Читать книгу Zeugen sind lästig: Krimi Sammelband 8 Thriller - Alfred Bekker - Страница 20
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"Hey, Mann, da liegt einer!"
Der Lastwagen hielt. Die Bremsen zischten.
Eddie Dalsanto spürte einen stechenden Schmerz in der Nähe seines Bauchnabels. Er ächzte, öffnete die Augen. Ihm war schwindelig und kalt. Er hob den Blick und bemerkte, dass er etwa drei Meter vor den Reifen eines Zwanzigtonners auf dem Asphalt lag. Es roch nach Salz. Das Meer musste ganz in der Nähe sein.
Dalsanto versuchte, sich zu erheben.
Die Türen des Trucks standen offen.
Zwei Männer kamen herbei.
"Alles in Ordnung mit Ihnen, Mister?"
"Ja, ja, alles klar...", murmelte Eddie. Er versuchte verzweifelt, sich an das zu erinnern, was geschehen war.
Aber da waren nur einige nebulöse, bruchstückhafte Bilder in seinem Kopf. Ein greller Scheinwerfer. Ein Mann mit einem Mundschutz, wie Ärzte ihn trugen...
Eddie sackte wieder zusammen.
Die beiden Männer aus dem Truck nahmen ihn bei den Oberarmen und stellten ihn auf die Beine.
"Sollen wir Ihnen einen Krankenwagen rufen?"
"Nein."
"Keine Versicherung - oder was?"
"Red keinen Unfug, Sammy! Schau dir die Lederjacke an! Von Sabranas aus der 5th Avemue! Wer sowas trägt hat auch 'ne Krankenversicherung!"
"Es geht schon, danke", murmelte Eddie.
"Wie lange liegen Sie schon hier?"
"Keine Ahnung." Das entsprach der Wahrheit. Irgendwann war er hier erwacht, hatte den harten Asphalt unter seinen Handflächen gespürt und war dann wieder hinüber ins Reich der Träume gedämmert. "Haben Sie ein Handy?", fragte er dann.
"Ja."
"Vielleicht könnten Sie mir ein Taxi rufen."
"Machen wir. Sind Sie verprügelt worden oder haben Sie nur einen über den Durst getrunken?"
"Sind Sie mein Therapeut?"
"War ja nur 'ne Frage."
Eddie fuhr sich mit der flachen Hand ein paarmal über das Gesicht. Was ist geschehen?, ging es ihm durch den Kopf.
Ein paar Bilder tauchten vor seinem inneren Auge auf. Bilder von der Schießerei in Salvatores Coffee Shop. Er konnte sich daran erinnern , dass diese Bilder immer wieder durch sein Bewusstsein gegeistert waren. Auch in den wenigen Augenblicken, in denen er wach gewesen war. Aber er war sich nicht sicher gewesen, ob die Ereignisse in Salvatores Coffee Shop wirklich geschehen oder nur eine Art Alptraum waren.
Aber jetzt wusste er es auf einmal. Das war Realität gewesen.
Der Geruch von Chloroform.
Das war das letzte woran Eddie sich wirklich erinnern konnte. Dann begann jene Zeit, die wie unter einem undurchdringlichen grauen Nebel verborgen war.
Wie lange bist du weg vom Fenster gewesen?, fragte er sich. Und was ist in der Zwischenzeit mit dir geschehen?
Ihn fröstelte leicht.
Eine Viertelstunde später saß er in einem Taxi, das ihn Richtung Manhattan Mitte bringen sollte. Ein beträchtlicher Umweg war dazu nötig, seit dort, wo sich früher das World Trade Center befunden hatte, nur noch ein Stück Trümmerlandschaft zu finden war, dass jetzt allgemein Ground Zero genannt wurde. Die Aufräumarbeiten würden sich noch monatelang hinziehen, einige Gebäude in der Umgebung waren wohl dermaßen beschädigt, das sie ebenfalls abgerissen werden mussten. Das ganze hatte natürlich erhebliche Konsequenzen für die Verkehrsführung im Süden Manhattans. Die Staus waren noch etwas dichter als normalerweise schon. der Verkehr quälte sich jetzt über Ausweichrouten in den Financial District.
Eddie ließ sich zu seiner Adresse in einem gehobenen Wohnblock in Little Italy bringen.
Er stieg aus und fühlte sich scheußlich.
Ihm war übel. Aber wenn er die Hot Dogs der Straßenhändler roch, wurde ihm nur schlecht.
In der Nähe des Hauses, in dem sich seine Wohnung befand, hatte ein fliegender Zeitungshändler seine Ware ausgelegt.
Eddie blieb stehen.
Als die Sache in Salvatores Coffee Shop passierte, war der siebte, ging es ihm durch den Kopf. Und die Zeitungen gaben den zehnten als Datum an.
In der Zwischenzeit klaffte eine Art gähnendes Loch in Eddies Leben.
Eddie betrat das Haus, fuhr mit dem Fahrstuhl hoch bis in den siebten Stock, wo sein Apartment lag.
Dass ihn schon jemand beobachtete, seit er das Taxi verlassen hatte, war ihm nicht weiter aufgefallen. Zu sehr quälten ihn Müdigkeit, Übelkeit, die Schmerzen in seinem Bauch und die Ungewissheit darüber, was eigentlich geschehen war. Er zermarterte sich geradezu das Hirn über diese Frage.
Wer mochte die Stirn haben, gerade jetzt einen von Joe Antonionis Männern zu kidnappen? Und auch Nat diGiorgios Anordung konnte Antonioni eigentlich nur als Schlag gegen ihn selbst ansehen. Wenn jemand das Recht hatte, einen illoyalen Chargen umzubringen, dann Antonioni selbst. Sonst niemand.
Alles andere war eine eklatante Verletzung der ungeschriebenen Regeln.
Eddie erreichte seine Apartment-Tür.
Als er sie öffnete, sah er sofort, dass jemand hier gewesen war, alles war durchwühlt. Der Inhalt von Schränken und Regalen auf dem Boden verstreut.
Eddies innere Alarmglocken schrillten.
Verdammt, was wird hier nur gespielt?, durchzuckte es ihn.
Reflexartig wollte er sein Messer aus dem Ärmel zaubern.
Aber er war unbewaffnet.
Dann hörte er Schritte vom Flur her.
Ein Mann im dunklen Anzug kam mit schnellen Schritten den Korridor entlang.
Er war Eddie bis hier oben gefolgt.
Eddie überlegte, was er tun sollte. Seine Knie fühlten sich verdammt weich an. Was auch immer man ihm an Medikamenten verabreicht hatte, es sorgte dafür, dass er immer noch Schwierigkeiten hatte, sich auf den Beinen zu halten. Ein schneller Spurt war ausgeschlossen.
"Eddie, bleib stehen!", rief der Mann im dunklen Anzug.
Er riss eine Beretta unter dem Jackett hervor, richtete die Waffe auf Eddie.
Eddie wartete ab, bis der Mann ihn erreicht hatte.
"Wer bist du?", fragte Eddie Dalsanto.
"Mein Name ist Cruz."
"Das sagt mir nichts."
"Ich arbeite für Mr. Antonioni."
"Das tue ich auch. Komisch, dass ich dich gar nicht kenne!"
"Ein Mann wie Antonioni hat immer noch ein paar Trümpfe in der Hand. Er konnte deine Wohnung doch schlecht von jemandem beobachten lassen, den du kennst!"
Eddie zuckte die Achseln. Sein Blick wanderte zu der Mündung der Beretta, die immer noch auf ihn gerichtet war.
"Und wie geht es jetzt weiter?"
"Mr. Antonioni wünscht dich zu sehen, Eddie!"
"Jetzt?"
"Da du ihn kennst, ist dir auch klar, wie ungeduldig er sein kann. Ja, jetzt! Antonioni ist ziemlich sauer darüber, dass du in den letzten Tagen einfach abgetaucht bist..."
"Ich bin nicht abgetaucht."
"Das kannst du ihm ja selbst erzählen, Eddie."
Eddie überlegte kurz, dann nickte er. Er stützte sich gegen die Wand. "Wenn du nichts dagegen hast, gehe ich noch auf die Toilette, bevor wir zu Antonioni fahren!"
"Ich bin ja kein Unmensch!"
Sie gingen in das Apartment. Cruz kickte die Tür mit dem Absatz zu. Eddie ging auf die Toilette. "Versuch keine Tricks, Eddie!"
Eddie stand vor dem Spiegel am Waschbecken.
Er knöpfte die Jacke auf, schob den Pullover hoch.
Im Spiegel konnte er knapp unterhalb des Bauchnabels eine eigenartige Veränderung an seiner Haut feststellen. Eine Wunde!, dachte er. Es sieht aus wie eine Wunde, die gerade verheilt... Vorsichtig betastete er die Stelle. Sie sah rot aus. Fast so, als ob die Vernarbung schon in einem fortgeschrittenen Stadium war. Verflucht, was ist da mit mir passiert?, ging es ihm durch den Kopf. Ein ziehender Schmerz war unter dieser Wunde noch immer zu spüren. Eddie zog sich die Jacke ganz aus, ließ sie achtlos zu Boden gleiten. Dann zog er den Pullover über den Kopf. Er wollte genauer wissen, was mit ihm los war. Im Spiegel suchte er seinen Körper nach weiteren Veränderungen ab. Er fand ein paar Einstichstellen in der Armbeuge und am Unterarm. Offenbar hatte er eine Infusion bekommen. Die Hämatome zeugten davon, dass derjenige, der diese Spritzen gesetzt hatte, nicht besonders geschickt dabei vorgegangen war.
Eddie atmete tief durch.
"Hey, was ist los, Eddie?", rief Cruz. "Sieh zu, dass du deine Verdauungsprobleme in den Griff kriegst, sonst komme ich rein!"
"Einen Moment noch!"
Eddie Dalsantos Stimme klang völlig tonlos.