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Der Tote im Park

Alfred Bekker


"Harald wollte längst hier sein!" murmelte Ernst Börger vor sich hin und schaute dabei zum wiederholten Mal auf die Uhr. "Langsam kommt mir die Sache nicht mehr geheuer vor", erklärte er dann, während er sich zu den anderen her-umdrehte. "Was meinst du damit?" fragte Gabriele Martini, eine hochgewachsene Mittdreißigerin mit kühlen grauen Augen. Sie musterte Börger prüfend. "Er meint wohl, daß Harald etwas passiert ist", fiel Kurt Sandow ein, der dritte im Bunde. Sie warteten nun schon eine ganze Weile in Harald Buschs Wohnung.

Gabriele hatte zum Glück noch einen Wohnungsschlüssel, da sie eine Zeitlang mit ihm liiert gewesen war. Sonst hätten sie draußen bei strömendem Regen warten müssen. Gabriele sah Kurt Sandow scharf an. "Was glaubst du denn, was ihm passiert sein könnte?" fragte sie. Kurt zuckte die Achseln. "Nur so ein Gedanke", meinte er. "Harald ist doch immer die Zuverlässigkeit in Person, oder etwa nicht? Er hätte uns bestimmt nicht mit solcher Eindringlichkeit zusammen-gerufen, wenn..." Gabriele hob die Augenbrauen. "Wenn was?" "Na, wenn er etwas anderes vorgehabt hätte!" rief Kurt aufgebracht. "Ich versteh das nicht!" Ernst Börger blickte derweil durch das Fenster nach draußen. "Da kommt ein Wagen!" sagte er. "Ist es Harald?" fragte Gabriele. Ernst schüttelte den Kopf.

"Ich glaube nicht." Wenig später klingelte es an der Wohnungstür. Sie gingen alle drei in den Flur. Gabriele öffnete. Vor der Tür stand ein mittelgroßer Mann in den vierzigern. "Mein Name ist Winter, ich komme von der Kriminalpoli-zei! Darf ich Sie fragen, was Sie hier machen?" "Wir warten auf Harald Busch!"

erklärte Kurt, der sich als erster gefaßt hatte. Und Gabriele ergänzte: "Er hat uns alle telefonisch äußerst dringend hier her bestellt... Wir besitzen eine gemeinsame Firma. Ein Tiefbauunternehmen." "Sie hatten einen Schlüssel?"

fragte der Kommissar verwundert. Gabriele erklärte ihm, was es damit auf sich hatte und er nickte leicht. Dann sagte Winter: "Ihr Teilhaber wird nicht mehr kommen. Er wurde ermordet." "Das ist doch nicht möglich!" rief Gabriele. "Leider ja", meinte Kommissar Winter sachlich. "Ein Schlag mit einem stumpfen Ge-genstand auf den Hinterkopf. Wir haben die Leiche im Stadtpark gefunden..."

"Was hatte er dort denn zu suchen? Um diese Zeit..." ,schüttelte Kurt den Kopf. "Der Mord wurde nicht im Park verübt", erklärte Winter. "Der Mörder hat den Toten dort nur abgelegt. Was den wirklichen Tatort betrifft, so tappen wir noch im dunkeln..." Sie gingen ins Wohnzimmer. Dann stutzte der Kommissar auf einmal. Sein Blick ging zu einem der Teppiche und blieb bei einem kleinen, kaum sichtbaren roten Fleck haften. Mit zwei schnellen Schritten war er dort und riß den Teppich zur Seite. "Ich glaube, die Frage des Tatorts wäre damit geklärt", murmelte er dann. Er wandte sich an die drei anderen im Raum. "Ihnen ist hoffentlich klar, daß Sie jetzt zu den Hauptverdächtigen gehören." Ernst Börger schnippte nervös mit den Fingern. "Wir?" fragte er. "Das ist doch Un-fug. Harald hat uns so um acht herum nacheinander angerufen." "Und wann sind Sie hier angekommen?" fragte Winter. "Ich bin um um halb neun hier angekommen und war der letzte. Aber die Wohnung haben wir alle gemeinsam betreten", be-richtete Ernst. "Weswegen hat er Sie drei angerufen?" war Winters nächste Frage. Die drei tauschten unsichere Blicke untereinander. Dann sagte Kurt: "Er hat gesagt, daß er herausgefunden hätte, wo die Gelder geblieben seien, die aus der Firma abgezweigt worden sind..." Winter hob die Augenbrauen. "Sie hatten Probleme mit Ihrer Buchführung?" "Das ist etwas untertrieben", erklärte Gabriele. "Jemand hat in größerem Stil Geld unterschlagen. Und Harald meinte, er wüßte jetzt endlich, wer dahintersteckt..." "Und?" fragte Winter. "Na, er hat es uns leider nicht mehr sagen können!" rief Kurt und fuhr sich mit nervöser Geste durchs Haar. "Kein Verdacht?" Winter kniff die Augen ein wenig zusammen. "Es hätte jeder sein können", meinte Kurt schulterzuckend. "Jeder von uns dreien jedenfalls. Und Harald selbst natürlich auch." "Hier hat buchstäb-lich schon jeder jeden verdächtigt!" stieß Gabriele hervor. "Mich hat man be-schuldigt, weil ich eine Leidenschaft für teure Reitpferde habe und manchmal ein bißchen über meine Verhältnisse lebe. Ernst hat sich in letzter Zeit ein bißchen an der Börse verspekuliert, Kurt hat sich einen protzigen und sündhaft teuren Bungalow bauen lassen und Harald..." "Harald scheidet ja jetzt wohl aus", stellte Kurt nüchtern fest. Er wandte sich an Kommissar Winter. "Wahr-scheinlich wurde er ermordet, weil derjenige, der das Geld unterschlagen hat, ihn aus dem Weg schaffen wollte, bevor er alles aufdecken konnte..." Winter nickte. "Der Gedanke liegt nahe." "Also einer von uns dreien", murmelte Gabriele. "Du hattest einen Schlüssel und warst als erste hier!" stellte Ernst an Gabriele gewandt fest. "Das muß nichts heißen", sagte Kommissar Winter. "Harald Busch kannte Sie schließlich alle drei. Er hätte keinen Grund gehabt, einem von Ihnen nicht zu öffnen." Ernst Börger atmete tief durch. "Das stimmt auch wieder." Und Gabriele fragte: "Werden Sie uns jetzt festnehmen?" Doch Winter schüttelte den Kopf. "Nein, dazu sind die Ermittlungen noch in einem zu frühen Stadium. Ich werde Ihre Personalien aufnehmen. Aber halten Sie sich bitte zu meiner Verfügung." "Natürlich", nickte Gabriele. Sie nahm ihre Hand-tasche und wandte sich zum Gehen. "Ich glaube, wir können hier im Moment nichts tun."

Einen Tag später stand Kommissar Winter dann vor Gabriele Martinis Wohnungstür. "Sind Sie hier, um mich zu verhaften? Oder nur um Fragen zu stellen?"

fragte Gabriele gereizt. Kommissar Winter verzog das Gesicht. "Kann ich 'rein-kommen?" Gabriele zuckte die Achseln. "Sicher. Aber ich sage Ihnen gleich, daß ich nicht viel Zeit habe! Ich muß in die Firma! Da ist jetzt die Hölle los nachdem Harald nicht mehr da ist." "Ich verstehe", nickte Winter. "Übrigens ist mir auch noch etwas eingefallen. Als ich am Abend des Mordes zu Haralds Wohnung fuhr, da meine ich in einer Nebenstraße den Wagen von Ernst Börger ge-sehen zu haben. Ich war also nicht die erste, die..." Winter schnitt ihr das Wort ab. "Um die Sache abzukürzen, Frau Martini: Ich habe Ihnen etwas Wichti-ges zu sagen."

*


Der Mann hatte den Kragen seines Regenmantel hochgeschlagen, als er sich an-stellte, um sich für seinen Flug nach Florida einzuchecken. "Herr Harald Busch?" Der Mann drehte sich verwirrt herum und blickte auf eine Kripo-Marke, die ihm von einem Beamten in Zivil entgegengehalten wurde. Neben dem Beamten stand Gabriele Martini. "So ist das also, Harald!", sagte sie."Du warst derjenige, der die Gelder unterschlagen hat. Als es dir dann zu heiß wurde, hast du den Mord inszeniert, damit wir uns gegenseitig verdächtigen und wertvolle Zeit verlieren würden! Aber als du den falschen Kommissar, den du dir gemietet hast, um seinen Anteil betrügen wolltest, ist der geradewegs zu mir gelaufen und hat einen wertvollen Tip gegeben..." "Dieser Schuft!" schimfte Harald Busch. "Ihren Flug werden Sie verschieben müssen", erklärte nun der Kripo-Beamte. "Da warten eine ganze Reihe von Verfahren auf Sie, Herr Busch."

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