Читать книгу Kriminell und spannend in die Weihnachtszeit: 2 Kriminalromane und 32 Kurz-Krimis - Alfred Bekker - Страница 22
ОглавлениеDer Tod der Witwe
Alfred Bekker
"Ich bringe sie um!" schimpfte Ernst Marek und ballte dabei grimmig die Faust. "Du sprichst von deiner Mutter!" gab sein Bruder Kurt zu bedenken. Er war war zwar nur gerade zwei Jahre älter als Ernst, litt aber schon sichtlich unter Haarausfall. "Na und?" knurrte Ernst dann. "Sie ist nur unsere Stiefmutter, wenn man es genau nimmt! Und Sie ist drauf und dran, uns zu ruinieren - oder siehst du das etwa anders?" Seit dem Tod ihres Vaters war es mit den Marek-Werken rapide bergab gegangen. Und das war nicht die Schuld der beiden Brüder, die jetzt als Geschäftsführer fungierten. Die ganze Branche der Verpackungsindustrie steckte in einer Krise. Die beiden Marek-Söhne hätten die Firma am liebsten verkauft, solange sie noch nicht ganz den Bach hinuntergegangen war.
Aber da hatten die beiden die Rechnung ohne Franziska Marek, ihrer Stiefmutter gemacht. Sie wollte die Firma unter keinen Umständen verkaufen. Zwar verstand sie nichts vom Geschäft, interessierte sich noch nicht einmal besonders dafür, aber sie hatte sich in den Kopf gesetzt, das Unternehmen unbedingt im Besitz zu behalten. "Ohne Mutters Einverständnis können wir nichts machen", meinte Kurt schulterzuckend. "So ist es nun einmal im Testament festgelegt!"
"Ich möchte wissen, was Vater sich dabei gedacht hat!" knirschte Ernst indessen zwischen den Zähnen hindurch. "Vielleicht versuche ich noch mal, mit ihr zu reden", meinte Kurt. Ernst blickte auf und lachte heiser. "Du weißt so gut wie ich, daß das nicht den geringsten Zweck hat!" versetzte er.
*
"Na, was ist?" fragte Jutta, Kurts blondmähnige Ehefrau, als er am Abend nach Hause kam. "Hattest du Erfolg?"
Kurt schüttelte den Kopf. "Nein. Mutter läßt nicht mit sich reden!" - "Aber wir brauchen das Geld aus der Firma, wenn wir etwas Neues aufbauen wollen, Kurt!" - "Ich weiß. Aber da ist nichts zu machen. Ich war gerade noch bei ihr und habe mal wieder auf Granit gebissen." Jutta seufzte. "Keine Chance?" - "Dieser Anwalt Krueger heißt er ja wohl, hat ihr inzwischen völlig den Verstand benebelt, wie mir scheint! Die beiden wollen übrigens demnächst heiraten." - "Ach!" machte Jutta. Kurt nickte. "Ja, das hat sie mir bei der Gelegenheit auch gleich mitgeteilt!"
Es war auf der Fahrt zum Büro, als Kurt einen Anruf über Funktelefon erhielt. Es war Ernst, sein Bruder. "Mutter ist tot", berichtete er knapp. "Die Mordkommission ist hier in der Firma und stellt mir Fragen... Du mußt mir ein Alibi geben! Hörst du? Wir waren gestern zwischen vier und acht bei dir zu Hause und haben über den Bilanzen gesessen! Hast du verstanden?" - "Habe ich." - "Ich muß jetzt Schluß machen. Die belauern mich hier auf Schritt und Tritt!" - "Sag am besten gar nichts!" versuchte Kurt seinem Bruder einen Rat zu geben.
Aber der hatte bereits aufgelegt.
*
Als Kurt Marek wenig später das Büro seines Bruders erreichte, begrüßte ihn ein Mann namens Berger von der Kripo.
"Kriminalpolizei?" fragte Kurt stirnrunzelnd.
"Ihre Mutter..." - "Stiefmutter", korrigierte Kurt.
"...ist ermordet worden", fuhr Berger indessen fort. "Gestern am späten nachmittag. So gegen fünf, halb sechs. Ein Schlag mit einem stumpfen Gegenstand. Wahrscheinlich hat es zuvor noch eine Auseinandersetzung gegeben..." Kurt Marek atmete tief durch und blickte kurz zu seinem Bruder hinüber, der aber den Kopf zur Seite gewandt hielt. "Wer sollte so etwas tun?" fragte Kurt anschließend.
"Die haben mich in Verdacht!" meldete sich jetzt Ernst zu Wort. Er schien ziemlich außer sich zu sein.
Berger nickte. "Ihre Sekretärin hat gestern zufällig ein Gespräch mit angehört, in dessen Verlauf Ihr Bruder wörtlich gesagt hat, daß man Ihre Stiefmutter umbringen müßte!"
"Ich verstehe nicht, wie die Sekretärin..."
"Die Sprechanlage war versehentlich eingeschaltet", erläuterte Berger. Der Kripo-Mann hob die Schultern. "Naja, jedenfalls können Sie beide jetzt mit der Firma machen, was Sie wollen."
"Das mit der Firma wäre weder für mich noch für meinen Bruder ein Grund gewesen, jemanden umzubringen!" sagte Kurt.
"Wo waren Sie gestern am späten Nachmittag?" ließ Berger dann die Katze aus dem Sack. Aber Kurt war nicht verwundert. Es war nur logisch. Ernst war sicher die Nummer eins auf Bergers Verdächtigenliste, aber er -Kurt - kam sicher gleich dahinter. Kurt setzte einen maskenhaften Gesichtsausdruck auf und spulte das herunter, was Ernst ihm am Telefon gesagt hatte. Aber nach Bergers Gesichtsausdruck zu urteilen war das nicht besonders überzeugend...
*
"Einen Mord zu decken, ist schon eine ganz besondere Sache", erklärte Kurt, nachdem Berger gegangen war. "Aber für meinen Bruder nehme ich das auf mich..." - "Das ist verdammt nett von dir!" meinte Ernst. "Die können uns gar nichts, wenn du bei deiner Aussage bleibst! Glaub mir!" - "Aber sonst hätten sie dich am Wickel, ja?"
"Ich hätte kein Alibi, die Aussage der Seketrärin und..."
"Ich erwarte allerdings eine kleine Gelegenleistung von dir, Ernst!" - "Natürlich!" - "Du überschreibst mir deine Anteile an der Firma!" Ernst glaubte, sich verhört zu haben. "Was?"
"Das ist kein hoher Preis, Ernst. Nicht wenn man bedenkt, daß du vielleicht auch lebenslänglich im Zuchthaus sitzen könntest!"
Ernst überlegte kurz. Dann nickte er. "Ich habe wohl keine andere Wahl, was?" - "So ist es."
Ein paar Tage später saß Kurt Marek bei Kommissar Berger in der Amtsstube, damit seine Aussage zu Protokoll genommen werden konnte.
Doch kaum hatte Kurt den Mund aufgemacht, da meinte Berger: "Diese Lügengeschichte brauchen Sie mir gar nicht erst aufzutischen!"
Kurt runzelte die Stirn und beugte sich etwas nach vorn. "Was?" meinte er. "Beweisen Sie mir erst einmal, daß auch nur ein einziges Wort von dem, was ich gesagt habe gelogen ist!" - "Bemühen Sie sich nicht!" versetzte Berger. "Ihr Bruder Ernst war hier und hat uns die Wahrheit erzählt. Sie haben ihm ein falsches Alibi gegeben und versucht, ihn dazu zu bringen, Ihnen seinen Anteil an der Firma zu überschreiben!" - "Ernst muß verrückt geworden sein!" murmelte Kurt dann. "Ihr Bruder war nicht der Mörder, das steht fest", erklärte Berger. "So, wer dann?" fragte Kurt mit einem säuerlichen Lächeln.
"Wahrscheinlich haben Sie als erstes an mich gedacht! Denn wenn ich mir jetzt durch meine Frau ein Alibi geben lasse, wäre das wohl kaum noch sehr glaubwürdig!" Berger nickte. "Sie haben recht. Ich habe an Sie gedacht. Und ich war auch schon beim Haftrichter, um einen Haftbefehl zu bekommen!" Kurt atmete tief durch. Dann streckte er beide Hände nach vorn und meinte: "Bitte!" - "Sie haben wirklich Glück", erwiderte Berger. "Vor einer knappen halben Stunde haben wir nämlich das Geständnis der wahren Mörderin bekommen." Kurt blickte auf. "Von wem sprechen Sie?" - "Ihre Mutter wollte doch einen Anwalt namens Krueger demnächst heiraten. Das Aufgebot war jedenfalls schon bestellt! Aber Kruegers Ex-Freundin war damit alles andere als einverstanden. Sie hat Ihre Mutter aufgesucht, sie zur Rede gestellt und dabei ist es dann passiert!"