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Lars Thölkes war Kommissar im Dienst der Kriminalpolizei in Stade. Zwanzig Jahre Mordkommission hatte er hinter sich und dabei alles mit angesehen, was es da an Schrecklichem zu ertragen gab.

Aber der Fall, mit dem Thölkes an diesem Dienstag konfrontiert wurde, begann so skurril, dass er erst an einen Scherz der Kollegen glaubte.

Er lehnte sich zurück und strich sich nachdenklich über das glatte, dunkle Haar, dessen Ansatz sich bereits in bedenklicher Weise nach oben verlagert hatte.

Sein Blick war auf die Frau gerichtet, die vor ihm in dem stickigen Büro Platz genommen hatte, das Lars Thölkes seit seiner verspäteten Beförderung für sich allein hatte.

Sie war blond. Das gelockte Haar hing ihr als wilde, ungebändigte Mähne über die Schultern herab. Ihr Kleid war sehr enganliegend und verbarg so gut wie nichts von dem, was darunter war. Ein paar Steine und Ringe machten sofort klar, dass sie nicht in Armut lebte – genauso wie die Designer-Handtasche.

»Ihre Katze hat also einen Mord gesehen«, sagte Thölkes gedehnt. Einer der uniformierten Kollegen hatte die Frau zuerst befragt. Erst danach war sie an die Mordkommission weitergereicht worden und musste nun alles noch einmal von vorn berichten.

»Nein, sie hat keinen Mord gesehen, sondern einen Mann, der ermordet wurde. Eine Leiche mit einem Schussloch im Kopf«, korrigierte die Frau etwas genervt.

Thölkes blickte auf den Personalbogen, den sein Kollege angelegt hatte. Sie hieß Sabrina Kädinger, war 26 Jahre alt, gab an als Tänzerin in einem Club auf St. Pauli zu arbeiten. Sie wohnte in Stade. Thölkes hielt sie für eine Prostituierte.

Sie beugte sich vor. Ihr Dekolleté kam dabei so gut zur Geltung, dass Thölkes einen Moment lang abgelenkt war. Zwischen ihren Augen bildete sich eine tiefe Furche. »Hören Sie, man hat mir gesagt, Sie wären bei der Mordkommission...«

»Das bin ich auch! Zwanzig Jahre Mordaufklärung!«

»Ich würde es schätzen, wenn mich hier endlich mal jemand ernst nehmen würde! Ich habe ein Verbrechen zu melden – und wenn ich auch nicht selbst die Zeugin bin, so ist meine Katze doch mindestens genauso glaubwürdig.«

»Wo ist Ihre Katze?«, fragte Thölkes.

»Zu Hause«, erwiderte sie mit schneidendem Unterton. »Sie mag nämlich Männer mit aufdringlichem Parfum nicht. Dann fängt Sie immer an zu kratzen und ich wollte das Risiko vermeiden, deswegen Schwierigkeiten zu bekommen.«

Thölkes seufzte. »Also noch mal ganz von vorn.«

Sabrina Kädinger verdrehte die Augen. »Ich weiß nicht, ob Sie wissen, was eine Cat Cam ist.«

»Ehrlich gesagt nein.«

»Das ist eine Minikamera, die man seiner Katze am Halsband befestigt. Ein automatischer Auslöser sorgt dafür, dass alle 20 oder 30 Sekunden ein Bild aus der Perspektive der Katze geknipst wird. Man kann auf diese Weise nachträglich ansehen, wo sie gewesen ist, unter welchen Wagen sie nach Mäusen gejagt hat, in welche Keller sie eingestiegen ist und welche anderen Katzen sie getroffen hat.«

Thölkes schüttelte den Kopf. »Das muss der totale Überwachungsstaat sein, in dem schon nicht einmal mehr Katzen den Kater ihrer Wahl treffen können, ohne dass die Besitzer das mitbekommen!«

»Sie können sich ruhig darüber lustig machen, Kommissar Thölkes. Aber mir ist es sehr ernst. Meine Katze hat nämlich bei einem ihrer Streifzüge einen Toten entdeckt, dem jemand eine Kugel verpasst hatte. Jedenfalls sah das für mich als Laie so aus. Aber Sie können sich gerne selbst davon überzeugen!«

Sie griff in ihre Handtasche nach ihrer Geldbörse. Aus dem Münzfach holte sie dann einen 1 GB Chip hervor. »Ich hoffe, Sie haben hier einen Computer, der modern genug ist, um diese Dinger lesen zu können. Da sind alle Bilder dieses besagten Ausflugs drauf. Es ist sogar jedes Mal die Zeit angegeben, wann die Kamera ausgelöst wurde.«

Thölkes’ Gesicht wurde jetzt ernster. Er nahm den Chip und begann seinen Rechner hochzufahren. Als das geschehen war, steckte er den Chip in den Schlitz des integrierten Kartenlesers.

Wenig später erschienen die ersten Bilder auf dem Schirm. Man konnte sich tatsächlich sehr gut vorstellen, wie der Weg der Katze aus ihrer Perspektive ausgesehen hatte. Sie ging über eine Straße. Man konnte Reifen und Radklappen aus der Bodenperspektive bewundern, einen Hundehaufen in Großaufnahme, der einen Rinnstein verstopfe, mehr oder weniger gut geputzte Schuhe von Männern und Frauen, einen Hund, der grimmig die Zähne fletschte und an seinem Halsband riss und dann noch jede Menge Aufnahmen, die offenbar unter parkenden Fahrzeugen gemacht worden waren.

»Was machen Sie normalerweise mit diesen Aufnahmen?«, fragte Thölkes während er weiterklickte und dabei den abenteuerlichen Weg einer Katze mehr oder weniger lustlos mitverfolgte.

Sabrina Kädinger hob das Kinn etwas an. »Es gibt Leute, die stellen diese Bilder ins Internet. Aber das finde ich krank...«

»Sie machen nur einen privaten Diaabend daraus?«

»Da ich Sie nicht einmal dazu einladen würde, wenn Sie der letzte Mann auf Erden wären, kann Ihnen das getrost egal sein!«, versetzte sie schneidend und so schroff, dass Thölkes sich zu ihr umdrehte.

»Uh, Sie haben ja Haare auf den Zähnen!«, grinste er.

»Sehen Sie besser in die andere Richtung. Das nächste Bild müsste es nämlich sein!«

Thölkes’ Gesicht veränderte sich, als er das nächste Bild ansah. Er veränderte den Zoom, sodass es etwa größer zu sehen war. Dann verengten sich seine Augen.

Zu sehen war ein Mann, der ausgestreckt dalag – offenbar unter einem parkenden Wagen. Aus einer Wunde an der Schläfe war sehr viel Blut gesickert. Auf dem Boden konnte man eine dunkelrote Lache sehen, durch die das Tier vermulich durchgetapst war. Thölkes sah sich auch noch das nächste Bild an. Die Szenerie schien für die Katze interessant genug gewesen zu sein, um etwas länger an dieser Stelle auszuharren. Insgesamt gab es vier Bilder, die den Toten aus leicht veränderten Perspektiven zeigte. Auf einem war das Gesicht besonders gut zu erkennen.

»Sie scheinen da tatsächlich auf etwas gestoßen zu sein«, sagte Thölkes.

»Das sage ich doch die ganze Zeit.«

»Ich ziehe mir die Bilder von Ihrem Chip herunter. Dann können Sie den Datenträger wieder mitnehmen, falls Sie Ihre Katze...«

»Meinen Sie, die lasse ich in nächster Zeit noch mal raus?«, schnitt Sabrina Kädinger ihm das Wort ab. »Was werden Sie jetzt tun?«

»Wir werden in einem gewissen Umkreis um Ihre Wohnung nach Parkplätzen suchen, die als Tatort in Frage kommen. Und natürlich werden sich unsere Spezialisten die Sache ansehen. Falls der Mann auf dem Bild ein Straftäter war oder aus irgendeinem Grund in unseren Archiven gespeichert ist, dann stehen unsere Chancen gar nicht so schlecht, dass wir ihn mit einem Bilderkennungsprogramm identifizieren können.«

»Und falls nicht?«

»Dann ist das noch lange kein Grund aufzugeben. Wir bekommen heraus, wer das ist. Versprochen. Sind Sie in den nächsten Tagen zu Hause?«

»Ich bin Tänzerin in einem Club und arbeite am Abend. Tagsüber treffen Sie mich fast immer in meiner Wohnung an. Die Adresse hat Ihr Kollege aufgenommen.«

Thölkes nickte. »Wir melden uns bei Ihnen. Ganz bestimmt.«

Phantom-Mörder - 12 Strand Krimis

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