon ungeduldig. Dann öffnete sich endlich die Tür.
Glenda Jordan trug nichts weiter als einen sehr knappen Seidenkimono, als sie uns öffnete. Was immer Glenda auch in den Momenten getan hatte, in denen sie uns hatte warten lassen - fürs Anziehen konnte sie bei der knappen Garderobe kaum so lange gebraucht haben. Sie verschränkte die Arme unter den Brüsten. Das lange dunkle Haar fiel bis weit über die Schultern.
Wir hielten ihr unsere ID-Cards hin.
"Okay, kommen Sie herein!", meinte sie. "Aber ich habe nicht viel Zeit..."
"Da geht es Ihnen wie uns", sagte ich.
Sie drehte sich herum. Wir betraten einen großen Living-room. Flauschiger Teppichboden bedeckte den Boden, sodass man die Schritte kaum hören konnte. Milo schloss die Tür.
Glenda Garcia deutete auf eine Sitzecke. "Setzen Sie sich, wenn Sie wollen. Etwas zu trinken kann ich Ihnen leider im Moment nicht anbieten. Meine Champagner-Flaschen sind abgezählt. Und wenn jemand wie Sie auftaucht, dann wohl sicher nicht aus einem Anlass, den man feiern könnte!"
"Was glauben Sie denn, weswegen wir hier sind?", fragte Milo, dessen Blick ansonsten wie magisch angezogen an dem tiefen Ausschnitt von Glendas Kimono hing.
Sie verzog das Gesicht, bildete mit den vollen Lippen einen Schmollmund.
"Ich habe wirklich nicht die leiseste Ahnung, G-man!"
Dann wurden ihre Augen schmal. Sie starrte Milo an. "Hey, ich kenne Sie doch irgendwo her! Ist noch nicht lange her, da habe ich..."
"Ich war bei Jacko Swansons Wachmannschaft", half Milo ihr auf die Sprünge.
Ihr fiel der Kinnladen herunter.
Ihr eher dunkler Teint wurde jetzt blass.
Sie schluckte, biss sich auf die Lippe.
"Jetzt sagen Sie aber bitte nicht, dass Sie Jacko gar nicht kennen", meinte ich.
"Jedenfalls ist mir nun klar, dass er unter FBI-Bewachung stand!"
"Jacko Swanson war ein Drogenhändler. Wir waren ihm auf der Spur. Als er sich mit seinem Großdealer traf, ist er explodiert", berichtete Milo knapp.
Sie hob die Augenbrauen.
"Er ist was?", flüsterte sie.
"Ich meine das so, wie ich es sage", erklärte Milo. "Er trug offenbar Sprengstoff am Körper. Sein Großdealer, der Stoff und er selbst sind mehr oder minder zerfetzt worden. Ein paar Gorillas beider Seiten hat es auch erwischt."
Glenda atmete tief durch. Ihre schweren Brüste hoben und senkten sich dabei und vergrößerten damit den Ausschnitt ihres Kimonos noch ein Stück. Sie ließ sich in einen der Sessel sinken, strich sich mit einer fahrigen Geste eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich fragte mich, ob sie wirklich so schockiert war, oder wir es nur mit einer guten Schauspielerin zu tun hatten. Im Moment standen meine Wetten in diesem Punkt noch fifty-fifty.
"Ich hatte keine Ahnung", flüsterte sie mit belegter Stimme. "Und Sie sind sich sicher, dass Jacko den Sprengstoff bei sich trug?"
"Wir waren dabei", gab Milo zu bedenken. "Die Videoaufnahmen, die von dem geplanten Deal gemacht wurden, lassen nach Auskunft unserer Sprengstoffspezialisten keinen anderen Schluss zu. In der Zeitlupe kann man genau sehen, wo die Detonation ihren Ausgangspunkt hat!"
Sie schüttelte den Kopf.
Schließlich sagte sie: "Ich möchte betonen, dass ich mit Jackos Geschäften nie etwas zu tun hatte."
"Haben wir bislang auch nicht behauptet", sagte ich und betonte dabei das Wort bislang.
"Jacko hatte Geld wie Heu, aber woher das kam, darum habe ich mich nie gekümmert. Er war..." Sie zögerte, ehe sie weitersprach.
"Ein Kunde?", vollendete ich. "Nichts weiter, das wollen Sie uns jetzt erzählen, oder?"
"Wollen Sie mir daraus einen Strick drehen?"
"Prostitution ist in New York illegal, aber wir sind nicht von der Vice-Abteilung der City Police. Uns interessieren die Hintergründe dieser Explosion, die Jacko und ein paar andere das Leben gekostet hat."
"Und da soll ausgerechnet ich Ihnen weiterhelfen können?"
Milo meldete sich zu Wort. "Er war Ihnen verfallen, Glenda. Das können Sie nicht abstreiten. Selbst in der relativ kurzen Zeit, in der ich in Jackos Organisation als V-Mann arbeitete, habe ich das mitbekommen. Mag er nun für Ihre Dienste auch bezahlt haben, er sah darin offenbar mehr. Und ich nehme an, dass er Ihnen Dinge erzählt hat, die er vor seinen Leuten tunlichst verschwieg."
"Was für Dinge meinen Sie?"
"Na, persönliches. Hören Sie, allem Anschein nach hat dieser Mann sich selbst in die Luft gesprengt und wir wüssten gerne warum!"
Glenda lehnte sich etwas zurück, schlug ihre endlos langen, schlanken Beine übereinander. Der Kimono war ohnehin schon ziemlich kurz. Jetzt rutschte er noch weiter nach oben. Fast konnte man meinen, dass sie das mit Absicht machte, um ihre jeweiligen Gesprächspartner abzulenken.
Dann blickte sie Milo an.
"Sie müssten doch wissen, dass Jacko ein Angsthase war!"
"Nun..."
"So einer macht doch nichts, wobei er selbst draufgehen kann! Ich glaube das einfach nicht!"
"Eine depressive Ader hatte er nicht zufällig?"
"Hören Sie, ich weiß nicht, warum Sie in der Sache so herumrühren, Agent Tucker. Wenn Jacko für die Detonation verantwortlich war, dann haben Sie doch Ihren Täter. Alles andere braucht Sie doch nicht weiter zu interessieren."
"Da sind Sie im Irrtum!"
In diesem Moment klingelte es an der Tür.
"Sie entschuldigen mich", sagte Glenda, erhob sich und ging in Richtung Tür. Sie öffnete. Dabei blickte sie noch nicht einmal durch den Spion. Sie schien zu wissen, wer auf der anderen Seite war.
Ein breitschultriger Mann in einem schneeweißen Anzug trat ein. Nur die Krawatte war aus dunklem, geriffelten Leder.
"Hast du irgendetwas gesagt, Baby?"
"Nein, Ray!"
Ray Demlin stand vor uns, der Mann der als Glendas Zuhälter galt. Ich erkannte ihn von einigen Fotos aus unseren FBI-Dateien wieder.
Demlin schob Glena zur Seite und trat auf uns zu.
"Ohne Anwalt sagt Miss Garcia überhaupt nichts mehr."
"Sie wollen gar nicht wissen, worum es überhaupt geht?", fragte ich.
Der Mann in Weiß zögerte einen Augenblick.
Seine Gesichtsfarbe veränderte sich in ein ungesundes Dunkelrot. Ich hatte ihn offenbar an einer empfindlichen Stelle erwischt. Für mich setzte sich ein Bild zusammen: Glenda hatte Demlin alarmiert, während sie Milo und mich vor der Tür eine Minute warten ließ. Ich war jetzt überzeugt davon, dass beide schon vor unserem Auftauchen genau gewusst hatten, worum es ging.
"Wer hat Sie über Jacko Swansons Tod informiert?", fragte ich, sah dabei zuerst Ray Demlin, dann Glenda Garcia an.
Glenda kaute auf den Fingernägeln, sagte kein Wort.
"Wie gesagt, ohne Anwalt läuft hier gar nichts!"
"Gut", sagte ich. "Den brauchen Sie vielleicht auch, sobald unsere Kollegen vom Vice hier auftauchen."
"Sie können nichts beweisen!", sagte Demlin. "Mag sein, dass Miss Garcia mit Jacko Swanson eine Beziehung hatte, aber..."
"Milo, ruf die Kollegen, das Theater lassen wir uns nicht bieten!"
Milo nahm das Handy.
Ray Demlin griff plötzlich unter sein Jackett.
Mir war die ausgebeulte Stelle schon die ganze Zeit über aufgefallen. Mein Verdacht bestätigte sich. Er riss eine Beretta hervor. Aber da ich diese Handlungsweise vorhergesehen hatte, war ich schneller.
Die SIG Sauer P 226 war in meiner Faust, noch ehe Demlin seine Waffe richtig hochgerissen hatte!
"Weg damit!", zischte ich.
Er ließ sie fallen.
Milo trat vor, nahm die Waffe an sich.
"Wetten, für das Ding gibt's keine ordnungsgemäße Registrierung?", meinte er. "Sie bekommen richtig Ärger, Mister Demlin..."
Demlin schluckte. "Wir können doch über alles reden,", meinte er.
"Dann spielen Sie uns nichts vor und packen Sie aus!"
Schweißperlen sammelten sich auf Demlins Stirn.
"Es mich jemand angerufen", meinte Glenda schließlich. "Es war ein Mann. Er..."
"Halt den Mund, Glenda!" schrillte Ray Demlin.
"...er sagte, dass Jacko tot sei und drohte, dass mir und Ray was passieren würde, wenn ich gegenüber den Cops nicht den Mund hielt!"
"Haben Sie eine Ahnung, wer dahintersteckt?", fragte ich.
"Glenda, wir stehen diesen Mist durch, die haben nichts gegen uns in der Hand, was wirklich zählt!"
"Ray, das hat doch keinen Sinn!" Glenda wandte sich wieder an mich. "Natürlich hat der Kerl sich nicht vorgestellt, aber Ray und ich wissen, wer ihn vermutlich geschickt hat."
"Ich bin gespannt!"
"Die Antonioni-Familie, angeführt von Joe Antonioni junior." Sie atmete tief durch, sah Ray Demlin dabei an. "Ray, lass uns auspacken, es hat doch keinen Sinn, jetzt weiter zu schweigen."
"Antonioni wird uns bei lebendigem Leib dafür rösten, Glenda", knurrte Ray Demlin düster. Er blickte auf und sah mich mit verengten Augen an. Ein Muskel zuckte unruhig in seinem Gesicht.
"Daran werden wir ihn schon hindern", meinte ich.
"So? Da nehmen Sie sich wohl etwas zuviel vor, G-man!"
"Wie kommen Sie auf Antonioni?", hakte ich nach. Der Name sagte mit natürlich was. Die Antonioni-Familie hatte ihre Finger in diversen Zweigen des organisierten Verbrechens.
Und das über mehrere Generationen hinweg.
Ray Demlin fuhr sich mit der Hand über die Stirn, dann richtete er seinen Finger wie den Lauf einer Waffe auf mich. "Was ich Ihnen jetzt sage, werde ich in keinem Fall vor Gericht wiederholen! Jacko Swanson arbeitete für Pompetta. Ich nehme an, das wissen Sie."
"Allerdings."
"Pompetta hat Jacko gewissermaßen bei den Antonionis abgeworben. Ich glaube, Jacko sah wohl keine Aufstiegschancen bei Joe Antonioni. Der schwört darauf, nur Verwandte ganz nach oben kommen zu lassen."
"Aber Antonioni nahm Jacko den Wechsel trotzdem übel!"
"Und wie! Zumal Pompetta im Moment sein Todfeind ist, das pfeifen die Spatzen von den Dächern. Jedenfalls hat einer von Antonionis Leuten mich gefragt, ob ich nicht ein Girl hätte, auf das Jacko abfahren würde."
"Und so haben Sie Glenda auf ihn angesetzt!"
"Klar."
"Ich nehme an, Sie haben Tonband oder Videoaufzeichnungen gemacht."
Demlin schluckte.
Milo mischte sich ein: "Rücken Sie die Sachen freiwillig raus, sonst müssen wir hier alles auf den Kopf stellen und wer weiß, was sich noch an Straftatbeständen bei Ihnen herausstellt. Das ist der beste Handel, den Sie machen können."
"Die Bänder sind bei Antonioni."
"Wer hat sie abgeholt?"
"Irgendein Gorilla. Hat sowieso keinen Zweck, die Jungs nach dem Namen zu fragen."
"Und Sie wollen mir erzählen, dass Sie keine Kopien davon angefertigt haben?", fragte ich. "Gut, dann müssen wir alles durchwühlen."
Demlin war inzwischen ziemlich weichgekocht.
"Okay", sagte er schließlich. "Sie kriegen unsere Kopien, aber wenn Antonioni davon erfährt sind wir tot!"
"Wir quatschen nicht", sagte Milo.
"Erzählen Sie uns den Rest der Story", forderte ich an Demlin gerichtet.
Demlin zuckte die Achseln. "Da gibt's nichts mehr zu erzählen. Die Antonioni-Leute wollten halt unbedingt gut über Jacko informiert sein. Vielleicht wollte er über ihn auch an Informationen herankommen, die Pompetta betrafen. Die Beiden haben sich ja einen regelrechten Krieg geliefert, wie man so hört..."
Mein Handy schrillte in dieser Sekunde.
Ich nahm den Apparat vom Gürtel, meldete mich und hatte im nächsten Moment Mr. McKee an der Leitung.
"Jesse, Sie sind doch zur Zeit gerade in der Upper West Side..."
"Ja, Sir."
"Ganz in der Nähe ist Dr. Vince Brago in seiner Praxis aufgefunden worden. Max Carter wies mich darauf hin, dass Brago der Zahnarzt von Jacko Swanson war... Captain Grosvenor von der Homicide Squad ist mit seinen Leuten gerade dort. Am Besten, Sie schauen mal vorbei. Ich gebe Ihnen die Adresse durch..."