Читать книгу Zeugen sind lästig: Krimi Sammelband 8 Thriller - Alfred Bekker - Страница 13
Оглавление6
Captain Jay Grosvenor von der Homicide Squad begrüßte uns, als wir in der Praxis von Dr. Vince Brago eintrafen. Das reinste Chaos herrschte hier. Die Aktenschränke waren durchwühlt. Die Patientenkartei lag auf dem Boden verstreut. Computergehäuse waren geöffnet und die Datenträger mechanisch zerstört worden.
Der blutüberströmte Körper der Sprechstundenhilfe wurde gerade in einen Zinksarg hineingelegt.
"Das waren Profis", war Captain Grosvenors Überzeugung.
"Dr. Brago liegt in einem der Behandlungsräume."
"Kann man einen genauen Zeitpunkt angeben, wann das hier passiert ist?", fragte ich.
"Der Coroner will sich nicht so genau festlegen. Aber es kann nicht länger her sein als ein paar Stunden."
"Also heute Morgen!"
"Ja."
"Wie kommt es, dass Sie so schnell hier sind, Captain?"
"Als der Mord geschah, war von den Sprechstundenhilfen nur eine hier. Das heißt, der Mord geschah vor Praxisöffnung."
"Wann ist das?"
"Brago hat nur Patienten nach Absprache. Aber vor neun wohl nicht. Die zweite Sprechstundenhilfe traf erst später ein. Das war ihr Glück. Sie sitzt drüben im Wartezimmer und ist ziemlich schockiert. Miss Sandra Jones. Immerhin hatte sie noch Nerven genug, uns herbeizurufen. Vielleicht wollen Sie ihr ja ein paar Fragen stellen."
"Ja, gleich", nickte ich.
"Es gibt da übrigens noch etwas, dass Sie interessieren dürfte."
"So?"
"Der Coroner ist der Meinung, dass Dr. Brago kokainsüchtig war. Seine Nasenscheidewand war so gut wie nicht mehr vorhanden. Man muss zwar noch abwarten, was die Analysen ergeben, aber dass er Schnee konsumiert hat, dürfte fest stehen. Fragt sich nur in welchen Mengen."
Milo schüttelte den Kopf. "Ein Arzt und drogensüchtig. Der müsste es doch besser wissen!"
Grosvenor hob die Schultern. "Brago hatte eine erlesene Kundschaft, sein Equipment war vom Feinsten, die Praxis liegt in einer sündhaft teuren Gegend... Würde mich nicht wundern, wenn Brago ziemlich unter Druck stand und eine Menge Schulden gemacht hatte, um das hier aufzubauen..."
Grosvenor führte uns zu der Stelle, an der Bragos Leiche gefunden worden war. Eine Kreidemarkierung zeigte an, wie er gelegen hatte. Die Leiche selbst war schon auf dem Weg zur Gerichtsmedizin. Die Karteischränke mit den Röntgenbildern waren ebenso durchwühlt wie alles andere in der Praxis. Der Computer war geöffnet worden, die Festplatte so zerschlagen, dass man nicht hoffen konnte, darauf noch irgendetwas finden zu können.
Ein Kollege von der SRD war gerade bei ein paar Spuren zu sichern. Er trug einen hauchdünnen weißen Einweg-Overall und Latex-Handschuhe. Eher beiläufig grüßte er uns.
"Hier hat jemand etwas gesucht, dass ihm zwei Tote wert war", meinte Grosvenor.
"Oder es sollten Beweise vernichtet werden", erwiderte ich spontan.
"Beweise - wofür?", fragte Milo.
"Keine Ahnung."
"Zählen wir zwei und zwei zusammen. Brago war süchtig, Swanson vermutlich nicht nur sein Patient, sondern auch sein Dealer..."
"Und beide sind jetzt tot", ergänzte ich. "Ich denke, unser Chef hatte eine gute Nase, als er uns hier her schickte. Ich habe zwar keinen Schimmer was für ein Zusammenhang da besteht, aber es gibt einen. Da bin ich hundertprozentig sicher!"
Wenig später unterhielten wir uns noch mit Miss Sandra Jones, die das Chaos entdeckt hatte.
Sie hatte eine gertenschlanke, sportliche Figur und trug einen Pagenschnitt. Dass dezente Make-up war tränenverschmiert. Wir zeigten ihr unsere Ausweise, stellten uns kurz vor.
Milo sah sie einen Augenblick länger an als mich.
Vielleicht rätselte sie, ob sie ihn nicht doch schonmal gesehen hatte. Aber sie fragte nicht nach. Das, was hier in der Praxis geschehen war, nahm sie wohl innerlich zu sehr in Anspruch.
Milo half ihr auf die Sprünge.
"Wir kennen uns. Ich war schonmal mit Mr. Swanson hier. Jacko Swanson. Ein Patient von Dr. Brago."
Sie schluckte.
"Ach, ja? Ich weiß nicht, was das jetzt soll. Dr. Brago und Rita sind ermordet worden und..." Sie schluchzte auf, barg ihr Gesicht in den Händen dabei.
Wir warteten geduldig ab, bis sie sich wieder gefasst hatte.
"Haben Sie je etwas von Dr. Bragos Kokain-Sucht bemerkt?", fragte ich ruhig.
Sie sah erschrocken auf. Dann schüttelte sie den Kopf.
"Das halte ich für ausgeschlossen."
"Der Coroner vertritt aber die Ansicht, dass Dr. Brago Kokain konsumiert hat. Vielleicht, um den großen Stress zu bewältigen, den der Aufbau einer solchen Praxis bedeutet... Seit wann besteht die Praxis?"
"Seit drei Jahren."
"Waren die Umsätze gut?"
"Ich habe meinen Gehaltsscheck immer bekommen, wenn Sie das meinen."
"Sie erinnern sich an Jacko Swanson?"
"Wir haben viele Patienten."
"Sie weichen aus." Ich griff in die Innentasche meiner Lederjacke und zeigte ihr ein Foto von Swanson. "Sie werden sich sicher erinnern. Mr. Swanson war ein extrem ängstlicher Patient, der sich seinen Backenzahn nur in Vollnarkose behandeln lassen wollte!"
"Ach der!"
"Er war Kokain-Dealer."
"Aber hier war er nur wegen seiner Zähne."
"Können Sie mir genau sagen, was bei Mr. Swanson gemacht werden musste!"
"Sehen Sie doch in die Krankenakten!"
"Sie haben ja gesehen, dass die in einem ziemlich ungeordneten Zustand sind. Es wird 'ne Weile dauern, bis wir uns da durchgearbeitet haben!"
"Dann machen Sie Ihren Job und lassen mich in Ruhe!"
"Ich frage mich, warum Sie so abweisend sind, Miss Jones. Ich kann Ihren Schmerz über das, was geschehen ist verstehen. Aber wir wollen doch nichts anderes, als den oder die Mörder zur Rechenschaft ziehen, die für das hier verantwortlich sind."
Sie hob die Augenbrauen, sah mich direkt an. "Es tut mir leid, Sir, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann!"