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Es war dunkel. Die Straßenbeleuchtung war in den Spar-Modus geschaltet. Zwischen ein Uhr nachts und vier Uhr in der Früh brannte nur jede zweite Leuchte. Eine feuchtkalte Nacht in einem Gewerbegebiet am Rand von Stade. Nach den zwei Stunden, die wir schon hier draußen waren, gab es wohl niemanden, der nicht fror.

Wir trugen Kevlar-Westen und waren über Headsets funktechnisch miteinander verbunden. Die Dienstwaffe lag schussbereit in meiner Hand. Zwanzig Beamte der Kriminalpolizei waren an diesem Einsatz auf dem Gelände der Speditionsfirma Broderich & Dirkens GmbH in Stade beteiligt. Frank Schachmann, ein Informant aus der Szene des illegalen Kunsthandels hatte uns Ort, Zeitpunkt und Beteiligte eines Riesendeals mit illegal eingeführten Asiatika gegeben. Es ging um Kunstgegenstände aus dem Khmer Reich in Kambodscha, dessen legendäre Hauptstadt Angkor vor tausend Jahren neben Bagdad und Kairo eine der wichtigsten Metropolen der Welt gewesen war. Die Umsätze der Kunst-Mafia können inzwischen locker mit denen anderer Zweige des organisierten Verbrechens mithalten und nahmen zwischen dem illegalen Handel mit Drogen, Waffen, Müll, Menschen und Falschgeld einen der vorderen Plätze ein.

Die Gewinne konnten sich sehen lassen und das Risiko erwischt zu werden, war viel geringer als beispielsweise im Drogenhandel, was vor allem damit zu tun hatte, dass es an Kunst-Spezialisten fehlte.

Jetzt warteten wir zusammen mit unseren Kollegen darauf, dass dieser Deal des Jahres, den Frank Schachmann uns verraten hatte, auch tatsächlich über die Bühne ging und wir unsere Falle zuschnappen lassen konnten.

Wir versprachen uns sehr viel davon, denn einige der Beteiligten gehörten zu den derzeit aktivsten Mitspielern in diesem illegalen Match. Wir hofften, dass wir durch ihre Festnahme endlich auch einige der Hintermänner dingfest machen konnten. Leute, die die Kunst-Mafia durch ihr Geld und ihre Aufträge überhaupt am Leben hielten, auch wenn sie selbst peinlich genau darauf achteten, sich nicht in die Schusslinie der Justiz zu begeben.

»Langsam könnte dieser Reinhardt aber auftauchen«, raunte mir mein Kollege Roy Müller zu. Wir hatten uns an der Ecke einer Lagerhalle verschanzt. Der gesamte Bereich war von unseren Kollegen umstellt.

Daniel Reinhardt war einer der Kunst-Mafiosi, von denen wir hofften, dass er uns hier in die Falle ging. Eine Spezialität von ihm waren Asiatika aller Art. Er hatte exzellente geschäftliche Kontakte vor allem nach Südostasien und China und verdiente im Jahr dreistellige Millionenbeträge durch den Zwischenhandel mit illegal ausgeführten Kunstgegenständen aus diesen Ländern. Insider nannten ihn einfach »die Drehscheibe« – und das beschrieb wohl auch seine Position in diesem Business.

Wenn es uns gelang, Reinhardt aus dem Verkehr zu ziehen, wäre das ein entscheidender Schlag gewesen.

Eine Limousine fuhr jetzt auf den Hof der Speditionsfirma. Gleich gefolgt von einem Möbelwagen und einem Van.

Aus dem Van sprangen sechs Mann in dunklen Anzügen. Sie waren mit automatischen Waffen ausgerüstet. Zwei trugen sogar MPis vom israelischen Typ Uzi.

Diese Leibwächter–Truppe verteilte sich und sah sich kurz um.

Einer der Kerle gab dann ein Handzeichen an die Insassen der Limousine. Die Türen wurden geöffnet. Ein Mann im weißen Anzug stieg aus. Das war Jamal »White Jacket Kalif« Rahmani, eine große Nummer in der Kunstmafia. Er fiel durch sein exzentrisches Gehabe auf und trug grundsätzlich nur weiße Anzüge. Sein Anfangsvermögen hatte er im Drogenhandel gemacht, war aber früh genug ausgestiegen, bevor man ihm rechtlich etwas anhaben konnte – und vor allem bevor die Konkurrenz ihn aus dem Weg gedrängt hatte. Im Laufe der Jahre hatte er eine mächtige Organisation aufgebaut, die auch vor Mord nicht zurückschreckte, wenn jemand ihre Kreise störte.

Zwei weitere Männer stiegen aus der Limousine. Beide relativ unauffällig. Einer war ein Leibwächter. Er hieß Gernot Braganza, war ein eher schmächtiger Mann mit dunkelblondem Haar, der auf den ersten Blick wie ein Bankangestellter wirkte. Braganza war Jamal »White Jacket Kalif« Rahmanis Mann fürs Grobe und sein Name wurde mit mindestens fünf Morden in Verbindung gebracht, ohne dass es auch nur in einem Fall überhaupt zur Anklage gekommen war, obwohl sich die Kollegen der Staatsanwaltschaft wirklich alle Mühe gegeben hatten. Aber die Beweise reichten einfach nicht aus und außerdem waren immer wieder wichtige Zeugen im letzten Moment abgesprungen. Bei den Morden, die mit Braganza in Verbindung gebracht wurden, handelte es sich um Taten, die wir als Säuberungsaktionen innerhalb der Organisation interpretierten, die »White Jacket Kalif« aufgebaut hatte.

Der andere Mann, der mit dem Bandenchef aus dem Wagen gestiegen war, wirkte genauso unscheinbar. Er war klein, etwas übergewichtig und hatte eine hohe Stirn. Sein Name war Brian Patterson, Deutsch-Brite und Sohn eines britischen Offiziers, der in einer niedersächsischen Garnison der Royal Army gedient hatte. Patterson war Rahmanis Kunstexperte, Spezialist für Süd- und Südostasien. Insbesondere was die Kunst der Khmer anging, hatte er sich einiges an wissenschaftlichen Meriten erworben. Aber in den Diensten eines Mannes wie Jamal »White Jacket Kalif« Rahmani konnte Patterson sein Fachwissen natürlich sehr viel besser zu Geld machen, als wenn er sich irgendwo als Leiter eines wissenschaftlichen Instituts an einer Universität anstellen ließ.

Rahmani sah auf die Uhr. Er wirkte nervös und ungeduldig. Zwei seiner Männer öffneten den Möbelwagen.

»Die Ladefläche scheint leer zu sein«, meldete sich unser Kollege Tommy Kronberg über Headset. Er war so positioniert, dass er einen besseren Blick in den Möbelwagen hatte.

In diesem Moment klingelte ein Handy bei Rahmani.

Der Mann im weißen Anzug griff zum Apparat und führte ihn ans Ohr. Unsere Kollegen hatten Richtmikrophone auf den Ort des Deals ausgerichtet, sodass wir jedes Wort mithören konnten.

»Wir warten schon eine Weile! Wenn Sie in fünf Minuten nicht hier sind, sind wir weg und das war’s dann.«

Jamal »White Jacket Kalif« Rahmani klappte das Handy ein und steckte es wieder weg. Es handelte sich um ein Prepaid-Mobiltelefon, über das er offenbar solch sensible Geschäftskontakte abwickelte. Wir waren leider nicht in der Lage gewesen, es im Vorfeld abzuhören.

Kollege Johann-Friedrich Dönnemann, der Einsatzleiter, meldete über Funk die Ankunft einer weiteren Limousine und eines Lastwagens nur wenige Minuten entfernt. Dönnemanns Einsatzkräfte waren dafür zuständig, im Notfall Straßensperren zu errichten und das Gebiet weiträumig abzuriegeln. Selbst wenn uns bei dieser Aktion jemand durch die Lappen ging, würde er nicht weit kommen.

Die zweite Limousine erreichte das Firmengelände, gefolgt von einem Mercedes Lastwagen. Ein 7,5-Tonner mit Plane. Dort befand sich vermutlich die Ware, die dann in den Möbelwagen umgeladen werden musste.

Drei Männer stiegen aus der Limousine. Zwei trugen MPis, der dritte schien der Anführer zu sein. Ein breitschultriger, fast kahlköpfiger Mann im Anzug und dunklem Schnauzbart. Wir erkannten ihn von den Fahndungsfotos. Er hieß Mehmet Daryas und war Daniel Reinhardts rechte Hand.

»Schachmann hat gesagt, dass Reinhardt persönlich den Deal über die Bühne bringt«, raunte Roy mir zu.

»Aber von Reinhardt sehe ich weit und breit nichts, Roy«, stellte ich fest.

»Fragt sich, wie die andere Seite das aufnimmt!«

Rahmani schien etwas irritiert zu sein. »Wo ist euer Chef?«, fragte der »White Jacket Kalif«. »Ich verhandele nicht mit der Nummer 2!«

»Dann entgeht Ihnen eine sehr lukrative Ladung zu einem Preis, den Sie sonst nie bekommen würden. Ich bin sogar befugt, noch etwas nach unten zu gehen«, sagte Mehmet Daryas.

»Was Sie nicht sagen...«

»So ist es eben!«

»Ach, nee!«

»Ihr Gelehrter soll sich die Sachen erst einmal ansehen – und wenn er dann vor Staunen seinen Mund endlich wieder schließen kann, werden wir uns sicher einig!«

Mehmet Daryas machte ein Zeichen. Zwei Männer stiegen aus dem Lastwagen. Sie begannen damit, ihn hinten zu öffnen.

Brian Patterson blickte fragend zu Rahmani. Als der Mann im weißen Anzug ihm zunickte, ging er zur Rückfront des Lastwagens, ließ sich auf die Ladefläche helfen und begann damit, den Inhalt der Kisten zu überprüfen, die sich dort befanden. Die Scheinwerferkegel von Taschenlampen kreisten durch die Gegend.

Einige Augenblicke lang sagte niemand ein Wort.

»Ich nehme an, Sie haben das Geld bar dabei, wie abgemacht«, sagte Mehmet Daryas.

Jamal Rahmani schnipste mit den Fingern. Gernot Braganza ging daraufhin zum Kofferraum von Rahmanis Limousine und holte ein Diplomatenköfferchen heraus.

»Darf ich mal sehen?«, fragte Daryas. Unter dem Jackett des Kahlkopfs zeichnete sich eine großkalibrige Waffe im Schulterholster ab. Seine Begleiter wirkten nervös. Zahlenmäßig waren sie in der Unterzahl.

Jamal Rahmani sagte an Gernot Braganza gewandt: »Gib dem Mann ein Bündel Scheine.«

»Okay.«

»Den Rest kriegt er, wenn unser Schlaukopf grünes Licht gibt!«

»Okay.«

»Sag nicht immer okay.«

»Okay.«

Braganza öffnete den Koffer, sodass Daryas kurz hineinsehen konnte. Dann nahm er ein Bündel Scheine heraus und warf es Daryas zu. Dieser fing es sicher mit der Linken. Daryas sah sich die Scheine an. Er hielt sie ins Licht eines Autoscheinwerfers. Es schien alles in Ordnung zu sein.

Brian Patterson kehrte ein paar Minuten später zurück.

Auf Seiten unserer Einsatzkräfte waren natürlich jetzt die Nerven bis auf das Äußerste gespannt.

Der Deal musste über die Bühne gegangen und dokumentiert worden sein, damit das ganze juristisch entsprechend ausgewertet werden konnte. Wenn Geld und Ware eindeutig den Besitzer gewechselt hatten, waren wir auf der sicheren Seite. Erst wenn dass geschehen war, durften wir zuschlagen.

Jetzt musste es sich entscheiden.

»Alles klar, Herr Rahmani«, wandte sich Brian Patterson an seinen Boss. »Die Ware macht einen exzellenten Eindruck. Ich kann natürlich in der Kürze der Zeit keine Expertise machen, aber es scheint alles in Ordnung zu sein.«

Der Mann im weißen Anzug verzog das Gesicht.

»Ich weiß nicht... Mir wäre es lieber, wenn Reinhardt persönlich anwesend wäre. So war es auch abgemacht.«

»Wir gehen mit dem Preis herunter...«, lenkte Daryas ein.

»Ach, ja?«

»Also, was ist?«

»Tja...«

»Ey, was ist das denn für eine Ansage!«

»Ich denke immer lieber eine Minute länger nach.«

»Manche Gelegenheit ist dann verpasst.«

»Und manch einer ist dann froh darüber, noch am Leben zu sein und nicht im Knast zu sitzen.«

»Was soll der Scheiß jetzt?«

Rahmani hob die Schultern. »Wie gesagt, so ein Deal ist Vertrauenssache. Bei Reinhardt wusste ich, dass er nicht versucht, mich zu bescheißen. Und eigentlich mache ich keine Geschäfte mit Leuten, denen ich nicht hundertprozentig vertraue.«

Mehmet Daryas wirkte nervös.

Er kaute auf der Unterlippe herum.

Kein gutes Zeichen.

Er sagte: »Zwanzig Prozent Nachlass. Das müsste Ihre Bedenken doch zerstreuen.«

Rahmani hob die Augenbrauen.

Er schien einen Fleck an seinem weißen Anzug entdeckt zu haben. Der »Kalif« wischte mit der Hand darüber.

Dann sagte er: »Und wenn ich bei einer genaueren Untersuchung feststelle, dass Sie mir Müll angeboten haben?«

»Wir wollen weiter mit Ihnen Geschäfte machen, Herr Rahmani. Das würden wir daher nicht versuchen!«

Rahmani verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Sie sollten nicht einmal daran denken, Daryas! Sonst sind Sie nämlich ein toter Mann.«

»Entscheiden Sie sich jetzt. Es ist nicht so, dass Sie der einzige Interessent für die Ware sind.«

Rahmani überlegte. Dann beriet er sich kurz mit seinem Kunstexperten Patterson – und zwar so leise, dass wir nichts davon mitbekamen.

Schließlich stimmte der »Kalif« im weißen Anzug zu. Der Kaufpreis wurde um zwanzig Prozent gemindert. Gernot Braganza nahm ein paar Bündel mit Geldscheinen aus dem Koffer heraus, danach übergab er ihn Daryas. Dieser reichte ihn zum Nachzählen an einen seiner beiden Leute.

In diesem Moment gab unser Kollege Jürgen Carnavaro, das Zeichen zum Zugriff.

Phantom-Mörder - 12 Strand Krimis

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