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5. Die Empfängnis des Täufers, Luk. 1,24-25
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Jedes Ding hat seine Zeit, auch der eheliche Geschlechtsverkehr, der einzig der Kindererzeugung dienen sollte (43). Tier- und Pflanzenreich sind Beweis und Vorbild hierfür (44). Elisabeth schämte sich der Empfängnis eines Kindes im Alter (45), freute sich der Empfängnis eines Propheten aus Gnade (46).
43.
* „Nach diesen Tagen aber empfing Elisabeth, sein Weib, und sie verbarg sich fünf Monate lang, indem sie sprach: Was hat der Herr mir also getan in diesen Tagen, da er mich angesehen, um meine Schmach vor den Menschen von mir zu nehmen?"198.*
Die Heiligen halten viel auf Wohlanständigkeit; selbst in erwünschten Dingen verrät sich schamhafte Zurückhaltung. So sehen wir an unserer Stelle die heilige Elisabeth, die sich doch Kindersegen wünschte, fünf Monate lang sich verbergen. Welch anderen Grund hatte ihre Verborgenheit als Schamhaftigkeit? Jedes Ding hat seine Zeit199, und was sich zu einer Zeit schickt, schickt sich nicht zu einer anderen, und das wechselnde Alter läßt oft die Natur des Handelns in verändertem Lichte erscheinen. So sind gerade auch der Ehe bestimmte Zeiten gesetzt, zu welchen die Kindererzeugung wohl am Platze ist: solange die Vollkraft der Jahre dauert200, solange Hoffnung auf Kindersegen besteht, solange erfahrungsgemäß Zeugungsfähigkeit statthat, mag auch dem Verlangen nach Geschlechtsverkehr stattgegeben werden. Sobald hingegen raschen Schrittes das Greisenalter genaht und damit die Zeit, die mehr für Kindererziehung als für Kindererzeugung sich eignet, sind die Anzeichen selbst eines erlaubten Beischlafes: die Schwangerschaft, die einem anderen Alter zusteht, der Schoß, der von einer Leibesfrucht schwillt, die nicht zu ihrer Zeit reift, etwas Beschämendes. Betagten Gatten zieht ja das Alter selbst die Grenze für die Verrichtung der ehelichen Werke und mahnt der mit Recht beschämende Verdacht der Unenthaltsamkeit hiervon ab. Selbst junge Gatten schützen zumeist das Verlangen nach Kindern vor und glauben so das Feuer ihres Alters mit dem Wunsche nach Kindersegen entschuldigen zu sollen: wieviel schmachvoller wäre für Betagte ein Tun, das selbst Jugendliche einzugestehen sich genieren! Noch mehr: selbst jugendliche Gatten, die in Entsagung ihr Herz aus Gottesfurcht abtöten, verzichten, sobald sie Nachkommen empfangen, gar häufig auf jene Werke der Jugend.
44.
[Forts. ] Und was darf uns das von Menschen wundernehmen, wenn selbst Tiere durch die stumme Sprache ihres Verhaltens zu verstehen geben, daß sie der Trieb nach Geschlechtserhaltung, nicht die Gier nach Geschlechtsbefriedigung beseelt? Denn sobald sie einmal merken, daß sie begattet sind und den Samen in ihr Geschlechtsorgan201 aufgenommen haben, frönen sie nicht mehr geschlechtlichem Umgang und ist es nicht mehr sinnliche Lüsternheit, sondern die elterliche Sorge, die sie auf sich nehmen. Die Menschen dagegen kennen keine Rücksicht weder auf das Kind im Leibe noch auf Gott. Ersteres beflecken, letzteres verletzen sie. „Ehe ich dich bildete im Mutterleibe, spricht er, habe ich dich gekannt und im Mutterschoße dich geheiligt"202. Deiner Geilheit wehrend gewahrst du gleichsam die Hand deines Schöpfers, der im Mutterleibe den Menschen bildet. Er schafft darin: und du willst das stille Heiligtum des Mutterleibes durch Wollust schänden? Nimm dir entweder das Tier zum Beispiel, oder aber fürchte Gott! Doch was rede ich von den Tieren? Sogar auch die Erde ruht oftmals aus vom Werke der Fruchterzeugung und straft, wenn ungestüme menschliche Gier sie mit zu häufiger Samenart vergewaltigt, den unverschämten Landmann und kehrt ihre Fruchtbarkeit in Unfruchtbarkeit. So beseelt denn das Natur- wie das Tierreich eine Art natürliche Scham, die ein Abweichen vom Zeugungszweck verhütet.
45.
Mit Recht genierte sich also die heilige Elisabeth über ihre Begnadigung, obwohl sie sich keiner Schuld bewußt war. Denn wenn sie auch vom Manne empfing ― anders über den Ursprung eines Menschen zu denken, wäre ja nicht recht ―, so schämte sie sich doch des Alters, in welchem sie Mutter geworden. Und andernteils freute sie sich, der Schmach ledig zu sein; denn Frauen empfinden es als beschämend, der lohnenden Früchte der Ehe entbehren zu müssen, wenn sie allein aus diesem Grund die Ehe eingegangen hatten. So war denn die Wegnahme dieser Schmach ein Trost (für Elisabeth), ob sie auch mit Beschämung für sie verbunden war, mit jener Beschämung, wie gesagt, die sie wegen des Alters empfand. Es läßt sich daraus ersehen, daß die beiden Gatten nicht mehr den ehelichen Umgang unter sich pflegten; denn ein Weib, das im hohen Alter des Beischlafes sich nicht geschämt hätte, würde auch der Mutterschaft sich nicht geschämt haben; und doch schämt sich Elisabeth der Mutterschaft, solange sie das religiöse Geheimnis nicht kennt.
46.
[Forts. ] Sie, die sich verbarg, da sie einen Sohn empfing, beginnt offen ihre Freude zu bekunden, da sie einem Propheten das Leben geben sollte; die vorher in Scham errötete, bricht in Segensworte aus; die vorher in Zweifeln schwankte, wird gestärkt: „Denn sieh", ruft sie aus, „sobald die Stimme deines Grußes an mein Ohr traf, hüpfte das Kind freudig auf in meinem Schoße"203. Mit lauter Stimme also jubelte sie, sobald sie des Herrn Ankunft merkte, indem sie nun von der religiösen Bedeutung ihrer Geburt überzeugt war. Denn aller Grund zur Scham fiel weg, sobald die Geburt eines Propheten die Beglaubigung erbrachte, daß die Zeugung ihren Grund in einer Gnadengabe, nicht in Begierlichkeit hatte.