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9. Johannes der Täufer, Luk. 3, 1―20

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Das Wort Gottes wirkt im Täufer die Anfänge der Heidenkirche (67). Der Bußprediger Johannes Typus des Gesetzes, des „Heroldes der Kirche“ (68). Schon seine Kleidung aus Kamelhaaren (69), sein Ledergurt (70), seine Nahrung von Heuschrecken (71) und Waldhonig symbolische Hinweise auf die Erlösung der Heidenwelt (72). Johannes „die Stimme“ des Wortes Gottes (73). Seine Strafpredigt, bezw. göttliche Erleuchtung weist vergeblich die Juden auf den rettenden Weg der Buße (74). Den Verdienst- (Nachahmung Abrahams), nicht Geburtsadel (Abstammung von Abraham) sollten die Juden als ihr Vorrecht ansprechen. Die Steine (Luk. 3, 8) die in Sünden verhärteten Heiden (75). Die im Heil fortschreitende Heidenwelt unter dem Bild der Bäume (76). Besondere Standespflichten; die Barmherzigkeit die Pflicht aller (77). Des Täufers Herzenskenntnis ein göttliches Charisma. Auch die Juden bekunden in ihrer Art die Ankunft Christi (78). Des Täufers Bußtaufe nur Ablutionsritus, Christi Gnadentaufe Ablution und Heiligung (79). Christus „der Mächtigere“ schlechthin (80). Als Repräsentant des Judenvolkes spricht der Täufer: „Er muß wachsen, ich abnehmen“. Die Schuhe Christi Symbol der Predigt des Evangeliums (81), die Wurfschaufel Sinnbild der Richtergewalt Christi (82).


67.

[Forts. ] * „Es kam das Wort Gottes über Johannes, den Sohn des Zacharias, in der Wüste"*392. Da der Sohn Gottes darangeht, die Kirche zu gründen, ist er vorerst in seinem Diener wirksam. Darum die zutreffende Bemerkung des heiligen Lukas: „Es kam das Wort Gottes über Johannes, den Sohn des Zacharias, in der Wüste". Nicht von einem Menschen, sondern vom Wort nahm also die Kirche ihren Anfang. Sie ist nämlich das verlassene Land (Wüste): „Denn die Verlassene hat mehr Kinder als die, welche einen Mann hat"393. So ergeht auch an sie das Wort: „Freue dich, Unfruchtbare"394 und „frohlocke, Wüste!"395 Denn noch war sie durch keine Werke des Volkes, das sich sammelte, bebaut. Noch trugen die Bäume, soweit sie Fruchtbäume waren, ihre stolzen Wipfel nicht voll von Verdienstesfrüchten. Noch war keiner da, der sprechen konnte: „Ich aber gleiche einem fruchtbeladenen Ölbaume im Hause des Herrn"396. Noch bot jener himmlische Weinstock397 seinen Rebzweigen keine Früchte aus der Triebkraft seiner Worte. „Da nun kam das Wort", daß die vordem wüste Erde uns Frucht erzeugte. „Es kam das Wort", die Stimme (des Rufenden) folgte; denn erst muß das Wort im Innern wirksam sein, dann folgt der Stimme Dienst. Darum versichert auch David: „Ich habe geglaubt, darum gesprochen"398. Erst glaubte er, um sprechen zu können.


68.

„Es kam aber das Wort", damit der heilige Täufer Johannes Buße predige. Darum erblickt man zumeist im heiligen Johannes einen Typus des Gesetzes, weil das Gesetz die Sünde wohl aufdecken konnte, nicht vergeben konnte399. Denn das Gesetz rief einen, der den Weg der Heiden einschlug, nur zurück, hielt ihn von Verbrechen ab, mahnte ihn zur Buße, um Gnade finden zu können. „Das Gesetz aber und die Propheten reichten bis auf Johannes"400. Johannes aber ist der Herold Christi. So ist das Gesetz der Herold der Kirche und der Bußweg zur Gnade. Eine kurze, zutreffende Wendung des heiligen Lukas: mit den Worten „es sei gekommen über ihn Gottes Wort" erklärt er ihn als Propheten. Anderes fügt er nicht bei. Niemand nämlich, der des Wortes Gottes voll ist, bedarf seinerseits einer Beglaubigung. Mit der Hervorhebung der einen Tatsache erklärt er alles.


69.

[Forts. ] Dagegen wollten ihn der heilige Matthäus und Markus auch auf Grund der Kleidung und des Gürtels sowie der Speise als Propheten erweisen, insofern er „ein Kleid von Kamelhaaren trug und einen ledernen Gürtel über seinen Lenden, seine Speise aber Heuschrecken und Waldhonig waren"401. Der Vorbote Christi wollte nämlich nicht einmal Haut und Haar unreiner Tiere zugrunde gehen lassen; wollte schon mit der Kleidung auf den kommenden Erlöser hinweisen, der das tierische, unseren Mißverdiensten entsprechende, schmutzgewirkte Sündenkleid des unreinen Heidentums an sich nahm, um dann dieses Gewand unseres Fleisches an jenem Triumphbalken des Kreuzes auszuziehen.


70.

Was aber will die Schürzung mit dem Ledergurt anderes sagen, als daß dieses unser Fleisch, das zuvor den Geist schwer zu behindern pflegte, nach der Ankunft des Herrn nicht mehr als hemmende Schleppe, sondern als Gurt dient? Denn nach David „hingen wir unsere Harfen an die Weiden"402 und nach dem Apostel „haben wir kein Vertrauen auf das Fleisch" und „haben wir hinwiederum Vertrauen auf den Leib"403: haben keines auf dessen Lüste, haben eines auf dessen Leiden; denn im Feuer des Geistes soll das Herz sich stählen; zu jeglicher Befolgung der himmlischen Vorschriften sollen wir uns schürzen, auf die Frömmigkeit des Geistes bedacht, und frei von allem Drum und Dran des Leibes.


71.

[Forts. ] Auch die Speise (des Täufers) deutete prophetisch auf sein Amt und kündete eine höhere Wahrheit an. Was wäre denn auch vom Standpunkt menschlicher Berufsarbeit so müßig gewesen, als Heuschrecken suchen? Und doch, was so bedeutungsvoll vom Standpunkt des geheimnisvollen Prophetenberufes? Denn je mehr die Heuschrecken an Frucht nichts, an Nahrung wenig bieten, je mehr sie beim Hintasten entweichen, hüpfend herumirren, mit dem Rüssel404 zirpen, umso passender läßt sich der Zustand des Heidenvolkes mit ihnen vergleichen, das, ohne Nutzen aus seinem Mühen, ohne Frucht aus seinem Wirken zu ziehen, würde- und sprachlos nur Klagelaute ausstieß, das Wort des Lebens nicht kannte. Dieses Volk nun war die Speise des Propheten; denn je zahlreicher das Volk zusammenströmte, um so reichhaltiger ward die Tätigkeit, die des Propheten Mund in steigendem Maße entfaltete. ― Desgleichen stellt der Waldhonig ein Sinnbild der Kirche dar. Nicht im Bienenhaus des Gesetzes, als ein Erzeugnis des Judenvolkes ward sie vorgefunden, sondern in Waldgefilden und Laubgezweigen lebte sie in heidnischer Verirrung zerstreut, wie geschrieben steht: „Wir haben sie in den Waldgefilden gefunden"405.


72.

Und zwar kündigte Johannes mit dem Genuß von Waldhonig die (künftige) Sättigung des Volkes mit dem Honig des Felsens (Christus) an, wie geschrieben steht: „Und vom Fels mit Honig hat er sie gesättigt“406. So haben auch den Elias die Raben mit Speise, die sie draußen fanden, und mit Trank, den sie draußen gewannen407, genährt408. Es sollte dies ein Sinnbild dafür sein, daß das vom schaurigen Schmutze seiner Mißverdienste starrende Heidenvolk, das ehedem seine Speise in moderndem Aase suchte, jetzt nunmehr den Propheten aus seiner Mitte Nahrung beschaffen und darbieten werde. Die Speise der Propheten besteht nämlich in der Erfüllung des göttlichen Willens, wie es der Herr selbst klar ausgesprochen hat mit den Worten: „Meine Speise ist, daß ich den Willen dessen tue, der mich gesendet hat“409.


73.

[Forts. ] * „Die Stimme eines Rufenden in der Wüste"*410. Zutreffend wird Johannes, der Herold des Wortes, „die Stimme" genannt. Er selbst gab ja auf die Frage: „Was sagst du von dir selbst?" die Antwort: „Ich bin die Stimme eines Rufenden in der Wüste"411. Darum auch sein Bekenntnis: „Der nach mir kommt, ist mir voran"412; die Stimme nämlich, das Mindere, kommt zuerst, das Wort, welches das Erhabenere darstellt, folgt. Darum wollte ferner dasselbe von Johannes getauft werden, weil in den Menschen das Wort durch die Stimme des Lehrers geheiligt wird; darum vielleicht erhielt auch Zacharias die Stimme zurück, weil er „die Stimme" (Johannes) zum (schriftlichen) Ausdruck brachte413.


74.

„Natterngeschlecht! Wer hat euch gezeigt dem kommenden Zorne zu entfliehen? Bringt also würdige Früchte der Buße und fangt nicht an zu sagen: Unser Vater ist Abraham! Ich sage euch aber: Gott vermag aus diesen Steinen dem Abraham Kinder zu erwecken"414.

Eine Zurechtweisung zwar erfährt augenscheinlich die Bosheit der Juden, weil sie, vom Gifte sträflicher Gesinnung schillernd, gleich Schlangen schleichen und irdischen Lasterstätten frönen. Indes zeigen die Worte: „Wer hat euch gezeigt dem kommenden Zorne zu entfliehen?" eine durch Gottes Erbarmen ihnen verliehene Einsicht an; darnach sollten sie über ihre Vergehungen Buße tun, indem sie frommen und besorgten Sinnes vor den Schrecken des künftigen Gerichtes sich fürchteten. Auf die Eltern nun, nicht auf die Kinder, hat man den Vergleich mit den Nattern zu beziehen. Oder es soll vielleicht auch entsprechend dem Schriftworte: „Seid klug wie die Schlangen!"415 an deren natürliche Klugheit erinnert werden, wonach sie das, was frommt, wohl sehen und unwillkürlich begehren, gleichwohl aber das, was zum Verderben führt, noch immer nicht aufgeben.


75.

Darum die Warnung an sie, mehr den Ruhm (verdienstvollen) Wirkens als den Adel der Geburt sich beizulegen, weil die Geburt keinerlei Vorrecht in sich schließt, wenn sich damit nicht das Erbe des Glaubens verbindet, dessen Übergang auf die Heidenvölker nach Gottes Willen Johannes mit dem prophetischen Ausspruche offenbarte: „Gott vermag aus diesen Steinen dem Abraham Kinder zu erwecken". Denn wenn auch Gott die verschiedenen Naturdinge verändern und verwandeln kann, darf ich gleichwohl, weil mir ein Geheimnis mehr denn ein Wunder frommt, beim Vorboten Christi an nichts so sehr denken als an den Aufbau der neuerstehenden Kirche, die nicht aus Felsgestein, sondern aus lebendigen Steinen aufgeführt ward und durch Unmwandlung unserer Herzen zur Wohnung Gottes und zum hochragenden Tempel sich erhob416. Es traf Gott Anordnung unsere Herzenshärte zu erweichen und aus Steinen des Anstoßes Diener der Religion zu erwecken. Wofür anders auch hätten jene, welche den Steingötzen dienten, gehalten werden sollen als für Steine, „denen schlechterdings gleich, die sie machten"?417 Der Felsenbrust der Heiden, das sagt also der prophetische Ausspruch, sollte der Glaube eingesenkt werden. Durch den Glauben würden sie, das versichert die Verheißung, Kinder Abrahams, nachdem ihnen durch ihre Herzenshärte ein fühlloses, unvernünftiges Gehaben und Gebahren zur zweiten Natur geworden war. Denn wenn gemäß dem Schriftworte: „Auch ihr werdet als lebendige Steine zum geistigen Tempel gebaut, zu einer heiligen Priesterschaft, um geistige Opfer darzubringen"418, des Apostels Ausspruch die in der Glaubenskraft gefestigten Männer mit lebendigen Steinen vergleicht, mit viel tieferem Grunde scheinen mir an unserer Stelle durch den Mund des Propheten jene Menschen mit Steinen verglichen zu sein, die so sehr alles menschlich-geistige Empfinden eingebüßt hatten, daß sie, während sie das Einwohnen irgendeiner vernünftigen Gottheit in Steingebilden annahmen, selbst zwar nicht leiblich, wohl aber geistig in Steinnatur verkehrt wurden419. „Fürsten von Sodoma"420 und „übertünchte Gräber"421 werden denn auch die Nachkommen Abrahams dem Fleische nach genannt. ― So hat also mehr die sittliche Ähnlichkeit mit den Altvordern als die Abstammung von ihnen ein Geburtsvorrecht anzusprechen.

Noch mehr! Um über den Vergleich der Menschen mit Steinen keinen Zweifel zu belassen, verglich er die Menschen auch mit Bäumen, indem er beisetzte:


76.

„Denn schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gesetzt"422. Der Wechsel im Bilde aber hat seinen Grund darin, daß mit der Fortführung des Vergleiches bereits ein gelinder Fortschritt im Menschen ersichtlich werden soll. Vorher zu ungeschlacht für eine Nutzung, bar an Schmuck, leer an Frucht, geistig unfähig zu Fortschritt, werden die Menschen nunmehr unter dem Bild der Bäume dargestellt, die infolge ihrer zweckmäßigen natürlichen Ausstattung zur Nutzung einladen, herrlich an Anblick, ergiebig an Frucht mit ihren Wipfeln emporstreben, mit ihren Ästen sich breiten, mit Früchten sich voll bedecken, mit Laub sich kleiden. O daß auch wir der Fruchtbäume Gehaben nachahmen könnten! Daß wir bei wachsenden Verdiensten, in langerprobter Demut festgewurzelt, über dem Boden erhaben, herrlich zu schauen, das gereifte Haupt voll fruchtbarer Werke emporrichteten! Daß nicht die Axt des Arbeiters im Evangelium den Wurzelstock des stumpfen Wildlings ausrodete! „Denn wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!"423 ― es ist dies freilich des Apostels Stimme ― Wehe mir, wenn ich die Sünden nicht beweine! Wehe mir, wenn ich nicht „aufstehe um Mitternacht, Dich zu preisen!"424 Wehe mir, wenn ich Trug verübe gegen meinen Nächsten!425 Wehe, wenn ich nicht die Wahrheit sage! Schon liegt die Axt an der Wurzel: es bringe, wer kann, Frucht der Gnade! wer muß, Frucht der Buße! Der Herr ist da, nach der Frucht sich umzusehen, den Fruchtbringenden Leben zu geben, an die Unfruchtbaren Hand anzulegen. Drei Jahre sind es, daß er kommt, ohne eine Frucht an den Juden finden zu können. O daß er sie an uns fände! Schon droht er mit dem Befehle, die unfruchtbaren Bäume zu fällen, daß sie nicht weiter die Erde belasten. Möchten indes diejenigen, die bisher keine Frucht trugen, es versuchen, in Zukunft solche zu bringen! Jener gute Gärtner wird für uns Unfruchtbare, für uns Unnütze Fürsprache einlegen, daß noch Zeit gewährt, Langmut geübt werde, ob nicht auch wir vielleicht einige Frucht Gott zu bringen vermöchten426.


77.

Jedem Stande gab sodann der heilige Täufer (auf dessen Frage) die für ihn zweckdienliche Antwort427, doch* eine* Antwort allen gemeinsam: so den Zöllnern, daß sie nichts über die festgesetzte Gebühr einforderten; den Kriegsleuten, daß sie nicht Unbill verübten, nicht Freibeuterei trieben, indem er ihnen einschärfte, daß eben deshalb der Kriegssold eingeführt sei, daß nicht bei der Beschaffung des Lebensunterhaltes der Freibeuter herumzöge. Doch diese und andere Standeslehren galten den einzelnen im besonderen, die Barmherzigkeit ist eine gemeinnützige Tugend, darum ein gemeinverbindliches Gebot: alle Stände, jedes Alter bedürfen ihrer; von allen muß sie geübt werden. Nicht der Zöllner, nicht der Krieger ist ausgenommen, nicht der Landmann oder der Städter, der Reiche und der Arme; allen wird gemeinsam die Mahnung eingeschärft dem Nichtbesitzenden mitzuteilen. Denn die Barmherzigkeit ist der Inbegriff der Tugenden. Darum ward allen als das vollendete Tugendideal die Forderung vorgesetzt, selbst ihrer Kleider und ihrer Nahrung nicht zu schonen. Doch hat auch die Barmherzigkeit in der jeweiligen Leistungsfähigkeit und Lage des Menschen ihr Maß, so daß einer nicht des ganzen Besitzes sich berauben, sondern nur seine Habe mit dem Armen teilen soll.


78.

„Da aber das Volk der Meinung war und in seinem Herzen von Johannes dachte, ob er nicht etwa selbst der Christus sei, so antwortete Johannes und sprach: Ich nun taufe euch mit Wasser in Buße"428. Es sah sonach Johannes das Verborgene des Herzens. Doch laßt uns erwägen, wessen diese Gnade war! Wie den Propheten das Verborgene des Herzens kund wird, das zeigte Paulus mit den Worten: „Das Verborgene seines Herzens wird offenbar und so wird er niederfallend auf sein Angesicht Gott anbeten und verkünden, daß Gott wahrhaft in euch ist"429. Gottes Gabe also ist es: er gibt die Offenbarung; nicht die Leistung des Menschen: dieser verdankt sie mehr der Hilfe des göttlichen Wohltuns als dem natürlichen Sehvermögen. Worauf anders aber geht jenes Meinen der Juden hinaus als auf eine Bestätigung, daß Christus gemäß der Schrift bereits erschienen ist? Denn ihn erwartete man; und er doch, den man erwartete, nicht einer, den man nicht erwartete, erschien. Was aber wäre ungereimter als einen, den man in einem anderen (im Täufer) vermutet, nicht lieber in eigener Person existierend anzunehmen? Sie glaubten wohl, daß er durch eine Vermählte erscheinen werde; daß er durch eine Jungfrau erschienen ist, das glaubten sie nicht. Welche menschliche Geburt nun wäre Gottes würdiger gewesen als jene, wonach der makellose Gottessohn auch bei seiner Menschwerdung die Reinheit makellosen Ursprunges wahrte? Und tatsächlich ward auch in die Geburt der Jungfrau, nicht einer Vermählten das Zeichen für Gottes Ankunft festgesetzt430.


79.

„Ich taufe euch mit Wasser". Schnell erbrachte er den Beweis, daß er nicht Christus sei, indem er nur des sichtbaren Amtes walte. Da nämlich der Mensch aus zwei Naturen, d. i. aus Seele und Leib besteht, wird das Sichtbare an ihm durch sichtbare Elemente, das Unsichtbare durch das unsichtbare Sakrament geheiligt: mit Wasser wird der Leib abgewaschen, mit dem Geiste der Seele Sünden gereinigt. Etwas anderes bezweckt unsere Handlung, etwas anderes unsere Anrufung, obschon auch im Taufwasser selbst der Hauch der göttlichen Heiligung weht. Denn das Wasser ist hier nicht bloßes Abwaschungselement; vielmehr läßt sich beides431 nicht voneinander trennen. Darum war auch die Bußtaufe verschieden von der Gnadentaufe: letztere besteht aus beiden Elementen, erstere nur aus einem. Da nämlich die Sünden Geist und Leib gemeinsam sind, mußte auch die Reinigung auf beide gemeinsam sich erstrecken. Und mit gutem Grund gab der heilige Johannes, indem er ihnen sein Wissen um die Gedanken des Herzens merken ließ und ihre Anfeindung seiner (vermeintlichen Messias-) Hoheit, als ob er sie nicht gemerkt hätte, ignorierte, nicht im Wort, sondern in der Tat klar zu verstehen, daß er nicht der Christus sei. Denn des Menschen Werk ist es, über die Sünden Buße zu tun, Gottes Gabe ist es, die Gnade des Sakramentes zu setzen.


80.

[Forts. ] * „Es kommt aber der Mächtigere vor mir"*432. Er stellte damit keinen Vergleich an, als wollte er sagen, Christus übertreffe ihn an Größe ― denn zwischen Gottessohn und Mensch war ein Vergleich überhaupt ausgeschlossen ― sondern weil es viele Mächtige gibt (sprach er so). Auch der Teufel ist ein Mächtiger. „Niemand nämlich kann das Hausgerät des Mächtigen rauben, wenn er nicht zuvor den Mächtigen bindet"433. So gibt es denn viele Mächtige, doch „der Mächtigere" ist niemand außer Christus. So wenig stellte er denn auch einen Vergleich an, daß er beifügte: „dem ich nicht wert bin, die Schuhriemen aufzulösen"434 ― ein Hinweis auf die Übertragung des Predigtamtes des Evangeliums an die Apostel, die für das Evangelium beschuht wurden435.


81.

Gleichwohl aber scheint er deshalb so zu sprechen, weil Johannes vielfach das jüdische Volk repräsentierte. Hierauf bezieht man darum seine Worte: „Er muß wachsen, ich abnehmen"436. Das Judenvolk nämlich mußte abnehmen, das christliche Volk in Christus wachsen. So vertrat auch Moses das Volk. Doch auch er trug nicht (gleich den Aposteln) des Herrn Schuhe, sondern nur die seiner Füße; und auch dieses (das Volk) war beschuht, vielleicht nicht mit den Schuhen an den eigenen Füßen437. Jener indes erhält den Befehl, die Schuhe an seinen Füßen zu lösen438, damit Herz und Geist, der Fessel leiblicher Bande ledig, den Schritt auf geistigen Pfad lenkten. Die Apostel aber hatten wohl die physischen Schuhe abgelegt, da sie ausgesendet wurden ohne Schuhe, ohne Stab, ohne Tasche, ohne Gürtel439, aber sie trugen nicht ohne weiteres schon des Herrn Schuhe. Vielleicht fingen sie erst nach der Auferstehung an, sie zu tragen; vorher wurden sie ja angewiesen, niemanden die Taten des Herrn zu erzählen440. Erst später erhielten sie den Auftrag: „Gehet hin über den ganzen Erdkreis und prediget das Evangelium!"441 Auf dem Wege der Predigt des Evangeliums fortschreitend sollten sie rings auf dem ganzen Erdkreise die Kunde von des Herrn Taten verbreiten. So bedeutet also der bräutliche Schuh442 die Predigt des Evangeliums. Doch hierüber werden wir uns passender anderswo443 etwas verbreiten.


82.

„Dieser wird euch im Heiligen Geiste und Feuer taufen. Er hat die Wurfschaufel in der Hand und wird seine Tenne reinigen. Den Weizen wird er in seine Scheune sammeln, die Spreu aber verbrennen mit unauslöschlichem Feuer"444. „Er hat die Wurfschaufel in der Hand." Das Symbol der Wurfschaufel deutet klar an, daß der Herr das Recht hat, über Verdienst und Mißverdienst zu entscheiden; denn während der Weizen auf der Tenne geworfelt wird, scheiden sich, wie an der Luft gewogen, die vollen Körner von den leeren, die Frucht von der Spreu. So zeigt uns dieser Vergleich, wie der Herr am Tage des Gerichtes die Verdienste und Früchte echter Tugend von der tauben, leichten Spreu eitler Prahlerei und kümmerlicher Werke aussondert, indem er nur die Menschen mit vollkommenerem Tugendverdienste in die himmlische Wohnung aufnehmen wird. Eine vollkommenere Frucht nämlich ist nur die, welche das Verdienst der Gleichförmigkeit mit jenem aufweist, der wie ein Weizenkorn zur Erde fiel445, um tausendfältige Früchte in uns zu bringen; der, ohne Spreu befunden, kein Freund leeren Verdienstes ist. Darum „wird Feuer vor ihm lodern"446, seiner Natur nach kein Straffeuer; denn es wird wohl die Übeltaten der Ungerechtigkeit ausbrennen, den Glanz der Gerechtigkeit aber erhöhen.

Das Evangelium nach Lukas

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