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Zwei Stunden später saßen wir Gernot Braganza in einem der Verhörräume in unserem Präsidium gegenüber.

»Sie gehen mir vielleicht auf die Eier!«, sagte Gernot Braganza. »Sie beide!«

»Das Vergnügen ist ganz meinerseits«, sagte ich.

»Scheiße...«

»Ich denke, es ist auch in Ihrem Interesse, wenn dieses Gespräch einen vernünftigen Verlauf nimmt, Herr Braganza.«

»Ach. Wirklich?«

»Wirklich.«

»Wie kommt es dann, dass ich davon nicht so richtig überzeugt bin?«

»Vielleicht liegt das daran, dass Ihnen Ihre Lage nicht so richtig klar ist.«

»Ja, klar!«

»Aber ich vermute, dass sich das im Verlauf unseres Gesprächs noch ändern wird.«

»Die Hoffnung stirbt zuletzt, was?«

Braganza war ärztlich behandelt worden.

Meine Kugel hatte dafür gesorgt, dass er jetzt ein ziemlich großes Hämatom am Oberkörper hatte. Aber es war nichts gebrochen. So lange er weder einen Hustenanfall bekam oder lachte, ging es ihm einigermaßen gut.

Roy ging es ganz ähnlich, auch wenn er etwas besser dran war, was vielleicht mit der Qualität der verwendeten Weste zu tun hatte. Die Westen, die wir bei unseren Einsätzen verwenden, trägt man normalerweise über der Kleidung. Das heißt, sie sind dicker und enthalten mehr Lagen der hochwertigen Kunststofffasern, die das Geheimnis dieser Schutzwesten sind. Braganza hingegen hatte eine sehr dünne Weste getragen, damit sie unter der Kleidung nicht gleich auffiel.

Parallel zu unserem Verhör von Braganza nahm sich unser Kollege Jürgen Carnavaro zusammen mit dem Verhörspezialisten Schneider den Urheber der Schießerei in einem anderen Raum vor: Mehmet Daryas, die Nummer zwei in Reinhardts Organisation.

»Sie sollten mit uns kooperieren, Herr Braganza«, sagte ich. »Die Videoaufzeichnungen belegen, dass Mehmet Daryas auf Jamal ‚White Jacket Kalif’ Rahmani gefeuert hat. Ob auch der tödliche Schuss von ihm oder einem seiner Komplizen kam, wird erst die ballistische Untersuchung zweifelsfrei nachweisen, aber eigentlich habe ich nach Ansicht der Video-Aufzeichnungen wenig Zweifel daran.«

»Dieser Hurensohn!«, knurrte Braganza vor sich hin.

»Wen meinen Sie jetzt?«, mischte sich Roy ein. »Daryas? Oder Rahmani!«

»Vermutlich alle beide«, meinte Roy.

»Ich sage nichts«, sagte Braganza. »Erst will ich meinen Anwalt sprechen!«

»Ihr Anwalt ist auf dem Weg hier her«, erklärte ich ihm. »Aber ich dachte, ich mache Ihnen trotzdem vorher schon mal Ihre Lage klar: Daryas hat mit der Schießerei angefangen und er wird wohl wegen Mordes verantworten müssen. Alles was danach geschah, einschließlich Ihres tätlichen Angriffs auf zwei Kripo-Beamte, ist rechtlich unterschiedlich interpretierbar. Schließlich hätte wahrscheinlich niemand geschossen, wenn Daryas nicht zur Waffe gegriffen hätte!«

»Was wollen Sie jetzt? Mir ein Angebot machen?«, fauchte Braganza.

»Sie kommen vielleicht mit einem blauen Auge davon«, sagte ich.

Und Roy ergänzte: »Aber das läuft nur, wenn Sie jetzt gleich mit uns kooperieren.«

»Ich warte auf ein Angebot des Staatsanwalts«, sagte Braganza.

Roy sagte: »So läuft das nicht, Herr Braganza.«

»Ach, nein?«

»Sie haben anscheinend zu viele amerikanische Gangsterfilme gesehen«, sagte Roy. »Sie werden kein 'Angebot' bekommen, sondern nur eine mehr oder weniger lange Haftstrafe.«

Braganza sagte: »Ich warte einfach mal ab...«

Ich sagte: »Dann warten Sie vielleicht zu lang, denn es könnte sein, dass bis dahin Ihre Aussage gar nichts mehr wert ist, weil wir die Informationen inzwischen auf anderem Weg erlangt haben.«

»Na, wenn Sie gar nicht auf mich angewiesen sind...«

»...dann sollten wir uns vielleicht auch nicht länger mit ihm aufhalten«, meinte ich. »Es wird uns sicher auch jemand anders verraten, weshalb Daniel Reinhardt diesen größten Deal seiner Karriere als illegaler Kunsthändler verpasst hat!«

Das war nämlich die entscheidende Frage für uns. Unser Informant Frank Schachmann hatte uns versichert, dass Reinhardt den Deal selbst machen würde. Geschäfte dieser Größenordnung basierten auf persönlichem Vertrauen der Beteiligten. Und an Jamal »White Jacket Kalif« Rahmanis Reaktion war auch deutlich zu sehen gewesen, wie irritiert er darüber gewesen war, nicht Reinhardt persönlich anzutreffen.

Braganza schwieg. Er lehnte sich zurück.

»Wieso kommen Sie darauf, dass ich darüber etwas wüsste? Fragen Sie besser Daryas’ Leibwächter – sofern Sie noch antworten können!«

Die Leibwächter von Mehmet Daryas wurden derzeit in der Gefängnisklinik von Hamburg Moabit behandelt. Sie hatten beide schwere Schussverletzungen davongetragen und es würde wohl noch ein paar Tage dauern, bis sie vernehmungsfähig waren.

Aber es hatte einen guten Grund, dass wir uns in dieser Sache Braganza vornahmen.

»Unser Labor nimmt sich gerade Ihr Prepaid-Handy vor, Herr Braganza. Die Kollegen sind noch lange nicht fertig damit, aber Sie haben anderthalb Stunden vor dem Deal ein Gespräch mit Mehmet Daryas geführt! Die Nummer passt jedenfalls zu dem Prepaid Handy, dass wir bei Herr Daryas sichergestellt haben.«

Braganza war blass geworden.

Weiß wie die Wand.

Er begriff offenbar, was das bedeutete.

Aber das hieß noch lange nicht, das er seinen Widerstand schon aufgab.

Roy sagte: »Ist doch merkwürdig, dass der Leibwächter von des ‚White Jacket Kalif’ beim Stellvertreter eines Handelspartners anruft, der dann wenig später seinen Herrn und Meister bei einem Riesen-Deal vertritt!«

»Warum finden Sie das merkwürdig?«, fragte Braganza. »Möglicherweise habe ich ja in Herr Rahmanis Auftrag dort angerufen, um mich zu erkundigen, ob alles glatt gehen wird.«

»Wie praktisch, dass wir Herr Rahmani nicht mehr fragen können«, erwiderte ich kühl.

»Ach, wirklich!«

»Sowas fällt uns auf.«

»Sie sind anscheinend ein Wunderbulle!«

»Wo Sie recht haben, haben Sie Recht, Herr Braganza.«

Sein Kopf veränderte abermals die Farbe.

Diesmal von blassbleich in dunkelrot.

Er wurde zornig.

Und das hörte man seinem Tonfall auch deutlich an.

Na wenn schon, dachte ich. Vielleicht war das ein gutes Zeichen. Ein Zeichen dafür, dass die Sache endlich einen Schritt vorankam. Zornigen Widerspruch zu erzeugen kann dabei ein sehr effektives Mittel sein.

Braganza sagte: »Es war aber genau so, wie ich sage! Ich habe Daryas angerufen und gefragt, ob alles glatt geht.«

»Und? Was hat er gesagt?«

»Er hat es bestätigt.«

»Ah, ja.«

»Ja, wirklich!«

»Hat Daryas irgendetwas davon gesagt, dass Reinhardt nicht persönlich erscheinen wird?«

»Nein, natürlich nicht. Wenn er das gesagt hätte, wären wir gar nicht gekommen. Die Sache ist eigentlich auch noch etwas anders.«

»Wie?«

»Das Prepaid-Handy, das ich anrufen habe, gehörte Reinhardt.«

»Nicht Daryas?«

»Nein. Nicht Daryas. Ich habe mehrfach mit Reinhardt über diese Nummer gesprochen und den Deal abgemacht...«

Ich runzelte die Stirn. »Sie? Reinhardt hat sich damit zufrieden gegeben, mit dem Leibwächter zu sprechen anstatt mit dem Boss?«

»’White Jacket Kalif’ hatte eine panische Angst davor abgehört zu werden.«

»Was bei einem Prepaid Handy sehr unwahrscheinlich ist.«

»Aber nicht unmöglich!«

»Das stimmt.«

»Eben!«

»Sprechen Sie weiter!«

»Er wollte einfach nicht, dass seine Stimme irgendwann mal aufgezeichnet und identifiziert wird, deswegen, habe ich diese Gespräche für ihn geführt.«

»Okay.«

»Reinhardt wusste das – und vielleicht hätte er sich auch bei niemand anderem darauf eingelassen.«

»Habe ich verstanden.«

»Aber es war sehr wichtig für Reinhardt, mit ‚White Jacket Kalif’ ins Geschäft zu kommen.«

Ich lehnte mich zurück, wechselte einen kurzen Blick mit Roy und fragte Braganza dann: »Und Sie haben sich nicht gewundert, dass Sie nur Daryas am Apparat hatten?«

»Er hat es mir plausibel erklärt.«

»Wie?«, hakte ich nach.

»Im Hintergrund war eine Frau zu hören und Daryas hat erzählt, dass Reinhardt gerade mit ihr herummachen würde und deswegen nicht zu sprechen sei...«

»Anderthalb Stunden vor einem Deal, der für ihn angeblich so wichtig war?«, fragte jetzt Roy.

»Ja, ich weiß...«

»Was erzählen Sie uns da eigentlich für eine Geschichte?«

»Es ist die Wahrheit.«

Roy fragte: »Sowas sollen wir glauben?«

Braganza zuckte mit den Schultern.

»Was hätte ich davon, Sie anzulügen? Sie haben mir meine Situation ja klar eindringlich klar gemacht. Und mein Boss lebt nicht mehr.« Er atmete tief durch. »Ihre Leute haben ihn ja erschossen.«

»Mehmet Daryas hat Ihren Boss erschossen!«, korrigierte ich ihn.

»Ist das etwa nicht einer Ihrer Spitzel? Genau wie Reinhardt, der sich wohl schon abgeseilt hatte. Als er nicht bei dem Deal auftauchte, war mir klar, dass das Ganze eine Falle war. Hat sich dann ja auch so herausgestellt...«

»Und was denken Sie, warum hat Daryas sofort geschossen?«, fragte Roy.

Braganza zuckte mit den Schultern. »Ich schätze, er wollte nichts riskieren. Seine Leute waren in der Unterzahl...«

In diesem Moment flog die Tür des Verhörzimmers zur Seite. Ein groß gewachsener Mann im grauen Dreiteiler trat ein. Seine Haare passten farblich dazu. »Bertold Rahnstein von Rahnstein & Partner. Der Zirkus hier ist zu Ende. Ich bin Herr Braganzas Anwalt.«

Er trug eine abgewetzte Aktentasche, die überhaupt nicht zu dem piekfeinen Rest seines Outfits passte. Offenbar hatte sie irgendeine ideelle Bedeutung für ihn. Vielleicht hatte er sie schon, als er seinen ersten Prozess gewann.

Vielleicht hatte sie ihm auch Glück im Examen gebracht.

Oder es war ein Weihnachtsgeschenk seiner Frau und jetzt musste er das abgewetzte Lederding tragen, so lange er noch nicht verwitwet oder geschieden war.

Rahnstein wandte sich an mich. »Lassen Sie mich bitte mit meinem Mandanten allein.«

Ich sagte gelassen: »Kein Problem. Er hat bereits eine Aussage gemacht.«

Rahnstein hob die Augenbrauen und machte eine ausholende, raumgreifende Geste, die seine Wichtigkeit unterstreichen sollte, was unfreiwillig komisch wirkte.

Geckenhaft und aufgeblasen.

»Eine Aussage, die wir anfechten werden!«, kündigte er an.

»Warum? Sie könnte sich positiv für ihn auswirken!«

»Das können weder Sie noch er wirklich beurteilen. Und jetzt lassen Sie uns allein oder Sie fangen sich eine Dienstaufsichtsbeschwerde ein, weil Sie einem Verhafteten seine verfassungsmäßigen Rechte vorenthalten.«

Rahnstein wollte offenbar gleich klarstellen, wer hier der Platzhirsch war. Wir gingen auf den Flur.

»Dieser Kerl hat den Charme einer Dampfwalze«, sagte Roy.

Ich zuckte mit den Schultern »Das muss sein Erfolgsgeheimnis sein. Dieser Rahnstein hat Braganza doch schon mehrere Male herausgepaukt.«

»Aber diesmal nicht.«

»Da wäre ich mir nicht so sicher.«

»Roy, wahrlich, ich sage dir: Diesmal nicht!«

»Na, das würde ich ja gerne glauben, Uwe!«

»Kannst du ruhig.«

Phantom-Mörder - 12 Strand Krimis

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