Читать книгу Das Super Krimi Paket Dezember 2021: 12 Romane in einem Buch - 1800 Seiten Thriller Spannung - Alfred Bekker - Страница 24
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Es war ziemlich früh am Morgen, als Bount Reiniger den Anruf von Lew Valdez bekam. Der Privatdetektiv lag noch im Bett und war kaum richtig wach, als er Valdez' Stimme hörte.
"Reiniger, hören Sie mich?"
"Ja, aber ich verstehe Sie schlecht."
"Ich rufe von einer Telefonzelle aus an und hier in der Nähe wird gerade die Straße aufgerissen. Haben Sie Papier und Bleistift dabei?"
Bount langte zum Nachttisch.
"Ja."
"Der Mann, der sich Craven nennt ist bei uns als Keith Nolan registriert. Nolan hat vor dreizehn Jahren eine falsche Identität bekommen, weil er zuvor als Under-Cover-Agent gegen die Mafia tätig war. Kurz danach schied er aus dem Dienst aus und lebte unter dem Namen Jason Lorrimar in Cleveland."
"Seit wann nennt er sich Craven?"
"Keine Ahnung. Diese Identität hat er nicht vom FBI. Jason Lorrimar ist vor ungefähr drei Jahren spurlos verschwunden."
Und seit drei Jahren arbeitete Leslie Craven in der Franklin-Agentur. Das passte zusammen.
"Haben Sie eine Ahnung, warum?"
"Er hatte in Mafia-Kreisen ermittelt. Sie können sich ja denken, wie das ist, wenn einer von denen verhaftet wird, weil man ihm eine Laus in den Pelz gesetzt hat. Er wird auf Rache sinnen, ein Kopfgeld aussetzen oder etwas in der Art. Vielleicht hat Lorrimar sich einfach nicht mehr sicher gefühlt und sich deshalb in Craven verwandelt."
"Haben Sie eine Ahnung, wer hinter ihm her gewesen sein könnte, Valdez?"
"Nein."
"Worum ging es denn - damals vor dreizehn Jahren?"
"An diese Daten bin ich nicht herangekommen. Verschlusssache. Ich bin nicht zugangsberechtigt. Bei Personaldaten habe ich weniger Schwierigkeiten."
"Hat Craven vielleicht irgendwelche Verwandte? Angehörige, mit denen er in den letzten Jahren unter Umständen noch Kontakt gehabt haben könnte?", fragte Bount.
"Seine Eltern leben nicht mehr. Aber er hat eine Schwester in Jersey City."
"Name?"
"Joricia Nolan."
"Haben Sie eine Ahnung, warum das FBI etwas dagegen hat, dass das Morddezernat in Manhattan nach ihm fahndet, um ihn in einer Mordsache zu befragen zu können?"
Auf der anderen Seite der Leitung war es einen Moment lang still. Dann sagte Lew Valdez: "Das ist mir neu. Aber da sind ohnehin einige Dinge merkwürdig an der Sache."
Bount horchte auf. "Und was zum Beispiel?"
"Ich habe Ihnen schon viel zuviel gesagt, Reiniger. Alles andere ist eine interne Geschichte."
"Das sind gewöhnlich die Spannendsten."
"Tut mir Leid, Reiniger. Aber das ginge über einen Gefallen hinaus, wie ich ihn Ihnen schulde. Ich bin ohnehin schon weit über die Grenzen gegangen."
Damit war das Gespräch beendet. Bount stand auf und zog sich an. Er verzichtete sogar auf seine morgendliche Jogging-Runde. Als er fertig war, brühte er sich schnell eine Tasse Kaffee auf und ging dann hinüber in die Büroräume, wo er eine Nachricht für June March hinterließ. Bis sie hier auftauchen würde, dauerte es noch ein bisschen und er hatte keine Lust, darauf zu warten.
Wenig später saß er hinter dem Steuer seines champagnerfarbenen Mercedes und war auf dem Weg nach Jersey City, auf der anderen Seite des Hudson. Bount geriet in die aufkommende Rush Hour, was seine Fahrt etwas verlangsamte.
Joricia Nolans Adresse gehörte zu einem bescheidenen, aber gepflegten Haus in den Randbezirken. Das Grundstück war im Verhältnis zum Haus ziemlich klein.
Wahrscheinlich hatte man aus einer Parzelle zwei gemacht.
Auf dem Hof stand ein Wagen. Bount konnte also hoffen, dass Joricia zu Hause war. Der Privatdetektiv ging zur Tür und klingelte. Es dauerte nicht lange und eine hübsche Dunkelhaarige mit feingeschnittenen Gesichtszügen öffnete ihm. Sie sah chic aus in ihrem enggeschnittenen Kleid. In der Hand hielt sie eine Kaffeetasse.
Sie machte den Eindruck, als wäre sie auf dem Sprung ins Büro.
Was Bount am meisten an ihr wunderte, war das Alter. Sie konnte kaum über dreißig sein. Wenn sie wirklich Cravens Schwester war, bestand zwischen den beiden ein ziemlich großer Altersunterschied. Mindestens zehn Jahre.
"Guten Morgen", sagte Bount. "Sind Sie Joricia Nolan?"
"Allerdings. Was wollen Sie?"
"Es geht um Ihren Bruder", sagte Bount. Ihm entging die Veränderung nicht, die sich plötzlich in ihrem Gesicht abspielte. Trotz des dezenten Make-ups verlor sie einen Teil ihrer frischen Gesichtsfarbe.
"Wer sind Sie?"
"Mein Name ist Bount Reiniger." Er zeigte ihr seine New Yorker Lizenz als Privatdetektiv, die er mit einer schnellen Bewegung aus der Jackentasche gezaubert hatte. Sie nahm die Lizenz, warf einen kritischen Blick darauf und gab sie schließlich Bount zurück.
"Ich habe keinen Bruder."
"Sie brauchen mir nichts vorzumachen. Ihr Bruder heißt Keith Nolan." Sie versuchte es zu verbergen, aber es entging Bount nicht, dass dieser Name etwas in ihr auszulösen schien - wenn auch nur für eine gute Sekunde. Solange braucht sie, um sich wieder vollends im Griff zu haben. Nach kurzer Pause sprach Bount weiter. "Ihr Bruder war einmal FBI- Agent und es könnte sein, dass einige Leute noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen haben, die er in den Knast gebracht hat."
Joricia schluckte. "Was wollen Sie von..." Sie sagte keinen Namen. "...von meinem Bruder?", beendete sie dann die Frage.
"Ihm vielleicht helfen", gab Bount an. "Er könnte in Schwierigkeiten sein."
"Ach, ja? Wer schickt Sie denn?"
"Der Mann, für den er zuletzt gearbeitet hat. Der macht sich nämlich Sorgen um ihn."
Sie sagte nichts und das nahm Bount als positives Zeichen. Joricias grüngraue Augen ruhten auf dem Privatdetektiv und es schien so, als würde sie versuchen, diesen Fremden einzuschätzen. In ihren Zügen stand noch immer deutlich Misstrauen und Bount hatte Verständnis dafür. Einige Augenblicke lang geschah gar nichts.
"Kommen Sie herein!", sagte sie dann schließlich und nippte danach an ihrem Kaffee. "Aber ich sage Ihnen gleich, dass ich nicht allzuviel Zeit habe. Ich arbeite in einer Bank in Jersey City. In einer Viertelstunde muss ich los, sonst komme ich zu spät."
Joricia führte Bount in eine Wohnküche, die wie geleckt aussah. Er fragte sich insgeheim, ob hier überhaupt schon einmal gekocht worden war. Auf dem Tisch stand ein leerer Joghurt-Becher. Joricia achtete also auf die schlanke Linie.
"Was ist mit Keith?", fragte sie.
"Er ist verschwunden. Und bevor er verschwand, hat jemand beobachtet, wie er von zwei Kerlen bedroht wurde."
"Wann war das?"
"Letzten Mittwoch. Es scheint, als hätte Craven - oder Keith Nolan, ganz wie man will - seit längerem sein Untertauchen vorbereitet."
"Das glaube ich nicht", sagte sie.
"Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen, Joricia?"
"In der Woche davor. Wir haben regelmäßig Kontakt gehalten, seit er hier in der Nähe war. Keith fühlte sich recht sicher, wie er sagte." Sie atmete tief durch.
"Er wollte sich am Wochenende melden. Ich habe mir nichts dabei gedacht, dass er sich nicht gemeldet hat, aber nun..."
"Was ist nun?", fragte Bount.
Sie zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht", sagte sie. "Ich weiß noch nicht einmal, ob ich Ihnen trauen kann oder ob Sie nicht auch einer von denen sind, die ihn zur Strecke bringen wollen! Wie haben Sie überhaupt meine Adresse herausgefunden? Wie haben Sie überhaupt herausgefunden, dass ich existiere?" Sie war ziemlich erregt, obwohl sie es zu unterdrücken versuchte. Sie stellte die Tasse auf den Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust.
Bount blieb gelassen. "Ich hatte gedacht, Sie wollten Ihrem Bruder vielleicht helfen."
"Natürlich will ich das!"
"Wer ist hinter ihm her?"
"Was weiß ich! Es werden viele sein, die Grund hätten, ihn zu hassen! Aber ich weiß nichts darüber."
"Haben Sie nie über diese Dinge gesprochen?"
Sie hob ihre schmalen Schultern und sah Bount offen an.
"Wundert Sie das?"
Nein, dachte Bount. Das Gegenteil wäre merkwürdig gewesen.
"Damals, als aus Keith Nolan Jason Lorrimar wurde...", begann der Privatdetektiv dann und wurde sogleich unterbrochen.
"Das wissen Sie auch?", fragte sie.
Bount hatte keine Lust, ihr das genauer auseinanderzusetzen.
"Worum ging es damals?"
"Um einen Mafiosi, dem er fünfzehn Jahre eingebracht hat. Es war ein aufsehenerregender Prozess, die Zeitungen waren voll davon."
"Erinnern Sie sich an den Namen?"
Sie sah Bount jetzt offen an. "Andy Carillo", murmelte sie dann wie in Gedanken. "Keith war in Carillos engste Umgebung einschleust worden und Carillo war natürlich wütend. Ich war im Gerichtssaal und habe gehört, wie er Keith gedroht hat. 'Dich mache ich kalt wenn ich wieder draußen bin!' hat er gerufen. Mir hat es fast das Blut gefrieren lassen, aber Keith schien das kaum berührt zu haben. Das sei normal, meinte er."
"Und warum wurde aus Lorrimar schließlich Craven? Er hat ein zweites Mal seine Identität gewechselt."
"Ich habe keine Ahnung. Er hat es mir nicht gesagt und ich habe auch nicht gefragt." Sie nahm ihre Handtasche von der Stuhllehne und machte damit deutlich, dass es nun Zeit für sie war. "Ich muss jetzt gehen, Mister Reiniger. Aber wenn Sie etwas herausfinden, dann wäre es schön, wenn Sie es mir mitteilen würden."
Bount holte das Bild von Delcourt, dem Toten aus dem East River hervor und hielt es Joricia unter die Nase.
"Noch eine Frage: Kennen Sie diesen Mann?"
"Nein."
"Ganz sicher?"
"Ganz sicher."