Читать книгу Sammelband 4 Krimis: Amok-Wahn und andere Thriller - Alfred Bekker - Страница 22
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Nur ein regelmäßiges Klicken störte die Ruhe des Zimmers. Im scharf abgegrenzten Schein einer starken Lampe saß ein Mann an einem niedrigen Tisch und drehte die herausgeklappte Trommel eines Revolvers langsam. Bei jeder Drehung fiel eine Patrone in die flache linke Hand. Als sechs Patronen in der Hand des Mannes lagen, legte er den Revolver vorsichtig auf die Tischplatte und stellte die Patronen in regelmäßigen Abständen vor sich auf.
Schweigend betrachtete er die matt schimmernden Messinghülsen, die Hände reglos im Schoß. Dann nahm er ein Messer, wie es Handwerker zum Schneiden von Bodenbelägen benutzen, in seine rechte Hand, und in die andere eine Patrone. Er setzte das Messer auf der Geschossspitze an und ritzte das weiche Blei ein.
Er arbeitete ruhig und sorgfältig, bis er einen kreuzförmigen Schnitt an der Patronenspitze angebracht hatte. Dann polierte er das tödliche Geschoss mit einem weißen Lappen und lud die erste Kammer der Revolvertrommel damit.
Mit den übrigen Patronen verfuhr er genauso. Nur die letzte lud er nicht in die Trommel, sondern versenkte sie in seiner Tasche. Mit einem scharfen Klicken klappte er die Trommel des 38er Smith & Wesson zurück. Die Waffe war schussbereit. Er brauchte nur noch den Hahn zu spannen. Er schlug seine Jacke zurück, und an der rechten Hüfte wurde ein ledernes Holster sichtbar. Mit einer geübten Bewegung verschwand die Waffe darin.
Jetzt nahm der Mann ein kleines Notizbuch in die Hand und schlug eine Seite auf, die etwa zur Hälfte vollgeschrieben war. Ein heimlicher Beobachter hätte dort eine ganze Reihe Namen lesen können. Einige davon waren durchgestrichen.
Mit dem Finger glitt der Mann über die Seite, bis er beim vorletzten Namen anhielt. Lautlos formten seine Lippen den Namen: Sam Weston. Die Adresse hatte er im Kopf, er brauchte sie sich nicht aufzuschreiben.
Entschlossen klappte er das Notizbuch zu und stand auf. Er war ziemlich groß, über einen Meter achtzig, und kräftig gebaut. Sein Haar war dunkel, fast schwarz, lichtete sich aber bereits an den Schläfen und am Hinterkopf. Sein Alter war schwer zu bestimmen, aber er war nicht mehr ganz jung.
Er blickte auf seine Uhr, nickte unbewusst und zog einen Mantel an. Dann stülpte er einen Hut mit breiter Krempe auf den Kopf, löschte das Licht und verließ das Zimmer. Er hatte eine winzige Wohnung im sechsten Stock eines alten Mietshauses im westlichen Manhattan.
Im Treppenhaus drückte er den Knopf für den altersschwachen Fahrstuhl, der sich rumpelnd aufwärts bewegte. Als er unten ausstieg, begegnete ihm eine ältere Frau, die er sehr höflich grüßte.
„Na, haben Sie wieder Dienst?“, fragte sie.
Er lachte mit leiser Stimme. „Die Verbrecher schlafen nicht.“
Dann verschwand er in der Nacht.