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Das Haus sah ziemlich verkommen aus. Damit unterschied es sich aber nicht wesentlich von den anderen Häusern der Straße. Schmutzige Kinder spielten zwischen den Autos. Viele waren zu klein für ihr Alter, aber dafür lag in ihrem Blick schon die Erfahrung von Jahrzehnten.

Bount Reiniger hafte eine steile Falte auf der Stirn, als er den dunklen Hausflur betrat. Solange es diese Slums gab, würde hier auch das Verbrechen wuchern. Man musste schon sehr stark sein, wenn man diese Umgebung unangefochten überstehen wollte. Aber das schafften nur wenige. Zurück blieb der Bodensatz der Gesellschaft: Asoziale, Kriminelle, Ausgeflippte.

Im Hausflur roch es nach schmutziger Wäsche und verbranntem Essen. Von oben keifte eine schrille Stimme, und eine Tür schlug krachend zu. Bount betrachtete die Briefkästen, deren Türen offen und verbeult in den Angeln hingen. Es hatte wohl keinen Sinn, sie zu reparieren.

Er beugte sich vor, um die Namen zu lesen. Die meisten waren mit ungelenker Hand auf schmale Zettel geschrieben. Einige Briefkästen hatten überhaupt keine Namen. Die Besitzer erwarteten wohl keine Post.

Bount nickte befriedigt. Da stand es: D. Layton. Entweder stand die Wohnung noch leer, oder der neue Mieter hatte es nicht für nötig gehalten, den Namen auszuwechseln.

Bount stieg die Treppe hoch. Hinter den meisten Wohnungstüren war es ruhig. Ein schlanker Afroamerikaner kam eilig herunter und rannte ihn fast um. Von oben kam wieder die keifende Stimme. Bounts Sinne waren angespannt, obwohl er nicht mit einer Gefahr rechnete.

Im zweiten Stock stand er vor der richtigen Wohnungstür. Auch hier stand noch der alte Name. Bount Reiniger drückte auf den Klingelknopf. Es überraschte ihn, hinter der Tür Schritte zu hören, denn damit hatte er eigentlich nicht gerechnet. Er trat einen Schritt zurück, bereit zu sofortiger Reaktion, falls es nötig sein sollte.

Die Tür ging einen Spalt auf, und das Gesicht eines Mädchens erschien. Sie mochte Mitte zwanzig sein und hatte hübsches dunkles Haar, das ihr in weichen Wellen auf die Schultern fiel. Bount war so verblüfft, dass er sie nur wortlos anstarrte.

„Was wollen Sie?“, fragte sie schließlich. Ihre Stimme klang hart und zerstörte den ersten Eindruck sofort. „Ich kaufe nichts und erwarte auch keinen Besuch.“

„Ich will zu Denny Layton“, sagte Bount rasch.

„Der ist tot“, antwortete sie kurz und wollte die Tür zuschlagen.

Bount stellte rasch den Fuß dazwischen. „Nicht so schnell. Sie wissen doch gar nicht, worum es geht. Wollen Sie nicht wenigstens mit mir reden? Sie brauchen keine Angst zu haben.“

Sie lächelte verächtlich und musterte ihn zögernd. „Na gut, kommen Sie rein. Sie sehen zwar nicht wie ein Straßenräuber aus, aber man kann ja nie wissen.“ Sie hakte die Kette aus und öffnete die Tür.

„Danke“, sagte Bount und trat ein. Die Wohnung war überraschenderweise nett eingerichtet, wenn auch ohne großen Geschmack. Aber es war sauber, was man in dieser Gegend sicher nicht von allen Wohnungen behaupten konnte. Sie führte ihn ins Wohnzimmer und bot ihm einen Sessel an.

„Hübsch“, sagte Bount und warf einen Blick aus dem Fenster.

Sie zuckte nur mit den Schultern und antwortete nicht.

Bount ließ sich in den Sessel sinken. „Seit wann wohnen Sie hier?“

Sie sah ihn misstrauisch an. „Sagen Sie mir erst mal, wer Sie sind und was Sie hier wollen.“

Bount zog seinen Ausweis heraus und hielt ihn ihr entgegen. „Mein Name ist Bount Reiniger.“

Sie lachte kurz auf. „Ein Schnüffler! Das fehlt mir noch. Wollen Sie nachsehen, ob Sie noch was erben können? Hier gibt’s nichts mehr zu holen.“ Sie wandte sich ab und begann leise zu schluchzen.

„Spielen Sie kein Theater“, sagte Bount hart. „Denny Layton hat von Einbrüchen gelebt, und das müssen Sie ganz genau. Aber das interessiert mich überhaupt nicht. Ich suche seinen Mörder, und wenn Sie mir helfen, finde ich ihn vielleicht.“

Sie fuhr herum und funkelte ihn an. „Ich habe der Polizei schon alles gesagt, was ich weiß. Es ist wenig genug. Aber das wird auch nichts helfen, oder lesen Sie keine Zeitung? Der Mörder ist doch einer von ihnen! Die werden doch keinen Finger rühren, um ihn zu kriegen.“

„Wenn Sie das glauben, dann helfen Sie mir. Ich bin kein Polizist, und ich habe den Auftrag, den 'Henker' zu finden. Das kann ich aber nur, wenn mir wenigstens die Beteiligten helfen. Oder wollen Sie nicht, dass man versucht, Laytons Mörder zu fassen?“

Sie setzte sich ihm gegenüber und zündete sich eine Zigarette an. Dann schob sie ihm die Schachtel über den Tisch. Bount nahm sich auch eine Pall Mall aus der Packung. „Was ist nun?“

Sie gab sich einen Ruck. „Na schön. Was wollen Sie wissen?“

Bount nickte. „Schon besser. Zunächst mal: Wie heißen Sie, und was tun Sie in der Wohnung?“

„Ich heiße Kathy Brooks und war Dennys Verlobte. Wir wohnten schon seit über einem Jahr zusammen. Ich arbeite hier in der Nähe in einem Frisiersalon.“ Sie stieß heftig den Rauch ihrer Zigarette aus. „Ja, ich wusste, was Denny tat, aber das war mir egal. Reichtümer haben wir damit nicht gesammelt. Und er konnte eben keine andere Arbeit kriegen. Sie wissen ja, wie das ist ...“

Bount grinste. „Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich kann mir schon sehr gut vorstellen, was für ein Mensch Denny war. Aber lassen wir das. Es ist noch lange kein Grund, ihn einfach umzulegen. In dieser Beziehung sind wir sicher einer Meinung. Wie haben Sie von seinem Tod erfahren?“

„Zwei Bullen kamen her und brachten mir die Nachricht.“ Sie lachte bitter. „Es hat ihnen nicht sonderlich leid getan. Sie machten den Eindruck, als seien sie ganz froh, dass einer ihrer schwierigen Fälle aus dem Weg geräumt war. Denny hat sich nämlich nie erwischen lassen, müssen Sie wissen. Er war immer eine Spur schlauer als die Bullen. Deshalb haben sie ihn ja auch umgelegt.“

Bount hob die Hand. „Das ist noch nicht bewiesen. Und wenn, war es höchstens ein einzelner Polizist. Wir wollen doch bei den Tatsachen bleiben.“

„Tatsache ist, dass mich die beiden ziemlich unverschämt ausgefragt haben“, sagte sie bissig. „Sie kamen mehrmals, bis der verrückte Killer diesen Mafia-Boss umlegte. Da haben sie das Interesse an mir verloren. Einer von ihnen kam nur noch einmal mit der Nachricht, dass die Leiche freigegeben sei und ich mich um die Beerdigung kümmern müsste.“

„Kannten Sie die Polizisten?“, fragte Bount.

Sie sah ihn erstaunt an. „Ich habe wenig Umgang mit Bullen.“ Dann zog sie die Stirn kraus. „Es ist möglich, dass einer von ihnen früher schon mal hier war. Sie kamen ja dauernd und versuchten, Denny aufs Kreuz zu legen.“

„Versuchen Sie, sich zu erinnern“, drängte Bount Reiniger.

Sie zupfte an ihrem Ohrläppchen. „Jetzt, wo Sie es sagen - ja, ich glaube, der größere von den beiden war früher schon hier. Das ist noch gar nicht so lange her. Doch, ich erinnere mich noch genau. Er war allein hier und beschuldigte Denny, einen Einbruch in einem Bürohaus verübt zu haben. Sie saßen hier im Wohnzimmer. Denny wollte mich nie dabei haben, wenn die Polizei da war. Ich habe draußen an der Tür gelauscht, aber ich habe nicht viel verstanden. Jedenfalls hat Denny alles abgestritten, und der Bulle zog wieder ab.“

„Wann war das?“

„Das muss etwa drei bis vier Monate her sein. So genau weiß ich das nicht mehr. Die Bullen kamen ja dauernd, und meistens waren es andere. Ich war auch selten hier, wenn sie kamen. Denny sagte immer nur: Meine Freunde waren wieder hier.“

„Und dieser Polizist, von dem Sie sprachen - ist Ihnen an ihm etwas aufgefallen?“

„Er sah so aus, wie sie alle aussehen.“ Ihre Stimme klang gehässig.

„Er war ziemlich groß und hatte dunkle Haare. Mehr weiß ich auch nicht. Aber ich glaube, dass er schon vorher mal hier war. Das war ganz am Anfang, als ich bei Denny einzog. Es war am zweiten Tag. Ich machte gerade die Wohnung sauber, als dieser Bulle in der Tür stand und seine unverschämten Fragen stellte.“

Bount sah sie nachdenklich an und sagte: „Hat er Sie nicht daran erinnert, dass er schon früher mit Ihnen oder Denny zu tun hatte?“

Sie schüttelte entschieden den Kopf. „Nein. Aber ich habe ja auch nicht daran gedacht. Warum interessiert Sie dieser Kerl so?“ Ihre Augen wurden plötzlich groß und sie sah ihn an. „Glauben Sie etwa, dass er es war?“, flüsterte sie.

Bount lächelte freundlich. „Sie sagen doch selbst, dass ein Polizist der Mörder war. Warum nicht dieser? Wir müssen allen Möglichkeiten nachgehen. Und eins steht fest. Der Killer hat Dennys Gewohnheiten gekannt. Er hat ihn nicht zufällig ausgesucht. Er muss genau gewusst haben, wen er vor sich hatte.“

Kathy Brooks zündete sich hastig eine neue Zigarette an. „Meinen Sie, dass er wiederkommt? Ich habe ihn ja immerhin gesehen.“

Bount schüttelte den Kopf. „Erstens wissen wir nicht, ob dieser Mann der Mörder ist. Das ist schließlich nur ein ganz entfernter Verdacht. Und zweitens weiß er ja nicht, dass Sie sich darüber Gedanken machen. Sie brauchen keine Angst zu haben. Der Killer hat im Augenblick ganz andere Sorgen. Er muss nämlich die Aktivitäten der Sonderkommission beobachten. Wenn er tatsächlich bei der Polizei ist, hat er dazu allerdings die besten Möglichkeiten.“

„Was soll ich tun?“

Bount stand auf. „Nichts. Lassen Sie nicht jeden rein und gehen Sie nachts nicht allein durch die Straßen. Die Gefahr, von einem Banditen überfallen zu werden, ist in dieser Stadt erheblich größer. Und noch etwas: Versuchen Sie nicht, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen. Neugierde lohnt sich für Amateure in diesem Fall nicht.“

„Ich kann schon auf mich aufpassen. Ich habe zwar nicht viel gelernt, aber das hat man mir schon in früher Jugend beigebracht. Ich habe keine Illusionen mehr, Mister Detektiv.“

Bount machte eine unbestimmte Handbewegung und schrieb seine Telefonnummer auf einen Zettel. „Rufen Sie mich an, wenn Sie mich brauchen oder wenn Ihnen noch etwas einfällt. Vielleicht melde ich mich wieder.“

„Habe ich Ihre Erkenntnisse wesentlich bereichern können?“, fragte sie spöttisch.

Er sah sie nachdenklich an. „Schon möglich. Manchmal gibt es merkwürdige Zufälle und Zusammenhänge.“

Sie brachte ihn nicht zur Tür, als er ging, sondern wandte sich ab und starrte stumm aus dem Fenster. Im Treppenhaus hörte er von oben wieder die keifende Stimme, und er war froh, als er in seinem Wagen saß.

Sammelband 4 Krimis: Amok-Wahn und andere Thriller

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