Читать книгу Sammelband 4 Krimis: Amok-Wahn und andere Thriller - Alfred Bekker - Страница 15
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Die Versammlung der ehrenwerten Herren fand in einem Landhaus außerhalb New Yorks statt. Es war sehr abgelegen und überdies mit einer hohen Mauer umgeben. Im Garten liefen zwei deutsche Schäferhunde hin und her. Zwei Männer mit schlecht sitzenden Jacketts und breiten Schultern lümmelten sich am Tor herum.
Auf dem kiesbestreuten Weg zum Haus standen ein halbes Dutzend Limousinen, vorwiegend schwarz. Die Chauffeure standen in einer Gruppe zusammen und unterhielten sich. Es sah aus wie ein Treffen von Industriebossen. Und so etwas Ähnliches war es auch. Nur die Industrie, die die Herren vertraten, war bei keiner Handelskammer registriert. Man liebte kein Aufsehen.
Dino d’Annunzio biss die Spitze einer dicken Havanna-Zigarre ab und spuckte sie gezielt in den Aschenbecher. Er sah sich um. „Hat jeder zu trinken? Dann können wir wohl anfangen.“
Er war der Gastgeber, denn dieses war sein Landhaus. Man hatte sich dafür entschieden, weil es so abgelegen war. Niemand der Versammelten schätzte es, wenn die Polizei davon Wind bekam, dass sie so vertrauliche Gespräche führten. Offiziell kannten sie sich kaum. Sie würden notfalls jederzeit beschwören, sich noch nie gesehen zu haben.
Vito Savoia nippte an seinem Drink. „Es sieht ganz so aus, als sei dieser verrückte Killer ein Polizist. Die Presse ist dieser Ansicht, und die Polizei selbst glaubt es auch - wenn sie es auch nicht offiziell zugeben. Aber mein Verbindungsmann hat es mir erzählt.“
„Nach allem, was wir bis jetzt wissen, sieht es ganz so aus“, meinte Stefano Bernardo. „Wir haben inzwischen sämtliche Kanäle eingeschaltet. Die Polizei arbeitet angeblich mit Hochdruck, aber ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass es eine ganze Reihe Bullen gibt, die es am liebsten sähen, wenn dieser Killer noch lange Zeit weiter ungestört arbeiten könnte. Sie sind der Ansicht, er nimmt ihnen die Arbeit ab.“
„Der letzte Mord an diesem jungen Rauschgifthändler hat aber einen leichten Stimmungsumschwung bewirkt“, warf Geno Vecchio ein. „Wenn der Killer noch einen fast Unschuldigen umlegen würde, sähe das ganz anders aus. Bis jetzt hält man ihn bei der Polizei für einen ganz normalen Mann, der nur aus irgendwelchen Gründen ein bisschen durchgedreht ist und das Gesetz in die eigene Hand genommen hat. Vielen Bullen geht es doch ähnlich. Sie würden das auch gerne tun und bewundern wahrscheinlich insgeheim diesen Kollegen, der sich traut, solche Gedanken in die Tat umzusetzen.“
Der alte Bonnanzone meldete sich zu Wort. „Wie ist unsere Interessenlage? Der Killer hat unseren Freund di Socca umgelegt, gut. Aber sind wir nicht aus dem Alter heraus, wo es um kindische Rache geht?“
„Darum geht es auch nicht“, meinte Savoia sanft. „Aber wir glauben, dass auch noch andere von uns auf der Killer-Liste stehen. Die Gründe dafür sind bei jedem von uns so gut oder so schlecht wie bei di Socca. Ich persönlich habe keine Lust, solange zu warten, bis er mich erwischt. Ich bin nicht ohne Initiative so groß geworden.“
Die anderen nickten. Sie waren der gleichen Ansicht. Bonnanzone hob die Hände. „Also gut. Welche Chancen haben wir, den Kerl aufzuspüren?“
„Kaum eine Chance“, sagte Bernardo. „Er sitzt mitten im Polizeiapparat, und so weit reichen unsere Verbindungen nun auch wieder nicht, dass wir sämtliche Ergebnisse der Nachforschungen erfahren. Außerdem besteht die Gefahr, dass der Killer von seinen Kollegen gedeckt wird, selbst wenn sie wissen, wer es ist.“
„Was können wir also tun?“, fragte Vecchio. „In knapp drei Wochen wurden vier Leute umgelegt. Wir müssen damit rechnen, dass der nächste bald fällig ist. Und wir haben keine Ahnung, wer der Nächste auf seiner Liste ist. Wir müssen uns Gegenmaßnahmen einfallen lassen. Denn es ist ausgeschlossen, dass wir uns Tag und Nacht mit einer großen Leibwache umgeben. Das würde die Polizei nur neugierig machen und uns bei unseren Geschäften empfindlich stören.“
„Du hast noch gar nichts gesagt“, wandte sich d’Annunzio an den Jüngsten in ihrem Kreis, Giacomo Angelo, der die Nachfolge di Soccas angetreten hatte. Er hatte zwar noch nicht viel Erfahrung, aber eine Menge einflussreicher Freunde, darunter auch zwei Staatsanwälte und einen Senator.
„Ich bin für Gegenmaßnahmen“, sagte Angelo. „Wir müssen uns wehren. Und wenn die Polizei ihre Nachforschungen nicht mit dem nötigen Nachdruck betreibt, müssen wir sie dazu zwingen.“
Für einen Augenblick herrschte Schweigen. Dann sagte Savoia: „Wie stellst du dir das vor? Die Polizei zu zwingen! Wir haben zwar gute Verbindungen, aber sie reichen nicht gerade zum Polizeipräsidenten.“
Angelo lächelte leicht. „So direkt geht das auch nicht. Es ist ein Plan, für den man Fantasie braucht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr die nicht habt.“
Vecchio knurrte unwillig. Angelo war seiner Meinung nach zu weit gegangen. Er war noch nicht lange genug in dieser Versammlung, um so einen Ton zu riskieren.
Nur Bonnanzone lachte plötzlich laut auf. „Ich glaube, euch allen trocknet schon das Gehirn aus. Zu meiner Zeit haben wir auch fantasievolle Dinge gemacht. Aus Giacomo wird ein großer Mann werden. Ich weiß, was er meint. Es gibt nur diese eine Möglichkeit. Und sie ist so gut, dass sie von mir sein könnte.“ Der alte Mann gluckste in sich hinein.
Die Gesichter der anderen waren einzige Fragezeichen. Alle Köpfe drehten sich zu Angelo. „Nun mach’s nicht so spannend“, sagte Vecchio ungeduldig.
Angelo beugte sich vor und zündete sich eine Zigarette an. Er genoss die Situation, im Mittelpunkt des Interesses der wichtigsten Leute der Organisation zu stehen. „Geno Vecchio hat vorhin selbst das Stichwort gegeben“, sagte er schließlich. „Der letzte Mord an einem fast Unschuldigen hat einen Stimmungsumschwung bewirkt. Wenn noch so ein Fall passiert, werden die Bullen anders über ihren Kollegen denken. Also muss ein solcher Fall geschehen.“
Jetzt redeten alle durcheinander. D’Annunzio hob die Hand. „Einer nach dem anderen. Giacomo, wie ist dein Plan?“
„Wir imitieren einen Mord des Gangster-Killers mit allen Einzelheiten, also mit Dum-Dum-Geschoss und so weiter. Nur das Opfer ist kein Verbrecher, sondern ein Unbeteiligter.“
„Ganz unschuldig geht nicht“, sagte Bernardo, „sonst ist es unglaubwürdig. Es muss jemand sein, der ein paar Kleinigkeiten ausgefressen hat, wofür er höchstens ein paar Monate Gefängnis bekommen würde, und die noch auf Bewährung. Er muss die Sympathie der Presse haben. Der Killer muss als Wahnsinniger dargestellt werden, der jeden umlegt, der auch nur entfernt mit dem Gesetz in Konflikt kommt. Und dann bleibt der Polizei nichts anderes übrig, als mit allen Mitteln zu reagieren, die sie hat.“
„Das klingt verdammt gut“, meinte Vecchio. „Aber jede Einzelheit muss genau überlegt werden. Die Polizei muss sicher sein, ein neues Opfer des Gangster-Killers vor sich zu haben. Wir brauchen alle Einzelheiten über die bisherigen Morde, damit wir uns genau an das Muster halten können. Jemand muss die Planung übernehmen.“
„Das mache ich“, warf Angelo ein. „Ich habe mir schon alles ziemlich genau überlegt. Es wird keine Fehler geben. Ich brauche nur noch ein Opfer.“
Bernardo hob die Hand. „Dafür könnte ich sorgen. Wir schlagen gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Da gibt es jemanden, der uns ständig Schwierigkeiten macht. Dieser Mann steht schon lange auf der Liste. Und er ist bei der Polizei bisher kaum aufgefallen.“
Bonnanzone rieb sich die Hände und kicherte. „Das wird immer besser. Ein verdammt guter Schachzug - wie in den alten Zeiten. Die Sache gefällt mir.“
„Nur noch der Form halber“, sagte d’Annunzio. „Wir müssen noch abstimmen, ob Giacomos Plan angenommen ist. Wer ist also dafür, das Problem mit dem Gangster-Killer in der besprochenen Form zu regeln, um die Polizei zu zwingen, den Kerl schnellstens zu fassen und um keine Sympathien mehr für ihn zu wecken?“
Es gab weder Gegenstimmen noch Enthaltungen. Die Organisation begann zurückzuschlagen. Auf ihre Art.